Typberatung: Blöd aussehen

Man kann noch so blöd aussehen, das macht überhaupt nichts, wenn man genügend Leute findet, die auch blöd aussehen. Denn, wie jedes Kind im Kindergarten weiß, die Menge bestimmt, was in ist. Wir Menschen sind nur nicht häßlich, weil wir so viele sind. Eine Schnecke mit einem chicen Haus auf dem Rücken hält uns Zweibeiner wahrscheinlich für Horrorgestalten; der Hund findet uns nur schön und klefft fröhlich, weil wir ihm sein Futter aus der Dose prokeln. In Wirklichkeit bellt er sich innerlich: Blöde Fratze!
Gut beraten ist der, der unter Seinesgleichen bleibt. Der Einbeinige sollte bei den Einbeinigen bleiben, der Einohrige bei den Einohrigen und der Ganzkörperbehaarte bei den Ganzkörperbehaarten oder Affen. Zauselgesichter sind unter Zauselgesichtern kaum noch hässlich, differenziert man die Zauselgesichter, dann ist es sogar möglich, eine Rangliste von etwasschön bis grottenhässlich aufzustellen. Wie schön, wenn man auf den vorderen Plätzen liegt; mit dem Gesicht wäre man in der Katergorie "blondaberblöd" auf Platz 64 von 70 geraten, allerdings nur, weil noch ein paar Oberlippengepiercte mitgemacht haben und auf den letzten Plätzen liegen. Lieber unter den Dummen der Schlauste, als unter den Schlauen der Dümmste, sagt schon der Volksmund.
Besonders engagierte Schönheitsfreaks stellen sich immer in die nächsthässlichere Katergorie: Das Schafsgesicht weilt unter dem Schweinbackengesicht und wird Nummer eins; die Rübennase mischt sich unter Kartoffelnasen und wird schnell den Ruf genießen, einen guten Riecher zu haben. Mit etwas Kreativität kann jede lebendige Scheusslichkeit noch zu einem erfüllten Leben kommen. Also: Schönsein ist gar nicht so schwer. Alles eine Frage der Perspektive.

Treu - Ein Wort wird missbraucht


Wie lange ist das Wort treu hochgehalten worden? Ein Wert, der heute in Zeiten von Seitensprung und Nachmittagstalkshows für Schwachbegeisterte gar nicht verstanden wird. Wie jetzt, treu? Du kuckst so treu, kommt gerade noch über die Hirnlappen, oder treuer Hund, als Assoziation, die im Nebligen bleibt, weil nicht recht verstanden. Treu sein, Treue - das sind doch vergessene Eigenschaften. Der Mann, der seiner Frau treu ist, oder wenigstens der Geliebten, die er neben seiner Frau hat, die Frau, der der Gatte bis in den Tod hinein der einzige bleibt, der Ritter, der für seinen König stirbt, alles verschwundene Gestalten, alles Schnee vom letzten Jahr. Das will keiner mehr hören, daran will sich keiner mehr erinnern. Nicht mal sich selbst können die Menschen treu sein, weil sie so wenig von sich wissen, und weil sie bisher so wenig entdeckt haben, woran sie festhalten könnten. Ein sinnentleertes Wort hat seine Aufgabe verloren, seine Bestimmung eingebüßt - und muss für Billiges herhalten. Heute finden wir das schöne Wort treu in profanen Nomen wie Salzstreuer, Streugut, Lohnstreuerjahresausgleich und bei Menschen mit Rechtschreibschwächen in den Wörtern Treume, Weintreuben und treuhundertvier. Wie sagt der Klassiker? Meiner Treu, was für Zeiten!

Augen, Schuh und durch!


Hach, ich achte auf die Hände eines Mannes, da kann der ruhig etwas dicker sein, wenn er schöne Hände hat, hört man manche einsame Frau sagen, die ihre Ansprüche bereits reduziert hat, weil es selbst über das Internet noch keinen Kontakt gegeben hat. Schöne Hände entschuldigen alles. Und die Männer? Untersuchungen haben ergeben, dass Männer ständig an den primären und sekundären Gechlechtsmerkmalen herumsuchen; der Charakter der Frau spielt eine untergeordnete Rolle, weshalb die meisten Beziehung zum Scheitern verurteilt sind. Dabei war das mal anders: Im Mittelalter, als arme Leute noch in Holzschuhen oder barfuß durch die matschigen Straßen gehen mussten, war ein solider Lederstiefel weit mehr beziehungsstiftend als schöne Hände oder ausladende Geschlechtsmerkmale. Nobles Schuhwerk war ein Kennzeichen des Reichtums, und bekanntlich macht Reichtum schön. Die Regenbogenpresse hält umfangreiches Bildmaterial bereit. Der arme Schlucker trinkt sich die Beziehung schön und macht das Licht aus; der Reiche kann im Flutlicht stehen und trotzdem als schön gelten. Wenigstens gaukeln ihm das die vor, die an seinem Goldschatz partizipieren wollen. So ändert sich auch die Ästhetik nach und nach, sie passt sich den Gepflogenheiten an und gilt nicht mehr als absolut: Reich und hässlich ergibt schön, wohingegen arm und hässlich immer noch hässlich bleibt. Da heißt es : Sparen und reich werden!

Bildbetrachtung: Vincent van Eijnoor - Zähne zeigen

"Den Mund öffnen, die Zähne fletschen, grimmig knurren, blecken das Gebiss, geifern, speicheln, lechzen, knirschen, die Zunge prüft die Schärfe der Reißzähne, da hat niemand was zu lachen, wenn er dieses Gebiss sieht, angesteinflößend, selbst ein Witz kann dieses beinerne Mordwerkzeug nicht in ein friedliches Salatmahlwerk umwidmen. Und immer ein bisschen traurig. Denn der Held ist einsam, der, den man fürchtet, hat keine Freunde, nur Menschen, die kuschen. "(V.v.Eijnoor: Meine Bilder, Amsterdam 1973, S. 409)
Wie wichtig sind uns die Zähne des Mitmenschen? Was will uns eine Progenie sagen? Was wir in uns zum Schwingen gebracht, wenn wir in den Ecken des Gebisses Reste von Kautabak entdecken und glauben, es handele sich um ein Endstadium von Karies? Weiße und ebenmäßige Zähne sind ein Ausdruck von Gesundheit, von Kraft. Dieser Mensch hat Biss. Da sehen wir die schiefen Stummel, in denen die Currywurst vom Vortage verwest. Ekel überkommt uns. Vorturteile? Sind wir nicht ungerecht gegenüber Menschen, die sich weder Zahnarzt noch Zahnbürste leisten können? Geschieht hier nicht über eine von den Medien propagierte Zahnästhetik soziale Selektion? Von allem unberührt der Zahnarzt: Er setzt den Bohrer an, da wo es nötig ist und sorgt letztlich für sozialen Ausgleich, für den Abbau von Vorurteilen, selbst wenn er dies aus eigennützigen, pekuniären Moztiven tut. Auch wenn wir ihm den Porsche neiden, so denken wir doch bitteschön auch an das soziale Element in der Dentistenpraxis.

Günther Krass: Erinnerungen (1) - 1959

Uwe Schmiegler war ein Angeber. Er war ein Jahr älter als ich, und zwei älter als Fiete, der nicht mein Freund sein durfte, weil er schon mein Cousin war. Uwe Schmiegler ging in die erste Klasse der Volksschule und musste jeden Morgen an unseren Häusern vorbei. Er gab mit seinen, wahrscheinlich noch geringen, Lese-, Rechen- und Schreibfähigkeiten an und wirkte auf uns unheimlich alt. Zwischen ihm und uns mussten Welten, ganze Zeitalter liegen. Damals wurde mir schon bewusst, welche Macht Bildung darstellte und wie unterlegen der Ungebildete war. Wir Unwissenden waren gezwungen, noch ein halbes Jahr, Fiete sogar anderthalb, zu warten; und selbst dann würden wir immer dem großmäuligen Uwe Schmiegler hinterherlernen; unerreichbar würde er die gesamte Schulzeit einen nicht aufholbaren Vorsprung behalten. Es sei denn, er bliebe sitzen und müsste die Klasse wiederholen. Daran mochten wir nicht denken, denn dann wäre er vielleicht in meiner Klasse gelandet. "He, Schmiege!", riefen wir ihn an. Wir lagen hinter der Ligusterhecke, hatten sicheren Abstand und Lust, Schmiegler zu verwirren. Schmiege, das war ein Gerät, das Tischler brauchten; die genaue Bedeutung kannten wir nicht, aber der Begriff war geeignet, Schmiegler zu degradieren, indem wir ihn zweier Buchstaben beraubten und mit den Überresten seines Nachnamens ansprachen. "He, Schmiege!", wiederholten wir. "Schmiege, alte Ziege!", setzten wir nach. Schmiegler blickte sich um, schaute nach rechts, nach links, was blöd genug war, denn dort begfand sich nur ein großes Steckrübenfeld; er sah uns nicht. "Schmiege, Ziege, Fliege!", skandierte wir. Wir ahnten Schmieglers Zähneknirschen, seine Wut, trotz seines Bildungsvorsprungs, die Verursacher der Beleidigungen nicht zu entdecken und die Vergehen ungesühnt lassen zu müssen. Sowieso lief seine Zeit; die erste Stunde würde beginnen, mit ihm oder ohne ihn; zu Zeiten, als der Rohstock noch regierte, war es äußerst riskant, eine Verspätung in Kauf zu nehmen. Je nach Laune des Unterrichtenden konnte ein mildes, verstehendes Lächeln die Konsequenz sein, oder aber ein angeschnittener Schlag mit dünnem Peddigrohr, das die Korbflechterei neben der Schule regelmäßig lieferte. "Ratten!", zischte Schmiegler vor sich hin. "Ich kriege euch noch!" Wir hinter der Ligusterhecke waren zufrieden; Schmiegler würde vor Zorn nicht richtig rechnen und auch nicht sauber schreiben können. Morgen würden wir ihn mit einem Küchenmesser bedrohen, um festzustellen, wie sein Fähigkeiten im Kurzstreckenlauf waren. Erst mal galt es, den Tag ohne lästiges Lernen und ohne quälende Hausaufgaben an der frischen Luft in Gräben und auf Wiesen zu genießen.

