Kunstkritik: Vladimir Kannikski: Eyes wide open (2011)

Deutsch sprechen klappt nicht, aber Englisch! Ok. Als Weltsprache ist die ja auch bald out. OUT! Hahaha! Der Spanier kommt da mit seinem OLÉ oder was auch immer viel weiter. Spanisch, Meister! Russisch will doch keiner mehr hören, da denkt man doch sofort an Wodka und besoffene Waffenschieber.
Mädchenhändler. Drogenbosse. Mann, Mann, Mann!
Kanniksiki, wer hat dir denn ins Knie geschossen? Hast du Tattoos? Vielleicht auf der Brust, Sterne, na du weißt schon...
Ein paar schräge Striche in Schwarzweiß- ist ja auch günstiger, eine Pulle Scriptol gibt's doch zum Discounterpreis, von wegen Ölfarbe, da greift man lieber zum Acryl. Große Flasche, große Geste und Klatsch!, ist das Bild fertig.
Damit hat die EU nicht gerechnet: Invasion. Inversion. Deplazionierung. Was auch immer das meint. Anglizismen überall. Dieses große Durcheinander! Dein Wodka heißt Jelzin, dem man damit ein Denkmal gesetzt hat. Was willst du denn mehr, Kannikski? Lass doch mal den regionalen Künstlern ein bisschen Raum! Da kann man was erkennen, das hat Farbe, das hat Schwung und Verve! Etwa der Große Weserbogen von Manhenke! Da sind Paddelboote, Bäume und eine Wiese zu erkennen. Dahinten eine Blume. Eyes wide open! Die Augen auf das erschrockenen Meerschweinchen vor der Klapperschlange. Dann die Klappe halten, das ist doch die Botschaft. Und der Pinsel ruht. Zu ist die Scriptolflasche! Ein  für allemal!
Christian Demanz (2011)
Anhören, wie das klingt, wenn man das spielt.

Selbstkritik

Sich von  außen zu betrachten, macht meistens schwermütig.

Treppengeschichten

Vladimir Kannikski: Level 5 (2011)

Klar, da sind dem Vladi wieder die Titel ausgegangen; sprachlich gesehen ist der ja recht unkreativ. Level 5, hallo? Sind wir hier in einem Ballerspiel? Dabei könnte das doch so einfach sein: Camping am Schwarzen Meer - Das würde passen. Damit kann jeder etwas anfangen, der schon am Schwarzen Meer gewesen ist oder vielleicht schon mal hin wollte. Das ist eindeutig, da muss man nicht grübeln und kann in der Ausstellung schnell zum nächsten Bild wechseln, weil man dieses verstanden hat.
Rechts das Schwarze Meer, da der Horizont, drei Zelte und links eine Frikadelle, die in altem Fett frittiert wurde. Nur die Sonne sieht zerbeult aus. Da weiß man doch, was man hat.
Level 5 anhören

Vladimir Kannikski: Seemannsgarn (2011)

Vladimir Kandonikski: Seemannsgarn (2011)
Seemann, ein Schiff wird kommen! Das mag die Botschaft diese Bildes von Kandonikski sein. Eigentlich erinnert es den Betrachter ehe an das Wollknäuel, das sich nach Aufribbeln des zu eng gewordenen Pullovers entstanden ist und das die Katze als Spielzeug missbraucht hat.
Der Seemann steht verloren am Kai.
Kai heult, weil das Schiff gekommen ist und Abschied nehmen muss.
Die Katze spielt mit einer Dose Kittekatt.
Der Seemann muss ins Kattegat, was Schwedisch ist und Katzenloch bedeutet.
Da schließt sich der Kreis, denn Oma strickt einen neuen Pullover, der etwas zu weit ist, damit er ein paar Jahre passt.
Im Hintergrund ertönt Musik von King Crimson, die im Grunde überhaupt nicht passt. Sailor's tale.(anhören)

Atomslalom

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Kainmanda Fürmich: Alles hat seinen Sinn!

