Konditionierung - Völlig normal...


Dem Pawlowschen Hund floss der Speichel aus dem Maul, wenn er eine Klingel mit einem Fleischbrocken zusammen wahrnahm, später reichte die Klingel, um den Kläffer sabbern zu lassen. Wir als treue Zeitungsleser wundern uns, wenn wir bei Fotos von Josef Ackermann plötzlich Zähneknirschen, Ohrensausen und das verstärkte Gefühl wahrnehmen, die Faust zu ballen und auf das Druckerzeugnis zu knallen, dass die Tassen Schuhplattler tanzen. Hier liegt schlicht eine Konditionierung vor. Wir reagieren gar nicht wirklich auf das Foto solcher Finanz-Arroganz, sondern auf seine über Jahre gezeigten Unverschämtheiten im Umgang mit Millionen und Milliarden. Also, Ruhe bewahren, alles halb so schlimm, der Mann ist es nicht, sondern das, was hinter ihm steht; da kann einem schon mal der Schaum aus dem Maul fließen, allerdings vor Wut und nicht in Erwartung irgendwelcher magenfreundlicher und hungerstillender Speisen. Scheiß-Psychosomatik oder wo das her kommt....

Leidenschaft: Sammeltassen


Endlich ist mir das Wort Leiden-schaft deutlich geworden.
Außenbezirkskorrespondent Peter Henne

Hörfehler: Herr Ober, ein Wasser und....


Genau hingehört, wenn man im Restaurant-Gewerbe Karriere machen will!
Herr Ober, ein Wasser und ein Pils, bestellt der durstige Kunde, und da der nicht besonders wohlgenährt aussieht, bringt ihm der Ober ein stilles Wasser in der Plastikflasche, in der zwar mehr drin ist als in einem Glas, die aber nicht schön aussieht, und eine von Schnecken angeknabberte Marone, die sich hurtig blau färbt, wenn man seinen Daumen in die Lamellen drückt.
Herr Ober, ein Wasser und einen Pilz, hätte der Kunde sagen müssen, aber dem Ober sind Rechtschreibung, die man in der Regel natürlich nicht hört, und Grammatik fremd. Da muss nachgebessert werden. Und überhaupt: Wer will denn angefressene Pilze roh essen? Sprachliche Unzulänglichkeiten in Verbindung mit Hörfehlern, den Schuh muss sich Schuhministerin Sommer anziehen.

Dem Hausmeister ein Denkmal

Es sind besondere Menschen: Busfahrer, Hausmeister und Menschen, die gern uniformartige Kleidung tragen, obwohl kein Grund dazu besteht. Es sind empfindsame Menschen, die ständig auf der Hut sind. Ihnen ist tief ins Innerste eine Angst eingegeben worden, sie seien nicht soviel wert wie ihre Mitmenschen. So sind sie ständig bemüht, zu zeigen, dass sie mehr wert sind, als man ihnen, wie sie glauben, zugesteht. Ihnen ist es zu profan es durch Leistung zu tun, zu plumb, das durch Mehrarbeit, durch eine höfliche Zuvorkommenheit, durch ein selbstloses Dienen zu demonstrieren. Oft sind sie verletzt, vielleiht gekränkt, manchmal beleidigt, dass sie ihren Beruf ausüben müssen, ohne dass das anerkannt wird, dass ihnen die Ehre zuteil wird, die einem Schutzmann selbstverständlich erscheint, wenn ein altes Mütterlein sich bei ihm bedankt, weil er es sicher über den Zebrastreifen geleitet hat. Die Mitmenschen sind häufig lediglich froh, die oben genannte Gruppe nicht zu treffen, weil sie Angst vor Schuldgefühlen haben, weil sie nicht immer sagen wollen: Ich kann nichts dafür, dass du Busfahrer, Hausmeister oder Security-Frau bist. Ich habe das nicht für dich ausgesucht. Das hast du doch selbst getan, oder? Dieses Zurückweisen der Schuld ahnt der empfindsame Mensch, es bringt eine tiefe Saite ihn ihm zum Schwingen, die unheimlich klingt und die nur durch ein lautes: Hömma, Scheff, hast du gestern das Licht auf dem Herrenklo angelassen? Hömma, das ist Energieverschwendung. Nicht ständig vom Abholzen vom Regenwald reden und dann das Licht anlassen. Wo kommwa dann hierhin? Dem Angesprochenen fehlen die Worte; auch wenn er erklären könnte, dass er gestern gar nicht im Hause gewesen ist, weiß er: Wer sich verteidigt, klagt sich an. Die Stadt Göttingen hat jetzt den empfindsamen Menschen im Dienstleistungsgewerbe ein Denkmal gesetzt, um ihnen zu zeigen: Ihr seid etwas wert, ihr macht gute Arbeit, weiter so, wir erkennen das an. Aber lasst uns in Ruhe...

Morgengrauen oder Morgenrot?

