Günter Krass: Haarschnitt


Du hast die Haare schön!, singt der angetrunkene Kegelverein, wenn der blondgelockte Zugbegleiter durchs Abteil huscht, vielleicht einen Moment bei den Neuzugängen verharrt, die Karten betrachtet, einen Stempel aufdrückt und in die Erste Klasse verschwindet.
Du hast die Haare schön! Das gab es doch früher nicht, das sagte man nicht zu einem Jungen. Das war unmännlich. Es war zum Heulen.
Du hast die Haare zu lang, die stehen ja schon auf den Ohren, und auf dem Kragen setzen sie auch schon auf. Du gehst zum Frisör!
Lange Haare waren modern, das wusste jeder. Es hatte sich nur noch nicht bis ins Elternhaus rumgesprochen. Traurig. Zum Heulen eigentlich. Kleemanns Atti schnitt kurz. Er hatte für Jungen einen einzigen Schnitt, und der war kurz. Der stammte noch aus den 30er Jahren. Facon-Schnitt. Die Haare an den Seiten mussten unkämmbar sein. Die mussten unsichtbar sein. Schneidig, drahtig, flott. Wenn man oben alles wegschnitt, war es amerikanisch. Auch flott, sagten die Damen.
Wenn Attis Laden leer war, wurden die Haare immer kürzer, als wenn Männer auf den Bänken saßen und warteten. Atti erzählte und erzählte. Er schnitt im Schlaf.
Seitdem schreibe ich Frisör mit ö.
Heute ist alles anders. Da gibt es Menschen, die freiwillig Glatze tragen. Da gibt es Gelockte und Gekämmte, Ungekämmte und Gebürstete. Schlecht Gebürstete und Frisierte.
Niemals hätte ich so viel Alkohol trinken können, um die Haare eines Zugbegleiters zu kommentieren.
Aber ich bin ja auch in keinem Kegelverein.

Recycling





















GEMÜSEGRAFIK(Martin Obst 2010)

Vincent van Eijnoor: Knochenmann (2010)


Der Knochenmann sprach: Ich kann deine Knochen sehen. Ich ließ mich nicht erschrecken und antwortete keck: Ich deine auch.
Gut, sagte der Knochenmann, dann einigen wir uns auf unentschieden. Ist genehmigt, sagte ich erleichtert.

(Belauscht auf dem Kongress der Röntgenologen)

"Rotkäppchen" aus der Sicht von Rotkäppchen

Der Wolf war cool, völlig überschätzt in seiner angeblichen kriminellen Energie. Ich musste den echt nerven, bis der überhaupt reagierte. So was von gelassen.
Wir haben dann die Flasche Roten geköpft und natürlich ausgetrunken. Der Wolf meinte, er stehe nicht auf halbtrocken; ich auch nicht, habe ich dann gelacht.
Irgendwann, wir hatten uns schon kräftig amüsiert, kam der Jäger, der kleinbürgerliche Sack,und meinte, ich solle mal schnell den Kuchen zur Oma bringen, weil er jetzt den Wolf erschießen müsse, denn der habe die Oma gefressen.
Ja, hallo?Hey, Momentemal, habe ich eingehakt. Was soll denn der Kuchen bei der Oma, wenn die den gar nicht essen kann? Und überhaupt: Der Wolf ist die ganze Zeit hier gewesen!
Der Jäger hat was von Genfer Konvention gemurmelt, das hat sowieso keiner verstanden und mir die Mündung seines Drillings unter die Nase gehalten. "Ab jetzt!", hat es geheißen. Zu der Zeit war der Wolf schon am Schlafen. Machte der ja eigentlich immer sofort, vor allem, wenn wir eine Pulle Roten drin hatten.
Ich habe dann bei der Oma geklingelt, die hat mal wieder nicht aufgemacht, weil der Klingeldraht irgendwie defekt ist. Na, dann nicht, habe ich gemurmelt und ihr den Kuchen vor die Tür gestellt. Einen eigenen Schlüssel hatte ich ja nicht; nicht mal die Oma hatte einen.
Unterwegs dachte ich dann: Vielleicht ist die Tür ja offen  gewesen, denn die Oma hat ja auch keinen Schlüssel. Sonst wäre sie ja ständig eingesperrt, oder ausgesperrt, je nach dem, wo sie gerade ist.
Vielleicht habe ich auch gerade gedacht, dass es erniedrigend ist, von so wenig Vertrauen zeugt, wenn die eigene Enkelin keinen Schlüssel hat.
Dann habe ich weiter gedacht, ob ich überhaupt die eigene Enkelin sein kann? Weil, ich bin ja ich.
Unterwegs bin ich über den Wolf gestolpert. Der rührte sich nicht mehr.
Tiefschlaf, habe ich so gedacht. Aber woher kam das Blut?
Rotwein, habe ich dann kombiniert, Rotwein, was sonst? Halbtrocken, so wie der auf dem Pelz glänzte.
Ob der Rotwein wohl auch feucht geglänzt hätte, wenn es ein trockener gewesen wäre?, dachte ich zu Hause.
Dabei bin ich eingeschlafen.
Habe dann geträumt, dass es auch feuchte Rotweine gibt.


