Winfried Hackeböller: Test ROSTERON (2010)

Ja, hallo, Hackeböller, was ist los? Mal kurz auf die Testosteronkrise in einer Künstlerkarriere anspielen? Sollen sich andere Gedanken machen, wie es dem alten Rostler geht? Oder soll dem Betrachter auf den Zahn gefühlt werden, im übertragenen Sinne?
Dass hier ein Eisenproppen in einem Sud aus Dachpappenteer steht, hat ja wohl keine tiefergehende Beudeutung, im Sinne von: Das ist nicht von Pappe, oder: Pappenheim und deine Pappenheimer, die deckt der Dachdecker selbst. Im ganzen viel zu trivial, man weiß doch gar nicht, was der Künstler sagen will. Vielleicht will er ja auch gar nichts sagen und wir haben hier einen schönen Fall von Projektion? Künstler, die nichts zu sagen haben, die wünscht sich doch der Mensch. Endlich mal Ruhe im Ohr, Ruhe im Kopf.
Aber, wer kauft schon so ein Objekt? Und überhaupt: Wo sollte man das hinstellen?

Kryptische Schlagertextplagiate: Xavier Naidoo - Du bist wie ein Segen

Xavier Voodoo:
Du hast mir gerade noch gefehlt, du bist wie der Regen
Du hast mir immer schon gefehlt, wie Regen nach dem Regen

Du bist kein Mädel auf Erden, du bist kein Mädelsgesicht, ich will nichts mit dir werden, ich will nur weg, doch man lässt mich nicht

Ich habe ihnen nichts getan, also hab ich ihnen nichts gesagt,

ich habe ihnen nichts gesagt, also habe ich ihnen nichts geschrieben, ich habe ihnen nicht geschrieben, also habe ich ihnen nichts vorgelesen, ich habe ihnen nicht vorgelesen, also habe ich ihnen nichts vorgesungen, ich habe ihnen nichts vorgesungen, also habe ich ihnen keinen ausgegeben, ich habe ihnen keinen ausgegeben, also bin ich allein an der Theke geblieben, oh, yeah, yeahyeah.


Denn du hast kein Mädelsgesicht, das hab ich nie gesagt, und du bist kein Mädel auf Erden, das habe ich ihnen nie gesagt, also habe ich ihnen nichts getan, du bist kein Mädel auf Erden, du bist kein Mädelsgesicht, ich will nichts mit dir werden, ich will nur weg, doch man lässt mich, oh no, no, no. Yeah......


Original hören

Gedichte und Hintergrund: Theo van Doeskopp - Monotonie (1973)


Der Neo-Dadaist Theo van Doeskopp studiert in den 70er Jahren an der Pädagogischen Hochschule in Bielefeld. Bereits damals fällt es ihm schwer, sich morgens in die Vorlesung über die Grundlagen der Psychologie zu schleppen. Häufig entscheidet er, seinen Schlaf fortzusetzen und später ihm Begleitbuch nachzulesen, was er versäumt haben könnte.
Wenn er es doch einmal schafft, diese um acht Uhr in aller Herrgottsfrühe beginnende Veranstaltung zu besuchen, lullt ihn die sanfte, sonore Stimme des Dozenten schnell ein, sodass er sich bereits gegen halb neun in einer Art Dämmerzustand, in einer Art Trance, in einer Welt zwischen Traum Tag zu befinden glaubt.
Ich wäre besser liegen geblieben! Dieser Gedanke schleppt sich in sein Hirn, Doeskopp ist frustriert, als aggressionsgehemmter Mensch gleitet er in eine mittlere Depression.
Er füllt ein Blatt seines Kollegblockes mit dem Wort MONOTONIE. Jeden Buchstaben trägt er sorgfältig in ein Kästchen, bis die DIN-A-4-Seite gefüllt und die Vorlesung beendet ist. Er glaubt in diesem Moment, die konkrete Poesie erfunden zu haben, deren Form auf den Inhalt schließen lässt! In der Universitätsbuchhandlung stellt er enttäuscht fest, dass es die schon gibt. Sein inneres Kontrollsystem schafft es nur schwer, die darob entstehende Aggression zu kanalisieren. Er will sein Werk sofort vernichten, beschließt dann aber, nach einem - für uns heute nicht mehr nachvollziehbaren- Muster, einen Teil zu extrahieren und anderes lyrisches Genre zu entdecken.
Auch das hat wohl nicht geklappt, denn „Monotonie“ blieb ein Einzelwerk.
Erst viel später nennt Theo von Doeskopp sich Neo-Dadaist und erinnert damit an den Kurzzeitdadaisten Theo van Doesburg, der in Wirklichkeit Christian Emil Marie Küpper hieß.



MONOTONIE

MONOTONIE

MONO

ONO

O NO

NO

O

O TONI

TONI

TONI

O NIE

NIE

IE

I

I

NIE

O NIE

TONI

TONI

ON NIE

O TONI

NO TONI

O NO TONI

O NOT O NIE

O NO TONI

MO NO

O NO

MONOTONIE





Privatier Sepp Ackerer: Du nicht gut!

