Das Jahr geht zu Ende - Halb und halb ist ganz

Ein weiser Mann geht in einen Laden und will eine Kiste Hefeweizen kaufen. Er wählt, ganz nach seinem guten Geschmack, eine Marke, deren Kisten sich in der Mitte teilen lassen, um sie besser tragen zu können. Mit den beiden gefüllten Kistenhälften geht er zur Kasse und stellt sie aufs Band.
Ah, meint der Kassierer, zwei halbe Kisten, soll ich daraus eine ganze machen?
Der weise Mann wundert sich und erwidert: Lass es, guter Freund, uns mathematisch sehen. Zwei Halbe sind ein Ganzes. Bruchrechnung.
Der Kassierer stutzt kurz und schweigt einen Moment.
Der weise Mann: Das kann man kürzen, zwei Zweitel sind ein Eintel.
Der Kassierer denkt und meint: Es wäre auch billiger.
Der weise Mann: Was ist billiger? Eine ganze Kiste oder zwei halbe?
Der Kassierer: Eine ganze Kiste eben, deswegen fragte ich, ob ich eine ganze draus machen soll? Der weise Mann: Die ist aber doch schon ganz, wenn wir gerade gekürzt haben. Oder soll ich den Bügel noch über die Kiste streifen, damit es ganzer aussieht?
Kassierer: Nein, nein, das geht schon.
Der weise Mann: Was habe ich jetzt gespart?
Kassierer: Einen Cent.
Der Weise schließt das Gespräch: Ich wünsche Ihnen ein frohes neues Jahr!
Der Kassierer mit dem letzten Wort: Gleichfalls.

Bruni und Sarko - am Nebentisch belauscht

Sarko: Warum nennt man dich eigentlich Bruni?
Bruni: Ich heiß' eigentlich Bruno.
Sarko:Seit wann?
Bruni: Keine Ahnung.
Sarko: Aha.
Bruni: Warum heißt du Sarko?
Sarko: Weiß nicht.
Bruni: Kommt das von Sarkophag?
Sarko: Was ist das denn?
Bruni: Sarkophag ist Sarkophag eben.
Sarko: Hab' ich ja noch nie gehört.
Bruni: Also nicht?
Sarko: Wohl nicht.
Bruni: Dann eben nicht.
Sarko: Aber Bruni klingt schön. Irgendwie weiblich.
Bruni: Find' ich auch.

Lyrik- und Literaturwettbewerb: Gib nicht auf!






Hier noch einmal (wie auch weiter unten) die auslösenden Bild-Reize für deinen Beitrag. Es ist nicht zu spät. Einsendeschluss am 31.1.09. Es gibt noch schöne zweite, dritte und achte Preise, Sponsorenpreise und Regionalpreise zu verdienen! Schreib, was du schon immer schreiben wolltest, aber deinem Füller nicht zutrauen konntest!







Frisch eingetroffen (Mittwoch, 31.12.08, 7 Uhr 51):


Luftsackmann (von Teddy aus H.)

Luftsackmann,
Wer musste pumpen,
Dass du drall und rund?
Hau dich in Klumpen-
Hier wird nicht geschleimt.
Und weil sich nichts auf pumpen reimt.


Jetzt neu: Ich bin aus Luft (Eingeschickt am 31.12.08, gegen 16 Uhr)

Ich bin aus Luft,
will in die Luftund in den blauen Himmel steigen,
wenn mich die Freiheit so laut ruft,
kann ich nicht auf der Erde bleiben.
Doch künstlich werde ich beatmet,
ein Riese bin ich nur für Stunden,
am Boden fest verankert und gehalten,
träum ich von blauen Himmelsrunden.

A. von Rostig-Willshoff

Supersonderpreis für Baldwin: Lyrik für Liebe

Lyrik für Liebe

Es war auf der Bank
im Park bei Nacht
Da hat er für sie
ein Gedicht gemacht
Von Liebe und Treue
bis in den Tod
Von Morgengrauen
und Abendrot
Von Palmen
und einsamen Inseln im Meer
Von täglichem Geschlechtsverkehr
Dann wusste er nichts mehr.

Baldwin

Anne gewinnt Lyrik: Ausgeschlossen

Ich fühle
mich
durch die Anrede
irgendwie
ausgeschlossen.

Anne hat als Erste geantwortete. Ein Gedicht, dieses Gedicht. So unverbraucht.
Marvin Reis-Verschicksie, Lyrik-Kritiker

Baldwin gewinnt den Sonderpreis: Zufallstreffen in Köln

Ein weiser Mann traf in Köln einen anderen Mann.
Der war wie er aus der kleinen Stadt.Er hatte eine junge, hübsche Frau bei sich.Es war nicht seine Frau, auch nicht seine Tochter.So stellte er die Frau auch nicht vor.Sondern ging über sie hinweg.Der weise Mann dachte sich seinen Teil. Er grüßte höflich, aber unbestimmt.

Das ist mein Beitrag zum Literaturwettbewerb.Falls ich den Preis gewinne, bitte ich um Benachrichtigung.Wenn ich nicht gewinne, ist mir das ganz egal.Baldwin

Noch ein Sieger: Trompeten-Peter mit seiner Kurzgeschichte

Die Geschichte vom Tapeten-Dieb
Als ich den Tapeten-Dieb erwischt hatte, war mir klar: der kommt in den Kasten!
Jetzt ist er schon ein paar Wochen drin und klopft nur noch ganz selten und ganz leise an die Außenwand.
Ich tue dann so, als hätte ich das nicht gemerkt.
Dann hört er auf und ich mache das, was ich immer mache.

Trompeten-Peter

Gundi ist Sieger des Leserkurzgeschichtenwettbewerbs: Konsomolzenangriff

Bernd mähte den Rasen. Netti, seine kleine Nachbarin, lief durch den Garten und rief ihn. Bernd hörte sie zunächst nicht, doch er bemerkte einen plötzlichen Schatten und sah auf. Da stand Netti und neben ihr ein Konsomolz. Bernd hatte Gerüchte gehört, dass Konsomolzen eine Invasion auf der Erde gestartet hätten, doch dass nun ausgerechnet auf einem noch ungemähten Stück Rasen in seinem Garten einer stand, erstaunte ihn nun doch. Er wollte Netti warnen, denn sie hatte den Konsomolzen offenbar noch nicht bemerkt, und auch wenn Netti manchmal nervte, wünschte er ihr nichts Böses. Doch es war zu spät; der Konsolmolz beugte sich etwas steif zur Seite und hatte mit einem Happs Netti verschlungen. Bernd war entsetzt. Der Rasenmäher lief immer noch. Die Sonne schien unbeeindruckt vom blauen Himmel. „Oh, nein“, rief Bernd und überlegte kurz, ob er mit seiner Harke auf den Konsomolzen losgehen sollte, aber er wusste, dass er keine Chance hatte und Netti konnte er auch nicht mehr retten. Wie sollte Bernd Anna, Nettis Mutter, das Verschwinden ihrer kleinen Tochter erklären? Anna sah es nicht gern, dass Netti ihn, den Junggesellen mit Erfindertrieb, so häufig besuchte. Bernd bemühte sich Netti nicht ins Haus zu lassen, damit er sich nicht allen möglichen Verdächtigungen aussetzte. Und nun wurde Netti auf seinem Grundstück von einem Konsomolzen verschlungen. „Töte mich“, flüsterte Bernd, denn ihm war klar, dass eine Katastrophe über ihn hereinbrechen würde. Doch der Konsomolz dachte gar nicht daran, sondern verschwand über die Eibenhecke. Da stand auch schon Anna im Garten. „War Netti hier?“, fragte sie leicht aggressiv und sah sich um. Bernd wagte einen schwachen Versuch, seine Haut zu retten. „Nein“, antwortete er matt. Im selben Augenblick fiel sein Blick auf eine rote Mädchensandale, die auf dem Rasen lag und vom Konsomolzenangriff übriggeblieben war. Jetzt hatte auch Anna die Sandale entdeckt. Fragend sah sie Bernd an.

Montag 29.12.08: Leserkurzgeschichtenwettbewerb


Lieber Leser!
Schreib eine schöne Geschichte! Dann bekommst du einen Preis.
Du kannst das unter Kommentare tun oder an Bodos Welt per mail schicken. Adresse im Impressum.

Sonntag, 28.12.08: Leserlyrikwettbewerb

Schreib ein Gedicht, lieber Leser!
Der Gewinner wird in Bodos Welt veröffentlicht.
Mögliche Titel:
Kopf ab vor Sonnenuntergang?
Ich stand völlig neben mir.
Blick ins Innere.
Halsschmerzen oder Kopfschmerzen, man muss sich entscheiden.
Zum Henker mit der neuen Frisur.

Samstag, der 27.12.08: Die Parabel vom "Arsch mit dem Fuß auf dem Hocker"

Ein armer Mann kam zum reichen Mann und bat diesen um einen Hocker, weil er lange Zeit gestanden hatte und des Stehens nun müde war. Der reiche Mann saß bei Tisch mit einem Gast und die beiden tafelten vorzüglich. Den rechten Fuß hatte der reiche Mann, weil es ihm wohl bequemer war, auf einen zweiten Hocker gestellt.
"Reicher Mann", sprach der arme Mann, "ich bin des Stehens müde und bitte dich um diesen Hocker, um mich auszuruhen."
"Verpiss dich, armer Mann", gab der reiche Mann grob zurück, und sogar sein Gast stutzte ob dieses rauen Tones. "Ich brauche den Hocker, um meinen Fuß draufzustellen!"
Da war der arme Mann sehr traurig, obwohl er wusste, dass Reiche nur ganz selten Hocker geben, auch wenn sie diese leicht entbehren könnten.
Der arme Mann ging also zum weisen Mann und fragte den um Rat: "Weiser Mann", sagte er, "ein reicher Mann hat mir seinen Hocker verweigert, obwohl ich seiner bedarf."
"Des reichen Mannes?", fragte der weise Mann.
"Nein", sprach der arme Mann, "des Hockers."
"Ach", nun der weise Mann, "dann gräme dich nicht. Das ist nur ein Arsch, der seinen Fuß auf einen Hocker stellt. Hinter seinem Rücken sagt man aber zu einem solch hartherzigen Mann "Arsch mit einem Fuß auf dem Hocker". Bedenke nun, ob du so genannt werden willst, oder ob lieber in Armmut weiterlebst und niemand zu dir "Arsch mit dem Fuß auf dem Hocker" sagt!"
"Wohl gesprochen!", bedankte sich der arme Mann.
Der weise Mann fuhr fort: "Schieß lieber mit Erdnüssen auf das Volk. Da tust du etwas Sinnvolles!"
Der arme Mann griff sofort in seinen Vesperbeutel und begann eifrig auf das Volk mit Erdnüssen zu schießen. Das Volk freute sich derart, dass es sofort zurückschoss und der arme Mann nie mehr an den Hocker denken musste.

