Kochen nach Zahlen

















Georg Krakl: Mahl N. nach Zahlen (2010)

Was ich diese Woche
koche?
Wer weiß, ich werde Zahlen suchen, Dreien, Sechsen, ein paar Vieren
und vielleicht mal Kohlrouladen ausprobieren.

(Bild: Vincent van Eijnoor: Kochen nach Zahlen [2010])

Texte, die nicht zu Fotos passen: Ostereier


Der Hammer
Kurzdeutsch
Seit Erfindung des Zahnarztes und der dazugehörigen Zahnklammer hat sich die Sprechfähigkeit des Deutschen mehr und mehr zurückgebildet. Setzte früher der Intellekt Grenzen des Verstehens, so kommen heute auch noch die Ohren dazu. Bezeichnete das allseits flächendeckend bekannte Duschgel, mit harten g intoniert, ein Schmiermittel für den reinigenden Glitt der Hände über den feuchten Körper, so ist dieser Sinn heutzutage mehr und mehr entstellt. Hatte die Zahnklammer anfangs infolge verrotteter Speisereste hinter den diversen Drähten lediglich verstärkten Mundgeruch zur Folge, so beeinflußt sie zunehmend sowohl den Sprachgebrauch, d.h. manches wird unaussprechlich und damit vermieden, als auch die Sprache selbst: Duschgel taucht plötzlich in ganz anderen Zusammenhängen auf. „Duschgelieber nach Hause!“ verabschiedet sich neuerdings die zähnlich umklammerte Discothekenbesucherin von ihrem Betänzer und deutet einmal an, daß der Abend beendet ist, zum anderen, daß er oder die Situation ihr stinkt. Also: Eine satzimmanente Kritik, die man immer leugnen kann, indem der Zeigefinger auf die Zahnklammer gerichtet wird.
Die Entwicklung des Kurzdeutschen deutet sich hier an. Zwei Wörter werden verschmolzen in einem neuen. Bald wird es nicht mehr Kurzdeutsch lauten, sondern Keusch (eigentlich: Kurtsch oder Keutsch, aber die Sprache hat ja einen eigenen Kopf)
Schlauch heißt demnach „Schlau auch“, „Bratwurst“ bedeutet logischerweise „Brand hat wiel Durst“ und wartet auf die Feuerwehr.
(Feuerwehr bedeutet: Feier heuer wer Ehre. Allmählich zeigt sich die Sinnentleerung der deutschen Sprache in ihrem ganzen Ausmaß!)
Es gibt noch viel zu tun nach der Rechtschreibreform. Was tun eigentlich die Linksschreiber? Lassen die sich das gefallen? Wo ist die Lobby, die nach der Linkrechtschreibreform kräht? Aber, das ist ein anderes Thema und ein ziemlich dummer Witz.

Heinrich Bumm: Nebel

Als der undurchdringliche und so angenehme Nebel der Gefühle sich gelichtet hatte, entdeckte er einen hässlichen Pickel an ihrem Hals. Auch störte ihn, dass sie schon im Garten arbeitete, während er noch im Bett lag. Und das mit dem kleinen dicken Ritter ging ihm gewaltig auf den Zeiger.

Heimlich gelesen: Postkarten

Hallo Heike!
Am Hundestrand war ich natürlich nicht, weil ich gar keinen Hund habe. Hundebesitzer sind ja eine besondere Sorte Mensch, die das Schnitzel in der Linken halten und mit der Rechten die Ohrmuschel von Hasso kraulen.
Andere füttern streunende Katzen auf Fuerteventura und übernehmen sogar eine Patenschaft, um ein Tier mit nach Hause zu begleiten, kostenfrei und nicht in Richtung Tierversuche; auch wenn der forsche Daimler-Testfahrer darauf hofft, auf einer kanarischen Katze die Griffigkeit seiner neuen Reifen zu erproben. M+S, Matsch und Schnee ist ja schon länger ein Markenzeichen.
Was will ich sagen? Wie isses und wie geht es? Vielleicht ist bald wieder ein Marathon, auf dem wir uns nicht sehen.
Bodo

Absendeort: Unbekannt, irgendwo am Meer
Leser: Ralli, Postbote im Zustellbezirk X (Der Redaktion bekannt), er hat das Foto auf der Vorderseite vergessen, bzw. vergessen anzusehen. Disziplinarverfahren ist anhängig.

Dumme Wortspiele: Mundhaar-Monika

Es gab eine Zeit, da haben sich Menschen über Wortspiele kaputtgelacht. Heute ist das nicht mehr zeitgemäß, oder, wie man aus dem Westen von über den Ozean hört, politisch nicht korrekt, was auch immer der Werte-Amerikaner damit meint.
Mundhaar-Monika war so ein Wortspiel und diskriminierte alle Monikas auf der Welt. Man trat ihnen zu nahe, ohne sie wirklich zu kennen; das schürt Vorurteile, das lässt alte stereotype Verhaltensweisen auch gegen andere Frauen wieder aufleben.
Es blieb ja nicht dabei, dass man sich mit der Vorstellung von einer Dame des vorgenannten Namens begnügte, die einfach nur Haare auf den Zähnen hatte. Das war ja eine Metapher, die jeder nachvollziehen konnte. Der muss mal das Gebiss rasiert werden!, brüllte der verschreckte Mann, wenn es die Kontrahentin verbal zu arg getrieben hatte.
Nein, irgendwie setzte sich die Vorstellung in den Köpfen fest, besagte Dame habe einen Mund voller Haare, also Mundhaar, mit dem man regelmäßig zum Friseur müsse und das ihr, falls es nicht kurz gehalten würde, das Atmen und Schlucken schwer machte.
Gedankenlosigkeit regiert die Welt, wie anderswo, so auch hier: Ein schlichtes und tragbares Instrumente, praktischer als die Wandergitarre und der Walking Bass zusammen, musste herhalten, um die Damenwelt zu verunsichern. Niemand wollte plötzlich sein Kind Monika nennen, dabei ist es ein Name voller Musik und Poesie. Er ist enthalten in Wörter wie Mundharmonika, Handharmonika, Schifferklavier und Bandoneon. Das weiß vielleicht niemand und das ist das Tragische an der Geschichte. Vielleicht sollten wir demnächst vorsichtiger sein, wenn wir Namen verballhornen und uns auf die eigentlichen Werte besinnen: Musik und Poesie.

