Männer lieben klare Entscheidungen


Der letzte Urlaub am Meer lag lange zurück. Jochen hatte Sehnsucht nach dem Wasser, egal ob süß oder salzig. Auf die Gischt kam es ihm an. Und auf Hannelore auf dem Beifahrersitz neben ihm. Beim letzten Urlaub am Meer hatte sie dort noch nicht gesessen und Jochen wollte wissen, wie es ist, wenn er mit ihr durch die Brandung fährt. Wenn Hannelore die Brandung und die Gischt ebenso genießen würde wie er, ja, dann könnte die Sache ernst werden. Sie müssten dann schon nach Dänemark fahren, in Deutschland darf man nicht mit dem Auto an den Strand, aber das würde Jochen tun, für große Gefühle würde er auch bis nach Dänemark fahren. Aber jetzt kam es drauf an. Würde Hannelore unberührt schweigen, verschreckt kreischen oder kopfschüttelnd über ihn lächeln, wäre mal wieder alles zu Ende, bevor es richtig begonnen hatte. Aber vielleicht würde sie ja glücklich lächeln und zärtlich sein Knie berühren, während die Gischt an das Seitenfenster spritzt. Ein Seufzer oder ein leises lustvolles Stöhnen würden Jochen auch begeistern. Jetzt, da, die tiefste Stelle, Jochen wusste, Hannelore konnte die Richtige sein, jetzt würde sich alles entscheiden, Jochen liebte diesen Moment, die Entscheidung konnte grausam sein, aber nichts ging über Klarheit und Eindeutigkeit. So sind wir Männer eben, dachte Jochen und schaltete den Scheibenwischer ein.

Die Seele am Grill verkaufen

Grillen und Spiritualität passen eigentlich zusammen
Das Lagerfeuer knistert, das erste Pils am Start, aus der Dose natürlich, die Luft ist warm, aber klar, die Gespräche oberflächlich, niemand hört dich, niemand hört, was du sagst, der Grill ist heiß, die Würste schmoren im eigenen Fett, Willi rülpst oder Klaus, egal, das Bier tut seine Wirkung, besorgt diese leichte Stimmung, diese entspannte und mutige Schwere und gleichzeitige Federhaftigkeit, die das Fliegen ermöglicht. Abheben und schweben, das wäre das Richtige. Der Himmel biegt sich vor Lachen, weil die Szene so lächerlich ist. Die Tiere haben sich in den Wald verzogen, heulen sich die Augen aus, wenn sie können. Nicht alle Tiere können weinen, weil sie das in ihrer natürlichen Umgebung nicht müssen, nur wenn sie Menschen treffen, ist ihnen nach Heulen zumute. Wölfe im Mondschein wissen um das Leid, das sich die Menschen selber bereiten und dabei lachen, als sei alles von dieser bierseligen Leichtigkeit, von diesem selbstbewussten Pilsgeschmack durchdrungen, der so fest macht im Glauben, im Glauben an sich selbst, an die ewige Existenz der Menschen mit ihrer beschissenen Seele, an die sie erst glauben wollen, wenn sie tot sind, die sie längst dem Teufel verkauft haben, für einzwei Getränke und etwas Grillfleisch, für einen lauen Abend und einen mittelmäßigen Liebesakt. Für ein immergleiches Fernsehprogramm und für 110 PS unter der Blechhaube in Metallic. Das alles und noch viel mehr. Die Tiere halten ihre Seelen fest, sie geben sie nicht her. Woran sollen sie glauben? An ihre Sterblichkeit vielleicht.
Alles dreht sich.
                               Dazu hören: Candy Dulfer-Two Miles