Für einen Moment hatte ich meine Hose auf den alten Mühlstein gelegt und obwohl ich wusste, dass das gefährlich war, hatte ich es leichtfertig getan, denn es war eine Hose von C&A, die keinen großen Wert für mich darstellte und die ich eigentlich loswerden wollte, weil sie nicht so richtig saß, sie kniff im Bund und die Taschen hatten eine merkwürdige Form, als seien sie für Maulwürfe oder Hamster gemacht worden, ich jedenfalls konnte meine Hände dort nicht bequem unterbringen.
Nun ging die alte Sage, die natürlich keiner mehr glaubte, dass Mühlsteine in Wirklichkeit verwunschene Hosenfresser seien, die dazu verdammt sind, Korn zu mahlen und ein staubiges Leben zu führen. In tausend Jahren einmal aber kommt eine schöne Maid mit Namen Alta und küsst den Stein, worauf er wieder seine alte Gestalt annimmt und zusammen mit der schönen Alta unbegrenzt Hosen fressen darf. Auch wenn man in den letzten Jahren immer wieder "Ey, Alta, was geht?" hört, hat sich bis jetzt keine Holde gefunden, die den verwunschenen Hosenfresser befreit. Auch ich heiße leider nicht Alta und bin auch nicht schön, obschon eine Frau, und ich würde den Hosenfresser gern mal in seiner wirklichen Gestalt sehen.
Als ich von einem leisen Rülps aus meinen Gedanken gerissen wurde, stellte ich fest, dass der Mühlstein bereits die Hälfte meiner C&A-Hose verdaut hatte und war froh wie an dem Tag, als ich unbedarfterweise diese schlechtsitzende Kleidung gekauft und geglaubt hatte, ich könnte mir damit eine Freude machen.
So zeigt sich mal wieder, dass alles seinen Sinn hat. Verwunschene Hosenfresser in Form von Mühlsteinen können über einen üblen Fehlkauf bei C&A hinweghelfen!
Danke!

Geradeausgehen für Schulabgänger

Neue Bildungsziele hat die Bundesregierung jetzt vorgelegt und hofft, dass die Länder über die föderalistischen Beschränkungen hinaus diese in die Lehrpläne einfließen lassen.
Eines der Ziele ist das Geradeausgehen.
Auch wenn der Alkoholkonsum bei Jugendlichen zurückgegangen sei, gelinge es immer weniger Heranwachsenden geradeaus zu gehen. Nachdem vor Jahren bereits Mängel im Rückwärtslaufen festgestellt worden sei, will die Bildungsministerin diesem gefährlichen Trend entgegenwirken. Gerade zum Thema Atomausstieg sei klar geworden, dass sogar Bundesminister diese Fähigkeit  nicht beherrschten, ebensowenig wie "Farbe bekennen" und "bei der Stange bleiben". "Sein Fähnchen in den Wind hängen" klappe einzig und allein hervorragend, vielleicht noch die "Hand aufhalten", der Rest sei aber mau.
Um die Jugendlichen zu trainieren und aufs Leben vorzubereiten, ist jetzt eine Teststrecke zum Geradeausgehen vor dem Reichstagsgebäude gebaut worden.
Irgendwer müsse doch mal lernen, einen eingeschlagenen Weg auch zu gehen, so die Ministerin.

Georg Krakl: Wirrwarr aus Berlin (2011)

Blühende Felder
und sterbende Wälder.

Die Kanzlerin weint
wohl aus Freude
und greint,
weil ein Knopf des Kostüms, das sie trägt,
ihr so gerne beschlägt,
als hab es gerade geregnet.
Der Vize entgegnet:
Ach seht nur, Frau Merkel,
ein rosiges Ferkel,
es liest eine Fibel!

Ach, Guido, das ist nur der Niebel...
Ja, richtig, das Wetter ist schlecht
und passt nicht so recht
zu den Feldern,
zu fehlenden Geldern
und Spesen und Kosten und Löhnen.
Zu Töchtern und Söhnen,
zu Lenkrad und Hebel.
Frau Merkel, das ist doch der Nebel.
Nein, Niebel!
Sitzt der nicht am kürzeren Hebel?
Der steht dort am Giebel.
Ja, will er denn springen?
Das muss doch gelingen!

Zum Grillen, Frau Merkel,
da gibt's morgen Ferkel.
Ein rosa, vielleicht etwas lila, Tendenz gegen blau.
Mag sein, großes Ferkel, das wär' dann die Sau.

Die Christdemokraten: sie singen.
Der Sprung wird gelingen!