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Diät


Man nimmt nicht von dem ab, was man isst,
sondern von dem, was man nicht isst.

Georg Krakl: Hirsch und Geweih (2010)


Das geht nicht zusammen:
Hirsch und Ei
am Geweih
da schrammen
Welten
aufeinander
wie die Kelten
auf den großen Alexander,
oder warn's die Anamnesen?
Als sei es gestern erst gewesen,
so hab ich's doch vergessen.
Auf jeden Fall: Es war in Hessen.

Elche unter dem Röntgenschirm


Wenn man Elche röntgt, erkennt man, dass sie durchaus etwas Menschliches haben. Wir glauben es mit einem tumben Tier zu tun zu haben, das ein Paar Schaufeln vor der Stirn trägt. Richtig ist, dass nach ihm der Elchtest benannt wurde, in dem es darum geht, kleine Autos von Daimler-Benz umzuwerfen und schadenfroh zu lachen.
Manche machen lange Nasen, andere aber heben die Hände wie zwei Schaufeln vor die Stirn und grölen ihr "Ätschmann, umgefallen!". Das ist nicht lustig, aber es gefällt denen, die es tun. Daimler-Benz ist über diesen Trend besorgt. Die restliche Autoindustrie versucht das Wort Hybrid richtig zu buchstabieren und hat damit genug zu tun.
Immer mehr Elche haben aber Lunte gerochen und gehen zum Röntgen, um sich dann als Schwede oder Finne registrieren zu lassen. Im Alter hätten sie dann Anspruch auf eine Rente.

Neues vom Vulkan


Die allgemeine Vulkanaschehysterie provozierte bereits erste Halluzinationen. Im Roten Moor in der Nähe von Weserstadt materialisierte sich vor den Augen besorgter Wanderer eine riesige Wolke, die Teile des Moores in den Himmel brachte. Da kein besonders reger Flugverkehr in der näheren Umgebung stattfindet, ausgenommen ein paar Segelflugzeuge und verirrte Propellorkleinmaschinen, denkt man eher an ein Flugverbot für Vögel, die in ihrem Bestand bedroht sind. Irgendetwas muss auf jeden Fall passieren, damit die Öffentlichkeit mitbekommt, dass die Behörden, in diesem Falle die Verwaltung von Moordorf, die durchaus nicht durchgehend rot ist, den Bürger mit seinen Sorgen nicht allein lässt.
Vorsorglich ist auch fernab großer Flughäfen ein Startverbot für Düsenmaschinen erlassen worden, ebenso ein Absturzverbot für Transfermaschinen, die mit verklebten Düsen die Flächengemeinde überfliegen.
Unbeirrt dieser Maßnahmen spuckt der Eyafjölldifelljodahurfidibumm weiter seine Eis- und Lavamischung in den isländischen Himmel.

Peter Fußke: Affe (2000)

Jetzt sitzt sie auf dem Baum und wundert sich wie sie dorthin gekommen ist. Sie hat ihr Muttermal betrachtet, das groß und haarig auf ihrem Arm wächst. Immer wenn sie es betrachtet, blitzen Bilder auf, als erzählten sie von einer unbekannten Vergangenheit. Das Mal ist schon immer da gewesen. Die Eltern haben es mit Sorge betrachtet, als sie Säugling und Kind war. Jetzt ist sie 18. Mit jedem Tag erfährt sie mehr über das Verborgene, über die Lust, in Bäumen zu klettern. Sie sieht die Menschen unter sich, sie sind ihnen fremd in ihren engen Kleidern und mit ihren steifen und eckigen Bewegungen. Morgen wird sie Kleider ausziehen und einen weiteren Teil ihrer Vergangenheit zurückholen.

Georg Krakl: Hund (1998) Ein Zyklus

Der Hund allgemein

Im Grunde ist er ohne Nutzen
Er taugt nicht wie das Schwein
Als Braten, ständig putzen
Muss man, ist nicht rein,
Das Biest. Erklärt denn froh:
Dies ist ein Hundeklo!
Und setzt ganz ohne Zagen
Die Reste aus dem Hundemagen
In eine Zimmerecke.
Ach, du, verrecke!
Dummer Köter, alte Töle!
Purzel denkt: Das kommt wohl vom
Getriebeöle,
das hab ich heute Morgen weggeschleckt.
Im Grunde hat es nicht geschmeckt.