Günter Krass: Wenn Zwerge zu sehr hämmern

Zwerge sind einfach immer kleiner als andere.
Hinter den Bergen hämmern die Hämmer eifrig, Zwerge halten sie in festen Fäusten, emsig auf der Suche nach dem Glück, das sie in Wänden voller Edelsteinen finden wollen. Die Knöchel blutig gestoßen, Schweißperlen vor der Stirn starren sie irren Blickes auf das Ergebnis ihrer Arbeit. Eingerissene Wände, Türen morsch und träge, zersplittertes Glas. Der Himmel ist voller Trauer, immer wieder beginnen die Zwerge, hauen und schlagen auf das Gestein ein, reiben sich verlegen die Bärte, wenn ihnen die Puste ausgeht.
„Piet, wo ist meine kleine, spitze Hacke?“, fragt Claas. Zwerge haben eine Vorliebe für holländische Namen, so wie sie am liebsten die Löcher aus dem Käse schneiden möchten.
 Ewig schon warten sie auf Schneewittchen, das endlich, endlich aus ihren Becherchen trinken soll und in ihren Bettchen schlafen muss. Das ihnen endlich sagt, dass sie mir ihrer blödsinnigen Suche aufhören sollen, dass sie endlich in ihre Schaukelstühle sinken können, die Pfeifen entzünden und einen lauwarmen Cognac in ihren schwieligen Händen schwenken könnten. Das Leben hält noch schöne Seiten bereit. Auch für Zwerge. Was willst du tun, wenn dir das keiner sagt, weil du zu klein bist? Weil du ein Zwerg bist, in niemandes Augenhöhe. Dein Pochen und Klopfen aus tiefen Höhlen dringt an das Ohr derer, die dich nicht sehen. Derer, denen die Demut, die Bescheidenheit fehlt, nach unten zu sehen. Nur so nehmen sie dich wahr. Die Nasen hoch getragen, im Himmel, zu denen du aufsehen musst, geblendet sogar vom trüben Himmel, weil deine Augen von der ständigen Dunkelheit empfindlich geworden sind.
Arbeite weiter! Durch Arbeit zum Licht, auch wenn die Sonne untergeht. Schneewittchen wird wohl schon unterwegs sein.
„Piet, meine Hacke, nun sag schon!“, Claas lässt keine Ruhe.


Über den Tellerrand schauen


Über den Tellerrand schauen ist keine Frage der Größe. Keiner steht in seinem Teller und vor der Herausforderung, über den Rand hinaus zu sehen, um mitzubekommen, was die Welt außerhalb des Tellers zu bieten hat. Aber ab und zu sitzt jeder mal vor seinem Teller. Und dann kann es eine große Leistung sein, den Blick über den Tellerrand hinweg zu heben. Um zum Beispiel die Flecken auf der Tischdecke zu entdecken. Oder in die Augen des Ehepartners zu blicken, wie lange hat man das vermieden. Auch kann es schmerzhaft sein, den Blick zu heben und die schmierigen Fingerabdrücke auf der Dunstabzugshaube zu sehen. Überall tun sich Aufgabenbereiche auf: putzen, waschen, aufräumen, Beziehungen in Ordnung bringen. Über den Tellerrand schauen kann richtig weh tun und wird daher so gern vermieden. Wer es getan hat, wird vielleicht mutiger und schaut anschließend auch noch in den Teller, auf die Lebensmittel, die sich dort häufen und, wenn die nicht mehr zu identifizieren sind, auf die Nährmittelangaben der geöffneten Dose oder Styroporverpackung. Mit dem neu erworbenen mutigen und aufklärerischen Blick sollte jede einzelne Zutat in Augenschein genommen werden. Bei wem auf das Betrachten und Erkennen der Wunsch zum Handeln aufkommt, der ist schon auf dem besten Weg, Mitglied bei Foodwatch zu werden. Wer den Blick über den Tellerrand grundsätzlich scheut und Lebensmitteln schon länger nicht mehr über den Weg traut, sollte einfach mal eine halbe Stunde in einen leeren Teller schauen, auf den knurrenden Magen hören, das Nichts erspüren und in einer schlichten Imaginationsübung sich selbst als einen leeren Teller fühlen, bereit zu empfangen und gefüllt zu werden. So wird der Tellerrand zum Übergang zwischen mir und den anderen, der einen und der anderen Welt, dem Innen und dem Außen, halte ihn rein und respektiere seine Würde, lege keine Knochen und Gräten auf ihn und lecke ihn vor allem nicht ab.