Der erste Blick trügt: Rotblauer Himmel,dramatische Wolken, die Windräder stehen still und schweigen.
Was wird der Tag bringen?, stellt sich die Frage wie von selbst. Morgenrot - Schlechtwetterbot', hieß es früher. Verstanden haben die meisten "Morgenrot- Schlechtwetterbrot" und fragten sich den Tag lang, wie denn eine Scheibe Schlechtwetterbrot schmecke. Jeder kannte Schlechtwettergeld, wenn der Mauerer aufgrund starker Regengüsse die Abeit einstellte und sich seinen Unterhalt zwischendurch als Hausschlächter verdiente. Viel zu spät wurden den meisten klar, dass es nicht Schlechtwetterbrot sondern Schlechtwetterbot hieß, aber da war das Leben schon mit einer sinnlosen Frage und der sinnlosen Suche nach einer Antwort vergeudet. Dass einem dann graut, wenn das Morgenrot am Horizont auftaucht, wird schnell klar. Und deswegen spricht man heute lieber von Morgengrauen, denn es ist noch viel zu früh und wahrscheinlich wird es wieder ein grausiger Tag, nachdem man eben mit dem falschen Fuß aufgestanden ist, kein Kaffee mehr da war und der Toaster seinen letzten Röstvorgang gestartet aber erfolglos beendet hat.

Frucht sucht Geselligkeit: Die Banane

Kirschen liegen gern allein herum, genau wie Äpfel, die ständig darüber nachdenken, ob sie vielleicht Druckstellen bekommen, wenn sie zu nahe an einem Kollegen oder einer Melone liegen. Nicht so die Banane, die beliebte Südfrucht, die auch in Ostdeutschland ihren grandiosen Siegeszug nach dem Fall der Mauer angetreten hat. In den versorgungsharten Jahren vor der Wende griff man dort ersatzweise zu Salatgurke, behaupten böse Westzungen, was wahrscheinlich eine der größten Lügen ist, seit Walter Ullbricht behauptet hat, im Westen sei es doof, wer dorthin gehe, sei selber schuld, bzw. auf den werde geschossen. Was die Banane aber mit der Salatgurke gemeinsam hat, ist der Drang nach Geselligkeit. Immer auf der Suche nach einem kleinen Schwätzchen, einem Pläuschchen oder einem Tratsch auf dem Wochenmarkt zieht es die gelbe Süßfrucht in die Nähe exotischer und einheimischer Obstsorten, um dort einen Blick über den eigenen Kistenrand tun und nach dem Rechten zu schauen. Bananen können Informationen speichern wie sonst nur SD-Karten und sind dem menschlichen Hirn weit überlegen, weil das Wissen nicht vergessen wird. Bananen besitzen allerdings auch nur ein Kurzzeitgedächtnis, das man vor dem Verzehr oder vor der Beisetzung in der Biotonne nutzen könnte, wenn man als Konsument wüsste, wie. Eines sei geraten: Nicht in das Kartenlesegerät schieben. Vielleicht bekommt man die Banane hinein, auf dem Bildschirm wird aber nichts angezeigt und der Brei lässt sich nur schwer aus den Kartenschächten entfernen. Einfach essen und hoffen, dass man schlauer wird...

Günther Krass: Erinnerungen (3) - 1968 - Flügelhorn

Heimlich legte ich den Eltern einen Zettel in die Obstschale, auf dem ich mit nervöser Hand "Ich möchte gern Flügelhornspielen lernen". Das kam nicht in Frage, das wusste ich, nicht, dass die Eltern unmusikalisch waren, oder wirklich etwas hatten gegen den Posaunenchor, in dem dieses Unterfangen stattfinden sollte, nein, es ging, obwohl beiden nicht ganz klar war, um welches Instrument es sich wohl handeln konnte, da sie zwar einen Flügel und ein Horn zu unterschieden und zu benennen vermochten, nicht aber deutlich auf ein Flügelhorn hätten zeigen können, es ging darum, was die Leute, die sogenannten Leute, die man nicht näher bezeichnen konnte, die sich aber immer zu Wort meldeten, wenn es über andere etwas zu sagen gab, was diese Leute sagen würden, wenn das Flügelhornspielenlernen scheiterte, wenn der Auszubildende unfähige Lippen besaß oder ungelenke Finger oder eine Unmusikalität an den Tag legte, die nicht zu heilen war. Was würden die Leute sagen? Und wie stünde man anschließend da? Als Eltern eines Kindes mit schlaffen Lippen, arthritischen Fingern und einer Unmusikalität, die einen sofortigen Schulwechsel hätte nach sich ziehen müssen. Was würden die Leute dann noch mehr denken bei einem Schulwechsel? Undenkbar. Ich schluckte und verließ das Wohnzimmer in der Hoffnung, dass der Zettel gelesen würde, um das Unaussprechliche nicht von Angesicht zu Angesicht aussprechen zu müssen. Aber es war geschrieben, es war aus mir heraus, ich hatte es veröffentlicht. Jetzt hatten es die Verantwortlichen schriftlich. Jetzt mussten sie sich auseinandersetzen und mussten entscheiden. Die Antwort kam kurz darauf, sie lautete :Nein!
Ich überlegte, ob ich etwas falsch gemacht hatte. Hätte ich schreiben sollen "Ich möchte gern Flügelhornspielenlernen"?, also den Vorgang des Lernens näher an das Flügelhornspielen rücken und damit meine Lernwilligkeit bekunden sollen? Wo lag der Fehler? Zwei Tage später schrieb ich einen neuen Zettel "Ich möchte gern Trompete spielen lernen". Also, Gitarre wäre auch ok, dachte ich bei mir. (Zum Foto: Es muss nicht immer eine Bodenzither sein, manchmal tut es auch eins chlichtes Flügelhorn. Hauptsache, es ist laut genug, um gegen ein Akkordeon anzudröhnen.)