EON - Die ganz neue Krankheit

Stromkonsumenten sind in Gefahr! Die Krankheit aus der Steckdose heißt EON! Erste Symptome einer Infektion sind plötzliche Geldgier, der Wunsch, andere über den Tisch zu ziehen und die Unwahrheit zu sagen bei gleichzeitigem übersteigertem Einfallsreichtum für hanebüchene Ausreden.
Hilfe bietet eigentlich nur größere Hygiene: Ein tägliches feuchtes Abwischen der Stecker, bevor sie in die Steckdose geführt werden, kann helfen, muss aber nicht.
Militante Gruppen empfehlen das nasse Auswischen nicht nur der Stecker, sondern auch der Steckdose, um die Zahl der Konsumenten zu dezimieren und gleichzeitig das Risiko von Neuinfektionen zu verringern. Empfehlenswert ist das aber nicht wirklich.
Vielleicht hilft auch der Wechsel des Stromanbieters.

Ehec auf dem Vormarsch

Nichts los in der Welt, nichts explodiert, keine Katastrophe, kein neuer Krieg. Immer über Gräueltaten in Afrika berichten? Das langweilt den verwöhnten Konsumenten.
Ehec! Jetzt Ehec, die Schweinegrippe für 2011. Hände nicht gewaschen? Gemüse gegessen? Vom Chef angeschissen worden? Obacht!
Das sind drei Faktoren, die zu erhöhter Vorsicht mahnen.
Hygiene ist die einzige Chance gegen die Krankheit.
Unterstützt wird eine Kampagne gegen Ehec von der Handwaschmittel-, Gummihandschuh- und Mundschutzindustrie.
Der Erreger soll sogar über die Gülle auf das Gemüse übertragen werden können! Günter Jauche gründet die Initiative "Saubere Gülle gegen Ehec" und sagt der schleichenden Krankheit den Kampf an.
Solange nichts Besonderes auf der Welt passiert, ist also Angst vor der Krankheit angesagt!

Vincent van Eijnoor: Schrei (2011)

Vincent van Eijnoor: Schrei
Georg Krakl: Schrei (2011)

Da, hört,  ein Schrei
aus ungelegtem Ei!

Herr Ober,
einen Kaffee mit Zinnober!
Und sagen Sie dem Ei, es möge leise sein
und nicht so schrei'n!
Ich kann bei diesem Lärm nicht trinken.
Der Ober denkt: Ein Trinker!
Ja, werden sie dem Ei mal winken,
jetzt endlich still zu sein?
Der Ober: Was für'n Stinker!
Herr Ober, ein Glas Wein!
Ich will das Schrei'n nicht hören, will vergessen.
Herr Ober, was zu essen!
Ein Omelett?
Das wäre nett.

Gummistiefel waren immer zu kurz


In Stiefeln trägt man Rosshaarsocken, denn Stiefel neigen dazu, Schweißfüße zu produzieren und weil Pferde keine Schweißfüße haben, da sie bekanntlich Hufe tragen, glaubte man in den 60er Jahren, dass Rosshaarsocken das ideale Drunter bzw. Drüber sei.
Die pferdehaarbestückten Objekte sollten Feuchtigkeit verhindern und ein unangenehmes Quietschen und Quatschen in den Gummibehältern ausschließen. Die Nässe machte darüber hinaus auch trittunsicher, fester Halt war kaum noch gegeben, sodass der Träger auf sehr unsicheren Füßen stand.
Das größte Problem aber war, dass Gummistiefel immer zu kurz waren. Da halfen euch nicht drei Schichten Rosshaarsocken, die im Übrigen gar nicht in die Schuhe gepasst hätten; immer wieder lag der Stiefel unter der Wasseroberfläche und ein süffisantes Gulpen oder Glucksen deutete an, dass der Stiefel voll war. Das gab meistens Ärger, denn auch Hose und Normalsocken konnte man vergessen, weil sie klitschnass waren und somit für den weiteren Gebrauch ausfielen. Kleidung war begrenzt, Waschtage waren selten; jedes Ergründen von Tiefstellen in Bächen und Baugruben war verboten; Zuwiderhandlungen mit dem Aufbrauchen der Reservekleidung zogen Bestrafungen nach sich, etwa durch Hiebe auf den trocken gebliebenen Hosenboden.
Wenn man es genauer bedenkt, waren eigentlich die Gummistiefel nicht zu kurz, sondern Bäche und Baugruben zu tief, bzw. der Wasserstand zu hoch. Dagegen konnte man mit seinen Gummistiefel nur im übertragenen Sinn anstinken.