Georg Krakl: Bei den Grünen zu Hause


Der grüne Mann ist heute blau.
Die Frau, im Grunde grün,
verfärbt zum Grau.
Das Kind, das in der Ecke steht, hat nichts zu tün.
Vor Zorn, da wird es rot.
Die Frau kommt jetzt in Not.
Dem Grünen wird wohl schlecht.
Der Sachverhalt ist allen recht.
(Die Diskussion entspinnt sich dann über die Bedeutung des Wortes Bündnis 90:
Also, Grün ist mir zu einfarbig, meint der Mann, ich habe immer Büntnis 90 gewählt.
Wie kannst du das denn unterscheiden?, fragt die Frau.
Na ja, ich dachte, Büntnis 90 wäre so eine Ansammlung von buntschillernden Personen, die Farbe in die Welt bringen?
Das verstehe ich nicht, wendet die Frau ein.
Naja, erläutert der Mann und versucht nicht zu lallen, weil Büntnis doch von Büntstifte kommt....
Hä, wundert sich die Frau, was haben denn Büntstifte mit der farbigen Welt zu tun?
Keine Ahnung, erwidert der Mann, habe ich auch nur gedacht.
Das Kind schweigt und spielt Gameboy.
Das ist ja wohl ein Schreibfehler, sagt jetzt die Frau.
Das kann man aber nicht hören, un der Mann.
Das Kind schweigt. Es ist Legastheniker.
Eben, jetzt der Mann.
Dann hast du aufgrund mangelnder Rechtschreibfähigkeiten falsch gewählt?, fragt die Frau.
Nicht immer, erwidert der Mann, früher habe ich FDP gewählt.
Ach, du Scheiße, jetzt die Frau.
Eben, nun der Mann.
Das Kind schweigt, spielt und beschließt, nie ins Wahlalter zu kommen.)

Schulinspektion - Qualitätsanalyse (Teil 6): Taschen - Der Rollator

Oberinspektor Terrick berichtet:
Der Rollatorzieher hat eine gebremste Aggressivität. Er hält nicht wie der Rucksackträger seine scheinbare Last dem Nachfolgenden unter die Nase, sondern zieht einem Maultier gleich, einen koffer-oder sackartigen Behälter auf Rädern hinter sich her, um auszudrücken: Ich habe es getragen 7 (wahlweise 17, 27 ...) Jahre, und ich kann es nicht tragen mehr... Jetzt ziehe ich mein Päckchen, mein Paket, hinter mir her. Es beibt mir keine Kraft, ich bin gebeugt von der Erlasslage, von schlechter Bezahlung und schlechtem Ansehen; beor ich mir aber ein "burnt out"-Schild anhefte, stelle, bzw. rolle ich meine Not zur Schau. Jeder soll sehen, was los ist.

Gerade ältere Kolleginnen und Kollegen machen auf ihr Los aufmerksam und wollen sich einen Mitleidbonus errollen. Ihr Anhängsel ist eher aus weichem Material, der Griff zum Ziehen ergonomisch geformt und die Räder bestehen aus weichem Gummi, das kaum Geräusche macht.

Daneben zieht der eher dynamische, junge Kollege seine lauten Bahnen durch die Schulstraße, Hartgummiräder rattern über die Fugen des verfliesten Bodens; auf dem Fahrgestell ein mächtiger Koffer, dem man einen Rauminhalt von einem halben Kubikmeter zutraut.
Ich kann's nicht schaffen, vermittelt der Kollege, aber ich tu's. Ich bin der wahre Held der Pädagogik; egal, was mir aufgebürdet wird, ich bewege die Last, wenn nicht auf dem Rücken, dann mit meinem Anhänger. Die bescheidene Demonstration des Soft-Rollators weicht hier der selbstbewussten, fast schon arroganten.

Vorsicht ist bei beiden Typen geboten: Will man den Weg eines Rollatorziehenden kreuzen, so sollte man dies vor ihnen tun, selbst wenn die Vorfahrtsregel gebietet: Erst ziehen lassen, dann selber gehen. Kreuzt man den Weg hinter einem Lehrwilligen mit Anhänger, besteht die Gefahr, über den Lastenträger zu stolpern und zu stürzen. Unterschwellig ist das die Absicht der Benannten; ihre verborgene Aggressivität kommt hier zum Ausdruck. Ist der Kollege oder die Kollegin zu Fall gebracht, entlastet das den Rollwagenzieher. Es gibt noch jemanden am Institut, auf den man herabschauen kann und kann durch gespielte Hilfsbereitschaft auch noch in die Rolle des guten Menschen schlüpfen. Subtile Machenschaften an deutschen Schulen. Obacht, Herr Inspektor!

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Bewegungsmeldermeditation

Wie groß muss die Sehnsucht nach Entspannung und Ruhe sein, dass sich gestresste Menschen oder solche, die kurz vor Untergang des New Age noch einen finanziellen Schnitt machen wollen, immer neue Methoden überlegen, das Althergebrachte in neuem Kleid an den Mann und die Frau zu bringen? Anstatt sich still in eine Ecke zu setzen, werden kostspielige Seminare angeboten, dazu passende Kleidung und allerlei Zubehör, wie Meditationshocker, Klangschalen, Aromaflöten und Ohrkerzen. Dabei ist es so einfach, auch einmal ungewöhnlich zu meditieren. Ein neuer Trend, diesmal nicht aus dem Amerikanischen über den Ozean geschwappt, sondern aus dem Bereich der Klein- und Mittelschwerkriminellen gekommen, wirkt Begeisterung bei den immer zahlreicher werdenden Anhängern: Die Bewegungsmeldermeditation. Wer ein solches Gerät besitzt, das auf eine kleine Bewegung hin die Hofeinfahrt oder den Garten beleuchtet, sollte sich für größere Aufgaben gut vorbereiten. Entscheidend ist nach der Erleuchtung solange bewegungslos zu verharren, bis das Licht erlischt. In diesem Verharren bleiben und eine möglichst lange Zeit bei völliger Dunkelheit an Nichts denken. Wer das Grauen des Morgens erlebt, ist der wahre Meister. Das Warten im Dunkeln, etwa in der Kranich-Stellung, fördert unbedingt den Gleichgewichtssinn und damit die äußere und innere Ausgewogenheit. Ein Müdigkeitsgefühl sollte sich am nächsten Tag nicht einstellen, denn die tiefe Meditation ist erholsamer als traumdurchwirkter Schlaf, in dem die meisten nur weiter ihrer Arbeit nachgehen oder einem unerreichbaren Sexualpartner hinterherhecheln.
Wer die Oberklasse erreichen will, sollte nicht mehr den eigenen Bewegungsmelder zur Meditation benutzen, sondern den der Nachbarn, den in wohlhabenden Wohnvierteln oder den auf Fabrikgeländen, besonders der Pharmaindustrie, die ihr Gelände häufig durch bewaffnete Dunkelbekleidete bewachen lässt.
Nachdem die Nachbarn das wundersame Tun des Meditierenden bemerkt haben und seit Tagen nicht mehr grüßen, kann sich der Erfahrungsuchende an wohlhabende Wohngegenden wagen. Hier wird häufig auch die ganze Straße beleuchtet, um möglichst frühzeitig ungebetenen Besuch zu verschrecken. In diesem Umfeld zu meditieren erfordert Gelassenheit und vollkommene Ruhe. Das Herumstehen auf dem Bürgersteig in der Fang-die-Sterne-Stellung, anfangs im Licht natürlich, kann schon mal ein kleines Polizeiaufgebot herbeizitieren, vielleicht sogar den gewöhnlich sehr friedlichen Kampfhund abketten. Da heißt es still stehen. Da heißt es, sich bewähren. Ist das wirklich Ruhe, die in uns ist? Jetzt den Feueratem auszustoßen kann kein guter Rat sein. Hoffen wir, dass Ordnungshüter und Wachbeller sich mit der Bewegungsglosigkeit zufrieden geben, und dem Meditierenden nur gemeinnützige Absichten unterstellen.
Aus solchen Situationen kann der Übende Kraft schöpfen für die große Aufgabe: Fabrikgelände mit Bewachnung. Der blauberockte Waffenträger will gern mal seine Autoriät zeigen, seinen Schlagstock einsetzen oder die Schusswaffe ziehen. Wenigstens mal richtig losbrüllen will er, denn er steht unter Spannung, weil irgendetwas losgehen könnte, aber nicht losgeht. Adrenalinstau. Das macht den Wachmann gefährlich und unberechenbar. Die tiefe Ruhe im Meditierenden muss sich auf den Sicherheitsmann übertragen, um eine Chance zu behalten, die Meditation sinnbringend zu beenden. Nur wahre Meister bringen das.
Schließlich kann die Meisterschaft vervollkommnet werden auf einer Exkursion nach Afrika. Dort werden Fabrik- und Forschungsgelände abgeschottet und von einheimischen Wachmännern, die mit vergiftetem Pfeil und Bogen arbeiten, versorgt, die jeden, der innerhalb des Geländes herumgeht(!) ,anschießen. Manchmal treffen sie nicht, weil das Ziel sich zu schnell bewegt. Hier die Ruhe zu bewahren und auf den Wachmann auszuströmen und seinen Schuss zu verhindern oder abzulenken, ist die Meisterschaft, wird aber mit dem Leben danach belohnt.
Kann eine Meditation vielschichtiger sein?