Freitag, 26.12.08: Pinguine füttern in Cuxhaven

Pinguine, die sich in Hauptsache von Eisbären ernähren, sind bereits bis nach Cuxhaven vorgedrungen. Ihr natürlicher Lebensraum bietet nicht mehr die Möglichkeit, sich ausreichend zu ernähren. Allerdings gibt es in Cuxhaven noch weniger Eisbären als in der Antarktis, da den Zotteltieren die Scholle unter den Pranken schmilzt. Um den Pinguinen das Überleben zu erleichtern füttern Tierfreunde die Hungerleider. Erschütternde Szenen sind in diesem Zusammenhang zu beobachten.
Tuppi: Was gibt’s denn heute zur Pinguinfütterung?
Muppi: Schnittchen.
Tuppi: Nicht schon wieder.
Muppi: Machste nichts dran.
Tuppi: Ist noch was von der Teewurst da?
Muppi: Hab ich heute Nacht aufgegessen.
Tuppi: Du Sau!
Muppi : Du sagst es.

Siehe auch: http://www.cuxhaven.de/cuxhaven_4230.php

Georg Krakl: Fragen an die Konsomolzen zur Weihnachtszeit

Konsomolzen, muss gemäht
der Rasen werden?
Und das Bolzenschussgerät
liegt gelangweilt bei den Pferden?
Konsomolzen, muss noch spät
mit dem Bolzenschussgerät
doch ein Pferd erschossen werden?
Nein, schrei'n laut die Konsomolzen,
wir hab'n keine Bolzen!

Dann sollt ihr, o Konsomolzen, Rasen mähen
und nach Bolzen spähen.

(Nach fünfjähriger Arbeit habe ich endlich einen Reim auf Bolzenschussgerät gefunden, schreibt uns Georg Krakl, und wenn ich auch Konsomolzen aufs Tiefste verachte, bin ich ihnen an dieser Stelle unendlich dankbar, dass es sie gibt.)

Georg Krakl: Gans/z (Weihnachten 2008)

Zum Glück
isst man die Gans
nicht ganz
sondern im Stück

Fehlgeleitete Heranwachsende bauen unverschämte Schneemänner


In Windeseile muss man heute den Schnee zusammenkratzen, wenn man einen Schneemann bauen will; der KLimawandel, der an allem Schuld hat, lässt einem keine Zeit. Nur noch Waldorfschüler wissen in unseren Breitengraden, was ein Schneemann überhaupt ist: Ein dreikugeliges Gebilde, das mit Kohlen, einer Mohrrübe und einem ausgedienten Hut oder einem undichten Kochtopf dekoriert wird, so dass man meint, Onkel Werner stünde vor einem, denn der war auch immer so kalt.
Was aber machen missratene Zöglinge, häufig mit Hilfe ihrer Eltern, die in einem antiautoritären Kinderladen groß geworden sind? Sie persiflieren Brauchtum und Traditionen, auch wenn sie nicht wissen, was das überhaupt bedeutet. Wie kann man seinen Schneekugeln eine großfüßige Albinohenne an die Seite kleben? Wo bleibt die Achtung vor dem Mitwesen? Sind qualvolle Jahre in der Legebatterie nicht genug, um schweigend den toten Hühner, denen man ihre Eier abgepresst hat, zu gedenken? Muss denn alles in den Matsch getreten werden?
Statt eines Hutes missbraucht man heutzutage Vogelnester als Kopfbedeckung und Blumentöpfe, um der unförmigen Masse aus gefrorenem, flockigem Wasser ein Gesicht zu geben. Vielleicht eine Anspielung auf verbockte Schönheitsoperationen und eine stumme Kritik am Schnitter, dem das Messer ausgerutscht ist, und der trotzdem abkassiert hat. Aber- schön ist das nicht.
Einem Schneemann, der immer für den Weltfrieden gestanden hat und genauso schnell wie dieser weggeschmolzen ist, eine Rakete in die Brust zu drücken, das lässt verzweifeln. Was gibt es hier noch zu retten: Fehlgeleitete Heranwachsende drücken ihre unbekümmerte Zerstörungsbereitschaft aus. Da ist Schule gefordert! Bis dahin ist aber erst mal der Klimawandel verantwortlich. Und wir können hoffen, dass solche optischen Beleidigungen schnell wieder zu Wasser und Restmüll werden.

Vorsicht vor chinesischen Produkten

Aus China drängen wieder unzählige Plagiate auf den Markt, unter anderem Nationalflaggen, die man an ungeschicktem Farbauftrag erkennen kann. Vor allem aber: Sie sind mit einem hohen Anteil Bleiststift gefertigt und damit für den Hausbegrauch eher nicht zu empfehlen, weil kontaminiert. Immanent wird hier auch der Wunsch nach Grenzüberschreitung und Kriegshandlung ausgedrückt, in dem die vorgeschriebenen Linien einfach übermalt wurden. Kinder nennen so etwas Krikelkrakel und schmeißen es sofort weg, oder schenken es der Mutter, die sich über alles Selbstgemachte freut.
Dem nationalbewussten Menschen kann aber eine so schlampig gearbeitete Fahne bei der Wahrung seines Vaterlandsstolzes nicht weiterhelfen, zumal auf billigem 80mg-Papier gearbeitet wurde, das einem Einsatz bei Regen oder in der Dusche nicht standhalten würde. Mittlerweile ist die Moral des Marktes: Es muss billig und massenhaft sein, ein Spritzer Gift kann nicht schaden, und es muss richtig Geld einbringen. Während wir enttäuscht in unserem Batikkoffer wühlen, schuftet der Chinese zwangsverpflichtet in den Bleiminen, um Material für neues Gekritzel abzubauen. Arme Welt!

Dunkle Jahreszeit: Depressives Schuhwerk

Immer häufiger sieht man vor allem Wanderschuhe, die an einer Hochspannungsleitung baumeln, weil sie ihr Dasein, das ihnen in dieser dunklen Jahreszeit nutzlos und überflüssig vorkommt, vorzeitig beenden wollen. Wir Menschen, die wir unsere treuen Diener, die uns vielleicht kilometerweit über Stock und Stein getragen haben, die durch Pfützen und durch Hundekot mit uns gestiefelt sind, mit herabwürdigen Worten ansprechen, wie etwa "Alte Latschen", "Treter" oder "Galloschen", wir Nutznießer einer Dienstleistung sollten bedenken, dass gerade in der Zeit, wo es an Licht mangelt, auch ein paar Schuhe etwas Freundliches hören möchte. Vielleicht quält sich das Paar schon geraume Zeit mit der schwarzen Schuhcreme oder möchte veilleicht den Dreck der vergangenen Tage loswerden? Ein paar sanfte Worte und eine Pflegecreme, die das Leder so schön gesschmeidig macht, wären hilfreich.
Dem couragierten Helfer, der womöglich ein paar Basketball-Schuhe vor dem Tod retten und von der Hochspannung holen möchte, sei geraten: Niemals vom Strommast, an dem man hochgeklettert ist, direkt an das stromführende Kabel fassen, um sich zum Suizidgefährdeten zu hangeln. Immer springen. Die Füße dürfen keinen Kontakt mit dem Eisen haben, sonst wäre der Rettungsversuch augenblicklich gescheitert.

Welttag des Hühnerschlachtens

Günter Krass: Erinnerungen - Hühnerschlachten
Die Hühner hatten ausgelegt. Es gab zwar immer wieder ein oder zwei Eier, aber es hatte sich ausgelegt. Es war Zeit zum Schlachten. Das tote Huhn war sowieso nur noch für die Suppe und ein anschließendes Frikassee, von dem wir nicht wussten, wie es geschrieben wurde, zu gebrauchen; für andere Gerichte war es zu zäh. Es hatte seine Pflicht getan und musste abtreten. Am 4. Dezember sollten die im Laufe des Jahres Liebgewonnenen auf dem Hauklotz am Komposthaufen ihr Leben aushauchen, nachdem Kopf und Rumpf mittels eines Beiles voneinander getrennt worden waren. Aus sicherer Distanz hatte ich in den letzten Jahren immer zugesehen und eine Mischung aus Trauer, Angst und leichter Erregung durchzog meinen Körper.
"Ach", der Vater nun, als wir gemeinsam die Verurteilten betrachteten," es ist ja noch Futter da." Ich stutzte. "Dann warten wir noch ein paar Tage." So als hätten sie verstanden, hörten die Hühner auf zu picken, so als ekelten sie die Körner und anderen Ingredienzen des Nagut-Hühnerfutters an, das wir immer an der Mühle bei Thiemeier bezogen und das ich bisweilen in der 5-Kilo-Tüte auf meinem Fahrrad holte, so als wollten sie ihren Tod hinauszögern, das Futter strecken, indem sie nichts mehr zu sich nahmen. Arme Hühner, dachte ich, welcher Illusion gebt ihr euch hin? Der Hunger wird es hineintreiben, und jedes Korn wird euch dem kalten Stahl näherbringen, unentrinnbar werdet ihr Opfer eurer eigenen Bedürfnisse.

Das Leben ist komisch

Racker:Du hast einen Hund auf dem Kopf!
Möckel: Wo?
Racker: Na, da!
Möckel: Na und ?
Racker: Nicht na und! Na, Hund!
Tappert: Ich seh nix.
Möckel: Du stehst ja auch mit dem Rücken dazu.
Tappert: Ich steh dazu.
Therapeut: Sollst du auch.
Tappert: Genau. Und da steh ich auch zu.
Möckel: Und der Hund?
Tappert: Welcher Hund?
Racker: Genau! Welcher Hund?