Hörte man früher nicht immer "Dunichtgut"? Das ist ein Dunichtgut!? Hinterher wusste man mehr über sich und versuchte im Rahmen der selbsterfüllenden Prophezeiung diesem Image zu entsprechen und ging ins Topmanagement.
Dabei war der Spruch DUNICHTGUT entstanden, als die ersten Gastarbeiter in den Sechzigern ins Land strömten, um den Deutschen damals schon die Arbeit, die sie ohnehin nicht gerne taten, wegzunehmen. Da die Gastarbeiter, anfangs Italiener und Spanier, nur wenig Deutsch sprachen, bemüßigte man sich als kultivierter Nordeuropäer dem eher unsteten Südländler ein paar Brocken über seinen Status beizubringen. Die Grammatik wurde verkürzt, alles ins Präsens gesetzt, wenn überhaupt jemand Zeit hatte, und mit entsprechender Mimik und Gestik, denen die Heißlandbürger sowieso verfallen sind, aufbereitet. Jeder hoffte, dass er verstanden wurde und der Angesprochene die geraubte Arbeit zurückgab, oder wenigstens das Geld, das er dafür erhalten hatte. Wenn dann einer dieser schwarzhaarigen Kollegen ein "Dat hätze mal für misch sagen sollen" in den Raum rotzte, war Polen auch ohne Spargelsaison offen. Jetzt ging es aber los! Da musste sich der Mensch im eigenen Land von dahergelaufenen Allestuern beleidigen lassen. Wo sollte denn das im Witschaftswunder befindliche Land enden?
Gehdochwiederdahinwoduhergekommenbist!, ranzte man die Unerbetenen an; als man jedoch bemerkte, dass die Arbeit in bestimmten Sparten liegen blieb, wendete man den Ausdruck auf Republik-Flüchtlinge aus der Ostzone an, wenn sie ihren kommunistischen Quatsch in der Sozialen Marktwirtschaft verbreiten wollten.
Wir Manager aber haben uns entwickelt: Aus dem erstunkenen Etikett für den Gastarbeiter, wobei dieses Wort bereits seine baldige Rückkehr ins Heimatland implizierte, ist die volle Wahrheit geworden: Jetzt im auskeimenden 21.Jahrhundert sind wir die wirklichen und wahren DUNICHTGUTE der Nation. Unser Schaden soll es jedenfalls nicht sein!

Gestern bei Hertie: Das Mettbrötchen

Gestern bei Hertie. Ich in der Backwarenabteilung, will Brötchen kaufen. Eine Verkäuferin bedient einen gesetzten Mann um die sechzig, dreht ihm Pfeffer aus einer Pfeffermühle auf ein Brötchen, das mit rosa Mett bestrichen und Zwiebelringen belegt ist. Ein weiterer Kunde, halblanges glattes Haar, einen altmodischen Hut auf dem Kopf, gekleidet mit beigefarbenem Blouson und einer Feincordhose in undefinierbarer Farbe steht daneben. Ein zweite Verkäuferin füllt mir Brötchen in die Tüte.
Mann mit Hut (deutet auf das Mettbrötchen): Haben Sie schon mal an das Tier gedacht?
Kunde: Welches Tier?
Mann mit Hut: An das Tier auf Ihrem Brötchen!
Kunde: Ich seh kein Tier. Das ist Mett.
Mann mit Hut: Das war aber mal ein Tier.
Kunde: Kann ich mir nicht vorstellen.
Mann mit Hut: Wohl begrenzte Vostellugsgabe, was? Ja, so seid ihr alle, vor der Moral kommt das Fressen, Massentierhaltung ist doch ein Fremdwort, Hauptsache, es schmeckt, aber welches Leid dahinter steckt, das kümmert hier keinen. Augen zu und weitermachen wie bisher....
Verkäuferin: Hören Sie, wir hatten doch schon mal ein Gespräch. Wenn Sie die Kunden belästigen, müssen Sie gehen, das hatten wir doch schon.
Mann mit Hut: Wir leben hier in einer Demokratie, da kann jeder seine Meinung sagen, das nennt man Meinungsfreiheit.
Verkäuferin: Aber nicht, wenn Sie Kunden belästigen.
Mann mit Hut: Der Mann hat Schwein auf dem Brötchen.
Kunde: Schwein sieht anders aus. Das hier ist Mett.
Mann mit Hut: Mett wird aus Schwein gemacht.Das ist faktisch geschreddertes Schwein. Das Schwein hat mal gelebt, das war ein Lebewesen wie du und ich.
Kunde: Ich bin kein Schwein.
Mann mit Hut: Aber ein Allesfresser. Genau wie das Schwein, das ist auch ein Allesfressser. Das würde wahrscheinlich, wenn es sich das aussuchen könnte, Sie gerne auf einem Brötchen mit Zwiebelringen fressen, nachdem Sie ein Jahr lang in einem Käfig gesessen und Speiseabfälle, Antibiotika und Mastbeschleuniger gefressen haben. Tageslicht wäre für Sie ein Fremdwort.
Kunde: Ich nehm noch einen Kaffee zu dem Brötchen.
Verkäuferin: Sie müssen jetzt gehen, Sie belästigen hier die Kunden, das geht zu weit!
Mann mit Hut: Holen Sie doch die Polizei! Damit habe ich kein Problem.
Verkäuferin: Gehen Sie jetzt!
Mann mit Hut(im Weggehen): Ja, wenn's um Kinder geht, da wird ein Bohai drum gemacht, aber an Tiere denkt keiner, ihr seid doch alle zu blöd, das zu kapieren, holt doch die Polizei, ihr seid völlig blöd.
Ich: Ich nicht.
Kunde: Blödes Schwein.
Verkäuferin: Kann man sagen.
Ich: Zu wem?
Verkäuferin II: Möchten Sie eine Tragetasche?
Ich: Danke, geht schon.