(Die afrikanische Wachmanngeschichte kann man nachsehen in dem Film "Darwin's Nightmare", einem Dokumentarfilm über die Ausbeutung der Menschen in Westtansania am Viktoriasee. In diesen See setzten Wissenschaftler den Nilbarsch, der seitdem fast alle anderen Tier- und Fischarten weggefressen hat. Die Bevölkerung lebt in bitterster Armut und ist vollkommen abhängig von der Fischindustrie. )

Zeit zu warten: Beim Arzt

Wann hatte ich den Termin noch mal? Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass bereits eine Stunde verstrichen ist. Eine Stunde Sitzen im Wartezimmer. Wegen Genickstarre ist Lesen nicht möglich, Sitzen ist schmerzhaft aus gleichem Grund, dabei hatte ich doch der Dame am Telefon gesagt, dass mein Fall akut sei, schmerzhaft; zeitlich sei ich sowieso immer knapp. Kommen Sie doch so um acht. Fünf vor war ich da. Momentchen noch im Wartezimmer? Die Frage guckt fast durch mich hindurch. Momentchen noch im Wartezimmer? Wer jetzt? Ich? Und was jetzt? Warten? Ich habe doch einen Termin, extra um nicht zu warten. Momentchen noch, das klingt nach Viertelstündchen beim Zahnarzt, was letztlich 80 Minuten bedeutet. Wie lang ist ihr Momentchen?, versuche ich rauszufinden. Dauert nicht lange. Aha. Alles ist relativ. Genickstarre mit Schmerzen auf einem kurzlehnigen Plastikstuhl mit Kunstlederpolsterung - das ist nicht schön. Ich bewege mich wie eine Schildkröte. Das passt gut, denn für eine Schuldkröte ist ein Tag wie eine Viertelstunde, ein halber Tag ein Momentchen und eine Stunde vergeht im Fluge. Schildkröten können nicht fliegen. Das Wartezimmer ist nicht einmal voll. Drei andere Personen sitzen schweigend da, lesen oder starren an die weiße Raufasertapete. Ich starre an den Boden, weil ich nicht lesen kann. Das tut weh. Ich betrachte einen Prospekt aus der Ferne, dann den hässlichen Trinkbecher einer wartenden Frau, die in einem etwa 700 Seiten dickem Taschenbuch liest und gelegentlich kichert. Sie lacht darüber, denke ich, dass ich kein Buch dabei habe, um die Wartezeit bis zum Arztkontakt zu überbrücken. Die Frau hat Getränke und Speisen dabei und ein Buch, für das ich eine Ferienwoche brauche. Was ist in dieser Praxis los? Nach 30 Minuten hat weder jemand das Wartezimmer betreten, noch verlassen. Jetzt! Eine Frau kommt rein und nimmt zwei Lesemappenzeitschriften mit; wahrscheinlich kalkuliert sie eine Zeit von ca. 2 Stunden, das ist nicht viel, will man beide Hefte durchbekommen. Aber warum bleibt sie nicht im Wartezimmer, und wo kommt sie überhaupt her?Ich will drankommen. Draußen immer wieder Telefonate, Gespräche, Frau Dings, Herr Bums, Frau Sowieso, gehen Sie schon mal durch. Durchgehen! Das hat mir keiner gesagt. Momentchen noch ins Wartezimmer, war die Parole. Momentchen. Zwei Minuten habe ich kalkuliert. Warum geht es draußen weiter, hier drinnen aber nicht? Ich betrachte eine Vitrine mit altem Arztwerkzeug, Zangen, Klammern, Riesenspritzen. Draußen an der Rezeption geht das Leben weiter, hier stagniert alles, als seien wir auf ein Abstellgleis geschoben. Der Mann neben mir steht auf, will wohl zur Toilette. Oder ist Hellseher. Ich wollte sie gerade holen!, tönt es vom Tresen. Haha!Guter Witz!, lache ich in mich hinein. Ich wollte Sie gerade holen! Wenn der nicht aufgestanden wäre, würde der morgen wieder in der Warteschleife sitzen, oder immer noch. Oder verschimmeln. Und der ist noch vor mir dran! Ich gehe zum Klo. Gucke vorwurfsvoll und schmerzverzerrt zur Arzthelferin, die aber betriebsam in Unterlagen wühlt. Ich schließe die Klotür geräuschvoll und pinkle aus Protest im Stehen. Zurück im Wartezimmer nehme ich mir vor, die Schuhe der anderen Wartenden einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Alle weiteren Objekte des schlicht möblierten Raumes habe ich schon durch. Mit leisem Stöhnen setze ich mich. Die Leidensgenossen sind in ihre Lektüren vertieft. Die Tür geht auf. Herr Rennemann, das bin ich, und Frau Obert, das ist die Dickbuchleserin, bitte gehen Sie schon mal durch. Zwei auf einmal! Jetzt geht's aber richtig los! Wir können durchgehen, das heißt, bis zum Kontakt mit dem Heiler sind es nur noch etwa 20 Minuten, denn der muss sich erst durch die anderen Sprechzimmer arbeiten, in denen Leute sitzen, die von vornherein durchgehen konnten oder noch von gestern da sitzen. Geschafft. Der Rest ist Nebensache. Ich denke nach, bis der Arzt kommt: Warum bestellt mich die Telefondame nicht einfach eine Stunde später? Dann müsste ich zwar immer noch zwanzig Minuten warten, aber das wäre doch ökonomischer; da würde ich Lebenszeit sparen und könnte zu Hause schon gut ein Stück teilgenesen.

Meine Gedanken werden abrupt unterbrochen: Der Medizinmann drückt mir die Hand. Wo drückt's denn? Die Behandlung dauert nur einen Bruchteil der Wartezeit, und das ist gut, denn ich bin ja zeitlich immer etwas knapp.

Ich beschließe, das nächste Mal eine Stunde eher anzurufen und dann eine Stunde später hinzufahren. Schade, dass um sieben noch keiner ans Telefon gehen wird. Schade auch, dass die Wartezeit erst nach Betreten der Praxis läuft, egal wann der Anruf war, völlig egal, wann ich einen Termin habe, überhaupt vollkommen egal, wann ich losgefahren bin.

Frühling im ordentlichen Garten

Nanu, denkt der Gartenliebhaber, sogar die schwarze Folie treibt und wächst, dann muss der Frühling mit Macht loslegen wollen. Nach Monaten aus Totholz, PVC-Plane und Kälte dringt es nun aus der Erde hervor, unaufhaltsam dem Licht entgegen. Im ordentlichen Garten ist das zwar schwieriger, aber wer seinen Boden mit schwarzer Folie bedeckt und dann, aus optische Gründen, mit Rindenmulch versteckt hat, sorgt dafür, dass nur die kräftigsten Pflanzen sich durchsetzen. Ein wunderschöner Evolutionsgarten kann hier entstehen, gemäß dem Motto "Für die Zarten gibt's kein' Garten". Wer nicht durchkommt, bleibt unter der Folie, wird dort aus Lichtmangel bleich und kann sich mit allerlei Getier, das nur im Dunkeln sein Unwesen treiben mag, zusammentun. Eigentlich sollte gar nichts durch den schwarzen Teppich dringen, denn immer und zu jeder Zeit sollten die Leute sagen können: Was für ein ordentlicher Garten! Überhaupt kein Unkraut! Das macht den Gärtner stolz und lässt ihm genügend Zeit, mit dem Luftgewehr dem Äquivalent des Unkrauts in der Tierwelt hinterherzuschießen: Dem Spatzen. Nachdem er jahrelang fast verschwunden war, taucht er jetzt in Mengen wieder auf und verdirbt dem Hobbygärtner die Ernte und damit die Laune.
Dass sich das Grüne durch das Schwarze schiebt, ist auch Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklungen, die mit Sorge betrachtet werden müssen: Grüne koalieren mit den Schwarzen. Das ist total toyota! Alles ist möglich.