Moderne Postkarten

Lieber Wolfi!
Schöne Grüße aus meinem Urlaub, der irgendwie anders ausgefallen ist, als ich es mir vorgestellt habe. Ob wohl doch hier ein bisschen Fall-Out rausgefallen ist? Es sieht ziemlich fukushima aus. Irgendwie sind sogar die Bäume traurig und am Strand ist auch keiner, nicht mal Einheimische.
Ansonsten ist alles inklusive, und man kann das Ganze wahrscheinlich nicht aushalten, wenn man es noch extra bezahlen müsste. Aber, ohne mein Alltours sag ich gar nichts, bzw. schreibe. Bis denn!
Rasti

Fußball ist nicht bekloppt

Fußball ist jetzt Therapie. Als erste Mannschaft erfährt der BVB, dass das Wort "bekloppt" kein Schimpfwort ist, sondern bedeutet, dass die Spieler einen besonders guten Trainer haben, einen Meistermacher nämlich, in ihrem Fall den Klopp.
Fußball ist bauchnabelorientiert, er gestattet den Akteuren fast alles, was kleinen Kindern vorbehalten ist. Und noch mehr. Im Taumel des Erfolgs dürfen die Ballkünstler sich in die Arme fallen, brüllen, heulen, spucken, Stinkefinger zeigen, wie angestochen über den Rasen rennen, das Trikot hochreißen und auf den Knien rutschen. Was Kinder in der Trotzphase ausleben, kann hier nachgeholt werden.
Die körpernah getragenene Meisterschale unterstreicht noch eimal, wie brustwarzenorientiert der Fußball ist; unerlöste Mutter-Kind-Verhältnisse können durch Imitation des Saugreflexes an der Theke endlich in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Da in erster Linie Alkohol einverleibt wird, streiten die Krankenkassen jetzt, ob die Therapie bezahlt wird, da Alkohol nicht als Medikament gilt, sondern nur als Trägerstoff. Die Beigabe eines Beruhigungsmittels könne aber schon ausreichen.
 Die Mitgliedschaft  in einem Fußballverein und eine Bahnreise mit dem Schöner-Tag-Ticket zu einem Auswärtsspiel pro Monat wird ab sofort von den Krankenkassen übernommen. Fußballschuhe können per Rezept verschrieben werden und gelten als orthopädische Hilfsmittel.
Die Krankenkassenbeiträge sollen angehoben werden, denn, wie der Präsident der Gemeinschaft deutscher Krankenkassen mitteilt, so viele Kranke, wie er in den Stadien gesehen habe, das glaube er nicht. Die Dunkelziffer vor den Bildschirmen und in den Fußballkneipen liege noch viel höher.
Aber: Hauptsache, den Menschen geht es gut.

Gedichte mit Modewörtern drin: Georg Krakl - Geschockt (2011)

Heut morgen schaut ich in den Spiegel
und riss geschockt die Augen auf.
Ich griff zum Schönheitspastentiegel
und legte dick die Salbe auf.
Es hat nicht viel gebracht,
denn selbst im Bus wurd ich verlacht.
Für meine Woche ist das wichtigste der Themen:
Den Spiegel von den Fliesen nehmen!

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Alles fließt überhaupt nicht

Manchmal fließt nicht mal der Bach

Wisset, dass der östliche Mensch sich gern mit kryptischen Sätzen umgibt und den Anschein erwecken will, er sei besonders weise. Einer dieser Sätze ist: Alles fließt. Was auf den ersten Blick eine klare Aussage ist und der Leser sie ablegt unter „Unwichtig“ oder „Kannst du vergessen“, entwickelt bei längerem Betrachten unangenehme Qualitäten.
Man stellt fest, dass eben nicht alles fließt, sondern vielmehr auch steht, sitzt oder liegt. Manches hüpft, anderes kriecht und der Rest schleicht sich vielleicht. Dem Menschen im Osten nimmt das aber keiner übel, dass er da Unsinn verzapft hat, sondern denkt weiter, dass das schon seine Richtigkeit haben wird.
Dann setzt man sich an einen Bach und kontempliert. Der Bach fließt. Aber der Rest? Das Gras zittert und wackelt, der Mutterboden sitzt oder steht oder liegt unter, neben und hinter dem Bach. Die Blumen lauern auf Bienen und die Bachstelze stelzt arrogant herum, weil sie sich nicht mit östlichen Weisheiten beschäftigen muss.
Schlussendlich entstehen Aggressionen über die Ungerechtigkeiten der Welt: Der Westler gilt immer als ein bisschen tumb, während der Chinese zum Beispiel listig grient, weil man ihn für einen Alleswisser hält. Und das nur, weil man die Sätze nicht sofort versteht, die aus dessen Heimatland in die zivilisierte Welt dringen.
Der Westen sollte auch seinen Stolz entwickeln und ab und zu ein paar kryptische Weisheiten deklamieren. Ein schönes Beispiel ist: Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der die Sache regelt.