Hygieneprobleme im Tütenklub

Der Tütenklub unverhüllt
Wieso lauft ihr ohne eure Tüten herum?

Sind in der Wäsche, Chef.

Neues von Alice Schwarzer

Da lacht der Tütenklub
Hast du gewusst, dass Alice Schwarzer in Wirklichkeit weiß ist?

Nein. Wie peinlich.

Kommunikationswissenschaft: Die 5-Ohren-Theorie

Fünf Ohren hat der Mensch
Schmidt von Thun hatte ja schon vier Ohren in seinem Kommunikationsmodell. Mit diesem reichlichen Angebot kam Schulz von Fisch nicht klar und setzte noch eins drauf: Für ihn hat jeder Mensch, wenn er kommuniziert -und ohne geht ja nach Watzlawick gar nicht - fünf Ohren, um Botschaften zu entschlüsseln.
Nehmen wir ein Beispiel. Pinky hört von hinten ein "Ey, Alter!"
Jetzt kommt das erste Ohr in Aktion: Das Selbstoffenbarungsohr. Pinky denkt: Samma, wellsche Ratte labert misch da hinten an?
Aber dabei bleibt es nicht. Das Beziehungsohr schaltet sich dazu und lässt Pinky überlegen: Ratte, die volle Ratte, sonz labert misch so keiner an. Dat is Frett. Oder Fretti mit doppeltes T.
Jetzt ist Pinky schon einen Schritt weiter. Das Sachverhaltsohr tut ein Weiteres. Wat will dir jetzt um diese Zeit von mir und wieso kann der misch von hinten erkennen, wo der immer so hackezu is?
Das Appellohr fordert zum Handeln auf. Hömma, Frett, die alte Ratte, die kann misch mal sonzwo, isch hau dem do glatt eins in die Fresse.
So weit so gut, so weit Schmit von Thun. Jetzt greift Schul von Fisch ein und erweitert um das Notwendigkeitsohr: Ist das wirklich notwendig, Pinky?, teilt es mit. Der Frett, der ist doch eine ganz andere Gewichtsklasse, selbst wenn der was getrunken hat, du hast deine fünf Sektchen mit Mandy auch schon weggelöfflt und ruckzuck hat der Frett dir eine verpasst, dass du morgen zum Augenöffnen ins Krankenhaus musst. Nä, sagt Pinky, is klar, dat is total nicht notwendig, dat isch dem Frett jetzt so ein Ding verpasse, ich sach bloß mal guten Tach. "Ey, Alter, Frett, wat machsen du hier? Mönsch, da bin isch aber platt!"
Das fünfte Ohr! Das klingt wie ein Buch aus dem Indienshop, wie eine esoterische Plattensammlung!
Aber da hat Schulz von Fisch Recht: Es deeskaliert, es verhindert Gewalt, es hält auf dem Teppich. Und das können sich alle Kommunikationswissenschaftler, die immer noch an den Lippen von Schmidt von Thun hängen, hinter die Ohren schreiben.

Aggressionen gegen Hunde

Hund und Herr - wenig gelitten
Da gehen sie, Hund und Herr, ein sichtbares Band verbindet beide: Die Hundeleine. Er, der Herr, blickt traurig; der Hund hat den Kopf gesenkt, er schämt sich, denn er hat die Gemüsefrau gebissen, nicht schlimm, denn ihr Bein war bandagiert und sowieso schon offen. Aber die Menge hatte getobt. Erschlagt den Kampfhund und den Blödmann an der Leine gleich mit!, hatten sie gerufen.  Der Herr war verwirrt. Wen meinten sie mit "Der Blödmann an der Leine"? Sie hatten Kohlköpfe nach ihnen geworfen, Auberginen und eine Kiste Zwiebeln. Einer hatte ein Gewicht von der Waage gerissen, aber seine Arme waren nicht kräftig genug, um das 2-kg-Eisen zielsicher einzusetzen. Es war auf einem Café-Tisch gelandet und hatte einer Dame die Käsesahne zermatscht. Wie aggressiv war doch die Welt. Der Hund hatte es eigentlich nicht böse gemeint, er wollte spielen, aber das zu sagen, traute sich ja heutzutage niemand mehr; vielleicht waren esdie offenen Beine, vielleicht hatte Hasso seinen Jagdtrieb wiederentdeckt, und wenn alle nach artgerechter Haltung schreien, warum sollte das dann nicht auch für Hasso gelten. Die Gemüsefrau war im Grunde selber schuld: Sie hatte Hasso eine Salatgurke hingehalten und mit der Zunge geschnalzt. Komm, Fifi, hier, feine Veggi-Wurst, alles ohne Fleisch, hatte sie dem Hund eingeflüstert. Jeder weiß, dass Hunde keinen Spaß verstehen, weil sie nicht lachen können.