Wandern ist gesund

Ist es noch weit?, fragt das Kind.
Nein, sagt die Mutter, wird sind gleich da.
Wie lange noch?, fragt das Kind.
Ist nicht mehr weit, sagt die Mutter.
Ich habe Durst, sagt das Kind.
Wenn wir da sind, kannst du etwas trinken, sagt die Mutter.
Wie weit ist es denn noch?, fragt das Kind.
Nicht mehr weit, sagt die Mutter.
Ich kann nicht mehr, sagt das Kind.
Wir sind bald da, sagt die Mutter.
Wir lange denn noch?, fragt das Kind.
Nicht mehr lange, sagt die Mutter.
Ich muss mal, sagt das Kind.
Das geht hier nicht, sagt die Mutter, wir sind ja bald da.
Wo denn, fragt das Kind.
Na, eben da, sagt die Mutter.
Wie weit ist das denn noch?, fragt das Kind.
Nicht mehr weit, sagt die Mutter.
Ich habe Hunger, sagt das Kind.
Wir sind bald da, sagt die Mutter.
Wann sind wir denn da?, fragt das Kind.
Bald, habe ich doch gerade gesagt, sagt die Mutter.
Das hast du doch schon eben gesagt, sagt das Kind.
Eben, sagt die Mutter.
Und wann ist das?, fragt das Kind.
Halt jetzt dein Maul!, sagt die Mutter. Halt jetzt dein blödes Maul, sagt die Mutter und verstößt gegen alle pädagogischen Grundsätze, aber hier ist Wald, hier ist niemand da und zu Hause fangen wir von vorne an, halt jetzt dein Maul, sonst fängst du dir ein paar! Ist das jetzt klar?
Wie weit denn noch, denkt das Kind.

Bildbetrachtung: Vincent van Eijnoor - Moderner Mensch


Man muss was machen, will uns der moderne Mensch sagen. Handeln, so geht das nicht weiter. Nachdenklich schaut er uns durch seine geschliffenen Gläser an.
Sein bläulich-rotes Gesicht erinnert uns an einen depressiven Alkoholiker, dessen Arme direkt aus dem Kopf wachsen, wie riesige Ohren eines menschlichen Dackels an den Seiten herabhängen, in winzigen Händen enden, denen man ein Handeln nicht zutraut. Gerade dieser Kontrast will es sein, der den Betrachter zur Aktion auffordern soll. Handle, Mensch!, schreit es uns förmlich an, wie aus stummem Mund auf taube Ohren treffend.
Wir stehen ratlos vor einem Farbrätsel. Was soll ich denn tun? Das Bild bleibt stumm, verharrt in einer Lethargie und karikiert damit die Gedankenlosigkeit, das Desinteresse, den stumpfen Egoismus, die Profitgier der westlichen Welt. Nichts hat sich in die Köpfe der Aktionäre, der Fußballfans oder der BILD-Leser geschlichen: Der Dax soll steigen, die Tore sollen fallen, die Frauen sich entblößen. Nichts darüber, dass die Welt hungert. Dass die Lage immer dramatischer wird. Wir wissen alles, tun aber nichts. Was soll ich denn tun?, jammert der Betrachter, ein Studienrat aus Holzwickede, wieder. Kauf wenigstens dieses Bild!, raunt ihm die Acrylfarbe, wahrscheinlich das Blau, zu.

Erziehung: Gut gemacht, Konstantin!

Früher gab's grimmige Gesichter; Beppo kam nach Hause, hatte nachsitzen müssen, die Wange noch rot von der Hand des Lehrers. Richtig so, bestätigten die Eltern die körperliche Züchtigung des Sohnes, und wenn du nicht aufhörst herumzumaulen, dann setzt es hier auch noch was! Schläge haben noch keinem geschadet. Warum sollst du gerade eine Ausnahme machen?
Selbst wenn der Anlass für den Schlag ins Gesicht ein nichtiger war, entscheidend für die Akzeptanz war doch, dass hier ein Gymnasialer sein Überfordertsein kompensiert hatte. Auch früher waren die Kinder schon so schlimm wie nie, auf jeden Fall schlimmer als noch früher.
Heute ist das anders: Gut gemacht, Konstantin, brüllt es vom Skilift. Der Vater lobt. Konstantin, unbegabter Zögling im Alter von 7-9, ist mit wackligen Knien und ohne Vorlage, mit den Stöcken herumschwenkend und in die Luft stochernd, sturzfrei den Hang hinuntergerasselt, hat fast ein 5jähriges Mädchen weggemäht und wäre beinahe in eine auf der Piste stehende Siebzigjährige gerast. Noch mal gutgegangen! Bravo, Konstantin! Warum klatscht die Menge nicht Beifall? Dass sich Konni noch kurz vor dem Lift versägt hat und in eine Skigruppe rauscht, kann ignoriert werden. Das Betonen der positiven Ansätze erhöht die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens. Will heißen: Wenn der Knabe genügend gelobt wird für sein Hanghinabfahrspektakel, dann macht er das wahrscheinlich noch einmal, oder sogar zweimal. Das übt doch!
Die Standpauke - Warum fährst du ständig andere Leute um, du Depp! - bleibt aus. Das bringt nichts für den Lernzugewinn.
Wenn Konstantin in der Schule den Lehrer anpöbelt, kann man das loben. Später wird er den Mut entwickeln, Kritik zu üben und sich nicht alles gefallen zu lassen. Er lernt auch, dass er immer Rückhalt bei seinen Eltern hat, falls es mal alleine nicht klappt. Wenn ihm die Eltern wegsterben, müsste er alleine klar kommen. Das wird schwer, wenn seine Kontrahenten ähnlich gestrickt sind. Da heißt es sich durchsetzen. Das ist Nahkampf ohne Supermami oder Hyperpappi. Überlebenskampf im Dschungel der Egoisten, der Zuvielgelobten, der Weichlinge.
Vielleicht empfiehlt sich grundsätzlich die Pflanzen-Pädagogik: Gießen, gießen, gut zureden und fördern; zurechtstutzen, drauftreten, plattmachen; gießen, gießen, gut zureden; plattmachen.... Das macht widerstandfähig, hart für den Garten des Lebens. Da waren die alten Gymnasialen mit dem gelegentlichen Schlag ans Ohr schon auf dem richtigen Weg; allerdings hatten sie es nicht so mit dem Gießen.

Schulinspektion - Qualitätsanalyse (Teil 5): Rucksäcke


Oberinspektor Terrick, Logbucheintrag vom 8.5.07: Der Lerngutbehälter ist der Psychospiegel des Lehrenden. Diesen weisen Satz formulierte mein Assistent Harald gestern, als wir einer Sackkarre angesichtig wurden, mit der ein äußerlich völlig überlasteter Techniklehrer seine Holzreste und seinen Pilotenkoffer, der sich später als Spezialbehälter für Werkzeug zum Öffnen von Haustüren entpuppte, in den Keller karrte. Man mag die Sackkarre dem Techniklehrer nachsehen; der Englischkollege, der sein Orange Line plus CD-Rekorder in den Klassenraum rollt, hat erhöhten Beratungsbedarf.
Was sagt uns ein Rucksack?
Oft ist es ein Begleitbeutel, der auf den Rücken geschnallt wird, weil die Hände voll sind: Links die Ledertasche und rechts das tragbare CD-Gerät, das immer mehr Ersatz für Sprechfaule im Unterricht ist.

Der Rucksack soll sagen: Ich schaffe das nicht mehr! Früher haben ich oder ein Schüler meine Tasche zum Pult geschleppt, da ging noch alles rein, was ich für einen normalen Schultag brauche.

Heute aber ist das anders: Erstens muss man auf alles vorbereitet sein, besser also zu viel als zu wenig dabeihaben! Immer mehr Formulare und Erlasse, die keiner mehr lesen kann, sammeln sich und bevor ich sie nicht gelesen habe, schmeiße ich sie auch nicht weg, es könnte ja immer mal eine Taschenkontrolle der Schulinspektion anstehen. Ich bin vorbereitet.

Ich trage die Last der Pädagogik, die Last der Erziehung, die Last des Bildungsministeriums, die Last der Bücher mit alter Rechtschreibung und der Bücher mit neuer Rechtschreibung, die Last der Verantwortung, die Last der Welt. Ich bin Lehrer, ich werde geächtet, diffamiert, erniedrigt, angespuckt und für alles verantwortlich gemacht. Ich kann bald nicht mehr, ich gehe in die Knie! Hilfe, ich brauche einen Wanderurlaub auf Mallorca mit diesem Rucksack, das wäre eine Hilfe! Aber wer hört mich, will mich hören? Die, die mich hören können, verschließen die Ohren. Ignoranz lastet auch noch auf meinen Schultern.