Das Haustier



Ein Haustier und nichts and’res ist es.
Was man ihm gibt, das frisst es.
Und es säuft den kühlen Trank,
zerlegt die Puppe von Denise als Dank.


Hasso: Einer kurzen Begegnung gewidmet
(nach Kristiane Alles-Wiemansnimmt)

Ich führte dich aus
Ein,zwei Abende.

Jetzt bin ich
Hunderte von Kilometern
Fort-
Im Tierheim.

Ein Stück von dir
Ist mitgekommen.

Ich glaub es ist ein Finger.


Allzweckwesen

Der Hund ist gut zum Herzerfreuen
Und auch zum Steinerweichen.
Nur schlecht geht mit ihm Straßestreuen,
beziehungsweise Wändestreichen.
Er eignet sich als Stolperfalle
Und wohl als Allesfresser,
weit weniger als Gartenkralle
und einfach nicht als Küchenmesser.

So manche schöne Sachen
Kann man mit Hunden gar nicht machen.
Und hätt ich dieses nicht gelesen,
ich sagte: Fifi ist ein Allzweckwesen.

Günter Krass: Strumpfhosen (2005)

Hilfe! schreit Rita, weil sie eine Laufmasche im Strumpf hat, in den Nylonstrümpfen, solchen denen man mit einem eingerissenen Fingernagel nicht zu nahe kommen darf, nicht weil vielleicht eine unlautere Absicht unterstellt werden oder vielleicht dieser Fingernagel, bzw. sein Riss, eine weitere Laufmasche erzeugen könnte, sondern weil es ein Gefühl ist, das Gänsehaut zur Folge hat. Es gleicht dem billigen Satin-Schlafanzug, den Karl in Kindertragen tragen musste, weil er nun einmal geschenkt worden war, der innen angeraut war, aber außen eine unerbittliche Glätte hatte, die jede Unebenheit an einem Nagel übel nahm und bestrafte. Durch eine Gänsehaut nämlich, die entstand, wenn nun dieser Nagel über den glatten, ekligen Stoff strich und irgendwie, eigentlich unmöglich, hängen blieb. Rita schreit um Hilfe, weil ihr Lebenskonzept oder ihr Tagesplan in Gefahr ist. Die Laufmasche bedroht die wesentlichen Sicherheiten in ihrem Leben: Ihre Schönheit oder ihre Unversehrtheit. Der unverletzte Strumpf ist gleichzeitig Symbol ihrer Reinheit, ihrer seelischen Jungfräulichkeit, die sich jede Frau neu erwerben kann, wie sie glaubt, wenn sie sich neu verliebt und dies aus ganzem Herzen tut. Hilfe, eine Laufmasche! Vielleicht ist der Strumpf sogar eine Strumpfhose, was den Schaden nur größer machte, den seelischen in erster Linie, denn die Strumpfhose ist nicht nur das Instrument, das die diversen Unterbekleidungen zusammenhält, die nicht nur ein weiterer, wenn auch dünner Schutz vor Kälte ist, sie stellt vielmehr die Jungfräulichkeit dar, postuliert sie, erneuert sie sogar, wenn es denn sein muss. Die Strumpfhose mit dem verstärkten Zwickel ist Zivilisation, ist Kultur, ist Sitte und Gesetz, ist die Sicherheit, der man sich sicher sein will. Sie ist Herberge dem Allerheiligsten, dem, das es zu verschenken gilt den Auserwählten, den Edlen. Immer aber ist Rita missbraucht worden, ihre Leicht- oder Gutgläubigkeit, andere nannten es Naivität, denn es waren keine Edeln, die Auserwählten waren nur von Rita und keiner höheren Macht auserwählt oder hatten sich selber auserwählt. Hilfehilfe, schreit Rita, mein Leben ist futsch!
Die Strumpfhose, die dünne Maske ihrer Sexualität, ihres Menschseins, ihres Frauseins, ist beschädigt und jeder kann es sehen.
Karl steht in der Nähe und fragt sich, was los ist. Eine Laufmasche, das kann und darf nicht wahr sein!
Strumpfhosen haben ihm nie gefallen, immer ist er mit seinen eingerissenen Fingernägeln hängen geblieben, und die wenigen Male, wo er in die Nähe von Beinen, von Frauenbeinen und deren Strumpfhosen gekommen ist, sind ihm verdorben worden. Er kann nicht verstehen, was Hilfeschreie wegen einer billigen Strumpfhose bewirken sollen.
Trübsinnig schaut er Ritas Bein entlang. Ihr Kleid ist geschlitzt. Das ist absurd.

Ein geschlitztes Kleid mit einer Strumpfhose kombinieren. Das ist Aufforderung zum Tanz, während man selbst im Rollstuhl sitzt.
Das ist die versklavte Erotik, die Kasteiung der Verlierer, die nie das schönste Mädchen abbekommen, die Kreuzigung der ewig Letzten, die verstohlen an ihren Zigaretten nuckelten und heimlich die Knutschenden beobachteten und sich keine Regung in der Hose gönnten, weil sie um ihr Scheitern wussten.
Verdammt, denkt Karl, Rita ist eine Frau, ich bin ein Mann.
Was daran ist bitteschön falsch? Ich will doch auch nur das Eine, das alle wollen. Immer und immer wieder. Geliebt werden. Und, Rita, wäre deine Strumpfhose voller Laufmaschen, ich würde dir eine weitere Laufmasche machen und dafür, dass du sie schweigend hinnimmst, würde ich dich nur noch mehr lieben.
Ritarita.
Ich bin doch nur ein Mann.