Löwe und Schwein wollen keine Freunde werden

Löwe auf Schwein - Mayamalerei auf Yucatan

Hallo, Löwe, sprach das Schwein, du liegst mir schwer auf dem Rücken, du weißt, ich habe es an der Bandscheibe, da wo die Koteletts ansetzen, da bin ich wie die Menschen! Anfangs dachte ich, du wolltest dich mir nähern und ein wenig kuscheln.
Es gibt ja die tollsten Kombinationen, ich sage nur: Schweinehunde. Aber jetzt finde ich dich doch als Belastung. Seit 15 Minuten hockst du da und gehst mir mächtig auf die Wirbelsäule.
Schwein, sprach der Löwe, jetzt mal ganz ruhig bleiben, ja? Erstens wartet meine Frau auf mich und zweitens interessiert mich nicht, ob es Schweinehunde gibt. Es gibt ja auch Meerschweinchen und da ist garantiert nichts gelaufen. Was ich sagen wollte, ist Folgendes: Ich geh dir vielleicht auf den Rücken, aber du liegst mir gleich schwer im Magen. Nach Schwein muss ich immer so aufstoßen. Ich muss hier noch ein bisschen abhängen, weil wir erst um zwölf essen und jetzt ist es halb. Meine Frau hat die Mahlzeit gern frisch zubereitet, was ich persönlich durchaus verstehen kann. Normalerweise besorgt sie Happen und ich liege herum, aber heute ist Freitag und da läuft die Sache anders, weil ich keinen Fisch mag. Die Sache mit deinem Rücken tut mir leid, aber das Problem löst sich gleich von selbst. Da bist du glatt im Vorteil gegenüber den Menschen. Das spart lange Wartezeiten beim Orthopäden oder nutzloses Gehampel beim Physiotherapeuten. Vielleicht wärst du als Gammelfleisch in der Mäckesfrikadelle gelandet. Morgen wirst du Gutes tun und den Steppenboden düngen, auf dem dann fruchtige Kakteen ihre Pracht entfalten werden. Alles hat seinen Sinn.
Das Schwein dachte: Scheiße. Und hatte nicht unrecht.
Ein Beitrag von Gemüsegrafik Lübbecke/Martin Obst 2011

Pawel Pikass: Kuss (2011)

Was soll das denn, Pikass? Bist du der Meinung dass große Frauen dünnen Männern den kleinen Finger küssen? Du hast doch nicht mal genug Farbtuben, dass Hintergrundfarbe und Gesichtsfarbe von dieser grell Geschminkten unterschiedlich ausfallen! Oder hattest du keine Lust, die Konturen sauber auszumalen? Einfach mal drüber und hinterher mit Schwarz die Linien ziehen?
Grün war wohl im Angebot, denn welche Frau von heute trägt ein grünes Ohr? Ist das Gammelfleisch, oder was?
Mann, Mann, Pikass! Du bringst die Männer in Verruf. Wer ist denn die Spacke in Braun? Im Sonnenstudio eingeschlafen und dann nach drei Jahren aufgewacht? Wird der jetzt zwangsernährt? Wer küsst denn so was?
Ja, genau! Große Frauen mit grünen Ohren und grell geschminkten Mündern. Ja, gut, da hast du natürlich Recht.