Wer trägt den Rucksack?
Ein Blender, den ein erfahrener Schulinspektor schnell entlarven kann. Niemand weiß, was wirklich in dem Behälter steckt; der Inhalt ist dem Besitzer wahrscheinlich selber unklar, Altlasten aus den letzten Schuljahren verrotten dort und Cds mit Unterrichtsplaybacks in Fremdsprachen zum leise Mitsprechen.
Ein Jammerlappen, der seine Belastung ständig weinerlich zur Schau stellen will. Rucksäcke sind etwas für Kinder, maximal Jugendliche, oder für Ökos, die beide Hände frei haben wollen, damit sie besser im Biowühltisch schaufeln können.
In der Schule haben Rucksäcke nichts zu suchen; sie verstärken den selbstbemitleidenden Hang zur Depression, und das kann sich aufgrund schlechter Ergebnisse in PISA-Studien und anderer Untersuchungen keiner mehr erlauben. Fröhliche Lehrer sind gefordert; Rucksäcke fördern Krummbuckeligkeit, und die sieht nicht gut aus. Nichts gegen 100%igen Respekt gegenüber dem Dienstherren und seinen Organen; ein einfaches Hände-an-die-Hosennaht reicht da.
Der Rucksacklehrer sehnt sich heimlich nach der Pädagogik der Vergangenheit, als die Schüler noch lieb waren und zu emanzipierten, selbständig denkenden und verantwortungsbewussten Menschen erzogen werden sollten. Der Rucksacklehrer lehnt Unterrichtsentwicklung ab und damit das klippartsche Methodentraining, er widerspricht dem Gebot der Stunde: Anpassung an die Erfordernisse Arbeitswelt. Was nützt denn ein arbeitsloser, aber emanzipierter Mensch? Der hat doch selber nichts davon. Der Rucksacklehrer ist der Rückwärtspädagogik zuzuordnen. Der Schüler weiß nach einer Unterrichtsstunde weniger als vorher; die Qualität wird nicht gesichert, sondern ist hochgefährdet!

Ungeklärte Fragen: Wo bleibt das Ferne?

Immer wieder und wieder habe ich mir die Frage gestellt: Wo bleibt das Ferne, wenn wir uns ihm nähern? Der Zwerg dahinten wird vielleicht zum Riesen, die Schnecke zur Schlange, der Indianer zum Asteroiden, der Knirps zum Sonnenschirm. Ich weiß, alles Vergleiche, die hinken: Der Gehbehinderte wird zum Bettlägerigen. Die Welt ist so verwirrend. Aber wo bleibt denn der Zwerg, wenn er Riese ist? Die Schnecke, der Indianer, der Gehbehinderte? Soll das mal wieder nur der liebe Gott wissen? Weiß Gott, die Frage ist nicht so einfach, tönt es aus den pseudoschlauen Köpfen. Wird das Ferne einfach das Nahe und ist im All verschwunden, oder im Nichts oder im schwarzen Loch, da wo sich der Raum krümmt vor Schmerzen, weil die Zeit gedehnt wird? Erklär mir doch mal einer die Relativitätstheorie. Das kann doch jedes Kind, kräht es aus allen Löchern. Die meisten Kinder können Relativitätstheorie nicht mal schreiben! Die Welt ist nicht fair. Fairne. Blödes Wortspiel, dazu reicht es, aber nicht erklären können, wo das Ferne wirklich bleibt. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah, sagt man doch. Hilft hier aber nicht. Also:Wo jetzt?
(Der liebe Gott spricht von ganz oben: Das Ferne fällt hinten am Horizont runter. Denn wenn etwas Neues entstehen will, muss das Alte weichen.)
Ach so, naja, dann ist ja gut. Ich hatte mir schon Gedanken gemacht.

Kurze Texte: Horizont


Hinterm Horizont geht's weiter.
Kaum zu glauben.
(Bild: Ödland)

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Rasenmähermeditation

Das Chaos schwappt über dir zusammen, dein Arbeitszimmer wächst, die Papiere stapeln sich, die Büchertürme drohen einzustürzen, das Unerledigte wächst durch die Ritzen deines Dielenbodens, du weißt nicht, wo du anfangen sollst, selbst der sonst unnütze Ratgeber, wie man sein Leben vereinfacht, ist im Bermudadreieck deines Papiermülls verschwunden. Du bist den Tränen nahe. Die Steuererklärung ist längst überfällig, aber seit du im letzten Jahr ein neues Ordnungsprinzip ausprobiert aber nicht wirklich umgesetzt hast, findest du deine Quittungen nicht mehr wieder.
Jetzt nicht Staubsaugen. Jetzt hilft die Rasenmähermeditation. Du schiebst das frisch betankte Gefährt, das leicht nach Benzin duftet, auf die Fläche, die dicht bewachsen ist mit Gras, dessen Halme leider ungleiche Längen aufweisen, du schiebst den Kontakt auf die Zündkerze, greifst zum Quickstarterseil und ziehst. Der Motor röhrt auf und gleichzeitig schießt die Ruhe in deinen Körper. Eine Ruhe, die dir Hoffnung macht: Du kannst alles schaffen, du kannst alles regeln, du kannst alles ordnen. Du drückst den Bügel des Radantriebs nach vorn und langsam, aber kraftvoll beginnt der Mäher seine Arbeit, stetig und unerbittlich kürzt er Halm um Halm auf gleiche Länge, gibt dem gerade noch Ungleichen das Gleiche zurück, die Ordnung, das Schöne. Unter deinen Füßen wächst die Fläche, die hinausschreien will: Du hast uns unseren Sinn zurückgegeben. Wir sind Rasen, eben noch Gras, sind wir jetzt Rasen!
Bahn für Bahn ziehst du mit deinem ordnenden Schnitter, der getrieben von dem Wunsch nach Gleichheit, nach Einheit, nach frischem, duftendem Gartenschnitt voranbrummt, von deiner leichten Hand geführt, winzige Impulse drängen ihn in die richtige Richtung und die Ordnung wächst, das Chaos muss ihr weichen. Du bist der Herrscher, du zeigst wie die Regeln deines Universum lauten, wie die Gestze, die du geschaffen hast. Immer kleiner werden die spiralfömigen Bahnen, winden sich zum Zentrum, zum Ziel, zum Mittelpunkt, zur Überwindung der Unordnung, zur Ruhe, zum Einswerden des Rasens mit sich selbst.
Du bist am Ende des Weges, dein Blick schweift über dein Werk: Hier hat deine Hand gewaltet, hier hat sie Neues erschaffen, aus dem Chaos die Ordnung geschöpft. Der Schnitter schweigt, du fährst mit der Hand über den heißen Körper des Mähers und streichst etwas Rasenschnitt vom Fangkorb. Du seufzt. Die Ruhe ist in dir. Nichts kann dich drängen, nichts in die Hektik des Alltags zwingen. Du hast die Kontrolle. Die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung ruht im Ablagekorb, der Bücherturm steht, das Arbeitszimmer schweigt. Alles ist, wie es sein soll.
(Zum Photo: Ein unmeditativer Rasen. Ein achtlos hingeworfener Ast stört das Gleichmaß. Auch ist das Gras von einer Struktur, die kein meditatives Mähen zulässt; jahrelang wurde hier nicht vertikutiert, was die Basis für einen guten Meditationsrasen ist.)

Zu Krakl (Zimmermann I und II): Fred schreibt ein Gedicht

Der Zimmermann II
Der Zimmermann
Treibt seinen Nagel in die Latte.
"Will mal zeigen, was ich kann,
die ist ja nicht aus Watte."

Die Latte ist ja nicht von Pappe! Das fehlt mir da irgendwie. Also, Dachpappe eben, das ist ja thematisch in die Richtung gedacht.

Der Latte haut der Zimmermann
mal eben auf die Klappe.
Die ist, so denkt sich dieser dann,
durchaus nicht von Dachpappe.

Rhythmisch etwas merkwürdig. Dachpappe wird ja auf der ersten Silben betont, hier müsste es die zweite sein.
Fred

Aus dem Osten: Wie aggressive Murmeltiere

Manchmal tauchen sie auf, völlig überraschend, schnell, geschmeidig und penetrant, aus dem Osten, aus der Steppe oder von den Kohlfeldern der Börden, von den Flachländern. Aus dem Osten sind die, aus dem Osten, irgendwo dahinten her, vermuten wir, die sie still beobachten, weil wir Angst haben, sie könnten uns anspringen. Zack, sind sie in die Hotelbar geschlüpft und tun, als sei es ihre. Sie tanzen wie die Wilden, zucken mit den Leibern, stoßen mit ihren Köpfen vor und zurück, rudern mit den Armen, als gehöre der gesamte Westen ihnen. Österreich etwa. Oder ein Skigebiet in Österreich samt Hoteldiskothek, die die einzige im kleinen Ort ist. Wo sollen sie denn auch sonst hin? Happy Hour. Alles zum halben Preis, Quatsch, zum gleich Preis das Doppelte, wer ein Bier ordert, erhält zwei. Sie sind wie aggressive Murmeltiere, die geduckt durch den Raum zischen, sie saufen wie die Kesselflicker; ihre Augen schweifen durch den Raum, blitzschenll erfassen sie die Lage und wissen: Unser Raum. Hier machen wir, was wir wollen. Kugelige kleine Männer aus Knochen, Muskeln und Fett, mit tiefem Schwerpunkt; niemand bringt sie zu Fall, nur sie selbst, wenn sie sich die letzte Flasche Wodka in den Hals gießen, wenn das Weiße in ihren Augen schwarz wird und alles um sie herum sich in die verhasste kapitalistische Ausbeuterwelt verzerrt, die man immer mehr hasst, die man hassen muss, weil es einem in den Kopf gedroschen worden ist, gehämmert, auf sozialistischem Amboss. Sie rempeln und rülpsen und rempeln; da beschwert sich eine Frau, weil sie gestoßen wird. Sie rotten sich zusammen und gestikulieren, schauen in Richtungen, zeigen und diskutieren, nein, kotzen Wut heraus, ballen Fäuste.