Alte selbstverliebte Männer wollen junge Frauen


Da glauben alte selbstverliebte Männer sie bräuchten junge Frauen, um jung zu bleiben, um zu beweisen, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehören, dass sie kein Facelifting nötig haben, um diese und jene jugendhafte Dame zu betören, und wissen doch nicht, dass sie im Umfeld des Jungen eher alt aussehen. Geraten sei ihnen, als Pfleger in einem Altenheim zu arbeiten, dort sind sie die Jungen.
Die alten selbstverliebten Männer setzen fest auf den Hofeffekt, den Haloeffekt; der Schein der Frische soll auf sie fallen und soll sie beleuchten, belichten und liften, sie ins Ewigjungbleiben liften und Unsterblichkeit vermitteln.
Falsch: Neben dem Schöne wirken sie hässlich, neben dem Erfrischenden eher verwesend, neben dem Duftenden viel mehr wie der Misthaufen unter dem Hahn, der sie sein wollen.
Oh, welcher Trug, man könne teilhaben an den folgenden Generationen, die unsere Kinder und Enkelkinder sind.
Auch wenn die alten sebstverliebten Männer nie ein Kind gezeugt haben, so wollen sie mit einem zusammen sein,und können es doch nicht, denn dann leckt der Tod an ihnen...

Ich und Hadschi Halef Omar


Kara Ben Nemsi: Wie siehst du eigentlich unter deiner Kappe aus, Hadschi?
Hadschi: Gesundheit, Siddhi!
Kara Ben Nemsi: Sag nicht Siddhi zu mir, Hadschi!
Hadschi: Gesundheit, Effendi!
Kara Ben Nemsi: Für dich immer noch Kara, meinetwegen auch Ben Nemsi!
Hadschi: Gebongt.
Kara Ben Nemsi: Also, Hadschi....
Hadschi: Gesundheit, Effendi, die Nacht war kalt, du wirst dich verkühlt haben.
Kara Ben Nemsi: Schon wieder Effendi!
Hadschi: Jetzt sagst du Effendi zu mir, das ist doch mein Part!
Kara Ben Nemsi: Hadschi! Ich...
Hadschi: Gesundheit, Gesundheit, langes Leben und Krankheit folgt, Effenberg!
Kara Ben Nemsi: Effenberg, was soll das jetzt?
Hadschi: Mein Respektbeweis, Effenberg.
Kara Ben Nemsi: Effenberg, Effenberg! Dann doch lieber Effendi!
Hadschi: Klar, Siddhi!
Kara Ben Nemsi: Effendi, wenn schon nicht Effenberg!
Hadschi: Na, also, klappt doch. Gesundheit nochmals.
Kara Ben Nemsi: Ich werf erst mal zwei ASS C ein.
Hadschi: Ich schwöre ja auf Meditonsin, Kara.
Kara Ben Nemsi (genervt): Versteh mir einer den Orient!

Hasso ist ein Krampfhund


Ich sag immer: Hasso, mein bester Freund, Hasso, mein Krampfhund. Der bringt ja schon über 40 kg auf die Waage und groß genug ist er auch, aber aggressiv? Ich weiß nicht. Der klefft, wenn der Briefträger kommt, den kennt er, da weiß er, dass der nichts tut. Aber sonst? Hasso schläft viel und und frisst. Er jault auch, wenn das Fressen nicht pünktlich kommt. Es wäre ihm lieb, wenn ich ihn Gassi tragen würde, bei Regenwetter würde er seine Geschäftsabwicklungen im Hause erledigen, da muss ich manchmal mit dem Stock drohen. Dann knurrt er. Ein Hund, der sein Herrchen anknurrt? Das ist nicht in Ordnung, vor allem dass sich dieser Hund hinter diesem Herrchen versteckt, wenn eine Situation brenzlig wird, wenn zwielichtige Typen den Weg kreuzen oder ein richtiger Kampfhund auftaucht. Hasso ist ein Krampfhund, es ist nämlich ein Krampf mit ihm. Basta. Ich frage mich, wozu dieses Tier nütze ist?
Manchmal denke ich, wir machen das Schnellstraßenspiel: Ich auf der einen Seite, der Hund auf der anderen. Ich halte die Wurst, der Hund läuft los und ein Auto rauscht heran. Nur, wie erkläre ich hinterher, warum ich mit einer Wurst am Wegesrande sitze?
Ein oder zwei Monate Tierheim, verschärftes Tierheim, das wärs vielleicht. Da hat er noch eine Chance, da kann er sich besinnen, da sieht er mal, wie es anderen Hunden geht. Echt Krampf mit dem Hund.

Welt im Wandel


Rotes Moor.
Früher Rotes Meer.
Lautverschiebung.
Das e verschwindet mhr und mhr.

Fliesentisch mit nackten Frauen drauf


Was soll das sein? Ein postmoderner Fliesentisch, der durch einen Lichteffekt in die Kunstkategorie hochgepusht wurde und von den wirklichen Problemen der Welt ablenken soll? Wir fragen uns: Was sind die wirkliche Probleme der Welt?

Immer wieder hört man dazu: Also mir sind Fliesentische ein Problem, die finde ich so schlimm, ich könnte, mir wird schlecht, also gut, dass man die problemlos (Eskapismus! Es geht doch um Probleme!) abwischen kann. In meine Wohnung kommen die nicht rein.
Dabei sind Fliesentische Erfindungen des kleinen Mannes und der Heimwerker und Bastler.