Georg Krakl: Steigerung (2010)

Es strömt Wasser ein, mein Käpt'n, Schiff ist leck!
Ess Bratwurst gern, mein Käpt'n, die ist lecker.
Der Käpt'n drauf: Mein guter Maat,
du machst hier grad Verbalspagat.
Der Maat: Ach, lieber Käpt'n, geh doch weck!
Grammatik geht mir auf den Wecker.

Der Käpt'n grunzt: Orthografie,
die konntest du noch nie.

Es kommt auf die Perspektive an

Was so aussieht, als sei es ein monumentaler Dom, ist in Wirklichkeit ein Flachdachhaus, ein schlichter Bungalow. Der Frosch in uns macht alles groß. Nichtigkeiten pumpen wir zur Wichtigkeit auf; von oben betrachtet, mit dem Vogel in uns, vielleicht einem Geier, sagen wir: Was soll der ideenlose Bau da unten, das ist doch nur ein großes Zimmer mit Betondecke oben drauf? Der Vogel will nicht weiterreden und fliegt davon, um einen Frosch zu finden und ihm zu lauschen, was der von monumentalen Domen zu berichten hat. Und immer und immer muss der Frosch von gigantischen Megabauten erzählen, so als sauge der Geier es förmlich auf, so als wolle der Vogel Kraft tanken, um von oben sagen zu können: Schwachsinniger Furz, den ein Mensch da in die Ecke gestellt hat! Das ist doch kein Gebäude, das ist eine Zumutung!
Der Vogel kann nicht anders, denn seine Wahrnehmung ist die aus der Vogelperspektive, die von oben herab, die nur arrogante und ignorante Urteile über Untenliegendes zulässt. Der Frosch ist in der gleichen Bredouille, er kann nur aufgedunsenen Schwachsinn über die Welt verlauten, weil er sie so sieht. Mit seinen glubschigen Froschaugen betrachtet er alles aus der Froschperspektive und gilt durch seine übertriebenen Ausführungen über Bauwerke als Aufschneider und Angeber.
Seit die Menschen jedoch festgestellt haben, dass es Wesen gibt, die aus der Froschperspektive sehen, und Wesen, die das aus der Vogelperspektive tun, haben diese Wesen Namen: Frosch und Vogel.
Jedes Großmaul, das uns über den Weg läuft, ermuntern wir mit einem jovialen "Komm, sei kein Frosch!", den Mund zu halten. Dem, der alles klein und flach macht, rufen wir zu: Du hast nicht nur einen Vogel, du bist sogar einer!

Georg Krakl: Nackter Frauenfuß (2010)


Und es war Sommer. Das erste Mal kein Regen.
Ein nackter Frauenfuß winkt aus der Männer bunt Gewühle.
Ich war erstarrt, ich konnt mich nicht bewegen.
Mir fehlten adäquate Herzgefühle.
Der Jungfrau mit dem schönen Fuß,
der schickt ich einen letzten Gruß.
Als reife Frau sah sie die Sonne lachen.
Vorbei die schöne Zeit. Da kann man nichts mehr machen.






Und es war Sommer. Mehr zum Thema:
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Der bebilderte Mensch im Zeitalter der postmedialen Revolution