Die stillen Betrachter ziehen sich zurück. Die Luft vibriert. Das Adrenalin will abgebaut werden. Den Boxsack soll ein anderer machen. Für die Kapitalisten sollte der Abend hier enden. Den Kugelköpfen gehört die Welt, die sie sich mit der Faust zurechtschlagen wollen. Ein Kiefer wird noch krachen diese Nacht. Vielleicht auch zwei oder mehr. Es ist ja Urlaub.

Unbeliebte Sportarten: Tanzen

Besonders bei Männern ist der Tanzsport unbeliebt. Sie behaupten, es sei kein richtiger Sport, weil keine Tore fallen. Besucht man einen Anfängerkurs im Standardtanz, kann man an den Gesichtern der männlichen Teilnehmern ablesen: Ich bin nicht freiwillig hier.
Die milde Form der Erpressung: Ein Drittel der Männer hat den Kurs zu Weihnachten geschenkt bekommen, natürlich mit der vagen Zusage, nach Beendigung des Grundkurses wieder aufhören zu dürfen. Unwissend, dass der Grundkurs auch aus den Folgekursen F1 bis F4 besteht, haben sie dem Geschenk zugestimmt. Dass da noch etwas kommt, kann man beim ersten Treffen der Tanzenwollenden bzw. -sollenden noch nicht in den Gesichtern sehen.
Ein anderes Drittel hat eine oder mehrere schwere eheliche Missetaten begangen, etwa zum wiederholten Mal nicht den zugewiesenen Reinigungsbereich gewischt, den Müll zum fünften Mal nicht rausgebracht, sondern zeitunglesend oder musikhörend, möglicherweise bei einem Glas Roten um 17 Uhr(!), im Sofa gesessen, bei Heimkehr der Ehefrau von der Arbeit. Sie ist dann in Tränen ausgebrochen, was die sofortige Anmeldung zu einem Tanzkurs nach sich gezogen hat. Nun heißt es Buße tun und vielleicht einen Gutschein zu erwerben für fünfmal Nichtmüllrausbringen und dreimal Nichtwischenaufdemklo.
Das letzte Drittel meint, es müsse die Frau mal wieder etwas bewegen. Sie hat sich angewöhnt, es dem Gatten gleichzutun, abends vor dem Fernsehr zu hocken und dies und das zu gucken, ohne Sinn und Verstand, einfach, um abzuschalten, und dabei das Abschalten zu vergessen. Des Fernsehers nämlich. Eine deutliche Fettwanne hat sich beim Manne bereits gefüllt, er hält das nicht für dick, sondern für stattlich. Bevor seine Frau ähnlichen, körperlichen Überschuss entwickelt, will er prophylaktisch handeln und Bewegung in die Sache bringen. Seine Frau wird später leichtfüßig um seine massige Gestalt herumtanzen, meistens um seinen schweren, arhythmischen Schritten auszuweichen, und es schön finden. Tanzen erfrischt nicht nur ihren Körper, auch ihre Seele ist wie verjüngt. Der stattliche Mann ist nach wenigen Minuten verschwitzt, das Hemd klebt auf dem Rücken, die beige-farbene Hose weist dunkle Flecken an der Gesäßrinne auf; dort fließt das salzige Körperwasser ab, das das Hemd nicht mehr binden kann. Das hält er für einen Zeichen von Kondition. Der Frau ist es egal, Hauptsache, sie kann tanzen.
Der einzige Mann, der sich wirklich freut, ist der Tanzlehrer, denn bei ihm klingelt die Kasse. So sind alle zufrieden. Bis auf die Männer, aber das soll ja nichts Neues sein, glaubt man den Frauen und dem Tanzlehrer.

Endreimlyrik: Georg Krakl - Der Zimmermann II

Der Zimmermann
Treibt seinen Nagel in die Latte.
"Will mal zeigen, was ich kann,
die ist ja nicht aus Watte."

Neue Uniformen braucht das Land

Karneval ist schon zu Ende, als Bundesverteidigungsminsiter Jung auf die Idee kommt, die Uniformen der Bundeswehr müssten verschönert werden. Das sehe aus, als marschierten Feldmäuse zur Futterausgabe, oder so ähnlich, lässt er verlauten, im europäischen, und noch schlimmer im weltweiten, Vergleich sei die Bundeswehr farblos. Gerade bei Paraden und anderen Umzügen fielen die Deutschen aus dem Rahmen, oder seien überhaupt nicht als Deutsche zu erkennen, da sie sich problemlos an den Untergrund, meistens hellgrauen Marschasphalt, anpassten. Jedenfalls hätten andere Ländern viel schönere Jacken, Hosen und Mützen, zum Teil mit Lametta und Bömmeln verziert, mit Plaketten und glitzernden Orden. Da könne man nicht umhin, sich über eine Neugestaltung zu unterhalten. Der Finanzminister führt den Kostenfaktor ins Feld, und dass sich die Deutschen schließlich aufgrund ihrer Geschichte nicht zu sehr in den Vordergrund schieben dürften. Wenn schon neue bunte Uniformen, dann müsste die Bundeswehr die bunteste Armee der Welt werden, da dürfe man nicht zurückstehen, so der Bundesminister des Inneren, und nestelt an einem Schräubchen seines fahrbaren Stuhles. Der Wirtschaftsminister sieht nun die Textilindustrie angekurbelt und empfiehlt passende Waffen in den Farben Rot, Grün und Blau, für Frauen in Lila. Einzig der Außenminister zögert, weil er doch schon viel Häßliches gesehen habe auf seinen Ausflügen ins Umland. Man müsse vorsichtig in der Farbgebung sein. Bunteswehr, Bunteswehr!, schreit der Verteidigungsminister und wirft eine Zeichnung, die er während der letzten Plenarsitzung gemacht hat, auf den Stammtisch. Da! So kann das aussehen, jeder bekommt einen andersfarbigen Helm. Da weiß der Feind überhaupt nicht, auf wen er zuerst schießen soll! Euphorie entstellt sein Gesicht, und er fährt fort: Jeder seinen eigenen Helm! Wenn schon jeder sein eigenes Buch im Internet veröffentlichen und auf Abfrage bestellen kann, dann geht das wohl schon lange bei Helmen! Helmets on demand! Nur bei Bestellung kaufen. Bedarfsorientiert. Endlich nicht mehr die alten Schweißtöpfe im Regal! Platz für anderen Krempel.
Eine neue Runde Schnaps wird aufgefahren. Der Wirtschaftsminister rülpst und lacht über den Geruch. Oioioioi!, brummt er jovial und wedelt mit der Hand sein Magengas in Richtung Außenminister. Nicht lange schnacken, Kopp inn Nacken!, versucht der Verteidigungsminister aus Süddeutschland nördliche Gemütlichkeit zu imitieren. Bunteswehr!Ab jetzt Bunteswehr!
Die Runde lacht, Schräuble rollt heim. Der Wirtschaftsminister reißt die Hand hoch und ruft zur Theke: Scheff!Bringst no an Schnops!?
Karneval ist längst vorbei.

Endreimlyrik: Georg Krakl - Der Zimmermann



Der Zimmermann verliebte sich
In eine junge Latte
Beim Nageln auf dem Dach.
Ach, Latte, Latte, liebe mich!
Ich wär’ so gern dein Gatte!
Er legte sie dann flach,
sie konnt’ allein nicht stehen.
Oh, du mein Holz,
oh, du mein ganzer Stolz,
ich lass dich niemals gehen!

Alte Männer: Rechthaberei

Immer gibt es einen, sei es im Fußballstadion, an der Theke oder im Altersheim, der Recht haben will. Er begründet seinen Anspruch auf den langen Zeigefinger, den er jedesmal, wenn er etwas Wichtiges sagen will, erhebt und dann seine neuen Thesen und Postulate formuliert, um andere zu beeindrucken, ja auch, um Macht über sie auszuüben. Denn Wissen ist Macht, sinniert er und duldet keinen Widerspruch. Macht vor allem einen guten Eindruck, ergänzt Kuno. Manchmal hast du auch Recht, erklärt der Alleswissende mit dem Zeigefinger. Lass mich mal ausreden!, setzt Kuno nach. Was denn noch?Erzähl doch nicht immer so viel, ständig unterbrichst du mich, das ist wohl deine neue Masche, nie hörst du mir zu. Der Zeigefingermann ist genervt. Er schmettert eine Welle an Du-Botschaften gegen Kuno, in der Hoffnung, Schuldgefühle zu erzeugen. Schuldgefühle machen jeden klein; Schuldgefühle auslösen, das ist subtile Macht. Lass mich ausreden!, wendet Kuno sanft ein. Was denn noch? Der Zeigefingermann wird lauter. Drohen ist jetzt angezeigt, wenn es mit der Schuld nicht klappt. Also! Zeigefingermanns Also ist keine Frage, es ist ein Befehl. Kuno: Ich wollte sagen, Wissen macht einen guten Eindruck, wenn man als Klugscheißer durchgehen will.
Der Zeigefingermann wird bleich, sein stolz aufregender Zeigefinger erschlafft, klappt in sich zusammen, einem Zollstock, dessen Verbindungsniete ausgeleiert sind, ähnlich. Zähneknirschen. Schweigen. Der Weise schweigt, wo der Narr schwätzt.