Die Probleme der Welt wegwischen und seine Ruhe haben, das will der Mensch. Einmal im Jahr einen kleineren Betrag spenden und das Gewissen beruhigen, das schafft ein sanftes Ruhekissen.
Ein großes Problem sieht die Frauenbewegung gegen sexistische Darstellung in der Werbung und auf Haushaltsmöbeln: Wenn man weit genug zurückgehe und gute Augen habe, könne man erkennen, dass eine unbekleidete Frau vor einem Palmwedel in einem Freizeit- und Spaßbad vorbeigehe. Sie trage Stöckelschuhe in Weiß und habe sonst nichts an. Das sei im höchsten Maße sexistisch. Fliesentische dieser Art gehörten verboten.
Manch einer kann nicht weit genug zurückgehen, um sein Gehirn zu einer solchen Fehlleistung anzuregen, auch wenn er es wollte.
Manch einer sieht ein paar Frösche aus der Vogelperspektive oder eine demoliertes Fahrrad, dem der Lenker fehlt. Das Gehirn setzt das zusammen, was ihm passt. Der eine hat Hunger auf Froschschenkel, dem anderen fehlt ein City-Lenker, mit dem ihm die Hände nicht mehr einschlafen.
Und die Probleme?
Da soll sich die Welt mal nicht so anstellen. Jeder hat doch so seine Probleme. Und lösen muss die jeder für sich. Die wird für die Welt auch keine Ausnahme gemacht.

Winfried Hackeböller: Kruzifix (2010)


Endlich mal Farbe in deinem Werk, Hacke, alter Rostler!
So mag der schlichte Betrachter ausrufen, aber wenn man genau hinschaut, gehört der rote Knopf gar nicht zum Kunstwerk. Hackeböller reduziert hier mal wieder extrem auf sein Lieblingsmaterial: Rostiges Eisen. Allerdings will das noch nicht so richtig in Gang kommen, auch Rost lässt manchmal auf sich warten.Vielleicht hat Hackeböller aber auch eine Variation seines bisherigen Stils erreicht: Das Nichtrostende als Sinnbild des Überdauernden, des Ewigen. Metaphysik lässt grüßen!, intoniert jovial der Bildungsbürger, und weiß nicht, dass er mit seinem Einwurf voll daneben getroffen hat. Da kommt der rote Knopf wieder ins Spiel, der von einem überdimensionierten Bauchnabel ablenken will und über dem Materiellen schwebt.
Wenn uns der Kopf rot wird, so haben wir Bluthochdruck oder eine gehörige Portion Schamgefühl, weil wir mal wieder unser Lästermaul aufgerissen haben und uns beim Volk beliebt machen wollten.
Aber das kennt man ja nicht anders, und Hackeböller hat das schön zusammengefasst.

Gefährliche Natur im Winter


Im Winter gleicht die Natur einer Zipfelmütze, oder besser einer roten Schultüte, die eine Nase hat. Die Zipfelmütze oder Schultüte ruht den Winter vor sich hin, ihr Herz schlägt unhörbar in der Tiefe und hat eine Frequenz von einem Schlag pro Woche. Das ist wenig, aber es reicht, um zu überwintern. Ein weißmilchiger Kreislauf arbeitet im Innern der Zipfelmütze oder der Schultüte, um Schadstoffe auszufiltern und ein paar Krumen aus der Umgebung aufzunehmen. Diese werden dann in Blattgold umgewandelt, anstatt in den lebenswichtigen Sauerstoff, was den Winter so gefährlich macht. Ein brisanter Goldrausch kann uns Menschen umhauen wie ein Vollrausch mit Tullamore Dew, von einem Sauerstoffrausch hat aber noch nie jemand gehört, weil dieser immer unter der Rubrik Glücksgefühle oder Endorphinewerdenausgestoßen abgelegt wird. Darum also Vorsicht, Menschen, wenn ihr euch im Winter in die Natur begebt! Sind wir nicht damals auf die dämliche Zipfelmütze des Sandmännchens reingefallen, damit wir vor Raumschiff Orion ins Bett gingen? Oder auf die blöde Schultüte, die uns mit Süßigkeiten verlocken sollte, in die Volksschule zu gehen und Dinge zu lernen, die wir selbständig nie entdeckt hätten, und die uns nie im Leben gefehlt hätten, weil wir nicht gewusst hätten, dass es sie überhaupt gibt. Deo-Spray! Shampoo! Wir haben uns zu willfährigen Konsumsklaven machen lassen, die jeden Dreck kaufen, den die Industrie auf den Markt rotzt. Warum nicht lange aufbleiben und endlich nach Mensch riechen? Das ist Natur! Auch wenn die aussieht wie eine Zipfelmütze oder eine Schultüte! Im Winter zumindest.

Pawel Pikass: Frühling (2010)


Pikass zu seinem Bild: Wie ein kleiner weißer Vogel schwebt der Frühling heran und setzt sich auf die Natur, um ihr von hinten, kaum merklich, seinen fruchtbaren Finger in den Kopf zu stoßen, damit die Natur erwache und sich entfalte, als ob sie das nicht selber könne. Aber es ist ein Ritual, ein Sacre du printemps, ein hämmernder Rhythmus, der dem Ungeschulten Kopfschmerzen bereiten mag. Sind wir nicht alle des Winters müde? Nach drei Minuten und 17 Sekungen geht ganz schön die Post ab! Da werden die Jünglinge aber lebhaft. (Reinhören)
Da passt das Bild doch ganz schön. Rot wie der Weihnachtsmann und weiß wie Schnee. Wer da nicht an den Frühling denkt, glaubt wohl an den Osterhasen.