Herbst: Ich bin eine Flasche

Wir werden automatisch still, wenn wir etwas Zerbrochenes sehen. Unwillkürlich denken wir an unser klägliches Sein und erinnern uns an die gute alte Deadline. Das Wort fanden wir früher cool und ziemlich englisch, doch mittlerweile jagt es Schrecken ein und überzieht den Rücken mit einer Gänsehaut. Ist das Zerbrochene eine Flasche, die vielleicht zuvor billigstes Hansa-Pils beinhaltete, dann kehrt tiefe Depression ein und schmiegt sich an das bereits vorhandene Missgefühl, das der Herbst aufkommen lässt. Du bist echt eine Flasche, sagen wir uns im Selbstgespräch, du bist völlig kaputt. Du bist total leer, ausgelutscht, zerbrochen an der pflastersteinharten Realität, an deinen Ansprüchen, an den unfähigen Versuchen, dein Leben in den Griff zu bekommen. Aber- und da keimt ein wenig Hoffnung auf- du kannst immer noch verletzen, wie zerstört du auch bist, da werden sich die Lacher und Höhner geschnitten haben! Die werden sich geschnitten haben!, flüsterst es aus dir heraus. Wie eine Gebetsmühle murmelst du diesen Satz vor dich hin und er gibt dir Kraft. Ein letztes, vielleicht sogar ein vorletztes Mal wirst du dich aufbäumen, und alle, die dich treten, werden sich wundern, wenn ihn das Blut in den Socken steht. Das Leben hat wieder einen Sinn!

Schicksal als Chance: Doofe Namen

Nehmen wir mal Domino Carina. Das ist ein in Deutschland erlaubter Name. Niemand kann sich vorstellen, wer sein Kind so nennen würde, aber es gibt immer wieder Eltern, die ihr Kind bereits in frühem Stadium strafen und ihm einen lebenslangen Schaden besorgen wollen. Anfangs nennen sie den Zögling Dommi; das Kind denkt, es heiße Dominique. Wenn das Kind ungezogen ist, droht der Vater, seine Identität preiszugeben. Domino Carina, das klingt wie eine Mischung aus Süßigkeit und Damenbinde und ist garantiert ungeschlechtlich, bzw. vereint beide Geschlechter in einem Namen! Wahnsinn für ein Kind! Wie könnte eine Strafe schlimmer sein? Adermann! Ab morgen heißt du Adermann, das ist erlaubt. Venera ist die weibliche Form. Godot. Da ist der Name Programm; der Junge kann nur zu spät kommen und erfüllt stringent die Erwartungshaltung, dass alle auf ihn warten müssen. Uragano, Herrschaften, wo sind wir denn gelandet? Oregano - ok, das ist Griechenland. Aber Uragano? Hört sich nach einem Mittel gegen Blaseninfekte an. Fanta. Das muss erlaubt sein, will man sich auf dem Amt nicht Rassismus vorwerfen lassen. Fanta ist nicht die weibliche Form von Coco Cola, sondern die Freundin von Kunta Kinte, und der war Vorzeige-Sklave in der amerikanischen Alibi-Serie Roots. Fanta, doch, das passt, Kunta hat man da weniger, vielleicht wäre Sinalco nicht schlecht, als italienische Assoziation? Sonne, Strand, Amore? Ach, Ideen sind genügend da, es scheitert häufig an der Engstirnigkeit des Behördenschimmels, der laut aufwiehert, wenn ihm eine Kreation von den schlichten Eltern präsentiert und das dazuhörige Bild gezeigt wird. Aber dass auf dem Amt gewiehert werden darf, ist verbürgtes Recht seit Otto von Bismarck. Übrigens eine guter Name: Otto. Auch für Legastheniker. Liest sich vorwärts und rückwärts und auf dem Kopf. Klasse!