Supernanny übertreibt: Kindercamps

Dass Kinder nicht immer so wollen, wie es die Eltern, Oma und Opa oder die Nachbarn wollen, das ist hinlänglich bekannt. Erkannt haben will die Wissenschaft auch, dass Kindern Regeln fehlen und dass sie durch übermäßigen Fernseh- und Internetkonsum dick und gewältig werden, darüber hinaus noch dumm. Gegen diese Gefahren der Medienwelt leisten sich wohlhabende Erziehungsberechtigte, die nämlich keine dicken, dummen und gewalttätigen Kinder haben wollen, eine "Supernanny". Hatte vor einigen Jahren noch die "Stille Treppe" gereicht( Hinsetzen!Maul halten!), so scheint die medienwirksame Erziehungshilfe (Supernanny) noch einmal aufzurüsten. Statt aufwändige Kindercamps zu errichten, genügt das familiennahe und vielleicht in Nachbarschaftshilfe angeschaffte Gartencamp. In einer Art Käfig mit schwingendem Boden und weichem Drahtgitter werden die Zöglinge nach entsprechendem Fehlverhalten platziert und je nach Art und Schwere des Vergehens allein oder zusammen mit ausgewählten anderen Kindern einem Selbsterziehungsprozess überlassen, der in erster Linie dem Dünnerwerden, dem Schlaumachen und dem Abbau von Gewaltausübungswünschen dient. Wer Geld sparen will, lässt die Supernanny zu Hause und steckt den Nachwuchs vorsorglich in die Erziehungsbox. Damit folgt man Gepflogenheiten der Amerikaner, die von solchen Maßnahmen überzeugt sind. Der Waldorf-Pädagoge würde wohl die Stirn runzeln und in Eurhythmie fallen...

In Gesichtern lesen: Alfredo de Funès

Das Leben hinterlässt Spuren, besonders das Leben als ewiges Kind. Alfredo de Funès ist so ein ewiges Kind. Das Leben hat Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, und manch einer wird fragen: Warum hat der Mann so wenig Haare, so tiefe Furchen und Falten, warum eine so große Nase und einen so merkwürdig geformten Mund? Selbst die Ohren wirken ein wenig vulkanisch im spockschen Sinne. Das ewige Kind bleibt Kind, solange es lebt. Mögen die schicksalshaft mit ihm verknüpften Eltern längst tot sein, so wird immer noch die Frage gestellt: Bist du nicht der Sohn von Louis de Funès, dem französischen Komiker? Alfredo reagiert wie konditioniert; seine Stirn zieht sich in mächtige Schweißrinnen, seine Augenbrauen scheinen augenblicklich zu wuchern und jagen nach oben, das Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse, zu einer Maske, die die Antwort geben will: Nein! Verdammt noch mal : Nein! Lasst mich endlich in Ruhe! Ich bin Alfredo de Funès, ein eigenständiger Mensch, ich habe nichts mit diesem albernen Menschen zu tun, den man Komiker nennt, dessen Faxen und dümmliches Gehabe ich lächerlich finden, aber nicht zum Lachen! Ich bin Alfredo, ein Türstimmenimitator, selbständig, nicht verheiratet und keine Kinder! Louis ist nur mein Vater. Dafür kann ich nichts.

Das konditionierte Gesicht karikiert Alfredos Bemühungen, und jeder Kinoliebhaber ab 47 erkennt hier den Spurenleger: Der französische Klamotteur, dessen sich Frankreich nicht schämen will, aber dessentwegen der deutsche Normalbürger jahrelang glaubte, der Flic trage seinen schornsteinartigen Hut, um von seinem tumben Verstand abzulenken, erscheint, als ob ein futuristische Hologramm, ein dreidimensionales Fernsehbild projiziert werde, auf dem Antlitz des Sohnes; seine gequälte Seele versucht das Schlimmste zu verhindern, aber das eigene Gesicht entgleitet dem Sohn und der Vater erscheint, so, als ob er in ihn geschlüpft wäre und hätte sich von innen hinter die Haut des Sprösslings gedrückt.
Welch ein Jammer für den Sohn eines Stars, der angeblich Menschen zum Lachen gebracht hat.
Schwerer kann das Leben kaum strafen: Das ist überhaupt nicht zum Lachen.

Suchtgefahr: Nur die Genussschiene

Nur die Genussschiene, sagte die Suchtberaterin, also, wenn Alkohol, wenn schon Alkohol täglich, wenn schon Alkohol ohne Grund trinken, dann nur die Genussschiene. Wer sagt, dass der Alkoholiker nicht genießt, wenn der Hochprozentige durch seine Kehle rinnt? Genussschiene, wo ist die überhaupt, wie soll ich die finden, wenn ich zu bin?, fragt der Alkoholiker morgens um 10. Der freie Vogel hat diese Probleme nicht, er ernährt sich nicht von Alkohol, es sei denn, er räumt mal wieder Papierkörbe im Park auf und stößt dabei auf Vergossenes, oder futtert mal tüchtig auf der Mülldeponie Vergorenes. Dann fliegt er die Genussschiene entlang und informiert sich über seine Flugtüchtigkeit und damit über den gefühlten Promillegehalt seines Vogelblutes. Der Mensch hat es da nicht ganz so einfach. Wenn er auf der Schiene entlanggeht, um seine Fahrtüchtigkeit zu demonstrieren, kann es schnell sein, das ein überrollender Zug ihn über seine verlangsamte Reaktion informiert. Leider verbleibt ihm keine Lebenszeit, die gewonnenen Information für ein Umlernen einzusetzen. Wenn sich die Krankenkassen auch heimlich die Hände reiben, weil sie einen Therapieplatz weniger finanzieren müssen, so haben sie doch immer vor den Gefahren des Alkoholismus gewarnt. Wenn Alkohol, dann die Genussschiene, sagte die Suchtberaterin, und meinte ein Gläschen, höchstens zwei. Das sei kein Genuss, das sei Folter, lallte der Beratene.

Doppelkopf als Lebensschule


Doppelkopfspielen gehört zu den Grundfertigkeiten eines Menschen. Es ermöglicht ein Überleben in der technisierten Welt.
Doppelkopfspieler brauchen keine Freunde. Sie haben drei Mitspieler, zu denen sie in einem indifferenten Verhältnis stehen. Diese Mitspieler wechseln häufig, so dass sie oft nur A, B oder C heißen. Da nicht klar ist, wer in dem jeweiligen Spiel der Partner ist, können sich Freundschaften gar nicht erst bilden, sondern ein gesundes Misstrauen bleibt ständig erhalten und ist in Bereitschaft, so dass immer die Möglichkeit besteht, den Eigennutz nach vorn zu bringen und sein Schnäppchen zu machen, bzw. sein Schäfchen ins Trockene. Damit ist Doppelkopfspielen eine gute Vorbereitung auf das Leben und ein hervorragendes Training, sich im Berufsalltag zu behaupten.

Der Doppelkopfspieler geht Freundschaften auch aus dem Grund nicht ein, weil diese so schnell zerbrechen können, z.B. durch das unangemessene Kontrasagen des Partners, wenn man gegen die Alten spielt, was eine Flut an Minuspunkten bringt. Das leichtfertige Hochpuschen von Spielen erzeugt bei den meisten Spielern einen Würgereiz, den aktuellen Partner an der Gurgel zu fassen und zu würgen, dass diesem die Luft wegbleibt.
Das Spiel ginge mit drei Spielern allerdings nicht weiter. Doppelkopfspieler haben eine natürlich Hemmschwelle, die ihre Aggression kontrolliert, denn sie sind am nächsten Spiel interessiert, das vielleicht das ersehnte Großspiel bringt, ein Solo möglicherweise, oder eine Re-Partie, in der der Gegner ein unangemessenes Kontra brüllt und für satte Punkte in der eigenen Spalte sorgt.

Menschen, die nicht Doppelkopf spielen, verkümmern in Einsamkeit, sind der schnelllebigen Zeit hilflos ausgeliefert und darüberhinaus ungewollt aggressiv gegenüber Mitmenschen, weil ihnen die doppelköpfige Hemmschwelle fehlt. "Ich brauche keine Freunde" ist eine dumme Ausrede, die gerne von Leuten benutzt wird, die wirklich keine Freunde haben, sie sich aber heimlich wünschen. Der Doppelkopfspieler braucht keine Freunde; das ist eine Tatsache, nein, sogar eine Notwendigkeit, denn nur so lässt sich sein Spiel optimal gestalten. Die hermetische Weisheit "Wie im Kleinen, so im Großen" manifestiert sich im Doppelkopf: Das Kartenspiel ist eine Schulung fürs Leben.

Demokratie im 21.Jahrhundert


Heute bin ich mal dran mit Bestimmen!
Zweiter!
Dritter!
Scheiße, wieder Letzter....