Neue Mitglieder bei der FDP


Die FDP rekrutiert neue Mitglieder. Um den Imageverlust zu kompensieren, sollen jetzt aus dem Sportbereich ausrangierte Pappkameraden angekauft und mit dem FDP-Parteibuch ausgestattet werden.
Die Mitgleidsbeiträge sollten über die Gesundheitsreform finanziert werden, denn die gelben Jungs hätten in Bezug auf Vitalorgane eine Defizite aufzuweisen, auch im Kopf sei so gut wie nichts; damit wären sie ein Fall für den Notarzt.
Es gehe ja auch nur um die Mitgliedszahl, ansonsten sollten die Neugeworbenen sich unauffällig verhalten und nicht das Maul aufreißen. Da habe man schon den Guido, und der verstehe sein Mundwerk.

Was ist weise?


Verbunden sein, ohne sich einzuengen.
An einander hängen, ohne zu ersticken.
Ruhig bleiben, ohne nervös zu werden.
Bodenständig sein, ohne abzuheben.
Ein Klotz sein, aber nicht rumzuklotzen.
Knoten aushalten können, ohne an eine Lösung zu denken.
Neben der Schiene zu sein, ohne zu entgleisen.
Weise sein, ohne dummes Zeug zu erzählen.
Das ist weise.

Ch.Risto: Ballungszentrum (2009)


Ästhetik des Banalen.
Wunderbar, Risto.
Man muss nicht erst einen Reichstag verpacken. Das geht auch schneller und billiger.
Rahmen drum und zack!, fertig ist das Bild.
Da lacht der Sammler.

Wortergänzungsaufgaben für Männer mit Akzent ohne Muttersprache: Gack


Da brummt es in den Köpfen der jungen Männer mit schlechtem Deutsch und Akzent, deren Eltern nicht aus diesem Land stammen:
Wortergänzungsaufgabe 4002. Wie vom Sturm in die Markise gefetzt wirkt dieses Fragmant, das die Generierung neuer oder alter Wörter fördern soll.
Jetzt hocken sie vor ihrem Getränk und starren gebannt auf die Aufgabe.
Back, rutscht es aus A. heraus, sollst du Brötschen backen!
Tottalfallsch!, grunzt V., back isch ausländisch. Heiß zurruck, happisch in Schule gehört.
So geht das stundenlang hin und her, die Getränke werden geleert, die Flaschen gegen neue ausgetauscht, nur die jungen Männer bleiben und grübeln. Nach Einbruch der Dämmerung wird die Unterhaltung niveauloser, mit der Aufgabe hat sie wenig zu tun.
Gauck wäre die Lösung gewesen; gesucht war der Gegenkandidat zum noch nicht gewählten Wulff. Aber das Wort Gegenkandidat ist eine unüberwindbare Hürde. Da hätten sich die jungen Männer, symbolisch gesehen, die Schienbeine aufgeschrammt. Entschuldigend muss gesagt werden, dass der Sturm das U vergessen  und insgesamt sehr undeutlich geschrieben hatte.
Die Lösung gibt es diesmal in jeder Filiale von "Back-Becker".


