Neues aus Allerwelts

Bushaltestelle. Die Bushaltestelle von Tokio Hotel steht natürlich nicht in Tokio, sondern irgendwo hinter Magdeburg, irgendwo hinter Plattenbauten und neben Datschas von Stasipensionären. Aber an dieser Bushaltestelle haben die Kaulitzbrüder gestanden und auf eine Karriere als Rockmusiker gewartet, während sich der Schulbus näherte, der diesen Träumen jeden Morgen ein Ende bereitete. Und doch: Sie sind berühmt geworden, sogar in Lateinamerika, und jetzt versuchen findige Abzocker, die Bushaltestelle zu verkaufen. Bei Ebay stand das Angebot im Netz; keiner wollte das Wartehäuschen haben. Zu groß für mein Zimmer, schreibt Mandy aus Leipzig; nicht in Barbie-Rosa, ist der Kommentar von Nancy aus Belzig. Schließlich wurde das Gestell in Einzelteile zerlegt und Stück für Stück an willige Idioten verkauft, die sogar drei Kaugummis, die am linken Stützpfeiler klebten und eindeutig gebraucht waren (eine DNA-Analyse hat ergeben, dass alle drei von Bill stammen, sein Bruder nimmt sowieso nie die Kaumasse aus dem Mund, wie man bei Auftritten beobachten kann), für harte Euros in ihren Besitz brachten. Hier haben Mädels eine Alternative, falls sie chancenlos sind, von Bill je geküsst zu werden, nicht nur weil sie Mädels sind, sondern weil sie vielleicht nicht gut genug aussehen oder Akne haben. Einfach weichkauen und an Bill denken. DNA ist ja drin. Die Eigentümer des Bushäuschen wollen nun an den noch nicht verkauften Resten der Bude nach Urinspuren suchen, um den Preis der unteren Latten in die Höhe zu treiben. Selbst hierfür werden sich junge Menschen finden, die sonst nichts zu tun haben.

Ackermann. Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank und hämischster Grinser der letzten Jahre neben Manager Esser, lehnt staatliche Hilfe in der Bankenkrise ab. "Ein Fond ist eben keine Rindersuppe, mit der man eine beige Mehlsauce kochen kann!", so sein Kommentar zum Angebot der Regierung. Aufgeschreckt hat ihn wohl Peer Steinbrücks Vorschlag, Managergehälter auf 500 000 Euro pro Jahr zu begrenzen. Das würde bei einem Ackermanngehalt von 12 Millionen fast einer Enteignung gleichen. Und - mal ehrlich, wer will denn für 500 000 Euro bei der Deutschen Bank arbeiten und das ganze Risiko tragen?
Ackermann: "Auf die eine Null am Ende mehr oder weniger kommt es doch gar nicht an. Hauptsache die Kasse stimmt..." Dass er die 1 vorne vergessen hat und es wohl um die eigene Kasse geht, sollte nicht unerwähnt bleiben.

Busweise. "Busweise wäre schon zu viel", so die Überschrift in einem Artikel des Weserstädtischen Tageblattes. Was ist gemeint? Handelt es sich um ein Adverb? Er kam busweise nach Hause, also mit dem Bus und nicht zu Fuß? Oder ist es ein Lied, das in einem Bus oder über einen gesungen wird? Sind es Fahrausweise, speziell für Busse: Busweise eben?
Wer mehr weiß, meldet sich!

Schlechte Gedichte (1): Georg Krakl - Die Wurst


Du Wurst
Du Wurst in Beton
Ich hab Durst
und nicht Hunger
also lunger
hier nicht rum.
Amphore
Amphore in Beton
Ich habe Durst und nur Durst
Ich will dich trinken, ich will keine Wurst!
(Man kann Amphoren nicht trinken, man kann nur aus Amphoren trinken. Das führte zur Abwertung des Gedichts. Sonst ist es eigentlich ok, wenn man bedenkt für welchen Schwachsinn Preise vergeben werden.)