Weißt du, wo lang?


Karel Gott sang damals mit tschechischem Tremolo "Weiß du, wo lang?" und gab dem Dr.-Schiwago-Geschrammel eine Stimme. Erwartet hätte der Hörer eher ein paar Don-Kasachen, die in ihrer Landessprache, das dem Russischen in der Unverständlichkeit und phonetischen Grobheit in nichts nachsteht, die Oktoberrevolution ansingen. Beim Jubeltschechen sind aber nur ein paar Floskeln über Menschen herausgekommen, die vom Weg abgekommen sind und nun zurückfinden wollen. Seinerzeit war schon klar: Der deutsche Schlager ist keine Hilfe, sondern eher eine Strafe Gottes, im doppelten Sinne an dieser Stelle. Früher konnte man die Vinylplatte noch als Blumenuntersetzer missbrauchen oder im Backofen bei 220° zur Chipsschale formen, um seinem Musikgeschmack Ausdruck zu verleihen. Im Zeitalter der Nullen und Einsen hat man nichts in der Richtung: Es bleibt nur das profane Löschen einer Datei. Die Beschaulichkeit der Rache fehlt; Zeichen der Zeit, die andere zu deuten haben.

Schwarz-Weiß-Denken

Den Menschen, die in den Sechzigern sozialisiert wurden, sagt man ein schlichtes Weltbild nach. Sie leiden an Dichotomie, ihr Leben wird bestimmt von Schwarz und Weiß, und sie werden sich hüten, diese beiden sich ausschließenden Mengen zu vermischen, denn sie fürchten, im tristen Grau zu ertrinken. Schuld an der Misere ist das Schwarzweißfernsehen, das damals gerade aufblühte, auch wenn es erst nachmittags begann und nur am Wochenende gegen halb zwölf endete. In dieser für die Gegenwart sehr beschränkten Zeit gelang es doch, die Zuschauer, die begierig die neue Reiznahrung verschlangen, so zu prägen, dass sie schließlich oben von unten, rechts von links und hinten von vorn unterscheiden konnten, was das Leben erst lebenswert machte. So ganz nebenbei lernten sie wesentlich Elemente des amerikanischen Lebens kennen; bislang war ihr Wissen auf Kaugummi und Donald Duck beschränkt. Es gesellten sich Fury und Lassie dazu; Slim und Jesse gaben sich ein Stelldichein und überhaupt wurde der aufmerksame Zuschauer an den Kühlschrank und die Fliegengittertür herangeführt. Es wurde aufgeräumt mit der Lüge, Indianer seien rot, sie zeigten sich nämlich lediglich in Grau. Nur die Weißen waren und sind weiß. Und Weiß steht für gut und sauber, für gerecht und schwer in Ordnung. Der Amerikaner hat mit unendlicher Geduld dafür gesorgt, dass seine Welt weißer wurde und das kommt heute allen zugute.
Der heute 50- bis 60-Jahre alte Mensch krankt noch immer an der Dichotomie und das Farbfernsehen kann ihm da nicht weiterhelfen, denn es fällt ihm schwer mehr als zwei Informationen auf einmal aufzunehmen, was aber schon der Fall wäre, wenn ein Gelb und ein Ocker dazukämen. Gesellschaftlich oder individualpsychologisch ist dieses Problem nicht mehr zu lösen, aber die Zeit heilt ja bekanntlich alle Wunden.
(Foto: Nervige Typen lassen sich auch in Schwarzweiß nur schlecht ertragen.)

Nahrhafter Popel

Kurz vor acht vor einer Ampel, mein Rückscheinwerfer beleuchtet das Gesicht im nachfolgenden Fahrzeug. Ein Frau Ende dreißig, kurzes, dunkles Haar, Brille im Retro-Look, zuverlässiges, vielleicht ein wenig langweiliges Gesicht. Ihr kleiner Finger gräbt im rechten Nasenloch, ein kurzer Ruck, dann wird der Finger an den Mund geführt, Mund und Kiefer bewegen sich unmerklich, der Zeigefinger gleitet zum linken Nasenloch. Die Ampel springt auf Grün, ich gebe Gas. Eine Popelfresserin, so haben wir, die sich vor diesen Menschen als Schulkinder schon ekelten, sie genannt, auch um uns abzugrenzen und zu bezeugen: Das tun wir nicht!
Aber was ist daran verwerflich?
Der Chinese isst Hunde, wir regen uns auf, weil wir uns von Hunden lieber das Gesicht abschlecken lassen, als sie auf dem Teller zu sehen. Der Deutsche verzehrt Popel. Vielleicht tut das der Chinese auch. Vielleicht essen auch nicht alle Chinesen Hunde, wie nicht alle Deutschen Popel essen. Trotzdem: Angesichts der kritischen Welternährungslage muss dieses Tun gefördert werden, denn gerade die Fürdenkleinenungerzwischendurchesser und die Langeweileesser verschwenden wertvolle Nahrung, die hier von körpereigenen Stoffen ersetzt wird. Der Popel ist zwar arm an Vitaminen, hat aber reichlich Mineralstoffe anzubieten, die weit über ein Nahrungsergänzungspräparat hinausgehen. Warum verdammen, was allen zugute kommt? Der Zweck heiligte immer schon die Mittel. Vielleicht sollte man den Popelesser am Steuer ermutigen, indem man kurz hupt und seinen gestreckten Zeigefinger zeigt? Oft sagen Gesten mehr als tausend Worte...

Der blaue Montag

Ist doch klar, lallt Fred an der Theke, das kommt vom Restalkohol, da bin ich ja oft am Montag noch blau, was ich da so konsumiert habe, oft weiß ich gar nicht, dass schon Montag ist, und dann soll ich sofort um halb neun Steuererklärungen durchgucken, nehm ich doch erst mal ein Alka Seltzer, wo ich denke, das hat früher auch mal besser gewirkt, früher war ja, wie ich immer sage, alles anders, früher war sogar alles früher, da hat das Alka Seltzer einfach früher gewirkt, oft schon bevor ich es eingenommen habe, kleiner Scherz, und wenn..... Man kann sich nur verstohlen davonschleichen, wenn man einen Restalkoholiker angestochen hat und er einen Redeschwall über die Theke gießt, den kein Putztuch stoppen kann, und widmet sich einer ernsthaften Beantwortung der Frage: Woher kommt der Blaue Montag? Ist doch klar. Von der Wetterkarte. Da wird einem suggeriert, es werde schon werden, also bisschen Sonne hier, da mal ein Schäuerchen und überhaupt, das Wetter von gestern sei irgendwie sicherer vorhersagbar, also eher nachhersagbar, und gestern habe auch die Sonne geschienen, jedenfalls stellenweise, wenn nicht hier, dann auf jeden Fall dort, etwa in der Türkei, die seien ja mit Sonnenschein gesegnet, auch wenn das im Osten liegt, und dann wird alles blauäugig: Der Zuschauer soll glauben, was die Dame von der Wetterkarte oder die alte Bartagame Jörg Kachelmann daherschwafelt.
Morgen wird's mal wieder blau! Ein eindeutiger Satz! Das will der verunsicherte Fernseher hören, einen Satz, mit dem er etwas anfangen kann! Morgen wird's mal wieder blau, und morgen ist Montag! Wer genau hinsieht, kann das auf der Karte auch erkennen. Von Norden her zieht Blau auf. So einfach ist. Da muss sich kein Meteorologe herausreden und Unsinn erzählen. Morgen ist mal wieder blauer Montag, denn es zieht Blau auf. Na also! Ist doch ganz einfach.

Wieder da: Das hässliche Oberhemd!

Die Mode treibt ihre Blüten. Sagte man den Männern nach, sie hätten doch vorm Kleiderschrank kein Rätselraten wie die Frauen zu veranstalten, weil sie lediglich einen dunklen Anzug und einen Rollkragenpullover wählen müssten, so werden solche Gesetzmäßigkeiten jetzt erschüttert. Das hässliche Oberhemd kehrt zurück. Ein Beispiel ist das Modell "Selbst-vermalte-Taubenscheiße". Das Fernsehen scheut sich nicht, Moderatoren mit dieser Augenfolter zu bekleiden, die fröhliche grinsend zwei Knöpfe öffnen, um einen Blick auf die fahle Brust werfen zu lassen, um von den Vogelexkrementen abzulenken. Hatte man früher den selben Moderator als Klugscheißer diffamiert, weiß der Fernseher heute natürlich, warum das so ist. Sein Hemd könnte ganze Lebensgeschichten vergifteter Tauben erzählen, die im letzten Moment ihres Daseins noch etwas ausdrücken wollten, um der Welt ein wenig von ihrem Schicksal zu hinterlassen. Dass Tierschützer noch nicht auf den Plan gerufen wurden, mag verwundern. Viele Ex-68er hatten lange gehofft, dass das Klassengesellschaftsbekleidungsstück OBERHEMD das Zeitlich gesegnet habe, bzw. als Arbeitsbekleidung im Gastronomiebereich der werktätigen Klasse diene, und hatte lediglich den ungewaschenen Kragen des Rollis in den Blick genommen; jetzt werden sie eines Besseren, will sagen Schlechteren, belehrt: Es ist wieder da, und es nervt fast so stark wie damals die Nyltesthemden: Das hässliche OBERhemd. Unterhemden aller Länder vereinigt euch!