Früher schrieb man Postkarten oder seitenlange Briefe, dann wurde das Telefon erfunden und alle dachte: Wie gut, dass niemand meinen Blödsinn aufschreibt, den ich hier rede. Der Anrufbeantworter war Ausdruck der Sprachlosigkeit der Menschen; stereotype Antworten reichten, um ein Gespräch abzuwürgen, das hatte so effektiv noch keine Zeit hingekriegt. Dann brach die Zeit der Handys an und der dazugehörigen Verschuldung bis über beide Ohren aufgrund brutaler Knebelverträge und unüberschaubarer Tarifdschungel. Schließlich bemalten sich die Menschen mit feinen Nadeln, an denen Farbe klebte. Je näher einem das Gegenüber kam, desto mehr gab es zu lesen. Für Analphabeten hatte man sogar Bildchen auf dem Körper und die geheimsten Stellen hatten endlich wieder Überraschungen parat.
Wenn der Mensch ausgelesen war, kam ein neuer. So musste sich niemand mehr langweilen oder peinliche Telefongesprächen führen. Die Bevölkerung aber wuchs und wuchs durch diese Art des Austausches, sodass sich die Menschen immer häufiger auf großen Wiesen und Plätzen versammeln mussten, um überhaupt mal etwas frische Luft zu bekommen. Die war in den Wohnungen bereits weggeatmet. Auf den Wiesen und Plätzen aber konnte man neuen Lesestoff anwerben und sich unterhaltsame Nachmittage und Abende machen. Vielleicht waren die Menschen nicht glücklich, aber sie hatten immer etwas zu gucken.

Der große Haushaltscheck

Merle:Und, wo ist jetzt der "große" Haushaltscheck?
Penny: Haushaltsscheck schreibt man mit Doppel-S!
Merle: Das ist ja ganz was Neues!
Penny: Haushalts-Ceck, das ist so, als wenn einer kommt und guckt, ob alles ok ist.
Merle: Nichts ist ok. Ich brauche das Geld.
Penny: Dann bist du durchgefallen.
Merle: Hab ich doch gleich gewusst.
Penny: Warum regst du dich dann so auf?
Merle: Einer muss es ja tun.

Großes Flüsseraten 2010

Laura: Hm, ist das die Oder?
Tetty: Ist Oder denn ein Fluss?
Mandy: Wieso nicht? Elbe ist doch auch einer....
Tetty: Man sagt doch "Entweder, oder..."
Mandy: Man sagt auch "Immer dasselbe!"
Laura: Weichsel?
Tetty: Ist das nicht an Anhängern dran?
Laura: Das ist Deichsel.
Mandy: Auf jeden Fall ist das ein Fluss und kein See. Er fließt von rechts nach links....
Tetty: Von oben nach unten.
Mandy: Seh ich nicht.
Laura: Ist ja nur ganz wenig.
Mandy: Können wir nicht was anderes spielen?

Völkerverständlichkeit

Er: Erdogan!
Sie: Merkel!

(Auf Deutsch:
Er: Ich bin zu Boden gegangen!)
Sie: Habe ich gemerkelt. )

Geister unter sich

Moppel trifft Bert in der Oberwelt.

Wie lange arbeitest du schon als Geist?
Weiß gar nicht mehr....
Und sonst?
Ich habe früher in Obstler gemacht.
Aha. Was ist das denn?
Himbeergeist und so.
Interessant.
Findest du? Und du?
Geschäftsführer.
So.
Geisterbahn.
Wie schrecklich.
Findest du?
Ich hasse Geisterbahnen.
Wieso das denn?
Ich bin schreckhaft.
Besser als einzelhaft.
Hahahahahahah......Witz...guter Witz.......
Ja,ne?
Wird Einzelhaft nicht groß geschrieben?
Ja, korrekt.
Dann war der Witz doch nicht so gut.
Schade.

Moppel beabsichtigt zu sagen, dass ihm alles hier auf den Geist gehe. Das wäre aber sehr flach, ganz ganz flach. Moppel schweigt.

Aufdenflussstarren als Seniorensport

Immer mehr Menschen leiden an Erkrankungen des Bewegungsapparates, weil sie häufig falsch herumstehen. Nehmen wir das einfache Beispiel eines älteren Mannes, der einen Fluss betrachten möchte. Versunken steht er am Metallgeländer und starrt auf das sich träge dahin wälzende Gewässer. Bereits nach 2 Stunden tun ihm Lendenwirbel, die Kniescheiben und das Hüftgelenk weh, auch verspürt er einen Spannungskopfschmerz, der seinen verkrampften Schultermuskeln entspringt.
Morgen wir er seinen Hausarzt belästigen, dessen Budgetierung sowieso schon im Eimer ist, weil Quartalsende naht, dann schleppt er sich zum Orthopäden, der die versammelte Geräteschaft an diesem  Patienten ausprobieren wird, weil der neue Jaguar finanziert werden muss. Zwei Berufsheiler mit unterschiedlicher Motivation prallen auf einen Patienten, der sich beide Gänge hätte sparen können. Vom langen Sitzen im Wartezimmer des Orthopäden droht dem Simulanten wider Willen möglicherweise eine Thrombose, die durch das Aufkrempeln der Hosenbeine hätte vermieden werden können.
Für lange Stehen an müdewälzenden Flüssen gibt es jetzt im Sanitätsfachhandel Bruststative, die das auf die Lenden- und anderen Wirbel drückende Gewicht reduzieren und ein folgenloses Aufdenflussstarren ermöglicht, was mittlerweile gleich nach dem Vögelbetrachtenohnegrund eine beliebte Sportart geworden ist.
Auch im Alter hat der Mensch Freude an sinnvollen Tätigkeiten, die manchmal durch körperliche Unzulänglichkeiten verhindert werden.
Die moderne Hilfsmitteltechnik hat aber für fast jede Gelegenheit Abhilfe anzubieten.