Castle Head

Gedichte mit Werbung drin: Georg Krakl - Hansaplast (2011)

Lecken an den Wunden,
den Kratzern und den Schrunden,
das heilt fast
wie Hansaplast.

Tipps für den Vatertag: Auf Farbe achten!

Obacht ist geboten, wenn auch dein Schatten langsam blau wird.

Wandern am Muttertag

Es ist Muttertag und die Mutter hatte sich gewünscht mit den Kindern zu wandern. Sie sind schon eine Viertelstunde gegangen, doch jetzt machen die Kinder eine Pause und spielen mit ihren Handys. Die Kinder sind zu alt zum Herzchenbasteln und zu faul zum Kuchenbacken oder Blumenkaufen, aber die Mutter will diese erzieherische Niederlage verleugnen. Den Freundinnen wird sie erzählen, dass sie gemeinsam mit den Kindern etwas unternommen hat, nein, Jochen war nicht mit, der hatte Thekendienst auf dem Sportplatz, da ist sie ja tolerant, es heißt doch Muttertag und nicht Mutter- und Ehefrauentag. Zum Glück musste sie ihn nicht auch noch überreden mitzukommen, das hätte vielleicht zu viel Kraft gekostet, das mit den Kindern war schon so schwierig gewesen. Ja, wir fahren nachher zu McDonalds, ja, ihr dürft die Handys mitnehmen, nein, wir wandern nicht so lange. Nein, ihr bekommt nicht 5 Euro für jeden Kilometer, 2 Euro, in Ordnung, abgemacht, aber ohne Meckern zwischendurch, ist das klar? Heute ist Muttertag, da darf ich doch mal bestimmen, oder etwa nicht? Mache ich nicht alles für euch, an den anderen 364 Tagen im Jahr? Ja, Finchen, ich weiß, dass es Schaltjahre gibt. Kinder, können wir weitergehen? Bisher bekommt jeder von euch nur 50 Cent, und was soll ich den Freundinnen erzählen, Andrea wird mir morgen vom selbstkomponierten und am Klavier vorgetragenen Liedchen ihrer kleinen Annabel berichten, da kann ich nur mit einer Treckingtour kontern, aber davon sind wir weit entfernt, kann sich nicht einer von euch den Fuß verstauchen? Dann bin ich raus aus der Nummer, dann war es eben höhere Gewalt, ich wollte ja, die Kinder wollten, natürlich, wir waren alle so heiß auf die erste Waldwanderung in diesem Frühjahr, und dann sowas! Der arme Justus! Immer lief er vor, nicht zu bremsen, unser Jüngster, und da hat er die Wurzel übersehen, ja, und dann mussten wir ihn aus dem Wald tragen und ... Ach, lieber nicht, ist schon gut so, kommt Kinder, wir gehen zurück, ja, wir fahren jetzt gleich zu McDonalds, ja, das Geld bekommt ihr auch, nein, in diesem Jahr müsst ihr nicht nochmal wandern, mal sehen, Maxi, ob du die X-Box bekommst, heute ist erstmal Muttertag, okay? Da bin ich mal dran.