Günter Krass: Erinnerungen - Durch die Wüste

Hach, war das schön, wie die Herren da durch die Wüste ritten, Kara Ben Nemsi und sein treuer Freund Hadschi! Mir lief dieSpucke im Munde zusammen, wenn ich daran dachte, wie lecker das Wasser aus der Wasserleitung schmeckte; eigentlich trank ich dieses Wasser nicht, es schmeckte immer etwas nach Eisenrohr und zerquetschten Mücken, aber angesichts der Notlage der Protagonisten, die irgendeinen Schurken verfolgten oder auf der Flucht vor diesem waren, und die mit einer gewissen Bauernschläue immer Sieger blieben,und angesichts ihres unsäglichen Durstes, gewann dieses Wasser einen Wert, der ins Unermessliche reichte. Danziger Goldwasser schießt mir durch den Kopf, was hier aber ein unpassender Vergleich ist. Ich ließ ein Glas Leitungswasser die Kehle hinabrinnen, die vom Lesen des Karl-May-Wälzers trocken geworden war.Ich vergaß den Geschmack nach Eisenrohr und zerdrückten Mücken, dachte an den wahren Wert des Wasser und versuchte die 24 oder 36 Vornamen von Hadschi auswendig runterzurattern. Damit würde ich morgen glänzen können. Alle Vornamen in weniger als 10 Sekunden.

Kauderwelsch?

Man hätte sich gewünscht, Bundestagsfritze Kauder hätte eine Frau geheiratet, die Welsch heißt; die hätte dann den wunderbaren Doppelnamen Kauder-Welsch angenommen und den hätte sie dem Gatten zueignet, sodass dieser fürderhin in großem Stolz auf seine Frau diesen Namen in der Welt bekannt gemacht hätte. Was wie ein schönes Märchen klingt, ist schon Realität; die Frau gibt es zwar nicht, dafür einen Begriff, Kauderwelsch, der Synonym für Unsinn, Unfug, unverständliches Zeug steht und wenigstens deutschlandweit bekannt ist. Endlich wissen die aufmerksamen Redenverfolger in Deutschland, was es mit Politik und seinen Schwätzern auf sich hat. Schade nur, dass es diesen Begriff schon vor der Existenz jenes Bundestagsfritzen gegeben hat. Welch schönen Schluss hätte man ziehen können.

Fehleinschätzungen der Archäologie

Der Archäologe hätte hier einiges zu berichten und würde fälschlich schließen, nachdem er ein paar Flaschen Wodka entdeckt hat, dass es sich um die Frühstücksreste vorwiegend russisch sprechener Deutscher ohne Beschäftigung gegen Entgelt handelt. So sind sie aber, diese Hermeneutiker, die in alten Schriften herumwühlen und dann falsche Schlüsse ziehen, aber behaupten, dass sei wahr, was sie in ihren dünnen Büchern schrieben, oder eben die Archäologen, die aus einer Tonscherbe schließen, dass die Römer töpfern konnten und bereits fließend Warm- und Kaltwasser hatten, eine Toilette mit Tiefspülbecken benutzten und dadurch ein Weltreich eroberten. Dass die Scherbe aber aus dem Blumentopf von Tante Mimi herausgebrochen sein kann, will niemand wahrhaben, denn die Scherbe sehe irgendwie alt aus.
So sollte der Soziologe, der dem Archäologen an die Seite gestellt wurde, nicht denken, er habe Recht mit der obigen Beghauptung. Es gibt eine ganze Reihe von Menschengruppen, die Currywurst, Chinagewürz aus der Tüte und dazu ein Glas Wodka mit Fruxano gemischt genießen. Es gilt immer noch die deutsche Regel: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Oder runterfällt.

So weit, so gut


Was man eigentlich besänftigungspädagogisch äußert, um das schlechte Ergebnis eines Delinquenten oder Zöglings nicht anzuprangern, wird immer mehr von Angebern, die sich vermehren wie Esskaninchen, benutzt, weil ihnen der Superlativ nicht mehr reicht und ihnen den auch keiner mehr abnimmt. Soweit, so gut; das machste aber jetzt noch mal, das ist nämlich gequirlte Affenkacke! So oder ähnlich dringt es in die Ohren der Zöglinge, wenn sie ihren 1000-Wörter-Text über Bismarck oder Friedrich den Großen noch einmal schreiben sollen. Persönlich beleidigt wird niemand, denn es ist ein Lob in den Sätzen versteckt: So gut. Der Angeber hingegen versucht nur in Verbindung mit ausladenden Gesten sein langweiliges Leben aufzuplustern, damit wenigstens der eine oder andere noch kurz zuhört, meistens Leute, die der Angeber gerade kennen gelernt hat. Resümee: Den Zöglingen geht es zu gut, die werden ständig gelobt, obwohl sie Schwachsinn produzieren; die tragische Gestalt ist der Angeber, der unermüdlich um Anerkennung ringt, obwohl längst alle fortgegangen sind. Und zwar so weit, dass es gut ist.

Schlechte Zähne

Mutti, Mutti, er hat gar nicht gebohrt, so strahlt das Kind mit seinen restlichen Stümpfen im Mund die treusorgende Mutter an, die im Wartezimmer die neusten Illustrierten gelesen hat, nein, jauchzt das Kind weiter, er gleich alle gezogen.
Gut, dass die Betäubung noch wirkt, sonst wäre dem Kind das hässliche Lachen vergangen. Wir normalen Zähneputzer finden nur vollständige Gebisse schön, und auch dann nur, wenn sie weiß und ohne Karies-Löcher sind, wenn sie unser eigenes Wunschgebiss wiederspiegeln.
Schlechte Zähne machen einsam. Das ist ein Teufelskreis. Leute mit schlechten Zähnen lachen nicht mehr, weil sie ihre Ruinen im Mund nicht zeigen wollen. Irgendwann sprechen sie nicht mehr, denn auch beim Sprechen müssen sie Zähne zeigen. So stehen sie schweigend und missmutig in der Ecke herum und jeder denkt: Was ist mit dem denn los? Hat der schlechte Zähne? Ehrlich gesagt, einen mit schlechten Zähnen will ich auch gar nicht kennen lernen!, und gehen weiter.
Deshalb: Zähneputzen nicht vergessen, und zwar von oben nach unten, quadrantenweise und auch mal kreisen lassen. Ab und zu die Bürste wechseln. Ruck Zuck hast du neue Freunde.

Körpersprache: Der Banker

Bundespräsident Köhler wollte sich distanzieren vom Begriff "Banker" und wollte den guten alten "Bankier" hervorkramen, der kompetent und zielbewusst, ohne das Risiko falsch einzuschätzen, mit gewissen sozialen Kompetenzen versehen, zum Beispiel unauffällig seine Rechenspiele zu betreiben, den Leuten das Geld aus der Tasche zieht und deshalb einen Orden erhält, weil er die Wirtschaft ankurbelt oder in Gang hält, der aber auf keinen Fall herumjammert, wenn er zu blöd ist, nicht aufzufallen bei seinen Machenschaften, sondern aus Selbstüberschätzung eine Krise heraufbeschwört. Trotz mahnender Worte setzt man dem geächteten gesellschaftlichen Krüppel, der ohne Staatshilfe nicht existieren kann und seine Pfründe schrumpfen sieht, ein Denkmal. Oh, welches Jammertal müssen wir durchschreiten, scheint es aus seinem losen Maul zu schreien, die Hand in die Hüfte gestützt, so als plage ihn der Ischias, der in den Oberschenkel ausstrahlt, dabei sichert er lediglich seine Geldbörse, in der er die Spareinlagen der Bürger mit sich trägt, die ihm jetzt noch vertrauen, die Hand ausgestreckt, als ob er um Hilfe bitte, nur dass die Handflächen nach oben zeigen, um endlich die massiven Mittel entgegenzunehmen, die diese Hand gar nicht halten kann. Schau ihm ins Gesicht, denkt Hugo, dann weißt du, was er leidet.
Er leidet an Hirnmangel, zählt Bruno auf, und an Arroganz, an Selbstverherrlichung, an Gedankenlosigkeit, an Egoismus, Egozentrismus, am Geldmangel, am Arschtritt, den er jeden Moment erwartet, weil der Tritt gerecht und gut ist, an Enteignung, weil sie ihn zur Verantwortung zieht. Man möchte Marx heraufbeschwören und die versammelte Meschpoke in die Vorhölle schicken, um sie anschließend in der Haupthölle schmoren zu sehen. Leider ist Bruno Protestant, und die müssen auf das Jüngste Gericht warten. Der Herr sei ihnen ungnädig.

Günther Krass: Erinnerungen(4) - Die kleine Oma bei Gewitter

Die kleine Oma saß immer mit gepacktem Koffer an der Haustür und wartete, dass der Blitz einschlug. Besser gesagt, sie wartete, dass er nicht einschlug. Nur für den Fall, dass er es doch täte, hatte sie ihren Koffer dabei, um schnell das brennende Haus zu verlassen und auf die Straße zu rennen, um sich vor der Flammen und der herannahenden Feuerwehr zu retten; denn niemand wusste, in welchem Zustand Männer waren, wenn sie überrschend löschen mussten und vielleicht gerade aus der Kneipe heimgekehrt waren, in der sie einen neuen Schlauch samt B-Rohr und Stützkrümme gefeiert hatten. Sie trug ihren Mantel und feste Schuhe; darunter vermuteten wir ihr Nachthemd, da sie insgeheim betete, der Blitz möge das Haus verschonen und ins Bett zurückkehren zu können. Was sie im Koffer aufhob, war uns nicht klar, weder wussten wir, ob er leer war, noch, womit er möglicherweise gefüllt sein konnte. Die Blitze zuckten und die kleine Oma stieß ein Wimmern aus oder ein "Ogottegott", wenn der Donner zu arg krachte. Erst wenn die Blitz nicht mehr zu sehen waren und der Donner nur noch schwach grollte, entschied sie sich, den Platz an der Haustür zu verlassen und ins Bett zurückzukehren. Wir als Enkel durften während der dramatischen Ereignisse weder aus dem Fenster sehen, noch etwas essen, weil das Sünde sei und den Finger Gottes, der den Blitz aussandte, in dieses Haus lenke. Dabei war es so schön, diese Lichtorgel am Horizont zu betrachten, auch wenn der Donner bedrohlich mahnte, unser frevelhaftes Tun einzustellen. Wir riskierten trotzdem Haus und Hof, um den verbotenen Blick zu riskieren, denn die kleine Oma hatte die verpönten Worte "Ogottegott" - ein deutlicher Verstoß gegen das zweite Gebot - ausgesprochen, und damit vielleicht nicht den Blitz, aber möglicherweise die übereifrige Feuerwehr angelockt, die nach dem eigenen Durst irgendetwas anderes Löschbares suchte.