GEMÜSEGRAFIK (Martin Obst 2010)

Frische Brötchen von gestern sind heute nicht mehr da

Die Brötchen baumeln in der Tüte in  meiner Hand. Komisch, denke ich, etwas, was es gestern noch gar nicht gegeben hat, werde ich gleich essen.
Wie das Leben so spielt. Ich esse, verdaue, scheide aus. Input, output, sagt der Computerfachmann.
Und morgen: Vielleicht werde ich etwas essen, das es heute noch nicht gibt. Ganz zu schweigen von übermorgen.
Ich verliere mich ins Unendliche.
Was wird sein, wenn ich mal irgendwann keine Brötchen mehr esse?
Bleiben die dann liegen, ungekauft, ungegessen, unverdaut?
Es war schon immer alles da, und es verschwindet nichts, sagen die weisen Männer, die es wissen müssen und grinsen mit ihren zahnlosen Mündern.
Brötchenessen ohne vorher die harte Kruste einzustippen mag ihnen wohl nicht mehr gelingen. Aber darüber fantasieren, das können sie, die weisen Männer.
Sei es ihnen gegönnt von denen, die es tun. Die nicht immer darüber nachdenken.
Aber: Das muss es ja alles geben. Das ist gesellschaftliche Arbeitsteilung.
Die einen essen die Brötchen, die anderen denken darüber nach.
Da ich zu den Essern gehöre, schwöre ich mir, nicht mehr über diesen Schwachsinn nachzudenken. Vielleicht fallen mir sonst die Zähne aus.

Tiervölkerwanderung

Da haben wir es: Die Pinguine drehen durch. Das Klima verändert sich, die Frösche wachsen, die Elefanten werden kleiner und die Pinguine bleiben, wie sie sind. Aber sie drehen durch. Lange haben sie sich am Südpol aufgehalten; aber jetzt wollen sie den Kontinentalsprung wagen und sind auf dem Weg zum Nordpol, um endlich mal einen Eisbären zu sehen. Dass die aber über kurz oder lang geschmolzen sein werden, kümmert in der Ersten Welt kaum jemanden. Alle denken an die WM und daran, dass Deutschland den dritten Platz gemacht hat. Und: Wohin mit den Vuvuzelas?
Im Augenblick  wandern die Pinguine über die Große Resopalplatte, die sich in einer Geschwindigkeit von 5cm pro Jahr Richtung Recycling-Hof bewegt. Die Welt ist in Bewegung. Manche bleiben auf der Strecke. Vor allem Elefanten, klein geworden und gummiartig, sodass man die Rüssel demnächst als Gartenschlauch in deutschen Baumärkten finden kann, wenn die Pinguine ihre Drohung war gemacht haben werden: An uns kommt keiner vorbei! Beziehungsweise: Wir lassen alle links liegen. Oder: Wir gehen über lebende Leichen.

Evel Kniebel: Sei kein Frosch!

Hey, Leute! Seid keine Frösche! Hängt nicht irgendwem an der Backe und wartet, dass der sein Sorgentelefon anschaltet.
Macht mal was, was ihr überhaupt nicht könnt! Macht mal was, was euch überhaupt nicht liegt, wo ihr im Grunde völlig dagegen seid!
Selbstvertrauen, coole Brille, flotte Mütze, dicke Backe - und schon seid ihr wer!
Einfach mal nicht hinhören, wenn andere dich kritisieren!
Sich für nichts zu schade sein! Auch mal Praline lesen, wenn's keiner sieht.
Nicht immer dieses intellektuelle Gemeckere!
Das Leben leicht nehmen. Mitnehmen, was du kriegen kannst, egal, was sonst dabei rum kommt. Vom großen Kuchen was abkriegen. Frech sein und den Leuten ins offene Maul spucken.
Dafür braucht man keine Aknenarben.
Auch keinen Frosch.
Machen!
Wie euer Evel Kniebel!

Vincent van Eijnoor: WM ist vorbei (2010)


Der Ball ist rund, hatte damals Sepp Herberger postuliert und meinte damit, dass Fußball nicht gerade das große Ding sei, dass man einfach zu viel Bohai um das Leder mache und überhaupt sei Handball auch nicht der Renner. Sepp Herberger ist dann später zum Deutschen Jugendherbergswerk gegangen und hat dort das Übernachtungswesen für jungen Menschen zu Weltruhm verholfen.
In der Zwischenzeit hatte sich der Fußball als Sportart weiterentwickelt, über alle Kontinente verbreitet und auch in Afrika für Furore gesorgt.
Nachdem man im südlichen Bereich alle sozialen Probleme aus dem Blickfeld geräumt hatte, konnte der Viertelkontinent sogar die Weltmeisterschaft ausrichten.
Der Weiße Mann zeigte den Schwarzen mal wieder, wer den Ball treten kann. Jetzt bleibt eine große Leere.
Was ist Fußball schon ohne Ball? Ja, eben: Fuß.
Leere Stadien bleiben zurück und Probleme sind immer noch da.
Die Matchwinner aber suhlen sich im Ruhm und denken darüber nach, wo Afrika eigentlich liegt, vor allem aber Südafrika, und warum es da kühler ist als in Deutschland, Holland oder Spanien. Vielleicht weil es am Südpol ja auch nicht richtig warm ist.