Der Frühling ist da


Der Frühling ist da. In seinen Traditionsfarben Rot und Weiß steht er in allen Gärten und macht die Menschen nervös. Einige schauen nicht hin und täuschen Frühjahrsmüdigkeit vor, andere bekommen rote Ohren, weil sie zu genau einen Blick riskieren. Der Frühling ist gelassen, er kann es sich leisten, er hat Zeit, ein ganzes Vierteljahr, eine Zeitspanne, die ein normaler Mensch nicht zur Verfügung hat, um gelassen zu sein; um gelassen zu werden auch nicht. Niemand will seine Mitmenschen lassen, denn die sollen gefälligst in gleichen Abhängigkeiten leben wie man selber. Neid macht sich breit. Der aufgekratzte Mitbürger starrt den Frühling an und bewundert insgeheim, wie unerbittlich gelassen er sich an die Bestäubung der Umwelt macht. Da macht ihm keiner was vor, aber auch keiner was nach. Das kann nur der Frühling. Dem Rotohrigen wird jetzt auch der eine oder andere Finger rot, auf den er sich gebissen hat: Vor Wut, dass ihm verweigert wurde, dieses Jahr der Frühling zu sein. Aber der Frühling, das ist das große Missverständnis, lässt keine Statisten Hauptrollen spielen. Der Mensch möge sich in die Frühjahrsmüdigkeit zurückziehen und ein paar Schläfchen halten, bis es Sommer ist. Aber auch da gibt es genug Anlässe zu Neid und Missgunst. Es ist einfach im Menschen drin. Da hilft auch nicht, darüber hinweg zu schlafen. Verdammt.

Fritz und Oshi: Lass die Schlange los!

Kundaliniorientierte Beratung intermediärer Systemprozesse
Fritz Ruhpert Oshi Henneke GmbH


In Zeiten wirtschaftlichen Abgangs und der Zerstörung interpersoneller Systeme ist es hilfreich und vielleicht sogar lebens- wenn nicht überlebenswichtig, seinen Blick auf effiziente Programme zu richten, die destruktive Niedergangsenergien zu bündeln und zu kanalisieren verstehen.
Niemand wird von sich behaupten können, frei von diesen Lebensenergie bindenden Kräften zu sein. Vielmehr ist jeder in Teilabhängigkeit von dieser dunklen Macht, die uns allen das Leben schwer macht.
Sei es ihr marodes Wirtschaftsunternehmen, ihr zerstrittener Schützenverein oder vielleicht das Projektfeld „Eigener Herd“, alles wird durchdrungen von Blockaden, denen sie hilflos ausgeliefert sind, vor denen sie wie ein Stück Treibholz hängen. Nichts fließt mehr.

Kundaliniorientierte Beratung bietet ein Konzept, das, getreu dem Motto „Lass die Schlange los!“, neue Flussmöglichkeiten durch die bewusste Wahrnehmung des PC-Muskels und seiner Umgebung eröffnet. Die Zeiten von „Nicht an die Schnecke fassen!“ sind Vergangenheit, die Zukunft gehört der Kraftschlange, die sich an Ihrer inneren Flöte hochhangelt und unerbittlich den Siegeszug Ihres Projektes initiiert.

Schon wenige Minuten am Tag werden Sie und Ihre Mitarbeiter auf eine ganz andere Ebene des Erfolges bringen und dort halten. Einmal losgelassen, ist diese Energie unerschöpflicher Quell ihres Erfolges.
Ärger mit dem Vorgesetzten? PC-Muskel und Atem in Verbindung mit dem rechten Ton lösen ihr Problem unkonventionell.
Kassiererin zickt rum? Ein kurzes Zucken im unteren Bereich Ihres Körper reicht schon, um vielleicht sogar einen Preisnachlass zu erhalten. Mühelos. Einfach durch ihre Strahlkraft.
Menschen beeindrucken und überzeugen, das ist unser Konzept.
Wir beraten Sie gern!

Wenn Frauen sich knipsen...