Helme für Fußgänger

Helme jetzt auch für Fußgänger
Die Fahrradfahrer haben es vorgemacht, die Skifahrer haben nachgezogen und die Skater sind auch dabei: Helme sehen doof aus, aber man trägt sie trotzdem und gibt den vielen Kindern, vor denen man bei Rot über die Straße gefahren ist, ein gutes Beispiel nach dem Motto: Verkehrsregeln interessieren mich nicht, aber ich fahre sicher und bleibe gesund.
Bevor jemand fragt, ob man einen Schaden hat, wählt man die anonyme Hässlichkeit, da man unter dem Helm schwer zu erkennen ist.
Jetzt sollen die Fußgänger mitziehen, denn auch per pedes ist man im Straßenverkehr gefährdet, besonders durch Radler, Skater und Skifahrer, die aufgrund des Helmes eine schlechte Sicht haben und eher nach Gefühl fahren. Um bei überraschenden Kollisionen nicht ungeschützt dazustehen, wurde jetzt der Fußgängerhelm entwickelt, der einen Rundumschutz des Kopfes gewährleistet, aber die Annehmlichkeiten des Zufußgehens nicht einschränkt. Für das Tässchen Kaffee bei Tschibo ist ein Einfüllstutzen angebracht, der in der Luxusversion sogar eine Temperaturregelung vorsieht; das Mettbrötchen wird frontal durch ein Schutzgitter gedrückt, das in der Regel vor Singvögeln schützen soll, die den Helm für ein Futterhäuschen halten. Selbst an den morgendlichen Plausch oder den nachmittäglichen Tratsch ist gedacht worden: Leistungsstarke Lautsprecher bringen die Stimme auf ein Volumen, das auch andere Helmträger erreicht. Die Luxusausführung bietet die Möglichkeit seine Stimme zu modifizieren: Darth Vador und Dirk Bach stehen ganz oben auf der Anfrageskala. Und Bärbel Schäfer.
Ganz neue Perspektiven für Menschen ohne Fortbewegungsmittel.

Schüleraustausch (2)


Liebe Eltern,

auch wenn mein Brief wohl erst bei euch ankommt, kurz bevor ich wieder zu Hause bin, möchte ich euch unbedingt schreiben und von meinen Erlebnissen als Austauschschüler bei einer außerirdischen Familie auf Evastar berichten. Auf dem Foto seht ihr mich mit den Zwillingen Norbert und Hans (sehen wie Bären aus) und Leila und Sylvia (wie Kängurus ohne Beutel, aber echt nett). Auch wenn es mit der Sprache noch nicht so gut klappt, haben wir viel Spaß miteinander. Hier könnt ihr sehen, was wir sonntags meistens machen. Also, wir gehen und kriechen alle diesen Rundmasten hoch und die anderen rufen so was wie "Kommt, wir wandern auf den Obersalzberg" oder "Immer bergan zum Führer" und immer in so einem militärischen Tonfall, einige rollen auch das R so richtig. Und wenn wir am Ende vom Mast angekommen sind, dann springt einer nach dem anderen runter und schreit "Für dich spring ich in den Tod" und "Geliebter Führer, ich folge dir überall hin!" Und dann kugeln sie sich unten auf der Erde, ach nein, ist ja gar nicht die Erde, aber eine Kugel ist Evastar schon, also sie wälzen sich rum und lachen sich schlapp. Am Anfang hab ich mal gefragt, ob sie meinen, dass man das darf, sie wüssten doch, wie das damals auf der Erde war, das ist doch auch traurig und man muss das doch mit Ernsthaftigkeit behandeln, naja, und all das, was wir eben so in der Schule gelernt haben. Und dann haben sie noch lauter gelacht und gesagt, das war ja das Problem, dass alle diesen schwachsinnigen Choleriker ernst genommen haben, auslachen muss man diese Leute, nachmachen und sich dabei ruhig mal in die Hose machen. Das mögen die nämlich gar nicht, diese Leute, sind doch meistens auch Sauberkeitsfanatiker und Orrrrrrrdnungsfanatiker und wer weiß was die noch alles für Zwänge haben und da hilft nur lachen und auf Evastar hätten sie deshalb auch nie Probleme mit diesen Problemfällen gehabt, weil sie wüssten, wie man mit denen umgeht. Was meint ihr? Kann man da sagen, die Geschichte gibt ihnen Recht? Und wenn dann alle genug gelacht haben und wir Hunger kriegen, dann essen wir von dem weißen Zeugs, das hier überall rumliegt, denn was anderes gibts hier ja nicht. Und wenn ich dann nach Hause komme, dann fragt meine Gastmutter gleich "Hast du auch das Zeugs gegessen?" Und wenn ich ja sage, dann setzen wir uns hin und ich erzähle ein bisschen, wie das hier so auf der Erde ist, in Afghanistan und in Tunesien und in Amerika und in Deutschland und dann lachen sich meine Gasteltern halbtot und ich find es toll, dass man sich mit anderen Kulturen so austauschen kann.
Bis bald,
euer Micky
Ein Beitrag von Gemüsegrafik Lübbecke/Martin Obst 2011


