Winfried Hackeböller: Rostlichtmilieu (2010)

Die Genussschiene fahren
Wenn schon Schiene, dann Genussschiene, sagte Suchtberaterin Meggie zu Suchtberater Thorsten, der sein Nicken verweigert. Fortbildung.
Wenn Rotwein, dann nicht gleich den ganzen Kanister, vielleicht mal nur ein Glas. Genießen ohne Reue eben.
Na, sagt Thorsten, da habe ich dich aber schon anders gesehen. 
Weißt du noch auf der Fete bei Albert? Da warst du ganz schön neben der Spur. Da hast du doch angefangen, dich auszuziehen.
Das war ich nicht, jetzt Meggie. Da musst du mich verwechseln. 
Ich kenn nicht so viele wie dich, ergänzt Thorsten.
Das tut hier nichts zur Sache, es geht um kontrollierten Genuss, um Verhinderung von Sucht.
Die Gruppe schweigt. 
Aha, bemerkt einer leise.
Thorsten errötet.
Ok, ok. Als neben der Spur war das Stichwort, H0 quasi.
Was H0? Was soll das jetzt? Meggie wirkt verspannt.
Eher hysterisch.
Die Sau, denkt Meggie, Thorsten die alte Sau. Heute Abend bleibe ich nicht in seiner 0-Spur, heute Abend geht's an den Kanister.
Wo waren wir stehengeblieben?
Du hast wirklich angefangen, dich auszuziehen.
Mir war halt warm.
Es war auf der Terrasse. 12 Grad höchstens. Und nur, weil der Rudi dabei war.
Du hast doch keine Ahnung. Rudi. Wer soll das denn schon wieder sein?
Mit dem bist du doch dann abgezogen.
Du meinst Benno.
Also doch.
Was, doch?
Du hast dich doch ausgezogen.
Angefangen, angefangen, jetzt bleib mal sachlich.
Die Gruppe schweigt. Betreten.
Ja gut erst mal, fasst Teilnehmer Jürgen zusammen, wann sehen wir uns dann wieder?
Meggie zuckt mit den Schultern.
Thorsten antwortet antwortet leise: Ich meld mich.
Immer lässt er das e weg. Ich kenn dich, ich meld mich. 
Meld dich, sagt Jürgen.
Und immer schön auf der Genussschiene bleiben, lacht Thorsten.
Selber, grinst Bob erleichtert, und vergiss die Meggie nicht!


Vincent van Eijnoor: Depressive Gruppe (2008)

Willi: Dieser Farbkleckser hat mein Gesicht verschmiert. Nennt sich Kunstmaler.
Horst: Denk einfach, es wäre Karneval.
Willi: Du siehst doch auch völlig vermahlen aus.
Horst: Vermalt, wenn schon vermalt.
Kurt: Ich fühl mich nicht gut, dieses Rot auf Gelb ist frustrierend, und aggressiv darf ich nicht werden, also, was bleibt?
Matze und Erni: Ddddddddeeeeeee-pppppreeeeeee- ssioooooooon!
Kurt: Genau.
Willi: Stell dich mal nicht so an, ich habe das Gefühl, ich hätte einen Nagel im Kragen.....
Horst: Hast du ja auch, das Bild hängt nämlich schon.
Willi: Super, ich mal wieder. Und keiner sagt was.
Horst: Du stehst eben immer in der Mitte.
(Heute mit Lesehilfe: Das Rote wird NICHT gesprochen.)

Dicke neue Welt


Die Welt sieht ganz anders aus. Der alte Mercator hat damals geglaubt, Europa sei der Mittelpunkt der Welt, nur weil er Deutscher war. Also: Europa schön groß darstellen, den Rest kann man dann vergessen, der wirkt immer etwas verkrümmt und zurückgeblieben. In Wirklichkeit sieht es ganz anders aus auf der Welt und den richtigen Karten dazu: Europa ist nämlich klein und hässlich verkrumpelt, ein Wirrwarr aus Küstenschlitzen und krummen Gebirgen. Afrika hatte Mercator klein und dick dargestellt, das soll heute noch suggerieren, dass sich die Afrikaner schöne Bäuche angefuttert hätten. In Wahrheit bringt der schwarze Kontinent kaum Bäuche hervor, höchstens solche aus Mangelsituationen heraus. Amerika will immer gern drahtig und schlank dargestellt werden, Mercator hat damals den Indianern Rechnung getragen. Indianer waren nämlich immer schlank und drahtig, heute sind sie ausgerottet; die Nachfahren der Missetäter sind dick und unansehnlich, denn die Amerikaner ernähren sich hauptsächlich von McDonald's und von Marshmallows, die sie sogar grillen oder Salaten beimengen. Eine adäquate Darstellung Nordamerikas auf einer Weltkarte müsste also gedrungen übergewichtig sein, wenn man sowas überhaupt abbilden kann.
Klar bleibt: Afrika ist dürr und dünn. Da lässt sich in Zeiten moderner Messtechniken und verfeinerter Darstellungsarten nichts mehr dran rütteln. Doch bei solchen Themen klammern sich die Menschen an Irr- und Aberglaube. Nur weil es aus einem Computer kommt, muss es noch lange nicht richtig sein!, schreien sie eher hilflos. Solche Ignoranz gehört bestraft. Der Erlös sollte dann in korrigierte Weltkarten und ein Umerziehungsprogramm gesteckt werden.