Frauen haben es nicht einfach, wenn sie sich ein Bild machen wollen von der Freundin oder Cousine, mit der sie gerade einen Wochenendtrip machen, um dem öden Alltag zu Hause zu entkommen. Auch wenn der Trip anstrengend und alles andere als schön war, muss auf dem Bild zum Ausdruck kommen: Wir haben uns super verstanden, wir haben uns köstlich amüsiert. Das Ganze war einsame Spitze!
Aber dann geht es los. Da Frauen häufig große und kleine Taschen mitschleppen, in denen sie die wichtigsten Utensilien untergebracht haben, die sie benötigen, um das Aussehen so zu korrigieren, dass es auf Fotos etwas hermacht und Glück ausstrahlt, dauert es seine Zeit, bis ein Foto überhaupt gemacht werden kann. Obwohl im digitalen Zeitalter niemand mehr auf die Verschwendung wertvollen Filmmaterials achten muss, klappt es einfach nicht, ein paar Aufnahmen so aus Lust und Laune zu schießen und sie bei Nichtgelingen wieder zu löschen. Misstrauen herrscht, wenn es um die Präsentation der eigenen Gestalt geht. Wird die Freundin die missratenen Bilder vielleicht anderen in der eigenen Abwesenheit zeigen und damit in der Rankingliste der begehrten Frauen den Platz streitig machen?
Also: Erst mal die richtige Position, das richtige Make up, die korrekt sitzende Kleidung. Dann ein zwei Schuss Dreiwettertaft, damit auch die Frisur sitzt. Im Spiegel kontrolliert, noch einmal korrigiert. So kann das eine gute Weile gehen und es dämmert bereits. Jetzt ist das Licht zu schwach, um vorteilhafte Bilder zu machen. Blitzlicht? Überhaupt nicht dran zu denken! Blitzlicht macht hässlich, weil es brutal die Wirklichkeit abbildet.
Schließlich verzichtet die kritische Frau auf Bilder von ihr und beschränkt sich auf die alten Gebäude, die bereits im Kasten sind. Dass man hier gewesen ist, wird man wohl mündlich glaubhaft machen müssen.
Der Mann hat in der Zeit bereits eine Powerpoint-Präsentation hingelegt.

Günter Krass: Astronautengeburtstagsfeier (2000)


Seit zwei Jahren kreisten Willi, Rudi, Torsten und Kai jetzt um die Erde. Jeden Tag stellten sie sich die Frage: „Warum bin ich Astronaut geworden?“ Jeden Tag gab es Essen aus der Tube. Jeden Tag war die einzige körperliche Bewegung das Drehen ihrer Daumen. Däumchendrehen nannten sie das auf der Erde. Jeden Tag fragten sie sich: „Ist jetzt Tag oder Nacht?“ Nicht einmal der Funkwecker funktionierte.
Gestern hatte Kai Geburtstag. Kerzen anzünden war verboten. Um zu tanzen oder Topfschlagen zu veranstalten gab es keinen Platz in der engen Raumkapsel. Die engsitzenden Raumhelme juckten genau wie die blauen Plastikraumanzüge. Das war die schlimmste Geburtstagsfeier, die alle erlebt hatten. „Wie alt bist du eigentlich geworden?“, wollte Willi wissen. „Keine Ahnung“, flüsterte Kai. „Ist klar“, sagte Rudi, und Torsten drückte sich ein Stück Geburtstagstorte aus der Tube. Mit Schwarzwälderkirschgeschmack.

Günter Krass: Oma Rudolf räumt auf (2000)


Oma Rudolf kann nichts liegen sehen. Sie hat den unverständlichen Drang, alles aufzuräumen, wie sie es nennt. Dabei liegen Sachen nicht einfach herum, sondern sind nach einer ganz bestimmten Idee geordnet. Der Plastiktrecker im Wohnzimmer steht da, weil das Wohnzimmer der Acker ist und der muss gepflügt werden. Der Stoffhund ist eigentlich ein Pferd, das macht sich neben einem Acker immer gut. Der Brummkreisel ist eine Ballenpresse, und die braucht jeder Bauer, der sein Heu oder Stroh pressen will. Vor allem braucht er sie vor dem nächsten Regenschauer. Der Rollschuh ist ein Anhänger und die Buntstifte sind Weidezäune, alles Sachen die zu einer ordentlichen Landwirtschaft gehören. Dafür hat Oma Rudolf kein Verständnis. Sie räumt auf. Jeden Tag, jede Stunde. Nur weil sie mit im Haus wohnt und meint, alle müssten ihre Ordnung verstehen.
Und natürlich, weil sie irgendwann oder vor ein paar Tagen auf dem Anhänger ausgerutscht ist. Dabei hätte sie doch sehen müssen, dass das ein Rollschuh ist!

Günter Krass: Oberlehrer Kastenkopp unterrichtet (2000)


Oberlehrer Kastenkopp unterrichtet Jürgen und Bruno. Die beiden sind noch klein und Oberlehrer Kastenkopp gibt sich alle Mühe, sie zu ordentlichen Männern zu machen. Jungen weinen nicht, Jungen tragen keine roten Schuhe, Jungen haben die Hände an der Hosennaht, Jungen bügeln keine Taschentücher. Jungen sind schnell und widerstandsfähig, sie können gut turnen und sind wieselflink. Jungen sind stark und wissen sich immer zu helfen. Jungen sagen Mädchen, wo’s lang geht. „Helmut!“ brüllt es aus dem Fenster. „Ups“, sagt Oberlehrer Kastenkopp,“ meine Frau, was will die denn?“ „Helmut!“, brüllt es erneut. „Ja, Wilma!Was ist denn?“ Oberlehrer Kastenkopps Stimme klingt besorgt. „Helmut!“ Wilma Kastenkopp ruft nur „Helmut!“, nicht mehr. „Hm“, murmelt Oberlehrer Kastenkopp, „äh, Jungs, ich glaube, ich muss...“. Jürgen und Bruno sind verwundert. Eben hatten sie noch soviel lernen sollen. Jetzt musste Oberlehrer Kastenkopp. Was er musste, wussten die beiden aber nicht. „Jungen wissen immer, was Mädchen wollen, Jungs!“ sagte Oberlehrer Kastenkopp leise und rannte schnell ins Haus.