Platzhalter


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Wandern ist unlustig

Wärmebildkameras haben jetzt festgestellt, dass Wandergruppen gar nicht so fröhlich sind, wie sie immer tun. Jeder, an dem eine fröhlich singende Truppe mit prallen Rucksäcken und knarzenden Stiefeln vorbeimarschiert, denkt sich doch: Wieso sind die so fröhlich? Die haben 20 kg Gepäck auf dem Rücken, die Tragriemen schneiden ins Schulterfleisch, Blasen brennen an den Füßen von schlecht eingelaufenen Wanderschuhen und Durst wie zehn Bergziegen quält, Wadenkrämpfe sind im Anmarsch und übel riechende Achselschweiße ergänzen; darüber hinaus gibt es nichts mehr zu trinken. Die Lieder sind fröhlich und wollen von unendlich vielen Endorphinen berichten; aber glaubhaft kann das nicht sein. Wandern ist Stress! Warum wurde sonst das Mofa oder das E-Bike erfunden?
Jetzt haben Wissenschaftler herausgefunden: Alles Getue. Alles Show. Alles Maske.
Hinter den Kulissen sieht die Welt ganz anders aus. Zerfurchte Gesichter schreien die Strapazen förmlich heraus. Augen, die fragen: Wann ist das hier bloß zu Ende? Ohren, die jammern: Ich kann dies Gelabere von Fred nicht mehr hören. Eine Bachstelze, eine Bachstelze! Seht doch mal, liebe Naturfreunde!
Ich bin Naturfeind, ich will nach Hause!
Darum, lieber Amwegesrandsteher, aufgepasst! Nicht immer gleich das Beste von den Wanderern denken! In Wirklichkeit würden die doch auch lieber an der Straße stehen und sich zugucken.

Ernst G.Meindt: Wir

ICHICHICHICHICH
ICHICHICHICHICH
ICHICHICHICHICH
ICHICHICHICHICH
ICHICHICHICHICH
ICHICHICHICHICH

Was ist eigentlich ein Zeitkorridor?

Ein Zeitfenster hilft nicht immer
Was ein Zeitfenster ist, weiß fast jeder, der das Wort benutzt. Er kann sich aus dem Fenster lehnen, manchmal zu weit, er kann aus dem Fenster springen, oder es einfach geschlossen lassen, dann passiert überhaupt nichts. Es eignet sich für Leute, die gern die Dinge beobachten, wie sie von anderen erledigt werden, denn sie können ihr eigenes Kontinuum nicht wirklich verlassen, ohne suizidal verdächtigt zu werden.
Der Zeitkorridor erlaubt es, betriebsam hin und her zu laufen und Dinge, die hinter verschlossenen Türen liegen, nicht erledigen zu können, oder besser, zu müssen. Der Zeitkorridor hat eine ganz andere Dimension als das Zeitfenster; das eine dient der komtemplativen Betrachtung des nicht Erledigten, das andere präsentiert die hektische Seele, die ständig in Aktion ist und den Eindruck erweckt, sie arbeite und erledige etwas. In Wirklichkeit lenkt sie von der eigenen Unfähigkeit ab, indem sie vom Zeitkorridor spricht.
Dann gibt es die minimalisierte Form des Zeitschlitzes, der den wirklich Großen dient, denen alles in eine schmale Spalte schrumpft. Nichts ist weit oder lang genug, um diese zufriedenzustellen, oder ihnen genügend Raum zu schaffen, in dem sie ihr Zeitproblem lösen können.  Alles ist zu eng, zu kurz, zu begrenzt, zu kleinbürgerlich, als dass sie beginnen könnten. Fenster und Korridor verkümmern in Gegenwart der Großen zu Zeitschlitzen und dazu kommen die eigentlichen Zeitschlitze, die sowieso schon klein sind.
Dienen wir den Großen einen Neologismus an: Zeithafen. Der ist groß und weit und weist in die Welt hinaus. Leider passiert in Häfen auch nicht viel, wenn man es nicht wirklich will.
Zeit ist einfach unfassbar, unbegreiflich, unbeherrschbar. Und mit ihr der Hang, sie zu verplempern.

Östliche Weisheit widerlegt

Alles fließt.
Ich nicht, spricht der Kanal.

ohne Titel 5


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Titelraten

Welche Bildunterschrift ist die richtige?

1.Einfach mal still sein, wie der Name schon sagt.
2.Max Frisch: Ich bin nicht Stiller.
3.Max Fisch: Ich bin stumm.
4.Mein Name ist Schmidt, Schnauze!

Stehpinkler, aufgepasst!