Siehe auch Gemüsegrafik Lübbecke

Morgendepression

Sprechende Waschbecken im Baumarkt?
Besonders morgens fühle ich mich einsam, wenn ich nach  kalter Nacht mein Gesicht für einen kalten Tag zurecht machen will. Es ist still in der Wohnung, nicht einmal die Kaffeemaschine gibt mehr als ein Röcheln von sich. Vielleicht ist auch sie am Ende.
Mein Waschbecken ist mir treu.
Fast fröhlich könnte ich dieses "Gurgelgluck!" nennen, das mir aus dem Ablaufstutzen entgegen klingt.
Trotzdem macht es mich depressiv. Andere Menschen hören aus dem Schlafzimmer "Nimm gefälligst deine Schweißsocken mit in die Wäschekiste!" und wissen sofort, dass ein liebender Mensch in der Nähe ist. Wer hat je von einem liebenden Waschbecken gehört? Erzählte jemand davon, hielte man ihn für verrückt, wenigstens für überspannt.
Wenn ich das morgendliche "Gurgelgluck!" höre, bin ich froh, denn ich weiß, dass diese Schüssel mir treu bleibt, solange sie an der Wand hängt. Ich schäme mich  dann, dass ich sie eben noch angespuckt habe.
Ich drücke meine Hände auf die bleichen Seiten, die so glatt sind und auch so kühl. Aber wahre Freundschaft ist eben nicht rubbelig und heiß.

Schüleraustausch


Liebe Eltern,

mein Jahr als Austauschschülerin bei den Wurzelkindern ist große Klasse. Wir hocken unter der Erde und warten auf den Frühling und wenn der endlich kommt, gehen wir ans Tageslicht und malen alle Blumen und die kleinen Käfer an. Das wird bestimmt cool. Aber im Moment können wir noch faulenzen. Meine Gastgeschwister erzählen lustige Geschichten vom letzten Frühling und wie sie heimlich ein paar Pflanzen falsch angemalt haben. Das ist nicht ohne, wenn das nämlich Mutter Erde mitkriegt, gibt’s ganz schönen Ärger. Sie haben auch von ihren Cousins und Cousinen in Russland erzählt, die sich richtig viel Mühe gemacht hatten mit allem und dann gabs im Sommer große Torffeuer und Waldbrände und so und schwups war alles wieder schwarz und einfarbig und die ganze Arbeit war umsonst. Aber das kann hier ja nicht passieren. Oft dösen wir einfach, aber keine Angst, ich lerne ja immerhin etwas über eine fremde Kultur, und das wolltet ihr doch, oder? Ich muss jetzt Schluss machen, Mutter Erde kommt und pustet gleich die Kerze aus, ich glaube gar nicht, dass schon Abend ist, aber das kann ich ihr nicht beweisen. Herzliche Grüße von eurer

Nicky

Mistel Bodo haben lichtig schone Hutt!

