Günter Krass - Wenn du da bist

Wenn du da bist und ich sehe die Teewurst im Kühlschrank, denke ich: Oh, eine Teewurst. Es ist nicht meine Teewurst. Ich bin Vegetarier und esse im Leben keine toten Tiere im Form einer Teewurst. Eine Teewurst hat etwas Glattes. Etwas Beruhigendes. Ob die wohl noch gut ist? Die liegt schon länger da. Heute hat sie eine Kappe aus Alufolie, damit sie sich nicht verfärbt oder an den Rändern hart wird. Wie lange hält wohl so eine Teewurst, wenn sie angeschnitten ist? Ach, da steht auch noch ein altes Glas Gurken, es ist fast leer, aber hat sich unbemerkt in die hintere Reihe geschoben. Auch nicht mein Glas, ah, aber du hast aber schon ein neues aufgemacht. Gurken halten sich auch geöffnet sehr lange. Länger als Teewurst auf jeden Fall.

Wenn du nicht da bist, denke ich: Ach, die Teewurst. Ach, du bist ja gar nicht da. Wann kommst du denn? Gut, dass die Teewurst noch im Kühlschrank liegt. Sie flüstert mich an: Sie kommt zurück. Ich, die alte Teewurst bin ja noch hier. Niemals würde sie ohne mich gehen. Es sei denn, sie hat mich vergessen.

Aus der Anfangszeit des Mobiltelefons: Schnurlos verschwunden


Früher war er auf Draht. Er stand auf der Leitung. Sie hatte ihn an der Strippe. 

Ach, was für Zeiten, als Derrick noch zum Telefon gehen mußte, oder Harry schickte. Heute der schnelle Griff an die Hose, dass kurzantennige Sprechmittel herausgerissen und ans Ohr gepresst. Wie lieblich die Gäste, die nicht ihre Apparatur in das Sofakissen drücken, um jederzeit ein Gespräch führen zu können, wie man etwa einen Eimer Pflaumen pflückt, oder warum der Topfkuchen verdorben ist, bzw. wie Schalke gespielt hat. Da konnten noch Freundschaften entstehen. Heute wackelt jede Halbintelligenz, die ein Formular ausfüllen kann und deren Dispokredit nicht überzogen ist, mit der  coltähnlichen Stusswaffe durch das Einkaufszentrum. John Wayne hätte seine Freude gehabt an solch Wichtigtuerei, wobei bedacht werden sollte, dass das Wort Wicht natürlich im Detail steckt. Drohgebärde, Imponiergehabe oder exhibitionistisches Outing? Ich ruf dich an! Ich bin wichtig! Ich kann überall telefonieren! Diese drei sollen Motivation sein, sich mit solchem Ballast zu behängen? 

Ich gebe zu: Es gab Zeiten, da hat das Schnurtelefon auch genervt. Als der Wählkasten so leicht war und die Strippe so stramm, nämlich. Da hatte man  nach dem Griff zum Hörer gleich auch die Restapparatur vor der Brust hängen, die sich an aufgedrehter Schnur langsam zurückkräuselte. Nicht schön, wahrlich. Aber was waren das für Dinger: Diese schwarzen, fetten Geräte, die schwer in der Hand lagen, und die jedem Sprecher den Mut gaben, das zu sagen, was er sagen wollte. Kein hektisches Gehechele, kein Business-Röcheln kurz vorm Verfall des Dow-Jones. Das satte Klacken, als fiele eine Mercedes-Tür ins Schloss, selbst nach schlechtem Gespräch, war eine sinnliche Erfahrung, die heute kaum noch jemand nachempfinden kann. Ach, wärn sie doch schnurlos verschwunden, diese Handys und Mobiles und was weiß ich samt ihren Usern. Telly Savalas gen. Kojak würde sich den finalen Schuss setzen, erführe er die unsägliche Schande, die seinem Namen widerfahren ist, nachdem die Telekom ihren werbewirksamen Esprit verspritzen wollte. Und Harry Belafonte rannte seinerzeit ahnunglos ins offene Messer: Hey, Mister Telliman, telli me Banana.... Und Onkel Tom hat in seiner Hütte noch nicht einmal Strom.