Man kennt das doch: Da hatten kundige Klodesigner die Fliege in die Schüssel konstruiert und hofften darauf, dass der zornigen Aufwartefrau die Spucke wegbleibt. Zielpinkeln sollte zu verstärktem Im-Urinal-Bleiben führen, die Fliege sollte das Gesprinkele in die Umgebung verhindern.
Scheinbar hat die Idee nicht recht gefruchtet; Fliesenflächen sind weiterhin eingeschmutzt und der Boden sieht oft aus, als sei ein Loch in der Deckendrainage. Zielen ist wohl nicht jedermanns Sache, treffen genauso wenig.
Jetzt sind Umgestalter im Urinalbereich auf die Idee gekommen, mit luftballonartigen Gegenständen das Zielen und Treffen zu erleichtern und gleichzeitig den Gedankenlosen, die es nicht versuchen, das Wasser hinter den Ballon abzuschlagen, eine Leere zu erteilen. Wer einfach nach der Hose-auf-und-los!-Methode arbeitet, wird jetzt zum Gespött der Kollegen und Mitmenschen: Die Ballons schmettern das Spritzwasser direkt auf die Hose zurück und sorgen für peinliche Flecken.
Ob sich ein derart restriktives Erziehungsprogramm durchsetzt, wird die Zukunft zeigen müssen.
Die Mehrheit der Männer muss sich wohl fürs Sitzpinkeln entscheiden.

Kopf

Singende Küchengeräte

Lieblingsschlager: Weiße Rosen aus Athen?
Wir wissen nicht wirklich, was im Unbelebten vor sich geht. Auch wenn wir ein vertrautes Verhältnis zu unserer Thermoskanne haben, weil sie täglich für uns Dienste leistet, ahnen wir in der Hektik des Lebens nicht, ob sie stumm ihre Arbeit tut oder vielleicht über etwas nachdenkt.
Vielleicht hat sie Lust zu singen, weil das Radio im Hintergrund dudelt, oder sie ist einfach traurig, weil sie keine Freunde hat, und möchte dieser Trauer Ausdruck verleihen. Wenn wir genau hinhören, können wir manchmal ein leises Fiepen und Säuseln hören, besonders wenn die Kanne fast geleert ist.
Damals überraschte uns Flipper, der kluge Delphin, der sich von Buds asthmatischer Oldtimertröte anlocken ließ, um dann auf der eigenen Schwanzflosse zu tanzen und dabei Delphinlieder zu schmettern. Delphine kannten wir vorher nur unbelebt aus der Thunfischdose, sodass es wie ein kleines Wunder war, unsere Nahrung als Schlagerinterpreten zu sehen und vor allem zu hören.
Auch Wale singen.
Darum sollten wir morgens nicht tumb im Morgenmantel durch die Küche stampfen, sondern immer die Ohren spitzen, ob nicht doch ein Liedchen - möglicherweise sogar an uns gerichtet- aus Toaster, Kaffeemaschine oder Thermoskanne klingt.
Die singende Kanne anhören.

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Kinderrecht: Nicht niedlich sein wollen

Kinder wollen nicht niedlich sein. In den ersten Lebensjahren sind sie es - ob sie wollen oder nicht. Aber wenn sie anfangen etwas sein zu wollen, dann auf keinen Fall niedlich. Mädchen wollen nicht süß sein und Jungen nicht knuffig. Erwachsene sind nicht süß und knuffig, das Leben schon gar nicht, also wollen Kinder auch nicht so sein. In Krisenregionen zeigen sie sich gern mit den Waffen und den harten Gesichtsausdrücken der Großen, in vermeintlich friedlicheren Gegenden dieser Erde präsentieren sie sich ebenfalls gern furchteinflößend und schreckenerregend. Hier hält sich vielleicht kein weltweit gesuchter Terrorist versteckt, aber in jedem Nachbarhaus könnte ein Massenmörder oder Kinderschänder wohnen. Und viel schlimmer noch: gleich nebenan - ob geographisch oder kulturell betrachtet - die vielen zivilisierten Bürger und die rechtsstaatlich gesinnten Politiker, die öffentlich den Tod eines Menschen, auch wenn er Terrorist war, begrüßen. Kein Kind hat Grund zum Niedlichseinwollen.