Alltagsituationen: Graue Haare


Sag mal, hast du was mit deinen Haaren gemacht?
Grau gefärbt.

Günter Krass: Wespennest

Wie lange noch?, fragt Piet. Halbe Stunde, sagt sein Vater Fred, Bodos Onkel.
Lauft schon mal vor!, schlägt Bodos Vater vor, der mit Opa das Schlusslicht der Fünfergruppe bildet.
Die Wanderer sind auf dem Weg zu Tante Hulda. Einer Bergwirtschaft, in der es für die Großen je ein kleines Helles und die Jungen Sinalco und Butterkekse gibt.
Bodo und Piet sind gelangweilt. Heute ist Sonntag, die kleine Wanderung zum Wilden Schmied dauert gerade so lange, dass alle zum Mittagessen pünktlich am Tisch sitzen können.
Die Mütter kochen. Tante Linchen hat Hilfe von Oma Uns.
Kuck mal da!
Piet rennt ins Unterholz, trotz der guten Sonntagskleidung und der Gefahr sie zu verschmutzen oder, noch schlimmer, sie zu beschädigen.
Sonntagskleidung muss geschont werden. Selbst sonntags hängt sie lieber im Schrank. Erst wenn sie beginnt nicht mehr zu passen, wird aus ihr Alltagkleidung.
Bodo rennt hinter Piet her. Beide sind mit Stöcken bewaffnet, die sie am Wegesrand gefunden haben. Mit den Stöcken stochern sie im Laub herum. Eine Pilzgruppe wird freigelegt. Die beiden rätseln, ob die Pilze wohl essbar sind und schnüffeln an ihnen wie junge Hunde.
Au!, schreit Bodo plötzlich. Eine Wespe hat ihn ins Bein gestochen. Unter seinem Hintern tauchen immer mehr Wespen aus einem Wespenloch auf. Wütend fliegen sie um die Jungen herum. Hilfe!, schreit Piet, Wespen!
Die Erwachsenen bleiben stehen, schauen sich kurz um, zücken ihre Spazierstöcke und rennen mutig dem Feind entgegen.
Der Vater fasst Bodo am Arm und schlägt auf eine Wespe ein, die sich auf Bodos Bein gesetzt hat. Onkel Fred macht das mit Piet, Opa haut in die Luft, um dort ein paar Treffer zu landen.
Schlag folgt auf Schlag, die Jungen schreien, diesmal vor Schmerzen, die von den Stöcken verursacht werden.
Die Wespen werden immer wütender, die Väter schlagen unerbittlich weiter, Opa hat einen Lufttreffer erzielt. Die Wespe ist aber nur betäubt.
Schließlich erkennen alle, dass es besser ist die Flucht zu ergreifen. Sie laufen und laufen, bis die Wespen die Verfolgung aufgeben.
Opa ist der Langsamste, weil er die kürzesten Beine hat; die Jungen sind sowieso schneller, weil sie richtig rennen.

Außer Atem, verschwitzt und durstig erreicht die Gruppe Tante Hulda. Bodos und Piets Beine und Hintern tun weh, obwohl jeder nur einen Wespenstich abbekommen hat.
Die Erwachsenen trinken ihr kleines Helles in einem Zug, die Jungen saugen die Sinalco durch einen Strohhalm aus der Flasche.

Da habt ihr zu Hause aber was zu erzählen, meint Opa.

Die Jungen fragen sich, ob er wohl die Wespen meint, oder die Tracht Prügel die ihnen die Väter verabreicht haben.
Auf dem Rückweg teilen sich die beiden eine Kleinpackung Butterkekse und alle machen einen großen Bogen um die Stelle, an der der Kampf am Wespennest stattgefunden hat.

Andy Werwohl: Spülbürste (2009)




Werwohl, der alte Scharlatan, hat mal wieder im Gerümpel gefischt, ein paar Dosen Extremfarben aufgemacht und hofft jetzt, dass jemand ein Objekt, das in jedem Einkaufsmarkt für 99 Cent zu haben ist, für teuer Geld an den eingebildeten Kunstfatzke verkauft. Kohle machen, auch wenn ich kein Kumpel bin!, scheint seine Devise zu lauten.