Damals vor ein paar Wochen: Trump tritt per Twitter zurück

Trump tritt per Twitter nicht zurück, wie aus inoffiziellen Quellen verlautet wird. Lediglich, wenn man versuche ihn zu treten, trete er zurück, besonders in aufdringliche Lügen-Reporter. Es sei auch notwendig bei Auftritten antizipatorisch vorzutreten, um ein Nachtreten zu vermeiden. Drauftreten sei am effektivsten, da bleibe der Getretene an dem Boden, an den er gehöre. Dort könne er den Dingen auf den Grund gehen.
Trittbrettfahrer seien gewarnt,  die auf den Zug aufsprängen. Das Aufsprängen von Zügen sei noch ein ganz anderes Thema. Wer in einem Atemzug sitze, sollte den Mund nicht so weit aufreißen, der im Gegenzug den Kopf nicht aus dem Fenster halten. Klare Ansagen, die den politischen Gegner im Zaum halten.
Demnächst in einem Zug:
*Die Antizipation der Frau - Was bleibt von der Gleisstellung? Können Frauen Zugführer werden?
*Ist die Bestrafung von Schwarzfahrern rassistisch?
*Trump heißt jetzt Amerika-Fürst.
*Schwarze sollen zu Migranten erklärt werden, da sie seit dem 16.Jahrhundert millionenfach in die USA eingewandert seien. Afrika seit ein sicherer Herkunftskontinent. Das Gleiche gelte für die Indianer, die bereits seit der letzten Eiszeit aus Asien gekommen seien. Auch Asien gelte sicher als Herkunftskontinent.

Georg Krakl - Gedicht mit einer überlangen Zeile hintendran

 

Der Sturm dort, Schatz,

verkühlt dir deinen Wurmfortsatz.

Du musst’ die Hülle zieh’n

darüber und der Gülle flieh’n,

die dein Immunsystem zerstört.

Ach, hört

die Stimme des Propheten,

die lieblicher als Blechtrompeten

klingt

und dir das Lied vom Fortsatzwurm

vorsingt,


der jedem Sturm

trotzt

und vor geballter Kraft

strotzt.



Halt deinen Wurmfortsatz

wohlweislich warm,


denn Menschen ohne Blinddarm

sind arm.


Drum fühl den Sturm dort, Schatz!

Er will den Wurmfortsatz

in jede Himmelsrichtung treiben

und sich an deiner drohenden Immunsysteminsuffizienz voll Schadenfreude reiben.

Dada Neo 2021

Der Politik aufs Maul geschaut. Zungenreden und Lallen für Erwachsene und alte Kinder bzw. kindische Alte. Mit Dada macht man nichts verkehrt. Dada ist Psychohygiene. Mal rauslassen, was immer schon rauswollte.

Georg Krakl - Zwischen Traum und Wirklichkeit (Amsterdam)

Von Amsterdam zu träumen, 

weil die Hamster ham, die schäumen, 

habe ich im Traum mir abgeschminkt, 

weil jetzt vielleicht ein Geldpreis winkt, 

ein Gutschein 

und ich frage mich, kann denn ein Gutschein winken, und kann Geld denn wirklich stinken, 

ach, wenn die Metaphern hinken, 

dann ist Eiszeit in der Seele, 

dann ist Klumpen in der Kehle, 

hätte gern drei Kugeln, 

Schoko, Schoko, Kroko! 

Kroko hamse se nicht? 

Dann nehme ich, ich schäme mich, 

den Nerz, das war ein Scherz, 

Schoko, Schoko,Rosenwurz, 

was, das schmeckt nach Dosenfurz? 

Ja, du Meister Kugelmacher! 

Nehm ich Kleister, Schoko, Schoko,

Kleister und nicht Kroko, 

auch nicht Antilope oder Loipe. 

Wie schmeckt Loipe? 

So nach Schnee und Skiabdruck, 

nach Binnensee und nie nach Stuck, 

vielleicht ein bisschen nach Tapete oder Tapirnase,

und nach frisch zerschlag’ner Deckelvase, 

einem Hauch von Hamsterfell, 

der ganz schnell ranzig wird, 

ach, Danzig, Danzig, 

ach, von dieser Stadt will ich jetzt träumen, 

weil alle Wellen schäumen, 

wo die braune Gischt auf meine weißen Turnschuh zischt und mir versaut. 

Vor ranzig Danzig hat mir immer schon gegraut.

Amsterdam, ja, Amsterdam,

das will ich loben, das ich nicht verschroben,

Amsterdam! Weil die da Hamster ham.