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Rote Mülleimer-Meditation

Ich sitze auf der Parkbank. Die Füße tun mir weh, meine Schultern schmerzen, mein Tennisarm meldet sich, obwohl ich gar kein Tennis spiele. Die Sonne quält sich durch den Spätsommerwald. Eigentlich eine Zeit der Ruhe, des In-Sich-Gehens, der Nachdenklichkeit ohne Schuldgefühle, des Annehmens der Unzulänglichkeiten des Seins. Erschöpfung. Wie nach einem erfolglosen Sommerschlussverkaufstag. Glückliche Enttäuschung. Nicht schon wieder unsinniges oder hässliches Zeug gekauft, das die Regale vollstopft. Das Kreuz vor mir, aus Sandstein, Sinnbild für die Vergebung der Sünden. Der Mülleimer. Sinnbild für das Überflüssige. Für das Endliche, das vergehen muss, das verwesen muss. Roter Mülleimer. Ich atme tief ein und konzentriere mich. Ich bin im Mülleimer. Ich atme erneut tief ein und weiß: Eine Biotonne. Eine LEBENStonne. Hier gehört das Leben hinein, wenn es ausgehaucht hat, wenn es nicht zuckt und pulst und strampelt. Wenn es zur Ruhe gekommen ist. Ich betrachte meine Hände. Das Rot des Mülleimers wird dort gespiegelt. Rote Haut. Rothaut. Alle Indianer der Welt sind plötzlich um mich herum, sie sind in mir, ich bin in ihnen, wir sind eins. Rassismus, schießt es mir durch den Kopf. Was ist mit den braunen, den schwarzen, den grünen, den blauen Mülltonnen? Warum stehen die nicht hier? Warum dieser rote? Keine Antwort. Das Kreuz und der rote Mülleimer. Eine Wortfolge wie der Titel eines Krimis, eines nordischen Krimis. Die Schwalbe, der Fuchs und der Dampfdrucktopf von Hakan Nessy etwa. Das Huhn, die Möwe und die Bremer Stadtmusikanten. Ach, meine Gedanken schweifen ab, ich bin nicht mehr bei mir, wo ich doch sein sollte, die vielen Indianer sind nicht ohne, die Schlacht am Little Big Horn und dahinten Winnetou mit seiner Silberbüchse. Die Tränen steigen mir in die Augen. Ich bin unendlich traurig, dass eine stolze Rasse verschwinden musste, weil es Weiße so wollten. Der Amerikaner. Uns hat man früher gezwungen, Amerikaner süß zu finden. Sie waren süß, zu Zeiten, als wir noch keine Hamburger kannten. Kuchen eben. Als positive Verbindung mit dem Amerikaner im Allgemeinen. Wie gemein. Wie plump. Genau wie Dr.Oetker, der uns in der Volksschule seinen Pudding servierte. Wir glaubten, Dr.Oetker sei ein freundlicher Arzt, der uns zum Aufbau der Knochen etwas Stärke mit Zucker und Farbstoff servierte, dabei war das schlichte Werbung. Kaufenkaufen!, war die Devise.
Ich öffne den Deckel des roten Mülleimers und ziehe mich aus dem Roten heraus. Genug der heulenden Pfeileschießer, genug der verwundeten Knie und der kleingroßen Hörner. Custer, der Arsch! Ich weiß nicht, was soll es bedeuten? Ein roter Mülleimer hinter einem Sandstein-Kreuz.
Hände fest, tief durchatmen, Augen auf! Ich bin wieder voll und ganz im Hier und Jetzt!

Göttingen- Verfall der Sitten


Kunst will provozieren. Aber es ist doch eine Ausgeburt der Langeweile, wenn man meint, dadurch zu provozieren, dass man eine gute Handvoll Göttinger nackt in Bronze gießt und dann an irgendeine hässliche Stadtmauer klebt, um den Touristen zu veranschaulichen: Der Göttinger ist nicht prüde, der geht auch nackt vor die Tür, wenn es sein muss. Gott sei Dank, musste es bislang nicht sein. Lichtenberg hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und mindestens 1004 Aphorismen und spitzfindige Bemerkungen in sein neuestes Sudelbuch geschrieben. Heute aber geht der Tourist ein wenig konsterniert an diesem scheinbaren Kunstwerk vorbei und schaut dann hinter einem Holunderbusch in der Botanik in seiner Hose nach dem Rechten, um sich verstohlen zu fragen: Ist bei mir denn alles in Ordnung?

Wenn einem nichts einfällt


Also, mal ehrlich, fällt dir, wenn ich mal dieses persönliche Personalpronomen gebrauchen darf, fällt dir, der du dieses Bild siehst, irgendetwas ein? Da sitzt ein verkrüppeltes (nur ein Bein!) Holzmännchen in einer Ecke des Stadtrandbungalows, zitternd vor Kälte und hoffend auf eine Kaminentzündung, gleichzeitig zitternd vor Angst, dass es Teil des Brennmaterials wird, das die Kälte durch warme, wohlige Wärme verscheuchen soll. Wir wissen doch alle: Holzmännchenkrüppel verbrennt man nicht, das ist fast Blasphemie. Aber es tut doch auch leid. Da sitzt jemand, gestützt auf seine Hände, bekommt also den Arsch praktisch nicht auf den Boden, wir sagen, der ist lebensuntüchtig, vielleicht meditiert er, aber wahrscheinlich nicht, da sitzt also einer in einer total unbequemen Haltung und fürchtet sich, Feuerholz zu werden, den Frierenden Wärmeelement zu sein. Meine Güte andererseits, wie viele Gläubge sind durchs Feuer gegangen und haben es der katholischen Kiurche recht gemacht, um einen Platz im Himmel zu bekommen? Also, da hat doch keiner Verständnis. Also, mir fällt nichts dazu ein, ganz ehrlich, man muss doch auch mal an andere denken und nicht nur an sich selbst, da hat so ein Bursche vielleicht vier, fünf Jahr still in der Ecke gesessen und jetzt ist er plötzlich dran; andere freuen sich, an der Fleischtheke, beim praktischen Arzt, auf dem Arbeitsamt endlich mal dranzukommen. Aber, das ist es ja, Undankbarkeit, erst jahrelang auf Kosten anderer im Trockenen gesessen und schön gefaulenzt, die Sonne genossen, sich an den Streitereien der Nachbarn ergötzt und dann, rums, soll es zum Einsatz kommen. Ja, Leute, was glaubt ihr denn, wo ihr seid? Nix ist umsonst. Selbst der Tod kostet das Leben, wie Tante Minchen immer sagte, und Recht hatte sie. Ich wiederhole für unsere Legastheniker: Da fällt mir nichts ein! Basta.