Heinrich Bumm: Nebel 6

Jetzt Rocco! Die alte Töle kläfft wieder das ganze Haus zusammen, als wenn die nichts Besseres zu tun hätte! Vielleicht mal eine Ratte fangen oder einen von den Rotzlöffeln aus der Nachbarschaft, die hier herumlungerten und blöde Scherze auf seine Kosten machten, vertreiben. Der dumme Hund wedelt ja noch fröhlich mit dem Schwanz! Nutzloses Viech, fraß eine Dose nach der anderen leer und musste auch noch ständig in der Gegend herumgeführt werden, damit es nicht den Rasen vollschiss. Das ist ein sauberer Hund, keifte Etti immer übertrieben freundlich, und meinte wohl damit: Dich mögen nicht mal Hunde! Wie Rocco stank, wenn es regnete! Erbärmlich.
Vielleicht sollte er sich die Leine schnappen und eine Runde um das Maisfeld drehen. Das gab 5 Punkte auf der immerwährenden Haushaltsliste. Dafür musste Herman erst mal Frühstücksgeschirr abwaschen oder alle Mülleimer getrennt in die Tonnen entsorgen. Mit dem Hund gehen war eigentlich auch gesund. Andere machten das als Freizeitbeschäftigung, lächerlich.
Was wäre eigentlich, wenn alle diese Haushaltsliste ignorierten? Wenn der eine 5 Punkte hätte, die andere aber 500 oder 5000?
Hinter Etti konnte doch keiner herpunkten. Gartenarbeit, exzessiv - 20 Punkte. Da müsste er viermal mit dem Hund, dann hätte Etti aber schon wieder irgendwas anderes gemacht.
Seine Augen wurden schwer und er nickte ein.

Heinrich Bumm: Nebel 5

Ein Geräusch hatte ihn geweckt.
Teresa. Ach, das Frollein hatte sich auch endlich mal erhoben. Die Mutter ackert im Garten und das Fräulein Tochter ist sich zu fein, mal Unkraut zu jäten. Hauptsache, die Frisur sitzt.
Stundenlang vorm Spiegel stehen, da durfte niemand was sagen, da wurde die Mutter zur Löwin, bellte zurück, wenn er ins Bad wollte, lass sie mal jetzt, lass sie mal jetzt, hack nicht immer auf Teresa herum.
Die heilige Teresa. Auch so ein Name. Das passte doch vorne und hinten nicht.
Vierzehn Jahre, aber immer die Bluse einen Knopf zu weit auf.
Wenn er was sagte, zickte sie rum. Früher waren die Mädchen bescheidener. Er wusste nicht, was sie gegen ihn hatte. Bloß nicht anfassen! Hupps, kleine Porzellanfrau. Aber den Hintern nicht bewegen können. Er überlegte, aufzustehen.
Gleich wäre das Bad sowieso blockiert. Schminkstunde.
Er drehte sich um.Das Bett ächzte leise.

Heinrich Bumm: Nebel 4

Die Blase war voll. Er war kein Sitzpinkler, keine Memme, er war frei und wild, nicht domestiziert. Sein Blick fiel auf die Flasche Domestos. Hier musste alles glänzen, aus der Kloschüssel sollte man essen können, so sauber sollte sie sein. Er blickte durch das Schrägfenster in den Garten. Da unten rotierte sie förmlich, man konnte in den Büschen nur ihren Hintern sehen, den Hintern, den er mal so begehrt hatte, über den er Gedichte geschrieben hatte. Er wackelte im Gestrüpp, irgendwas hatte sie rausgerupft, jetzt schleppte sie es zum Komposthaufen. Auch so eine Erfindung! Als wenn es keine Biotonne gäbe!
Der Druck in seiner Blase ließ nach. Im Stehen pinkeln, das war es, das war das letzte Recht, das dem Mann geblieben war; früher hätte keine Frau gewagt auch nur ein Wort darüber zu verlieren, heute hing an jedem Spülkasten ein Verbotsschild.
Er schaute nach unten. Shit. Fucking shit. Man sollte beim Pinkeln nicht aus dem Fenster schauen, dachte er mürrisch. Vielleicht würde es schon trocken sein, bevor sie reinkam. Der Garten war groß. Das dauerte immer. Traurig legte er sich noch einmal ins Bett. So konnte das nicht weitergehen.

Böser Mann und böse Frau


Sie lauern überall. Sie tarnen sich als Priester oder FDP-Politiker. Böse Männer. Wir spielten früher: Wer hat Angst vorm schwarzen Mann und dachten an dunkel vermummte Kerle, die Kinder fraßen. Dabei waren es lediglich die wechselnden Ortsvereinsvorsitzenden der CDU.
Böse Männer hießen später BÖSE ONKELZ und schreiben sich auch noch falsch. Sie hämmerten auf verstimmten Gitarren herum und grölten uns in bester Vatertagslaune rechte Stereotype in die Ohren.
Böse Männer, böse Männer, gefressen haben sie uns nicht. Vielleicht sind wir jetzt die bösen Männer!
Heute CDU gewählt? FDP? Onkelz-Krach durch die Box geheizt und dabei Bier gesoffen? Springerstiefel geputzt, Schnürsenkel geweißt?
Wo sind zum Teufel die bösen Frauen?
Es gibt sie und sie nennen sich Victoria Beckhamandeggs, Heidi Klumpen und Angela Merkelnix.
Sie tragen aufgearbeitete Brüste und Dreiknopfkostüme.
Sie reden uns rein.
Sie wollen nicht schweigen, wenn wir sprechen.
Sie wollen der Kuchen sein und nicht Krümel.
Verdammt.