Schöne Blume: Das Alpenveilchen

Alles im Überfluss genossen wird Gift. Selbst der Zuckerkuchen, wenn man ihn platenweisen vertilgt, kann dem Organismus schaden, daher sollte man ihn nur zu den ihm zugewiesenen Anlässen genießen, um nicht durch Zuckekuchenabusus einen solchen Anlass zu provozieren: Die Beerdigung.
Schöne Blumen stehen in der Vase oder im Garten an einem besonderen Platz. Das Alpenveilchen im Plastiktopf, von Deko-Krepp verschönert, strahlt in seiner anmutigen Eleganz ins Wohnzimmer und lässt den Nussbaumschrank und die Marmotischchen in neuem Licht erscheinen, so als seien sind Objekte des guten Geschmacks. Der Mensch macht aus der natürlichen Anmut ein Geschäft und verdirbt mit seinem Hang zum Massenhaften alle Schönheit. Ein einzelnes Schwein ist schön, in einem Mastbetrieb, wo es mit Tausenden an Artgenossen eingepfercht ist, wirkt es hässlich. Aber dieser Hang zum Quälen, zum Unterwerfen und zum Einpferchen ist dem Menschen der Neuzeit nicht auszutreiben. Massenblumenhaltung - da schreit die florale Seele und der grüne Daumen hängt gebrochen an einigen Sehnenfetzen und Hautfasern schlaff herunter. Dem Blumenfreund schreit die geschundene Kreatur ins Ohr: Das ist nicht schön! Das ist nicht schön!
So muss er Abschied nehmen vom einstmals schönen und stolzen Alpenveilchen, das nun in engen Käfigen zum peinlichen Bodendecker verkümmert.

Probleme: Lange Menschen

Der lange Mensch wird gern bewundert und weiß nicht recht, ob er sich darüber freuen soll. Das Leben, das ihm vom Schicksal und den Genen in die Wiege gelegt wurde, ist nicht einfach. Es fängt damit an, dass im Schuhgeschäft die Regale bei Schuhgröße 45 plötzlich verschwinden oder nur noch mit Ladenhütern à la Elbkahn oder Kindersarg in Kunstlederausführung bestückt sind. Dabei trägt der lange Mensch gern auch große Schuhe, oder solche, die seinen Füßen entsprechen. He, Langer, komm du mal her, hat es in der Schule schon geheißen, der Lange war immer schnell erkennbar, denn sein Kopf ragte aus der Menge. An irgendetwas musste der Pädagoge der frühen Sechziger sich ja orientieren, denn die Nachkriegszeit hatte das nicht ermöglicht, sondern eine durch den Zweiten Weltkrieg ins Wanken geratene Kreatur allein gelassen. So konnte sich der Schulmeister nur der überdurchschnittlichen Minderheit widmen und sich an ihr abreagieren. Der Kleine war derweil unter der Schulbank oder unter dem Mattenwagen in der Turnhalle verschwunden. Der lange Mensch trägt meistens zu kurze Hosen und einen zu kleinen Hut, dabei wirkt sein Kopf im Verhältnis zum Körper eher winzig, weshalb man dem Langen eine mindere Intelligenz zuschreibt. Das hat natürlich Auswirkungen auf seine Psyche, so dass der Aufgeschossene aufgegeben hat, sich immerzu zu profilieren. Er hat sein Gemüt, sein Hirn und sein ganzes Tun seinem Gesichtsausdruck angepasst, und der ist aufgrund gesellschaftlicher Ächtung eine Mischung aus verächtlich, wohl aus Selbstschutz, und dümmlich, wohl um nicht weiter auf sich aufmerksam zu machen. Selbst im Fußballstadion knallt gerade dem Langen ein Ball an den Kopf, während der Kleine eine neue Flasche köpft und sich das schäumende Gebräu in den Schlund gießt. Die Welt ist nicht gerecht, denkt der Lange, und sieht auch noch seine Mannschaft verlieren, die eigentlich aus kleinen drahtigen Burschen besteht und hätte gewinnen müssen. Na ja, letztlich hat der Soldatenkönig in Preußen schon die langen Kerls ausgehoben und zur Dekoration in seiner Nähe stehen lassen. Später wurden sie von einer bekannten Würstchenfirma zu Bockwurst in zarter Eigenhaut verarbeitet und landeten in der Dose. Ein unschöner, aber doch konsequenter Weg.

Neue Frisuren im Herbst

Um den kalten Tagen zu begegnen, trägt man in dieser Saison das längere Haar der Dame offen im Gesicht, das kann einmal kleinere Hautunreinheiten kaschieren, erspart teures Make up und wärmt dazu noch, wenn die Temperaturen unter Null sinken. Udo Walze, Cheffriseur im eigenen Laden in München oder Berlin, gilt als Erfinder des neuen Trends. Was aus dem bloßen Hinterkopf werden soll ist noch ein Rätsel, gerade wenn der Wind von hinten bläst, ergibt sich doch eine unangenehme Kühle, die leicht Erkältungen provoziert oder in der Wochenendmigräne endet.
Walze empfiehlt hier trendige Blumengestecke oder den guten alten Topflappen aus Omas Küche, der mit etwas Gelstift aufgepeppt, Wunder wirken kann.

Lieber den Fisch in der Hand....

....als die Taube auf dem Dach, sagt schon ein altes Sprichwort, über das sich die Menschen noch heute den Kopf zerbrechen, weil sie nicht verstehen, was der Volksmund uns sagen will. Dabei sind wir es ja, die Menschen, das Volk, die Gesellschaft, die diesen Mund hat, der solch ein Sprichwort von sich gibt. Manchmal versteht sich das Volk eben selbst nicht, und dann kommt es meistens zu einer Revolution oder ein Diktator wird gewählt, weil es nämlich völlig unerheblich ist, was der Demagoge, sei er nun Revolutionär oder Diktator, so daher redet. Völliger Quatsch, was der redet, klingt es dann aus dem Volksmund, aber den wähle ich, wird dann großsprecherisch ergänzt. Hinterher sind alle klüger, nur in dem Moment, wenn es nötig wäre, eben nicht. Wie sonst kann es kommen, dass so viele Politiker in Führungspositionen gewählt werden, die nicht ein Quäntchen Sachverstand mitbringen, sondern nur die Kompetenz besitzen, daherzureden, wie ihnen das Maul gewachsen ist. Das Volk erkennt sich selbst in dem Geschwätz, das es nicht versteht und erinnert sich: Besser den Fisch in der Hand als die Taube auf dem Dach. Versteh ich nicht, aber egal. Manche sollen sogar Demagogen nicht von Dermatologen unterscheiden können. Wahrscheinlich mal wieder Zeit für eine Revolution.

Grundbedürfnis der Männer: Händchenhalten


Händchenhalten unter Männern galt jahrhundertelang als verpönt und wurde zwischenzeitlich geächtet. Männern, die sich öffentlich des Händchenhaltens hingaben, wurde ein strafbares Gefühlsleben attestiert und man drängt sie in die Schmuddelecke, wo sie sich mit Kartenspielern und Alkoholikern die Zeit vertreiben sollten, ohne dem braven Bürger ins Auge zu fallen.
Dabei ist Händchenhalten eine Geste der Zuwendung, des Trostes, der Hilfe, ja der selbstlosen Liebe, die den anderen und dessen Bedürfnisse endlich einmal ernst nimmt. Selbst der Wissenschaftler Lichtenberg soll sich früher dieser damals unzeitgemäßen Freizeitbeschäftigung hin, die soviel Gutes schaffen konnte. Die Sache mit den Bedürfnissen hatte dieser sagenumwobene Lichtenberg (der passend dazu seine Sudelbücher schrieb, um das gemeine Volk und dessen Vorurteile zu bedienen) erfunden, und fragt man heute einen Mann nach seinen Bedürfnissen, so sagt er erst mal gar nichts, weil er nicht gewohnt ist, gefragt zu werden und über eine Frage nachzudenken; dann kommt zögernd "Ein Bier vielleicht?" und schließlich bricht es aus ihm heraus, verhalten, aber doch mit großer Kraft: Händchenhalten. Der Fragesteller versucht meistens, ein Lachen zu unterdrücken und lässt den Befragten hilflos zurück. Zeugnis einer unentwickelten Kultur, die das Grundbedürfnis der Männer nicht ernst nimmt, sondern weiter darauf beharrt, Händchenhalten sei Sache der Frauen. Dabei ist deren Thema das Däumchendrehen oder das Bügeln von Unterhosen, was eine absolut überflüssige Tätigkeit ist und reine Energieverschwendung darstellt. Bis sich das Händchenhalten für Männer als Grundbedürfnis durchgesetzt hat, wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen.

Diskriminierung: Schwarz, weiß oder farbig

Jim-Bob: Sag mal, fühlst du dich diskriminiert?
Habib: Nö, nicht dass ich wüsste. Wieso?
Jim-Bob: Weil du schwarz bist.
Knut: Genau. Da wird gern mal diskriminiert.
Habib: Ich schwarz?
Knut und Jim-Bob: Du. Schwarz.
Habib: Jetzt sagt nicht "Du schwarz."
Knut: Ich Tarzan, du Jane, so etwa?
Habib: Genau.
Jim-Bob: Also, Frage noch mal....Ja oder nein?
Habib: Ja nein eben. Ich bin nicht schwarz. Kohlen sind schwarz, ein Brikett, der schwarze Mann und Schuhcreme.
Knut: Was bist du denn?
Habib: Farbig.
Jim-Bob: Fühlst du dich denn diskriminiert, weil du farbig bist?
Habib: Quatsch. Das wär ja, als wenn man Farbfotos diskriminieren würde.
Knut: Ist doch sowieso alles digital. Farbfotos hat doch keiner mehr.
Jim-Bob: Kannst du so auch nicht sagen.
Habib: Schwarzweißfotos gab's auch mal. Reine Schwarzfotos oder reine Weißfotos, das war der Brüller, da konntest du ja gar nichts erkennen. Die weißen waren völlig überbelichtet.
Knut: (lacht gezwungen) Und die schwarzen völlig unterbelichtet, haha. Sehr lustig.
Habib: Aber ich dachte, du bist farbig.
Knut: Nee, du.
Jim-Bob: Vielleicht sollten wir mal nachschlagen, was diskriminieren überhaupt genau bedeutet.
Habib und Knut: Gute Idee.
Jim-Bob: Kommt, wir holen unsere Digitalkameras und spielen "Mit-eingeschaltetem-Selbstauslöser-auf-Löwen-werfen".
Habib: Klasse!
Knut: Super Idee!Sag mal, Habib, warum hast du eigentlich keine Hose an?
Habib: Keine Ahnung.