Geheimnisvolle Botanik

Jeder meint, Botanik, hohoho!, das ist doch was mit Grün? Kommst du mit in die Botanik?, hieß es jovial bei Schmitz und auch bei Kunzes, und sie meinten eine Fahrt ins Blaue, an deren Ende hinterher etwas Grünzeug in Form von Kakteen, ein paar Köpfen Salat und einem Minzlikör stand. Botanik hat mehr zu bieten. Botanik ist die tabellisierte Form der Natur, der Pflanzenwelt, des um uns Seienden, das Luft spendet zu unserem Wohlgefallen. Und- Botanik kommt uns geheimnisvoll daher, als etwas, das hinter blinden Fenstern passiert, als etwas Schlüpfriges, etwas Rutschiges, etwas Feuchtes, etwas Unsägliches und Unaussprechliches. Ja, das ist die wahre Natur der Botanik. Nicht ein Haufen Heu mit einer Kuh davor.

Praktische Geschenke: Wackersteine


Was hat man früher für unnützes Zeug geschenkt? Eine Packung TOSCA mit Seife und Toilettenwasser, einen Zigarettenspender oder einen Tischgong aus Messing mit künstlichem Grünspan, einen röhrenden Hirschen, der 24-Karat-vergoldet war und auf dessen Sockel "Braunlage" stand; zwei Gästehandtücher. Ein Oberhemd. Ein Buch. Noch ein Buch, obwohl es das letztes Jahr schon gegeben hat. Ist aber ein anderes Buch...Aha. Geschenke konnten Krisen auslösen, weil sich die Menschen nicht mehr richtig freuen können. In der schlechten Zeit hat man sich über ein Glas Leberwurst gefreut oder eine kleine Mettwurst. Heute sind wieder nützliche Geschenke gefragt, nachdem die unnützen sämtliche Abstellkammern, Kellerräume und unbenutzte Garagenteile plus angebautem Carport blockieren. Der Schenker will etwas zum Vorzeigen haben, der Beschenkte will sagen können: Meine Gäste können schenken, ich kenne keine doofen Leute, bzw. die lade ich nicht ein.
Jetzt in der Vorweihnachtszeit geht der Trend wieder zum Päckchen, weil das so heimelig wirkt. Wer das Schöne mit dem Nützlichen verbinden und gleichzeitig einen guten Eindruck hinterlassen will, greift jetzt auf Angebote der Baumärkte zurück: Eine Palette Wackersteine, fix und fertig als Geschenk verpackt mit schlichten Plastikbindern kann den finanziell ans Ende geratenen Bauherrn aus seiner Konto-Depression retten, eine Tüte Kies ab 25kg kann jeder gebrauchen oder einen Sack Zement, den man vielleicht schon in der eigenen Werkstatt vorgehärtet hat. Da lachen die Herzen auf beiden Seiten und es schießt der Satz durchs Hirn: Gottseidank nicht schon wieder TOSCA (für die Dame) oder TABAC (für den Herrn)! Richtig schenken ist kein Zufall.

Grafitti im Sauerland


Zarte Ansätze einer regional gefärbten Grafitti-Kunst, die von etablierten Bildungsbürgern als Schmiererei verschrien wird, kann man im Sauerland beobachten. Wenn auch Form und Inhalt schwer übereinanderzubringen sind, so kann man mit geübtem Auge doch Formen und Muster erkennen. Immer versucht der waldnahe Farbspritzer dem Objekt der Besprühung gerecht zu werden. Zu einem Baumstamm passen besonders gut florale Motive, einem Tannenbaum stehen gut weihnachtliche Muster. Wenn die Hand wohl noch gezittert hat, so kann man den Respekt, der der Natur gezollt wird, erkennen. Dass dann gelegentlich ein Bild daneben geht, ist verständlich. Bei der Darstellung des Isenheimer Altars, einem Triptychon immerhin, in der Grafitt-Version, kann dann etwas schiefgehen: Die Landkarte von Isenheim ist wohl zu undifferenziert und dass der Altar mit einem A anfängt, ist hinlänglich bekannt. Wo aber ist die Kreuzigungsszene und überhaupt: Wo sind hier die Menschen, das Allerwichtigste bei einer Kreuzigung? Na schön, über wäldliche Grafitti wächst schnell etwas Moos oder ein Parasitenpilz, das ist der Vorteil gegenüber Beton oder Eisenbahnwaggons. In diesem Sinne: Weiter so! Aber noch ein bisserl üben, gell?

