Kurt Zundknapp: Meine Hose schaut micht an

Immer wenn mich meine Hose anschaut, denke ich, was schaut mich meine Hose an? Was denkt sie wohl, wenn sie mir ins Gesicht sieht? Ich betrachte die schmalen Streifen auf meiner Hose und denke: Was für eine elegante Hose! Diese Rillen zeugen von Struktur, von Geradlinigkeit, von Harmonie, vom Einssein mit dem Tuch und mit der ganzen Welt sogar.
Was mag sie sehen? Meine Rillen vor der Stirn, die sich eher unregelmäßige in die Haut gefräst haben, die unendliche Geschichten erzählen könnten, weil sie meinem Kopf Sorgen bereitet haben.
Aber dann denke ich: Darf eine Hose überhaupt nachdenken über das Gesicht ihres Besitzers? Darf sie sich praktisch erheben über ihn und ihn bewerten? Ist das, was ich als Struktur und Geradlinigkeit bezeichnet habe, nicht eher Arroganz?
Und dann erscheint mir ihr Blick so leer, so durch und durch augenlos, so als habe man meiner Hose eine Brille aufgesetzt, um zu suggerieren, sie könne sehen. Und denken? Zum sich Erheben und Bewerten gehört das Denken! Da, wo ich das Gehirn der Hose vermute, nämlich etwas oberhalb der Brille und unterhalb des Stoffes, da sitzt mein Oberschenkel und bestenfalls das Knie. Und die denken nicht. Die sind aus Fleisch und Knochen. Der Oberschenkel ist einfach da, sorglos und unbekümmert. Das Knie ist kompliziert, ein schwieriges Gelenk, aber denken kann es nicht.
Ich sollte mir vielleicht doch nicht so viele Gedanken um meine Hose machen.
Allein schon wegen der Rillen auf der Stirn.