Schöne Blume: Das Alpenveilchen

Alles im Überfluss genossen wird Gift. Selbst der Zuckerkuchen, wenn man ihn platenweisen vertilgt, kann dem Organismus schaden, daher sollte man ihn nur zu den ihm zugewiesenen Anlässen genießen, um nicht durch Zuckekuchenabusus einen solchen Anlass zu provozieren: Die Beerdigung.
Schöne Blumen stehen in der Vase oder im Garten an einem besonderen Platz. Das Alpenveilchen im Plastiktopf, von Deko-Krepp verschönert, strahlt in seiner anmutigen Eleganz ins Wohnzimmer und lässt den Nussbaumschrank und die Marmotischchen in neuem Licht erscheinen, so als seien sind Objekte des guten Geschmacks. Der Mensch macht aus der natürlichen Anmut ein Geschäft und verdirbt mit seinem Hang zum Massenhaften alle Schönheit. Ein einzelnes Schwein ist schön, in einem Mastbetrieb, wo es mit Tausenden an Artgenossen eingepfercht ist, wirkt es hässlich. Aber dieser Hang zum Quälen, zum Unterwerfen und zum Einpferchen ist dem Menschen der Neuzeit nicht auszutreiben. Massenblumenhaltung - da schreit die florale Seele und der grüne Daumen hängt gebrochen an einigen Sehnenfetzen und Hautfasern schlaff herunter. Dem Blumenfreund schreit die geschundene Kreatur ins Ohr: Das ist nicht schön! Das ist nicht schön!
So muss er Abschied nehmen vom einstmals schönen und stolzen Alpenveilchen, das nun in engen Käfigen zum peinlichen Bodendecker verkümmert.