Facelifting auch für junge Menschen


Man muss nicht immer warten, bis man eine Greisin ist, auch junge Menschen brauchen eine Gesichtsstraffung manchmal eher, als sie es sich in faltenloser Zeit gedacht haben. Kopfschmerzen sind oft die ersten Anzeichen für eine langsam voranschreitende Krankheit, die Gesicht und Schädel deformiert, so als wolle ein Balken aus dem Haupt herauswachsen und sich vor die Stirn schieben. Manchmal kann man ihn mit langen blonden Haaren oder einem auffällig großen Rollkragenpullover kaschieren bzw. von ihm ablenken; irgendwann ist dann aber eine Operation fällig, will man nicht lebenslang mit merkwürdigen Dellen auf der Straße herumlaufen. Die Bevölkerung hatte in Bezug auf junge Leute dafür bislang kein Verständnis. Jetzt wirbt eine Plakataktion dafür. Auf großflächigem Papier werden zwei Damen im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit gezeigt, die über ihr Bedürfnis nach Schönheit sprechen. Bei den beiden haben sich schon seitlich vom Kopf an den symptomatischen Dellen Scharniere gebildet, sodass man glaubt, man könne die Kopfmakel aufklappen oder aus der Angel heben. Das ist ein Irrglauben; ebenso wie die Vorstellung, man könne mit den Türgriffen, die sich am Ende der zweiten Phase in der Nähe der Arme bilden, irgendwie etwas öffnen. Völlig falsch, selbst als Deko oder Spezialpiercing sind diese Objekte nicht umzuwidmen. Hart für die Betroffenen. Darum: Verständnis ist angesagt.

Weizenbier und Kinder

Neue Statistiken haben es belegt: An deutschen Biertischen sitzen weniger Kleinkinder als Weizenbiergläsern auf ihnen stehen. Ein zufälliger Streifzug durch die Kneipenlandschaft scheint sogar zu bestätigen, dass das Verhältnis von zwei Weizenbiergläsern zu einem Kleinkind noch geschönt ist. Die Dunkelziffer liegt da ganz anders. Wahrscheinlich kommen auf 100 Hefe nicht einmal zwei Knirpse, was denn auch die These stützt, dass in Deutschland Menschen a) immer schneller altern, weil sie zu viel Bier trinken und b) überhaupt keine Zeit mehr haben, für den Nachwuchs zu sorgen, der später die Folgen übermäßigen Bierkonsums zu finanzieren. Anstatt Ausschau nach gebärfreudigen Frauen zu halten und den eigenen Körper fit und zeugungsfähig zu halten, stiert der Normalverbraucher in sein halbvolles Glas, in dem sich der Schaum bereits verabschiedet hat und sinniert darüber, warum der Weizenpreis auf dem Weltmarkt schon wieder gestiegen ist. Selbst ein kleines Kind am Tisch, das gierig nach dem gelben Nass langt, kann den Nachdenklichen nicht aus seinem Tagtraum reißen. Drei Schlucke und das Hefe ist weg! He, Meister!, klingt es durch den Saal, nochen Hefe, aber kalt! Die Frauen, die sich im Outback zurecht gemacht haben, um den Männern zu gefallen und einen Partner zu finden, warten derweil vergeblich. Nach dem nächsten Hefe ist sowieso nichts mehr mit Zukunftsplanung...

Skulpturenpark in Körbecke am Möhnesee

Wie wenig der bescheidene Kunstliebhaber erwartet darf, wenn er an einem verregneten Feiertag, etwa dem Tag der deutschen Einheit, durch die Wiesen oder einen nahegelegenen Skulpturen-Park schlendert, zeigt das Angebot, das ihm eine kleine, möhneseenahe Ortschaft anbietet: Schlichte, in den Boden gerammte Holzpfähle genießen schon das Etikett "Skulptur", wenn sie in entsprechender Umgebung dargeboten werden. Was bei Sonne eher dem unvollständigen Kleinsspielfeld für Schnappball gleicht, wirkt auf den Betrachter, nachdem die Begrenzungsdrähte entfernt worden sind, wie die Einsamkeit des Holzfällers, der in nasskaltem Wald seinem zerstörerischen Handwerk nachgehen muss und dessen Axt unbarmherzig in die weisen Bäume schlägt, die seit Jahrtausenden über das Terrain wachen und den Menschen längst nicht mehr brauchen, ihn sogar noch nie gebraucht haben. Dem Holzfäller rinnen die Tränen über die verwitterten Wangen; die Motorsäge ist ihm nicht angesprungen, seine treue Freundin liegt kalt am Boden. Verletzungen, die so schnell nicht heilen. Die Axt frisst sich durch das Holz; kein schneller Tod. Mein Freund, der Baum, singt Alexandra aus dem Schaub-Lorenz-Radio, dessen Batterien schon schwach sind, mein Freund, der Baum, ist tot. Er fiel im frühen Morgenrot.
Kunstliebhaber, der du intuitiv mit dem Baum hältst, denke daran: Die Skulptur stellt die Einsamkeit des Holzfällers dar! Bäume sind nämlich nicht einsam, die haben immer noch den Wald. Der Holzfäller aber ist eine aussterbende Art, der mit jedem gefallenen Baum auch seine Existenzberechtigung verliert. So weit kann Kunst greifen.
Zu Halloween sollen wieder Drähte gespannt werden, einmal, weil es lustig ist, wenn Menschen mit Kürbisköpfen über diese stolpern, zum anderen, weil ein Schnappballkleinfeld irgendwie besser einleuchtet.