Lippenbekenntnisse: Mundharmonika


Die Mundharmonika ist ein unterschätztes Instrument.
Als Kind wusste ich nicht, dass beim Ausatmen andere Töne entstehen, als beim Einsaugen.
Ich hätte das Instrument erlernen dürfen, weil es billiger war als eine Gitarre oder Geige.
Das Instrument interessierte mich aber nicht, weil es so wenig Töne abgab.
Ich dachte darüber nach, dass manche Frauen Haare auf den Zähnen hatten, Mundhaar.
Ich dachte an Monika, die Schwester von Rudi, die in unserer Straße wohnte.
Diese Monika hatte Haare auf den Zähnen. Sie war die Mundhaar -Monika.
Heute tut es mir leid, die Monikas der Welt beleidigt zu haben.
Leuten wie Neil Young ist zu verdanken, dass die Mundharmonika
als Instrument doch noch ihren Platz im Weltinstrumentarium gefunden hat.

Lippenbekenntnisse: Das Gesicht hinterm Spiegel


Ich habe geduscht, ich habe mich rasiert, ich habe Salben und Pasten aufgetragen, Rasierwasser eingeklopft, Nasen- und Ohrenhaare gezupft und trotzdem: Wer blickt mich da im Spiegel an?
Und hinter dem Spiegel: Ist da nichts?
Wo ist das Gesicht, das immer schon da, das immer schön war, das immer existiert hat, bevor die Welt erschaffen wurde? Dieses Gesicht, das nicht altert, das auf Salben und Pasten und Haarentferner verzichten kann?
Und: Die Geliebte - werde ich sie dazu bringen, dieses Gesicht, dieses überdauernde, schöne Gesicht zu lieben, oder zählt sie die Augenringe und runzelt die Stirn darüber, wie schnell die Haare in den Ohren nachwachsen? Ist die Seele noch was wert?
So viel wert, dass sie keinen Gedanken an einen schönen, frischen, faltenfreien, unverbrauchten Jüngling verschwendet?

Heinrich Bumm: Nebel 3

Wie konnte man sein Kind Herman nennen! Herman, den Tiefkühlpommefritesfallenlasser. Herman, den Loser. Der musste mal zusammengeschissen werden. Gut, Herman wollte ihn nicht als Vater akzeptieren. Aber, er hatte seine Mutter geheiratet. Da war nichts dran zu rütteln. Da konnte Hermann die ganze Tiefkühltruhe ausräumen.
Herman. Bestimmt nach so einem Herman van Veen-Konzert gezeugt, in tiefster Not und Depression, in Verzweiflung, ertrunken im Weltschmerz. Auch wenn die Welt untergeht, zeugen wir doch noch schnell einen Sohn und nennen ihn Herman.
Sie buddelte im Garten herum, er lag im Bett.
Es ging ihm nicht gut.
Das interessierte keinen. Selbst seine Mutter schabte mit der Wurzelbürste auf den S-Steinen.
Herman kurvte mit der Mofa durch die Gegend, anstatt seiner Mutter zur Hand zu gehen.
Der fraß sich hier durch. Aber arbeiten? Nitschewo!
So waren die Bengels von heute.
Hauptsache Mofa.
Er war früher Fahrrad gefahren.
Einen kurzen Moment schlief er ein und träumte, wie er Jeanette ein betörendes Lied vorgespielt hatte in dieser rotweintrunkenen Nacht. Jeanette. Ja, der Duft der Jugend. Jeanette ohne Kind! Ungebunden, ungezwungen. Frei.
Die Sonne hatte sein Kopfkissen erreicht. Es schlug im Wohnzimmer leise zwölf.

Heinrich Bumm: Nebel 2

Er drehte sich auf die linke Seite und starrte auf den Digitalwecker. Sie redete und redete.Immer.Sie im Garten redete sie mit sich und manchmal mit den Blumen. Sie redete auf ihn ein. Als wolle sie ihn überreden. Überreden, mit Betonung auf über. Wie sie sich aufregte, wenn er ihren Sohn zusammenschiss, weil der eine Tüte Tiefkühlpommesfrites auf den Küchenboden hatte fallen gelassen. Gut, dass das nicht sein Sohn war. Und schade, dass er selbst den Fußboden nicht gewischt hatte. Aber es war auch seine Küche. 60% würden ihm gehören, wenn er das Haus abbezahlt haben würde. Nein. Es gehörte ihm jetzt schon. Die Schulden hatten schon lange nichts mehr mit dem Haus zu tun. Man sollte keinen fremden Kinder heiraten. Aber das hatte er damals nicht gewusst.