Nicht nur chinesisches Essen ist beliebt
Der Chinese drängt in den Westen. Wir können es förmlich riechen, wenn wir mal wieder etwas im Internet bestellt haben und den Karton aufreißen. Weichmacher strömt uns in die Nase und mischt sich mit dem Duft des Chop Suey von gestern Abend, dessen Reste im Styropornapf auf dem Küchentisch ruhen. Dass der Chinese  nicht nur die Chinaböller erfunden hat, sondern auch die Mauer, die dann später der DDR als Vorlage gedient hat, weiß mittlerweile jeder. Der Chinese hat den Hang zum Praktischen: Früher schon hatten die Krieger immer alles dabei. Der formschöne Hut war gleichzeitig Helm, um sich vor dem Feind zu schützen und darüber hinaus Kochtopf, in dem nicht nur die Köpfe über einem verzwickten Mikadospiel schmorten, sondern das Geschnetzelte aus Hund oder Ratte, die allerdings nur in Notzeiten als Delikatesse verehrt wurden.
Heute ist das alles im Westen, in Europa, in Deutschland angekommen.
Der Metalltopf, liebevoll Wok genannt, wird als Fahrradhelm verkauft und das Mikadospiel sorgt für einen neuen, eleganteren Faltenwurf im Gesichtsbereich.
Trifft der stolze Besitzer auf einen Chinesen, der vielleicht gerade ein Praktikum in einer Molkerei oder einem kunststoffformenden Betrieb macht, heißt es: Mistel Bodo haben lichtig schone lunde Hutt!
Ein Beitrag von Gemüsegrafik Lübbecke/Martin Obst.

Pawel Pikass: Flaschenschädelmenschen (2011)

Na, da hat Pikass mal wieder versucht, gesellschaftskritisch zu sein. Aber mit seiner  eher kindlichen Malweise ist das nicht einfach. Da kann man vielleicht Kindergärten kritisieren oder Tante Milli, weil die einem die Kakao weggeschlossen hat. Sicher, man ist ungezogen gewesen und hat getan, was sich nicht gehört. Nur, die Kakao gehört ja wohl einem selbst.
Ich persönlich fühle mich nicht angesprochen von dem Bild. Ich könnte aber mal nachsehen, ob Tante Milli Telefon hat. Dann könnte ich immer mal wieder zwischendurch darauf hinweisen, dass es der Kakao heißt.
Rob

Wenn akustische Ungenauigkeiten zu Missverständissen und einem Weltkrieg führen

Kalle: Du siehst aus wie der junge Hittler!
Junger Hittler: Ich weiß gar nicht wie der junge Hittler aussieht.
Kalle: Na, wie du!
Junger Hittler: Und woher weißt du das?
Kalle: Na, von dir!
Junger Hittler: Und woher weiß ich das?
Kalle: Na, weil du doch Hittler heißt, oder?
Junger Hittler: Stimmt.
Kalle: Und? Bist du alt?
Junger Hittler: Eher jung.
Kalle: Na, also.
Junger Hittler: Und weiter?
Kalle: Du bist jung, du heißt Hittler, dann bist du der junge Hittler?
Und du siehst auch so aus?
Junger Hittler: Und was bringt mir das? Wenn ich aussehe wie ich selber?
Macht doch jeder!
Kalle: Ich mag keine Zweifler und Nörgler!
Junger Hittler: Und was jetzt?
Kalle: Ändere deinen Namen, sonst wird nie was aus dir!
Junger Hittler: Ok, ich lass ein t weg.
Kalle: Superschlau! Ich hasse diese Ignoranten und Klugscheißer. Der soll doch in die Politik gehen! Mehr hat der doch nicht drauf.
Junger Hittler (geht weg, um seinen Namen zu ändern): ----

Vergleiche: Bernd Begemann - Hitler, mal menschlich gesehen (Darf man das?)
Auch von Bernd Begemann: Fernsehen mit deiner Schwester

Betty Mittag: Von einer Distanz


Von einer Distanz ...
... sieht die Wäsche sauber aus.
Von einer Distanz ...
ist alles wunderschön grün, fast grasgrün.
Von einer Distanz ...

ist der Nachbar gar nicht so übertrieben ordentlich.
Von einer Distanz ...

werden aus Sorgen Probleme und
aus Bäumen Brokkoli.
Von einer Distanz ...

sieht die Welt wie ein gewolltes,
liebevoll arrangiertes Etwas aus.