Fußball im Mittelalter

Fussball ist nichts für Weicheier, wussten die alten Ritter im Mittelalter schon zu vermelden. Übergeblieben ist von der damals mit unterschiedlicher Begeisterung betriebenen Sportart die Aggressivität und die betrunkenen Fans, die sich in den frühen Tagen des Sports auf dem allgemeinen Turnierrasen wälzten und heute in Regionalzügen randalieren oder auch schon mal in die Gelenkstellen dieser Transportmittel pissen, weil gerade das Klo besetzt ist.
Bereits damals galt es, besondere Körperteile zu schützen. Entgegen landläufigen Meinungen war der mittelalterliche Mann viel schmerzempfindlicher als der heutige, der sich zwecks Einkommenssteigerung auf dem Rasen hin- und herbewegt, um den Eindruck zu erwecken, er sei auf dem Weg zum gegnerischen Tor mit der Frage auf der Stirn: Wo ist nur der Ball geblieben? Wenn ich schon ein Tor schießen soll, dann muss es auch einen Ball geben. Der heutige Fußballer läuft ungeschützt daher, vielleicht hat er Schienbeinschoner, aber ansonsten liegt alles bloß, ein gezielter Tritt kann fürchterliches Unheil anrichten. Der mittelalterliche Mann sorgte vor, Eisenplatten schützten den ganzen Bereich vom Scheitel bis zur Sohle, der Unterleib wurde durch eine 8mm starke Panzerplatte, die man mit den Händen halten musste, zusätzlich geschützt. Das war eine gute Sache, die Gesundheit blieb erhalten. Trotzdem wollte nicht so recht Freude aufgekommen, denn das Outfit war so schwer, dass die Spieler höchstens einmal in der Garnitur über den Platz kamen und dann, weil sie erschöpft waren, durch einen frischen Spieler ausgetauscht werden mussten. Man kam auf die Idee, die Männer auf Pferde zu setzen, nur kamen diese jetzt nicht mehr an den Ball. Also nahm man ihnen den Ball ganz weg und gab ihnen lange Stäbe, mit denen sie sich gegenseitig vom Pferd stoßen sollten. Das hatte mit Fußball nur noch wenig zu tun, und so gingen auch zahlreiche Fußballvereine ein. Erst viel später, als die Kanonenkugel erfunden wurde, erinnerte man sich des einstmals beliebten Ballsports und dachte sich: Och, wenn mal kein Krieg ist, dann spielen wir einfach Fußball und alle sind zufrieden. Und so kam es dann auch. Sogar heute denkt man das, und freut sich, wenn eine Fernsehübertragung von Inter Mailand gegen Schalke 04 nicht von einer lästigen Kriegsmeldung aus sonstwoher unterbrochen wird. So hat Fußball seinen ganz eigenen Frieden.

Mauerblümchen

Früher sagte man Mauerblümchen, heute ist das eher ein Mobbingopfer. Die Zeiten ändern sich, aus der floralen Verniedlichung des Einsamseins, des Ausgegrenztwerdens, wird das harte Wort Mobbingopfer. Damit würgt man dem Mauerblümchen noch eins rein, was den Mobber freut, den hilflosen Amrandesteher, der zur schweigenden Mehrheit gehört, treibt es die Tränen in die Augen, denn er kann da nicht helfen, weil er ja auch gar nicht will. Und das stört ihn am meisten. Er will gar nicht helfen, er wollte auch früher nicht mit dem Mauerblümchen sprechen, er hat es ignoriert, hat hinter seinem Rücken gelästert, hat Witze gemacht, hässliche Briefe geschrieben, sein Radiergummi versteckt und üble Gerüchte in die Welt gesetzt. Ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, denn das Mauerblümchen konnte wenigstens blühen, wenn auch in Grau. Aber heute, wo alle schönen Begriffe kaputt gemacht werden durch technokratisches Geseire, wo Blümchen zu Opfern werden, die schweigende Mehrheit plötzlich kriminell ist, obwohl sie nur am Tatgeschehen steht und nichts sagt, endlich einmal nichts sagt in Zeiten des medialen Geplappers, da kann man nur folgern, dass die wahren Opfer diese "Nichtsprecher in Überzahl" sind, diese Nichthandelnden, denn sie müssen verkraften, dass sie nicht helfen wollen, damit müssen sie leben, und damit lässt man sie allein, tagein und tagaus. Vielleicht kann dieses Wissen auch dem Mauerblümchen helfen. Nur - wer hilft der schwiegenden Mehrheit?

Was ist eigentlich weise?

Ist es weise, sich wie ein Block Cadbury-Schokolade zu verkleiden und in die kanadischen Wälder zu gehen, um darauf zu hoffen, dass ein Bär den Menschen unter der Verpackung erkennt und vor allem respektiert? Wir sagen: Nein! Es ist dumm. Ist es weise, in derselben Verkleidung in eine norddeutsche Kleinstadt zu wandern und sich vor das Rathaus oder den Invalidendom zu stellen? Wir sagen: Nein! Das ist dümmer als die Polizei erlaubt, und das ist schon dumm genug. Es ist völlig blöd, eine Montur zu tragen, an der verschiedenste Rottöne herrschen, denn die beißen sich. Das macht aggressiv. Ein angetrunkener Bananenverkäufer kann genauso gefährlich werden wie ein nüchterner Braun- oder gar Grizzlybär. Schlau wäre, sich auf den Boden zu werfen, um den Widerstand gegen die Staatsgewalt und den gesunden Menschenverstand aufzugeben. Weise ist das keinesfalls. Auch mit Dialektik ist da schwer dranzukommen. Reg dich nicht auf, spricht der weise Mann, und meint, dass man sich nicht aufregen soll, denn das sei sinnlos, es bringe sowieso nichts. Vielleicht spricht hier aber nur ein enttäuschter Mensch, dem nicht mal die Hoffnung geblieben ist, durch einen plötzlich inszenierten Brüllanfall die Umherstehenden zum Schweigen zu bringen. Die Umherstehenden bleiben nicht einmal stehen, sondern gehen gelangweilt weiter. Wer sich dann nicht aufregt, soll weise werden. Er ist es aber noch lange nicht. Beim Weggehen über einen zu Boden liegenden Mann in roter Montur, der aussieht wie ein Packung Cadbury-Schokolade, zu fallen und sich dann nicht aufzuregen, obwohl die neue Breitling einen Kratzer abbekommen hat, das zeugt von wahrer Größe und deutet an, was wir alle unter Weisheit verstehen wollen: Maul halten. Weitergehen!Nicht in die Schokolade treten! Ruhig bleiben, ganz ruhig, es ist nicht mehr weit bis nach Hause.... (Nachtrag: Cadbury-Schokolade sieht schon lange nicht mehr aus wie ein verwirrter Rettungshelfer, der auf seinem Weg in die Südeifel seine Orientierung verloren hat. Mittlerweile sieht sie eher aus wie ein Feuerwehrmann oder auch wie ein französischer Straßenfacharbeiter.)




Menschen von hinten

Erfüllt es uns nicht immer wieder mit Trauer, wenn wir Menschen von hinten sehen? Menschen von hinten im Schatten, obwohl die Sonne scheint, das ist noch eins drauf. Noch mehr Trauer, tiefe Depression, Tränen wollen sich über unsere Wange schieben, verstohlen tupfen wir mit dem Taschentuch an den Tränensäcken herum, um dem Entgegenkommenden nicht zu zeigen, wie Menschen von hinten auf uns wirken. Diese Menschen sind Sinnbild des Abschiednehmens, des Weggehens, des Alleinelassens, des Abgewendetseins. Ein schöner Rücken kann auch entzücken, sagten zum Trost unsere Vorfahren, aber geholfen hat dieser hohle Spruch nicht. Wir werden zurückgeführt in unsere Kindheit, als Uwe Ziegler uns einen Schneeball, oder war es sogar ein Kiesel?, vor den Kopf geworfen hat, um sich dann abzuwenden, schnell wegzugehen und uns mit unserem Schmerz grußlos alleine zu lassen. Menschen von hinten zeigen uns aber auch, dass wir selbst in diese Richtung gehen, dass die Nachkommenden uns ebenfalls von hinten sehen, dass die ganze Welt im Grunde hintereinander herläuft wie in einem ewigen Kreislauf. Das kann uns Trost sein, das kann helfen, an diesem Konflikt nicht zu zerbrechen. In diesem Sinne einen schönen, besinnlichen Sonntag.

Folgen falscher Dialektik

Man stelle sich vor, eine halb geleerte Flasche steht am Fenster in einem Abteil eines Interregionalexpresses. Draußen fliegt die Landschaft scheinbar vorbei, was allerdings eine Täuschung ist, denn in Wirklichkeit bewegt sich der Zug. So relativ kann die Welt sein. Nun kommt der Dialektiker und glaubt, er könne aus diesen zwei Komponenten, die er These und Antithese nennt, etwas Neues machen, die Synthese. Jetzt weiß er aber nicht so recht ober er These und Antithese multiplizieren soll, oder dividieren oder gar potenzieren. Da er als Geisteswissenaschaftler kein Mathegenie ist, versteht sich von selbst, und so entscheidet er sich für das Additionsverfahren, das schon Marx als spätkapitalistisch und damit überflüssig bezeichnete. Aus dem Zug als These und der Flasche als Antithese ergibt sich für den zahlenunbegabten Dialektiver der FLASCHENZUG, was natürlich völlig falsch ist, denn es ist nur eine Flasche zu sehen. Flaschezug spricht sich aber nicht gut, so dass er pragmatisch wie er obendrein sein will, Wissenschaft fälscht, nur um der Sprachgefälligkeit willen. Der Leser aber denkt sich sofort: Hier war mal wieder eine Flasche am Zug. (Übrigens: Durch das Subtraktionsverfahren -Beispiel Auto minus Haut gleich Ho!- ergibt sich überhaupt nichts, denn im Wort Zug kommt kein einziger Buchstabe des Wortes Flasche vor. Pulle wäre halbwegs geschickter.Dann entsteht wenigstens Pllzeg, was vielleicht ein Wort aus dem Balkan sein könnte. Dialektik ist im Alltag vollkommen unbrauchbar.)