Peter Goge: Die Farbe Rot


Die Farbe Rot. Klingt wie ein Filmtitel. Und das macht den Pädagogenberuf zur Berufung: Er ist ein Film. Wir entscheiden über das Genre. Mantel und Degen für den Zeigestockliebhaber, Film noir für den, der in unerbelichteten Gruppen arbeitet, Naturfilm für den Biologen, Actionfilm für den Sportler, Horror aus der Schulküche, Historienfilm frisch aus dem Gymnasium. Der Lehrende ist der Protagonist des Films, der Held, der Retter. So gesehen, kann Arbeit sogar Freizeit sein. Wer wollte nicht immer schon mal Jean-Paul Belmondo sein oder Brigittegitt Bardot? Winnetou, das wär's gewesen. Schade, Winnetou ist kein Schauspieler, aber im goetheschen Sinne edel, hilfreich und gut. Fiktion, der der Lehrende in die Wirklichkeit hilft, durch sein Wirken nämlich. Die Farbe Rot ist das alles Bestimmende, die Farbe der Macht. Sie ist Spannung, sie ist Berufsinhalt und Lebenshilfe dem, der sie benutzt. Deutliche Korrektur, sichtbar und wohltuend, wenn sie als Tinte in Signalfarbe durch die Feder rinnt auf das fehlerhafte Papier. So wie das Leben den Lebensweg des Verirrten nachbessert, wenn etwa beim Wurstschneiden der Finger angeritzt oder aufgeschlitzt wird, so sagt die Farbe Rot dann: Iss keine Wurst mehr! Oder besser: Schneide keine Wurst mehr. Da hast du dich geschnitten, wenn du glaubst, Wurst sei gesund! Oder: Halt! Benutze kein Messer!
Der Pädagoge korrigiert dem Lernenden den Lebensweg. Halt, mach nicht so viele Fehler!, heißt es da. Hör auf, mit dem Nachbarn zu quatschen. Geh mir nicht auf die Nerven! Sonst fließt es rot! Die Tinte als Lebenssaft der Pädagogik. Da macht der Blick halt. Da denkt der junge Mensch nach. Ganz abgesehen von der erotischen Komponente, erstarrt das Leben für einen Moment, hält inne, wenn ein vor Fehlern strotzendes Blatt plötzlich auch vor Rot strotzt. Momente, die das Herz höher schlagen lassen, Momente, in denen die Hände feucht werden vor Stolz, in denen klar wird: Deshalb bin ich Lehrer geworden.

Schulinspektion - Qualitätsanalyse (4): Was Taschen mitteilen -Metallkoffer-

Oberinspektor Terrick und Assistent Harald berichten:

Lehrende mit Metallkoffern lassen durch ihr Transportobjekt erkennen,dass ihr Repertoire an Arbeitsmaterialien begrenzt ist, dass es sich nicht dehnen lässt. Sie habe eine klare Linie, nach der sie unterrichten, allerdings sind sie unflexibel und lassen sich auf "Dehnbarkeiten" wenig ein; pünktlicher Unterrichtsschluss gehen einher mit mangelnder Einsichtigkeit,wenn Schul-oderAbteilungsleiter Kritik üben, bzw. mal wieder alles besser wissen. Legt der Metallkofferträger ein Lächeln auf, so darf man sich davon nicht verwirren lassen. In Wirklichkeit hat seinen Metallquader fest in der Hand und versteht es, ihn auch als Waffe einzusetzen. Da der Koffer wegen mangelnder Dehnbarkeit immer gut gefüllt ist und damit ein ordentliches Gewicht aufweist, reicht es, ihn am Arm bzw. an der Hand hängen zu lassen. In den meisten Fällen genügt es, einfach stehen zu bleiben oder ruhig weiterzugehen; der Gegener eliminiert sich fömlich selbst. Zappelige Schüler, die herumspringen und dem Koffermann zu wenig Respekt zollen, sind irgendwann unachtsam und prallen gegen die harten Kanten des Objektes, das sich kaum bewegt, da schwer gefüllt. Zappelschüler werden konditioniert: Herumhüpfen und Respektlossein zieht Schmerzen nach sich. Wenn auch lediglich Vermeidungsstrategien entwickelt werden, so reicht dem Pädagogen, dass der unruhige Schüler ihm aus dem Weg geht. Dem Kollegen/ der Kollegin wird ebenfalls deutlich ein "Platzda! Ich komme!" deutlich gemacht. Reagiert die betreffende Person nicht, wird der Koffer leicht geschwenkt, um sich Nachdruck zu verleihen. Blaue Flecke an Schienbeinen sind gerade in der Sommerzeit bei den Damen und den kurzhosig gekleideten Herren unbeliebt.

Die letzte Dimension des Metallkoffers ist die Vortäuschung, es handle sich um einen sogenannten Methodenkoffer, in dem sich Materialien zur Unterrichtsentwicklung (Bunte Karteikarten, Textmarker in vier Farben, Schere und Klebstoff) befinden. Der Koffermann will anzeigen: Mein Unterricht wird entwickelt! Ich arbeite komplett anders seit der letzten Fortbildung. Wenn ihr mit den Zähnen knrischt, bin ich schon einen Schritt weiter! Vorsicht, ich komme!
Schaut der Verunsicherte dann im Methodenkoffer-Depot nach, dann stehen noch alle fünzehn da; unberührt und gefüllt mit Karteikarten und sonstigem Zubehör.

Jetzt neu entdeckt: Das Weltbild der Griechen

Befürchtet haben wir es immer schon: Die große Ahnung hatten die Griechen nicht, letztlich reduzieren sich ihre Errungenschaften auf Ouzo und Grillteller, vielleicht noch Tsatsiki und Wein, dem man eine Portion Harz beigemengt hat. Dass das die Folgen eines vollkommen verkorksten Weltbildes sind, liegt wohl auf der Hand. Der alte Grieche glaubte nämlich, dass die Erde mitsamt ihren Trabanten auf krummen Umlaufbahnen bewegt wurden, von wem, war allerdings nicht klar. Das mit der Bewegung ging aber nur, weil die Himmelskörper an Schaschlikspießen steckten und aus Knetgummi waren. Damit die Griechen wussten, wie die Planeten hießen, waren ihre Namen an den Schaschlikspießen angebracht. So konnte auch der Stavrosnormalverbraucher sich als Hobbyastronom betätigen und laut ausrufen: Das ist der Saturn! Heute denkt jeder an einen Riesenladen für Unterhaltungselekronik, wenn so etwas an sein Ohr dringt. Da die Lesefähigkeit laut PISA-Studie schlecht ist, bringt das mit den Zetteln sowieso nichts mehr; Buchverlage planen die Planeten als Hörbuch auf den Markt zu bringen. Entsprechend dem Weltbild der Griechen. Dass das völliger Blödsinn ist, weiß mittlerweile jeder. "Immer noch besser, als zu denken, die Erde sei eine Scheibe!", kontert Christos, Wirt des Mykonos-Stübchen. Schaschlik sei sowieso eine Erfindung aus dem Turktarttarischen, und das habe mit Griechenland wenig zu tun. Auch die Frage, wie die Schaschlikspieße in die Planeten gekommen seien, bleibt unbeantwortet; mit dem Urknall sei das nicht zu erklären. "Das sind Stützstäbchen für Topfblumen", will Rolli die Sache aufklären; die Wissenschaft bringt dieser Scherz nicht weiter. Vor allem ist die Behauptung, die Planeten bestünden aus Kentgummi längst bewiesen. Jeder, der schon mal ins Gras gebissen hat, weiß, dass die Erde, übrigens auch ein Planet, überhaupt nicht aus Knetgummi besteht, sondern aus Erde, weshalb sie ja auch so heißt.

"Weiser Mann" Olli D.:Sei wie der Gartenstuhl

Alles zu seiner Zeit, das muss sich der Gartenstuhl jedes Jahr aufs Neue sagen. Alles hat seine Zeit, das Stehen hat seine Zeit und das Sitzen. Im Winter muss der Gartenstuhl verharren und warten, eng gestapelt, die Kollegen unter und über sich, in Enge und Dunkelheit. Wenn das Licht zurückkehrt und die Uhren vorgestellt werden, dann ist die Zeit des Gartenstuhl gekommen; endlich ist er wieder seiner Bestimmung zugeführt, den Erschöpften und Ermüdeten, aber auch den Bequemen und Faulen Platz zu bieten, die Möglichkeit auszuruhen, oder einfach weiter faul und bequem zu sein. Aber das Warten über den Winter gehört genauso dazu wie das Imfreienstehenundmenschenhinternzubeherbergen. Das sollten wir immer bedenken, wenn wir ungeduldig werden, wenn wir glauben, es gehen nicht weiter, oder es gehe nicht schnell genug. Der Gartenstuhl murrt nicht, er wartet, er übt sich demütig in Geduld, um zur rechten Zeit bereit zu sein. Und: Er macht keinen Unterschied. Für ihn sind die Wesen gleich. Der Erschöpfte wie der Faule, die Katze wie der Vogel, der seine Exkremente auf die Lehne sprotzt, alle sind willkommen. Das sollte uns Menschen ein Beispiel sein, die Mitmenschen in Liebe anzunehmen, auch wenn uns Kollege Hostkötter mal wieder ans Bein gepinkelt hat.
Tu es dem Gartenstuhl gleich.