Wortergänzungsaufgaben für Männer mit Akzent ohne Muttersprache


Hey, guckst du!, scheint es aus dem Gebüsch zu schallen; weit gefehlt, denn die jungen Männer, die keine eigene Muttersprache haben, obwohl ihnen eine Mutter an die Wiege gelegt worden war, machen sich Gedanken, wie sie ihre Mängel kompensieren können.
Wenn es mit dem Lesen nicht immer klappt, sind Bilder und Symbole hilfreich. Sie regen die linke Gehirnhälfte an und speichern langanhaltender, als wenn nur die rechte Seite in Betrieb wäre.
Nun, besser eine Gehirnhäfte, als gar kein Gehirn, denkt der Überhebliche, ohne zu wissen, dass man eine Hälfte nur haben kann, wenn auch ein Ganzes da ist. Damit wäre wir im Bereich der Mathematik, der mit Sprache weniger zu tun hat, es sei denn man will Textaufgaben lösen, was den obengenannten Männern aber fern liegt. Langer Text, kurzer Sinn: Was mag das Schild den Männern im Gebüsch sagen?
a) Das Motorrad steht über dem Auto, da es schwieriger ist, mit zwei Rädern nicht umzukippen.
b) Unter dem Strich bleibt dem Motorradfahrer nur das Auto.
c) Vorsicht, Drahtseilakt! Nicht mit dem Auto untendurch fahren!
Gegen Abend werden wir ein leises Mahlen und Knirschen hören, wenn die beiden linken Gehirnhälften der jungen Männer mit Akzent und ohne Muttersprache grübeln und aneinanderreiben. Es ist längst dunkel, wenn sie, vielleicht enttäuscht, dass sie keine Lösung gefunden haben, nach Hause gehen, um mal eine Nacht darüber zu schlafen.
Die Lösungen gibt es diesmal beim Gewerbeaufsichtsamt, das auch für das Abheften von Drahtseilakten zuständig ist.

Golfergruß























GEMÜSEGRAFIK(Martin Obst 2010)

Sie Suche nach dem Heiligen Grill

Es ist Hochsaison. Abends liegt die Holzkohle auf dem Grill, der Grillanzünder kokelt vor sich hin, stinkt; der Mutige greift wie immer seit Jahren zum Spiritus, auch wenn das Risiko, den Kleinen zu verbrennen, hoch ist; die Wurst landet wenig später auf dem Rost und zischt, bis sie braun ist.
Es sind die Männer, die fernab jeder Kocherfahrung, fernab kleiner Handreichungen zum täglichen Gericht, plötzlich den Platz am Feuer für sich beanspruchen, so als sei es selbstverständlich, dass sie für die warmen Mahlzeiten zu sorgen hätten. Frauen halten sich dann lieber im Hintergrund und mischen einen Kartoffelsalat an.
Es ist wie ein Ritual, als müsse man sich reinwaschen, reingrillen besser, von der Schuld der Verweigerung, von der Schuld der unterlassenen Hilfeleistung im Ernährungssektor der Familie. Mit Herzblut wird gegrillt, mit Hingabe, ja fast mit Anmut, so, als gelte es, einen heiligen Vorgang in der richtigen Reihenfolge mit den richtigen Handlungen und den richtigen Utensilien  zu vollenden, der Unheil abwenden soll von der Familie und Schutz bieten kann für die nächsten Monate, für den Winter, den es ohne Grillabende zu überstehen gilt.
Die Männer sind auf der Suche nach dem Heiligen Grill, den sie in ihrem Garten, auf ihrer Terrasse, auf ihrem Balkon finden wollen, indem sich der eigene Rost aus dem Hagebaumarkt in diesen verwandelt und Heilung spendet und die Wiedererlangung der Unschuld ermöglicht.
Aber die Männer sind wie Parzival, dem die wichtige Frage nicht gelingt: Wie geht es dir? Woran leidest du?
Dem schüchternen Vegatarier hinter der Ligusterhecke, der leidend und ein wenig neidisch auf die fröhlich zechende und schmausende Gesellschaft blickt, der an seiner selbstgewählten Askese krankt, muss sie von den Andachtsgriller gestellt werden, die alles erlösende Frage: Na, Chef, willst ne Wurst? Oder geht's dir heute nicht so gut?
Aber vergessen ist Parzival, wenn die erste Wurst, wenn das erste Schweinenackensteak auf dem Teller liegt. Dann wird gegessen und mit vollem Mund fragt man nicht.
Und es wird nicht helfen, noch häufiger zu grillen oder noch mehr Fleisch auf den Rost zu werfen. Empathie und die richtige Frage, das ist die Lösung.