Telefongesellschaften greifen nach den Großhirnen

Man glaubt sich beim Zeitunglesen in einem relativ geschützten Medium, keiner kann einen abhören, man hinterlässt keine Spuren im Internet und man schließt nicht zufällig durch das Drücken eines falschen Knopfes einen Knebelvertrag ab, der einen finanziell in die Knie zwingt. Man glaubt mit einem überregionalen Tageblatt die richtige Wahl getroffen zu haben, weil man sich sein Leben lang geschämt hat, die Bildzeitung zu kaufen, obwohl da interessante Fotos zu sehen sind. Niveau ist Pflicht, knallt es durchs Hirn und daran will sich der Bildungsbürger halten.
Und dann dieses verdächtige Klingeln im Ohr, dieses Fiepen im Hirn, dieses diffuse Gefühl der Verblödung. Was ist los? Die Zeitung ist angefüllt mit Bildern von Telefonhörern, die heute kein Mensch mehr benutzt. Was soll das? Unterschwellige Werbung, schallt es aus dem Off. Du glaubst dich auf einer Seite, die dir bei der beruflichen Entwicklung helfen soll, und dann liest du plötzlich zwischen den Zeilen und entdeckst einen Telefonhörer, so einen Einpfünder aus Bakalith, wie ihn früher die Menschen benutzten, als es ihnen zu anstrengend wurde, laut zu schreien. Dann noch einen und noch einen. Überall zwischen den Zeilen Telefonhörer. Du merkst, dass dein Bedürfnis nach diesen Dingern steigt, du willst einen, einen echten, einen schweren, einen schwarzen, einen aus Bakalith. Die gibt es aber nicht. Egal, du rennst los, rennst in den nächsten Telefonladen, du musst dein Bedürfnis befriedigen, egal wie, und wenn es kein schwerer Hörer ist, dann eben ein leichter, und wenn eine Telefonanlage dranhängt auch egal, her damit, gekauft, fertig,aaaaah...Ruhe im Schädel; der Herzschlag normalisiert sich.
Was du nicht weißt: Jetzt bist du in den Klauen der Telefongesellschaften. Jetzt haben sie dich an der Angel, oder an der Strippen, wie man früher sagte in der Welt vor dem Schnurlostelefon.
Du gehörst zu den bemitleidenswerten Menschen, die zwischen den Zeilen lesen.
Da sind die Menschen, die zwischen den Bildern nicht lesen, zu beneiden, die haben nie was gemerkt und werden das auch weiterhin nicht tun.

Gefährliche Müllentsorgung

Da gibt es Menschen, die sind er irrigen Meinung, sie könnten Restmüll kompostieren und damit die teuren Müllentsorgungsgebühren sparen. Der Gedanke ist vielleicht nicht dumm, denn das Verfahren soll simpel sein. Einfach ein nicht mehr gebrauchtes, aber funktionstüchtiges Waffeleisen in den Müllsack stecken und Strom durch das Gerät laufen lassen. Das, was im Sack steckt, erwärmt sich und entwickelt ungeahnte chemische Reaktionen. Je nach Zusammensetzung kann es zu Ex- oder Implosion kommen, Giftdämpfe entstehen oder eine neue Art von Sondermüll, der nur in speziell dafür vorgesehenen Behältern transportiert werden darf. Gibt man dem Gemenge eine tote Katze bei, dann wird auch der noch ruhig gebliebene Nichtriecher unruhig, vor allem wenn sich verschiedenstes Getier im Vorgarten versammelt, um eine Art Kakerlaken-Burger zu sich zu nehmen. Der Geschmacksinn der Tiere ist nicht immer vergleichbar mit dem der Menschen, auch wenn man den Homiden der Neuzeit häufig in Schnellimbiss oder in Burgerläden antrifft. Tiere riechen besser und ihnen schmeckt etwas anderes. Menschen haben oft einen gestörten Geruchsinn, der auch das Schmecken einschränkt; denn wenn der Hungrige nicht nur riechen, sondern auch schmecken würde, was er auf dem Teller hat, sähe sein Speiseplan anders aus.
Insgesamt heißt die Botschaft: Hände weg von unqualifizierten Versuchen beim Restmüllkompostieren! Das Waffeleisen ist zum Waffelbacken da! Man kann es höchsten mal als Gesäßwärmer auf der Zuschauertribüne bei einem Bundesliga-Spiel benutzen. Aber: Kleinste Stufe einstellen!

Frage an die Leser: Was ist ein Lok-Schuppen?

Mal ehrlich: Schrieb man das nicht früher mit ck? Und wer war denn da schon mal drin? Was ist dann der Ringlockschuppen in Bielefeld? Eine Eheanstiftungssinstitut für Freunde der Pop- und Rockmusik? Man munkelt, es handele sich bei einem Lockschuppen um eine Dienstleistungeinrichtung, die gegen Bargeld halb- bis einstündige eheähnliche Zustände anbahnt...
Wer weiß mehr?

Vom Lande: Der sieht gesund aus

Wenn man auch auf dem Lande mittlerweile Bluthochdruck und die damit zusammenhängende Rotgesichtigkeit, besonders bei Männern, als Krankheit akzeptiert hat, so hält sich nach wie vor die alte Einschätzung: Der sieht aber gesund aus. Der hat aber eine gesunde Gesichtsfarbe. Wenn heute der bleichgesichtige Magerkerl, der sagt, er sei Vegetarier und seine Rostbratwurst oder das gegrillte Schweinenackensteak nur heimlich konsumiert, als Vorbild von den meisten Ärzten propagiert wird, dann entspricht das immer noch nicht der landläufigen Vorstellung von Gesundheit. Der ist nicht dick sondern stattlich, heißt es hier und dort. Zur Großleibigkeit gehört auch ein großer Kopf und der ist rot. Das Rot erinnert an die roten Bäckchen der Kinderzeit und die Leibesfülle ist als Ideal den mageren Jahren nach dem Kriege entlehnt. Die Annahme, ein rotes Gesicht sei ein Zeichen für Gesundheit, unterstreicht der eine oder andere mit dem täglichen Konsum einiger Schnäpschen, die dieses rote Gesicht, auch langzeitig, fördern und erhalten. Die dem Großkopf angetraute Dame ist häufig wohlgenährt und trägt zur Stabilisierung des Leibes und dessen Glieder Mieder und Gummistrümpfe. Im Trend der Fitnesswelle liegt die fortschrittlichere Damenwelt mit einer Turngruppe, in der manchmal noch schwarze Stoffturnschuhe mit gelben Sohlen getragen werden und schwarze köpernahe Turnanzüge aus dem in den 60er Jahren erfundenen Plastikmaterial Helanca. Übungsleiterscheine gibt es nicht. Geturnt wird, was in der Volksschule gelehrt wurde. Diese Übungen werden den körperlichen Bedingungen angepasst. Die Übungsleiterin muss nicht besonders schlanke Qualitäten haben, sondern gute organisatorische. Die Veranstaltung ist lustig, und häufig gibt es etwas zu essen oder zu trinken für zwischendurch und hinterher, meist, weil irgendwer Geburtstag hatte. Turnen ist ein schöner Grund, aus dem Haus zu gehen, um Kuchen zu essen und einzwei Saure Paul oder Persico zu trinken. Regional ist die Bezeichnung der Getränke unterschiedlich, die Mischung ist gleich: Basisstoff ist Korn, dem wird etwas Süßliches oder Süßlich-Saures beigemengt.

Krankheiten haben etwas Naturgesetzliches, so als seien sie von oben erlassen, gottgegeben; sie werden als normaler Bestandteil des Alltags akzeptiert, an denen nichts zu ändern ist. Die seit Jahrzehnten bewährten Lebensumstände werden nicht in Frage gestellt, denn sie haben sich ja bewährt. Die körperliche Indisponiertheit ist Schicksal. Unveränderbar. Hinnehmbar. Annehmbar. Damit lebt man. Und das nicht schlecht. Im Notfall wird mit Wacholder, für die Männer, und Persico oder Ersatzstoffen, für die Frauen, beruhigt.
Bodo hatte als Kind gedacht, dass Löcher in den Zähnen zu einem normalen Gebiss gehörten. Blendend weiße Zähne, wie sie hinterher die Werbung propagieren wollte, waren ihm fremd. Mutti, Mutti, er hat gar nicht gebohrt! Dieser Werbeslogan gehörte noch der Zukunft an. Dr. Martin hatte aus Sachsen rübergemacht und forderte Bodo zum Mundöffnen auf: Weit ääufmochen! Bodo wusste, dass jetzt der Bohrer angesetzt wurde, um ein Loch zu schaffen, in das Amalgam geschmiert wurde. Sehr gesund. Zahnärzte hatten Freude an Schmerzen anderer. Damit verdienten sie sogar gutes Geld. Bodos Verhältnis sowohl zu Zahnärzten als auch zu Geld sollte dadurch lebenslang gespannt bleiben.