Hasen minderqualifiziert

Jetzt ohne Beschäftigung
Jetzt haben sie ausgedient. Die Hasen stehen vielleicht noch im Regal, in der Hoffnung, dass Zuckerabhängige sie herausnehmen und heißhungrig auf dem Kundenparkplatz verzehren, aber die Hoffnung will nicht recht grünen. Die Zukunft heißt Weihnachtsmann. Ab in den Schmelztiegel und umgepresst! Wer will jetzt schon an Weihnachten denken? Psychomaten oder Schizophrene, deren zweite Hälften bereits in der Zukunft Geschenke kaufen oder in der Vergangenheit den Baum schmücken.
Wer macht sich schon Gedanken um nicht verkaufte Osterhasen? Wer nicht über das Förderband der Ladenkasse gegangen ist, kann nur ein Looser sein.
Ein Hase, den keiner will. Der preisreduziert wird. An dessen Folie man ungestraft kratzen kann, weil letztendlich die Schweinemast wartet.
Augen auf bei der Berufswahl, grinst der Besserwisser aus dem Konservendosenregal. Und Recht hat er schon. Eine Dose ist vielleicht unansehnlich, aber hat Eigenschaften, die überdauern. Sie hat etwas Kanzlerinnisches, etwas Konservatives eben. Eine Beule, wenn man fällt, kann nicht schaden.
Ein Hase ist ein Saisonarbeiter. Im Sommer Maurer und im Winter Hausschlachter war die klassische Kombination. Der Hase kann nichts, nicht mauern und nicht schlachten. Er kann nur herumstehen, sich kaufen und essen lassen. Das reicht eben nicht. Die heutige Zeit fordert qualifizierte Fachkräfte. Da ist die Konserve deutlich im Vorteil.

Gedichte mit "tun" drin: Georg Krakl - Herz (2011)

Er: Mein Herz schlägt für dich täglich.
Sie: O, das ist kläglich.
Sekündlich wäre gut,
weil man sonst sterben tut.

Basti und Puffi fühlen sich (nicht) beobachtet

Ich fühle mich irgendwie beobachtet.
Wie meinst du das?
Na, so von hinten.
Von hinten? Na, das klingt ja!
Wie, das klingt ja?
Komisch.
Wie komisch?
Klingt komisch.
Wieso komisch?
Na, als wenn hinten was wäre.
Ist es ja auch.
Glaub ich nicht.
Mal wieder typisch!
Was denn jetzt?
Du merkst nichts.
Natürlich merke ich was. Zum Beispiel, wenn du dich beobachtet fühlst.
Jetzt ja wohl nicht, oder?
Nein. Du wirst nicht beobachtet.
Doch.
Nein, überhaupt nicht.
Und dieser komische Teddy da hinten im Glas?
Seh ich nicht.
Wenn du ihn sehen könntest, würdest du dich auch beobachtet fühlen.
Glaub ich nicht.
Glauben und wissen sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Was soll das denn heißen? Ich trage gar keine Schuhe.
Eben. Das war eine Metapher.
Was ist das denn schon wieder?
Ein bildhafter Ausdruck.
Ich habe nichts ausgedruckt.
Du ist blöd.
Du auch.
Siehste!
Hab ich doch immer gesagt.

Grüner Daumen oder Druck?

Geht doch!
Jahrelang haben sie uns gepredigt: Sprich mit deinen Pflanzen, die merken das, wenn du gut zu ihnen bist, du hast den Grünen Daumen, da gedeiht alles.
Und dann gehen dir die Pflanzen ein. Da kannst du sprechen, wie und was du willst, du kannst wispern, flüstern, säuseln oder ein Lied vorsingen.
Die Pflanzen lassen die Köpfe, Blätter, Stängel hängen und sterben ab. Aus mit Sprechen!
Der florophile Mensch muss endlich seinen gerechten Zorn mobilisieren. Man kann und darf den Blumenkonzernen nicht das Geld in den Rachen werfen, weil sie dem Kunden wachsunwilliges Gut in die Hand oder den Einkaufswagen drücken. Es heißt jetzt: Wachs oder stirb!
So ist doch die heutige Blumenpflegegeneration durch die Schulzeit gegangen. Da wurde gesiebt. Da wurde die Klasse wiederholt und die Schule verlassen, wenn das nicht klappte. Da gab's auch mal was an die Ohren. Das hat keinem geschadet, sondern dazu geführt, dass aus den Leuten was geworden ist.
Der Anhänger der Konfrontationsfloristik empfiehlt: Zeig, wo der Hammer hängt, zeig, wo die Biotonne steht. Oder sagt, wo sie steht.
Wachs! Werde grün! Blühe!
Sonst geht's auf den Kompost! Dann bist du nächstes Jahr Blumenerde! Ist das klar?
Die meisten Pflanzen lassen sich so überreden, doch noch einen entsprechenden Versuch zu starten.
Dann kann der Blumenfreund es wieder säuseln lassen. Kann Lieder singen. Immer mit einem zwinkernden Auge: Pass auf, Begonie! Du passt noch in die Biotonne, und die wird morgen abgeholt!