Sommerrezepte




















GEMÜSGRAFIK Lübbecke (Martin Obst 2010)

Neue Sportarten demnächst auch im Fernsehen


Nachdem es im Fußball für den afrikanischen Kontinent nicht so geklappt hat, versuchen findige Geister nun neue Sportarten zu entwickeln, in denen die Einheimischen erst mal über Jahre einen Heimvorteil haben.
Im Elefantenweitwurf wird so schnell kein anderes Land idealere Übungsbedingungen schaffen können, sodass man sich bei der ersten Weltmeisterschaft Hoffnung auf den Titel macht.
Die deutsche Mannschaft hat schon Kontakt zum Frankfurter Zoo aufgenommen, um auf hohem Niveau zu trainieren; weiter will sie mit dem Allwetterzoo in Münster verhandeln, falls es einmal regnen sollte.
Der Zuschauer wird sich auf spannende Wettkämpfe freuen dürfen. Im Moment gibt es allerdings noch bedenken der Tierschutzverbände.

Aus dem Tierreich: Erinnerung


Woran erinnert mich der?  Diese Augen.....die habe ich schon mal gesehen.

Beliebt: Selbstgemachte Geschenke

Es gibt Menschen, die glauben, dass man mit selbstgemachten Geschenken Geld sparen kann und gleichzeitg dem Beschenkten Freude bereitet. Beides ist falsch. Die Zeit, die man in ein selbstgemachtes Geschenk investiert, ist mit Geld nicht auf zurechnen. Jeder glaubt, es gehe um die Zeit, die man benötigt, um die Materialien zu besorgen und dann diese zu einem  Wandteppich mit merkwürdigen Applikationen zu vernähen.
Weit gefehlt!
Allein die Erklärungen, warum man gerade diesem Menschen dieses besondere Objekt angefertigt hat und ihn nun damit beschenkt, kann Stunden kosten, wenn der verwunderte oder bestürzte Gesichtsausdruck einem ungläubigen Staunen weichen soll. Das Zurechtlegen von Argumenten hat vorher schon Tage und ein paar schlaflose Nächte gekostet!
Und dann: Die Zeit des Beschenkten wird darüber hinaus verschwendet. Lebenszeit wird vergeudet.
Wieviel Mühe macht es, bei anstehendem Besuch des Schenkers, das eigentlich verhasste Objekt aus dem Keller zu schleppen und an die Wand zu nageln?
Dann die Angst, der Schenker könne einmal unangemeldet kommen! Welche Ausrede muss der Beschenkte parat haben, um eine plausible Erklärung für das Fehlen des Objektes haben? Welche Erklärung, dass da jetzt eine großbusige Zigeunerin mit tiefem Ausschnitt in Öl von der Wand lächelt?
Ein Tipp: Wer sich überlegt, aus welchen Gründen auch immer, etwas Selbstgebasteltes zu überreichen, sollte nie wieder einen Schritt in den Haushalt des Beschenkten machen. Zu Hause bleiben hilft allen Beteiligten.

Andy Werwohl: Sstock (2009)


Gelungen. Hier hat Werwohl mitten ins konservativ-traditionalistiche Lager geschossen. Der Stock als Züchtigungsinstrument, obwohl der Natur entstammend, von den Menschen missbraucht, die Schwachen zu treffen, zu quälen, zu demütigen.
Mit dem doppelten S am Anfang des Wortes ein Neologismus, der hinweist auf die dunkle Vergangenheit der Deutschen, wo der Terror ein Instrument der Herrschaft war, wo Widerspruch erstickt wurde.
Dunkle Zeit, die in allen Schlagstöcken der Welt weiterexistiert, genährt von der schwarzen Milch der Ewiggestrigen.



Mixa entlastet

Wenn Steine starren....