Um gesund auszusehen, was wichtiger ist, als es auch wirklich zu sein, reicht es seit einigen Jahren nicht mehr, einen roten Kopf zu haben. Das Bild hat sich gewandelt.
Braun ist die Farbe der Wahl. Braun ist das Synonym für Erholtsein, Gutdraufsein, Fitness und Gesundheit. Dazu ein makelloses Gebiss! Endlich hat sich durchgesetzt, dass gesunde Zähne keine Löcher haben!
Die Sonne auf dem Lande schient bescheiden in diesen Breiten.
Um die gesunde Bräunung zu erreichen, gibt es Einrichtungen, in denen gegen Münzgeld gespeicherte Sonnenstrahlen gezielt auf den ganzen Körper geschossen werden, um schließlich beim Betrachter die Zauberworte auszulösen: Die sieht aber gut aus! Der sieht aber gesund aus!
Manche Sonnenbankbenutzer verkennen, dass der Zusammenhang von Bräune und scheinbarere Gesundheit sich nicht endlos steigern lässt. Ab einer gewissen Wirkintensität, die sich aus Strahlungsstärke, Zeit des Beschusses und Zahl der Wiederholungen sowie Länge der Pausen zwischen den Anwendungen ergibt, wird aus einer guten Bräune eher eine Brutzeligkeit, die an das Aussehen von halben Hähnchen erinnert, die zu lange im Grillautomaten verweilt haben. Die Haut des zerteilten Geflügels zeigt dann jene Knittrigkeit, die dem Esser erleichtert, an das weiße Fleisch zu kommen. Angesichts überbratener Sonnenbankbenutzer fürchtet der Betrachter, dass sich Letztere beim Kratzen der juckenden Wange gleich die ganze Kopf- und Gesichtshaut vom Schädel reißen. Trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass der Grad der Bräune im umgekehrten Verhältnis zu Schlaffheit, Krankheit und Stress stehe.
Auf dem Land ist die Zeit nicht stehen geblieben.
Die meisten haben erkannt: Gummistrümpfe und fleischfarbene Mieder sind unsexy und ein roter Kopf muss nicht gesund sein.
Braune Haut dokumentiert, dass der Träger vielleicht gern in Urlaub fahren möchte, aber nicht kann. Oder er möchte dem Fitnesspapst Dr.Strunz ähneln, dessen Lachen in seinem bronzierten Gesicht an ein aufgebrochenes Fischstäbchen erinnert. Grillgesichter lassen ahnen, dass der rote Kopf einfach zeitgemäß überbräunt werden sollte. Dabei ist manchmal auch dessen Inhalt verschmort.
Was gesund ist, muss nicht unbedingt gesund aussehen. Oder umgekehrt.

Konditionierung - Völlig normal...


Dem Pawlowschen Hund floss der Speichel aus dem Maul, wenn er eine Klingel mit einem Fleischbrocken zusammen wahrnahm, später reichte die Klingel, um den Kläffer sabbern zu lassen. Wir als treue Zeitungsleser wundern uns, wenn wir bei Fotos von Josef Ackermann plötzlich Zähneknirschen, Ohrensausen und das verstärkte Gefühl wahrnehmen, die Faust zu ballen und auf das Druckerzeugnis zu knallen, dass die Tassen Schuhplattler tanzen. Hier liegt schlicht eine Konditionierung vor. Wir reagieren gar nicht wirklich auf das Foto solcher Finanz-Arroganz, sondern auf seine über Jahre gezeigten Unverschämtheiten im Umgang mit Millionen und Milliarden. Also, Ruhe bewahren, alles halb so schlimm, der Mann ist es nicht, sondern das, was hinter ihm steht; da kann einem schon mal der Schaum aus dem Maul fließen, allerdings vor Wut und nicht in Erwartung irgendwelcher magenfreundlicher und hungerstillender Speisen. Scheiß-Psychosomatik oder wo das her kommt....

Leidenschaft: Sammeltassen


Endlich ist mir das Wort Leiden-schaft deutlich geworden.
Außenbezirkskorrespondent Peter Henne

Hörfehler: Herr Ober, ein Wasser und....


Genau hingehört, wenn man im Restaurant-Gewerbe Karriere machen will!
Herr Ober, ein Wasser und ein Pils, bestellt der durstige Kunde, und da der nicht besonders wohlgenährt aussieht, bringt ihm der Ober ein stilles Wasser in der Plastikflasche, in der zwar mehr drin ist als in einem Glas, die aber nicht schön aussieht, und eine von Schnecken angeknabberte Marone, die sich hurtig blau färbt, wenn man seinen Daumen in die Lamellen drückt.
Herr Ober, ein Wasser und einen Pilz, hätte der Kunde sagen müssen, aber dem Ober sind Rechtschreibung, die man in der Regel natürlich nicht hört, und Grammatik fremd. Da muss nachgebessert werden. Und überhaupt: Wer will denn angefressene Pilze roh essen? Sprachliche Unzulänglichkeiten in Verbindung mit Hörfehlern, den Schuh muss sich Schuhministerin Sommer anziehen.

Dem Hausmeister ein Denkmal

Es sind besondere Menschen: Busfahrer, Hausmeister und Menschen, die gern uniformartige Kleidung tragen, obwohl kein Grund dazu besteht. Es sind empfindsame Menschen, die ständig auf der Hut sind. Ihnen ist tief ins Innerste eine Angst eingegeben worden, sie seien nicht soviel wert wie ihre Mitmenschen. So sind sie ständig bemüht, zu zeigen, dass sie mehr wert sind, als man ihnen, wie sie glauben, zugesteht. Ihnen ist es zu profan es durch Leistung zu tun, zu plumb, das durch Mehrarbeit, durch eine höfliche Zuvorkommenheit, durch ein selbstloses Dienen zu demonstrieren. Oft sind sie verletzt, vielleiht gekränkt, manchmal beleidigt, dass sie ihren Beruf ausüben müssen, ohne dass das anerkannt wird, dass ihnen die Ehre zuteil wird, die einem Schutzmann selbstverständlich erscheint, wenn ein altes Mütterlein sich bei ihm bedankt, weil er es sicher über den Zebrastreifen geleitet hat. Die Mitmenschen sind häufig lediglich froh, die oben genannte Gruppe nicht zu treffen, weil sie Angst vor Schuldgefühlen haben, weil sie nicht immer sagen wollen: Ich kann nichts dafür, dass du Busfahrer, Hausmeister oder Security-Frau bist. Ich habe das nicht für dich ausgesucht. Das hast du doch selbst getan, oder? Dieses Zurückweisen der Schuld ahnt der empfindsame Mensch, es bringt eine tiefe Saite ihn ihm zum Schwingen, die unheimlich klingt und die nur durch ein lautes: Hömma, Scheff, hast du gestern das Licht auf dem Herrenklo angelassen? Hömma, das ist Energieverschwendung. Nicht ständig vom Abholzen vom Regenwald reden und dann das Licht anlassen. Wo kommwa dann hierhin? Dem Angesprochenen fehlen die Worte; auch wenn er erklären könnte, dass er gestern gar nicht im Hause gewesen ist, weiß er: Wer sich verteidigt, klagt sich an. Die Stadt Göttingen hat jetzt den empfindsamen Menschen im Dienstleistungsgewerbe ein Denkmal gesetzt, um ihnen zu zeigen: Ihr seid etwas wert, ihr macht gute Arbeit, weiter so, wir erkennen das an. Aber lasst uns in Ruhe...

Morgengrauen oder Morgenrot?

Der erste Blick trügt: Rotblauer Himmel,dramatische Wolken, die Windräder stehen still und schweigen.
Was wird der Tag bringen?, stellt sich die Frage wie von selbst. Morgenrot - Schlechtwetterbot', hieß es früher. Verstanden haben die meisten "Morgenrot- Schlechtwetterbrot" und fragten sich den Tag lang, wie denn eine Scheibe Schlechtwetterbrot schmecke. Jeder kannte Schlechtwettergeld, wenn der Mauerer aufgrund starker Regengüsse die Abeit einstellte und sich seinen Unterhalt zwischendurch als Hausschlächter verdiente. Viel zu spät wurden den meisten klar, dass es nicht Schlechtwetterbrot sondern Schlechtwetterbot hieß, aber da war das Leben schon mit einer sinnlosen Frage und der sinnlosen Suche nach einer Antwort vergeudet. Dass einem dann graut, wenn das Morgenrot am Horizont auftaucht, wird schnell klar. Und deswegen spricht man heute lieber von Morgengrauen, denn es ist noch viel zu früh und wahrscheinlich wird es wieder ein grausiger Tag, nachdem man eben mit dem falschen Fuß aufgestanden ist, kein Kaffee mehr da war und der Toaster seinen letzten Röstvorgang gestartet aber erfolglos beendet hat.

Frucht sucht Geselligkeit: Die Banane

Kirschen liegen gern allein herum, genau wie Äpfel, die ständig darüber nachdenken, ob sie vielleicht Druckstellen bekommen, wenn sie zu nahe an einem Kollegen oder einer Melone liegen. Nicht so die Banane, die beliebte Südfrucht, die auch in Ostdeutschland ihren grandiosen Siegeszug nach dem Fall der Mauer angetreten hat. In den versorgungsharten Jahren vor der Wende griff man dort ersatzweise zu Salatgurke, behaupten böse Westzungen, was wahrscheinlich eine der größten Lügen ist, seit Walter Ullbricht behauptet hat, im Westen sei es doof, wer dorthin gehe, sei selber schuld, bzw. auf den werde geschossen. Was die Banane aber mit der Salatgurke gemeinsam hat, ist der Drang nach Geselligkeit. Immer auf der Suche nach einem kleinen Schwätzchen, einem Pläuschchen oder einem Tratsch auf dem Wochenmarkt zieht es die gelbe Süßfrucht in die Nähe exotischer und einheimischer Obstsorten, um dort einen Blick über den eigenen Kistenrand tun und nach dem Rechten zu schauen. Bananen können Informationen speichern wie sonst nur SD-Karten und sind dem menschlichen Hirn weit überlegen, weil das Wissen nicht vergessen wird. Bananen besitzen allerdings auch nur ein Kurzzeitgedächtnis, das man vor dem Verzehr oder vor der Beisetzung in der Biotonne nutzen könnte, wenn man als Konsument wüsste, wie. Eines sei geraten: Nicht in das Kartenlesegerät schieben. Vielleicht bekommt man die Banane hinein, auf dem Bildschirm wird aber nichts angezeigt und der Brei lässt sich nur schwer aus den Kartenschächten entfernen. Einfach essen und hoffen, dass man schlauer wird...