Günter Krass: Wir müssen leider draußen bleiben

Stachelkopf und sein Freund Kunstindianer hatten für diesen Morgen einen Besuch im Kaffeehaus geplant. Sie wollt sich einmal richtig am Frühstücksbüffet laben. Geld hatten sie keines, aber sie hatten schon mehrmals erlebt, dass sich Menschen ihrer erbarmten, weil sie so erbärmlich aussahen. Sie selbst fanden sich sehr schön. Stachelkopf fand, dass er prima Stacheln auf dem Kopf hatte, und Kunstindianer fehlte eigentlich nur einen Bogen und ein Satz Pfeile zum Glücklichsein.
Die Bedienung im Kaffeehaus guckte schief, als die beiden zur Tür hereinkamen. „Hallo“, sagte sie, „ kann ich Ihnen helfen?“ Sie breitete die Arme aus, wohl um ihnen den Eintritt zu verwehren. Stachelkopf und Kunstindianer glaubten jedoch, sie wolle sie umarmen und kamen fröhlich näher, voller Freude auf ein herzliches Drücken. Die Bedienung sprang einen Meter zurück und schrie gleich nach dem Geschäftsführer, der sofort deutlich und unfreundlich wurde: „Herrschaften, das ist ein Kaffeehaus. Da ist kein Platz für Stachelköpfe und Kunstindianer, weil die sowieso nie Geld haben.“ Er wies den beiden die Tür. „Von irgendwas muss unsereins ja auch schließlich leben.“ Die beiden senkten die Köpfe und zogen traurig ab. Wie erbärmlich konnten Menschen sein...

Die Frisur sitzt


Wie viel Weisheit steckt im gegelten Haar!
Früher nahm der feine Mann Pomade, die er beim Friseurbesuch erstanden hatte und massierte sie in sein Haar, um ihm Kraft und Stand zu geben, um jedes einzelne in die richtige Richtung zu legen. Heute heißt es Gel und ist nicht ganz so schmierig wie die Paste damals. Es kann sogar bretthart werden und das Haar fasst sich wie die Frisur von Tante Thea an, die eine Flasche Taft Dreiwetterspray verprasst hat, nur weil draußen ein leichter Wind geht.
Was sagt uns gegeltes Haar?
Ich bin nicht schmierig, es sind meine Haare!
Eine geordnete Frisur steckt immer auf einem geordneten Kopf!
Ich lege Wert auf mein Äußeres, das auch in Krisengebieten gepflegt sein muss.
Ich habe die Haare schön. Die Frisur sitzt.
Mir wird man kein Haar krümmen.
Wenn schon Krieg, dann mit Stil.

Manche nennen es wirklich Krieg: Krieg gegen den guten Geschmack.
Bedenke: Der Wähler wählt die Menschen, die er verdient. All die Wuschelköpfe der Nation haben da wohl einem Wunsch Ausdruck verliehen. Und erst die Glatzen!
(Sicherheitshinweis: Der abgebildete Mann steht in NRW nicht zur Wahl. Leider jedoch seine Partei.)

Landtagswahlkampf NRW und Schönheit


Die Grünen haben es nicht nötig. Alle Welt lässt sich am Computer begradigen, die Grünen lässt das kalt, sie wollen authentisch bleiben. Haben wir im letzten Bundestagswahlkampf Angela Merkel auf den Großflächenplakaten für Mireille Mathieu gehalten, die in die Jahre gekommen und leicht depressiv war, so teilen die Grünen uns mit: Auch wenn Koteletten scheiße aussehen und nicht mehr trendy sind, lassen wir sie uns wachsen. Entscheidend ist doch das Wahlprogramm und nicht der Mensch, der dahinter steht.
Grüne, glaubten wir früher, haben Vollbärte, tragen keine Büstenhalter und stricken Strümpfe aus rückfettender Wolle, während im Plenarsaal die Hölle los ist.
Die Zeiten sind vorüber. Aber alles machen die Grünen eben doch nicht mit.
Schönheitsoperationen am Bildschirm etwa oder Ressourcenverschwendung durch Haargel.

Winfried Hackeböller: Mandala in Rost (2009)

Günter Krass: Damals war Hoffnung (2010)


Wir waren so stolz damals auf unsere Schlipse, die dem Volk suggerierten, wir gehörten zu ihm, die uns zeigten: Wir konnten es schaffen, wir konnten uns an das Establishment heranpirschen und unsere Träume aufgeben, wir konnten gute Arbeitnehmer werden, die vielleicht sogar einmal FDP wählten. Wir würden gute Ehemänner sein und gute Väter.
Wir waren jetzt schon stolz auf das, was wir in der Zukunft schaffen würden.
Wir waren so stolz auf das, wovon wir träumten. Wir waren so revolutionär, so oppositionell, so konträr, so schrill, so destruktiv, so erfrischend, so kreativ, so emotional und so gelangweilt, wie man sein kann nach 9 Jahren Gymnasium. Wir fuhren Käfer, weil wir uns keinen Ford Capri leisten konnten.
Wir waren so stolz auf unsere Sakkos und unsere Schlipse.
Wir konnten es schaffen.
Wir konnten so werden wie unsere Lehrer.
Und damit würden wir sie eines Tages erschrecken.
Wir würden mit unserer Muffigkeit, mit unserer Langsamkeit und mit unserem reaktionären Murmeln diese Lehrer erschrecken. Ihnen einen Spiegel vorhalten.
Falls sie noch lebten, wenn es soweit wäre.
Das war unsere Hoffnung. Mit dieser Hoffnung schritten wir hinaus in die weite Welt hinter Bielefeld.