Die Welt hat keine Lust mehr zu arbeiten. Diesen Eindruck muss man gewinnen, wenn man neuerdings sogar Steine herumsitzen sieht, die nichts tun, die unmotiviert auf dem Fleck bleiben, wo sie hingesetzt wurden und einen Brunnendeckel anstarren.
Angeblich seien sie versunken in tiefer Meditation und konzentrierten sich darauf, dass aus dem Brunnen Wasser schösse und die trockene Welt benetze. Das will den Steinen aber keiner abnehmen. Vielmehr glauben Beobachter,  die Blöcke warteten darauf, dass sich Wasser in Öl verwandele und sie steinreich auf dem Weltmarkt würden.
"Wisset denn, ihr Steine," versucht der weise Mann Günter die Starrenden zu beleben," jemand der viele Steine sein eigen nennt, den nennt man steinreich. Der aber viel des Öles hat, den nennt man Ölscheich. Ihr aber seid weder das eine noch das andere."
Trotz der guten Ratschläge hat sich bisher keiner der Steine auf dem Weg gemacht, denn man sei schließlich kein Zugstein. Die gebe es nur beim Schach.
Vielleicht meine man Bahnstein, ja, Bahnstein könnte es sein. In Wirklichkeit heiße es aber Bahnsteig, und das sei etwas ganz anderes.

Da vergeht einem die Lust auf steinreich.

Karl-Friedrich "Khalef" Motzke: Aus meinem Campingtagebuch - 11/ Schwarzes Loch


Heute ist Vollmond, das macht mich immer so sentimental. Aber vieles ist anders am Rhein, wenn das Wasser vorbeischleicht und gleichzeitig die Gezeiten an der Küste ihr Unwesen treiben. Ich frage mich seit Jahrzehnten, ob der Rhein bei Ebbe schneller fließt, weil dann das Meer nicht so voll ist? Ich könnte ein Bad nehmen und das jetzt und hier testen, aber mir fehlen Vergleichsdaten. Ein Gläschen Rotwein bringt mich oft auf philosophische Gedanken. Lecker, der Cabernet.
Der Mond dünkt mich komisch. Er ist so dunkel, als sei eine Sonnenfinsternis. Oder ist es dann eine Mondfinsternis? Und dann das Helle hinter dem Mond? So große Sterne gibt es nicht. Also, sie sind schon groß, aber nicht hier auf dem Campingplatz. Und dann: Was macht der Griff an der unteren Mondseite? Warum kann man den so lange sehen? Ist es nicht so, dass der Mond sich dreht, genauso wie die Erde?
Und dann weiter: Sind das dunkle Sternzeichen? Der Kleine Baum, der Busch und der Große Baum? Alles ist so Negativ, wie ein entwickelter Film damals. Das Helle ist dunkel, das Dunkle hell.
Wo bin ich gelandet? Welch Stellplatz verwirrt meine Sinne.
Ich werde so durch und durch philosophisch; es durchdringt mich.
Vielleicht ist es gar nicht der Mond und ich habe das erste, mit bloßem Auge erkennbare Schwarze Loch entdeckt. Das Motzkesche Loch. Klingt schön. Ein Loch mit Griff. So volksnah, weil zum Anfassen.
Ich werde mal den Merlot aufmachen. Der Cabernet war nicht unlecker.

Immer wieder sonntags

Eigentlich wollten wir nur Dieter hören, der nie sang, nur gelegentlich, was er aber nicht als Singen bezeichnete, etwa das „Dibbedibbe dibdib“ in dem Schlager von Cindy und Bert „Immer wieder sonntags“. Wir, die wir damals King Crimson gut fanden oder ähnlichen Kram, Hauptsache skurril, hassten Cindy und Bert und wir waren viele Jahre später froh, dass sie sich getrennt hatten. Später traten sie dann als Ernie und Bert auf, oder auch als Zillertaler Lederhosen, niemad von uns hat das je verfolgt, warum auch, denn wir wollten nur Dieter, oder Olschi, wie wir ihn nannten, hören. Tage vorher kündigten wir an, dass wir uns den Titel wünschen würden, sei es auf einer Zeltfestveranstaltung im Nachbardorf oder zu einem Tanznachmittag im Hotel Bad Finden.
Wir hofften, dass Olschi, der den Bass in der Schlagerkombo zupfte, die immer nur Miller mit seiner langweiligen Tenorstimme singen ließ, weil er das wollte, denn er hatte eben diese langweilige, für Tanzveranstaltungen so unaufdringliche Tenorstimme, die jeden Fahrstuhl in Vollbesetzung eingeschläfert hätte, unruhig wurde. Dass er innerlich zitterte und dann nach geschaffter Tat eine Runde Escorial Grün ausgäbe, natürlich erst am nächsten Freitag, wenn dann spielfrei wäre.
Wir hassten „Immer wieder sonntags“, denn es war Samstag.


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