Frühe Comics an alten Rathäusern

Dass der Mensch vor langer Zeit schon Spaß an Comics hatte, dokumentiert immer wieder die eine oder andere Front eines Rathauses oder des Wohngebäudes eines reichen Tuchhändlers.
In Soest, der Bördestadt am Rande des Sauerlandes, hängen diese zwei Protagonisten des wortarmen Geschichtenerzählens. Hoss und Maik, zwei Symbolgestalten der Hansestadt, haben sich nach einem Zechgelage mal wieder mächtig was vor den Schädel gehauen, weil keiner der beiden den Haustürschlüssel dabei hatte. Nachdem sie ihr Bargeld und die gesamte Oberbekleidung verzockt hatten, blieben ihnen lediglich die grünlichen Inkontinenzwindeln und zwei Stäbe, an denen sich spitz zulaufende Hämmer befanden. Als ihnen die Köpfe vom vielen Hauen wehtaten, beschlossen sie, Frieden zu schließen und sich nicht zum Gespött der Leute zu machen. Sie montierten schnell das Wappen des Wirthauses "Zum roten Schlüssel" ab und trugen es lässig vor ihre Dreizimmerküchbad-Wohnung in der Unterstadt. Nachdem sie ihre Laubsägen aus der Wohnung geholt hatten, begannen sie, den Schlüssel auf dem Wappen auszusägen, um ihn in die Wohnungstür zu stecken und diese dann zu öffnen. Sag mal, fragte Maik, wie bist du denn an deine Laubsäge gekommen? Hoss antwortete: Ich bin einfach rein und hab sie aus meiner Schachtel mit der Weihnachtsdeko herausgeholt, da hast du sie ja wohl letzte Woche versteckt, oder? Dann war die Tür die ganze Zeit offen?, wunderte sich Maik. Wird wohl so sein, nickte Hoss völlig entspannt. Als die beiden zur Tür gingen, um den ausgesägten Schlüssel auszuprobieren, entdeckten sie, dass ihr eigener Wohnungsschlüssel nocht steckte. Morgen lasse ich sofort einen neuen machen, den verstecke ich dann in der Schachtel mit der Weihnachtsdeko und dann haben wir im Notfall immer einen zweiten, schlägt Hoss vor. Gute Idee, meint Maik.
Zum Andenken an diese langweilige Geschichte aus dem Soester Hansealltag hat man die Brüder samt rotem Schlüssel an die Frontseite des Rathauses genagelt, als Warnung für den Bürger: Ein bisschen blöd ist ok, aber nicht mehr, klar?

Mathematik im Sauerland


Der Sauerländer ist bekannt dafür, dass er aufgrund erhöhter Niederschlagsmengen zu den Problembuddlern in Deutschland gehört; es reicht ihm nicht, einfach fröhlich durch die Welt zu gehen und sein täglich Brot mit ehrlicher Arbeit zu verdienen. Der Sauerländer braucht Probleme. Wer sich als Erholungssuchender durch ein Dickicht schlecht ausgeschilderter Wanderwege quält - angeblich habe Kyrill einen Teil der Markierungen "weggeputzt" - und glaubt, er könne sich an der Natur erfreuen, stößt immer wieder auf Stellen, an denen der Sauerländer sein Wesen offenlegt. Es reicht ihm nicht, dass der Gast durch den Forst schlendert, er drückt ihm immer wieder etwas für den Kopf auf! Achtausendunddreizweiundsiebzigstel! Was soll das denn hier? Selbst wenn man die Zahlen, was ja der Strich zwischen ihnen symbolisiert, teilt, kommt man auf kein glaubwürdiges Ergebnis, vor allem nicht ohne einen Taschenrechner, den der Wanderer wohl kaum in seinem Rucksack findet. Beide Zahlen hatten jahrzehntelang um den Status als Primzahlen gekämpft, verloren hat die 72 als kleinere Zahl, was ja niemanden wundert, denkt man an die immer weiter auseinanderklaffende soziale Schere im Land. Die Kleinen werden nichts, die Großen können sich alles leisten. Primzahl, als wenn das was Besonderes wäre! Der Sauerländer hat jedoch im gleichen Jahr, als es der 72 abgelehnt wurde, Primzahl zu werden, einen absolutes Teilungsverbot erlassen. Was als schlichte, wenn auch unlösbare Aufgabe am Baumstamm leuchtet, ist nur eine böse Falle. Wer dennoch teilt, weil er es nicht lassen kann, wird mit Bußgeldern bis zu 100 € belegt. Dieses Geld fließt in sauerländische Gemeindekassen und wird für den Bau von Regenschutzüberdachungen angespart. Der kluge Mensch denkt an die ehemalige DDR und weiß: Vereinigen ist das Zauberwort, das wir uns teuer zu stehen kommen lassen. So bleibt nur der Rat: 8003 geteilt durch 72 ist verboten. Das richtige Ergebnis heißt: Achttausendfünfundsiebzig!

Serielle Fotografie: Auf dem Wochenmarkt in Soest



Serielle Fotografie soll das sein?

Sellerie-Fotografie, ganz plumpe Sellerie-Fotografie. Also: Bevor man ein Fremdwort benutzt, sollte man wissen, was es bedeutet.