Ohoh, yeaaah. Von einer Distanz ...

Bei Tageslicht zum Mond fliegen?

Der Flug zum Mond wird immer leichter
Hans: Kann man denn bei Tageslicht zum Mond fliegen? Den sieht man doch vielleicht gar nicht.
Neil: Das passt schon.
Hans: Ich meine, woher weißt du denn,dass du in die richtige Richtung fliegst?
Neil: Na, immer nach oben.
Hans: Ist das denn da der Mond, den wir da sehen?
Neil: Was jetzt?
Hans: Das Weiße da.
Neil: Warten wir eben, bis es dunkel ist.
Hans: Und was machen wir solange?
Neil: Weiterfliegen.
Hans: Reicht denn der Sprit?
Neil: Bis zum Mond und zurück.
Hans: Und wenn wir uns verfliegen?
Neil: Wir haben noch was im Reservekanister.
Hans: Trotzdem. Woher wissen wir denn, dass es der Mond ist? Also, dass wir nicht auf die Venus fliegen zum Beispiel?
Neil: Der Mond ist rund.
Hans: Nicht immer.
Neil: Doch.
Hans: Eben nicht. Bei Neumond ist der gar nicht da.
Neil: Schon. Man sieht ihn nur nicht.
Hans: Und überhaupt. Der verändert sich ständig. Woher weiß du, dass das der Mond ist, wenn wir dort landen.
Neil: Es soll draufstehen.
Hans: Was?
Neil: Na, Mond. Es steht "Mond" drauf.
Hans: Ach, das wusste ich gar nicht.
Neil: Na, also. Jetzt weißt du Bescheid.
Hans: Ja, danke.

Geschwister sollen musizieren


Die Mutter hatte ihnen einfach ein Klavier ins Kinderzimmer gestellt. Jonny musste dafür die Carrerabahn abbauen und in Kisten verstauen. Lange hatte er nach einem Kabel mit Stecker gesucht, um das Klavier anschließen zu können. Bianca war fünf Minuten älter und um einiges klüger, sie haute ihm eine runter und verriet ihm dann, dass ein Klavier keinen Strom benötigte. Jonny hatte noch nie mit Spielzeug gespielt, dass ohne Elektrizität funktioniert und er wollte das auch gar nicht. Trotzdem hatte die Mutter den beiden Geschwistern ein schickes orangefarbenes Klavier ins Kinderzimmer gestellt und für die nächste Woche die erste gemeinsame Unterrichtsstunde angekündigt. Bei einer schicken Party hatte sie ein stadtbekanntes minderjähriges Geschwisterpaar musizieren gehört und wünschte sich seitdem dasselbe für ihre Kinder. „Was sollen wir bloß tun?“, jammerte Jonny. „Alle werden über mich lachen und ich möchte viel lieber mit meinem automatischen Schaukelpferd spielen als Klavier zu üben.“ „Da hilft nur noch beten“, meinte Bianca. „Aber du weißt doch, dass Gebete manchmal nach hinten losgehen, wie beim Sams, dann heißt es ‚Bäh, falsch gewünscht‘ und so.“ Bianca war sich ziemlich sicher, dass das beim Beten nicht passieren könne. Zum letzten Mal in ihrem Leben faltete sie die Hände, senkte ihr Köpfchen und murmelte andächtig: „Bitte, lieber Gott, mach, dass Jonny und ich nie Klavier spielen müssen. Mach, dass die Klavierlehrerin vors Auto läuft oder dass ein Erdbeben kommt, bei dem das Klavier in einen tiefen, tiefen Krater fällt.“ Jonny war beeindruckt von Biancas intelligenten Gebetswünschen. Auch er hatte die Augen geschlossen und öffnete sie erst wieder, als Bianca recht selbstzufrieden „Amen!“ rief. Nie, aber auch nie wieder sprach die Mutter von diesem Tag an übers Klavierspielen, sie weinte viel, fragte viele Ärzte nach der plötzlichen Deformation der Hände ihrer Kinder und kaufte zwei Trommeln. Auch die Carrerabahn wurde an ein Kinderheim verschenkt.