Zwischen Traum und Wirklichkeit: Amsterdam

Von Amsterdam zu träumen, weil die Hamster ham, die schäumen, das hab ich im Traum mir abgeschminkt, weil jetzt vielleicht ein Geldpreis winkt, ein Gutschein auch, und ich frage mich, kann denn ein Gutschein winken, kann Geld wirklich stinken, ach, wenn die Metaphern hinken, dann ist Eiszeit in der Seele, dann ist Klumpen in der Kehle, hätte gern drei Kugeln, Schoko, Schoko, Kroko! Kroko hamse se nicht? Dann nehm ich, ach, ich schäme mich, nicht den Nerz, war ein Scherz, Schoko, Schoko,Rosenwurz, was, das schmeckt nach Dosenfurz? Ja, Meister Kugelmacher! Nehm ich Kleister, Schoko, Schoko,Kleister und nicht Kroko, auch nicht Antilope oder Loipe. Wie schmeckt Loipe? So nach Schnee und Skiabdruck, nach Binnensee und nie nach Stuck, vielleicht ein bisschen nach Tapete oder Tapirschwanz,nach fein zerspanter Weihnachtsgans, mit einem Hauch von Hamsterfell, der ganz schnell ranzig wird, ach, Danzig, Danzig, ach, von dieser Stadt will ich jetzt träumen, weil da die Wellen schäumen, wo braune Gischt auf meine weißen Turnschuh zischt und mir versaut. Vor Danzig hat mir immer schon gegraut.

Ballsport: Was ist los in Bayern?

Man fragt sich: Hat Mediendirektor Markus Hörwick einen Ball vor den Kopf gekriegt und ist er seitdem "nicht mehr sauber am Ticken", wie man in der Sechzigern gern auch im Ruhrgebiet fragte?
Pepsi Guardiola ist sauer, weil ein Spieler Trainingsgeheimnisse ausgeplaudert hat.
Hörwick mischt sich dazu und versucht zu dämpfen:
"Das Thema werde 'ganz klein aufgehangen'.
Mal abgesehen vom Partizip Perfekt des Verbs "aufhängen" - alle wissen, dass das bestimmten Menschengruppen Schwierigkeiten bereitet - was meint Hörwick damit?
Hat der Mann einen der in Pakistan oder mittlerweile in China zu Dumpingpreisen handgenähten Fußbälle vor den Schädel bekommen und lallt jetzt dummes Zeug?
Früher hielt man die Fußballer für doof, heute hat man eher die Manager im Blick, die sich beim Stehlen, sprich: beim Steuerbetrug, erwischen lassen.
Zutreffend ist das Adjektiv eigentlich für Leute, die diffusen Brei kauen und durch vollen Mund Blödsinn nuscheln.
Nicht Hörwick. Hörweck. Hörweck! Als Imperativ. Das wär's! Leider steht der Unsinn geschrieben, und ein Liesweck! gibt es nicht.

Vereinfachung der deutschen Sprache

Der Verein zur Vereinfachung der Deutschen Sprache (VzVdDS) hat vorgeschlagen, das Wort "Damenarmbanduhr" in  die kürzere Form "Darmbanduhr" zu transformieren.
Jemand, der das neue Wort sechzigmal ausspricht, soll eine Minute Zeit gespart haben. Das könne man hochrechnen und hätte dann am Lebensende ein erkleckliches Sümmchen Zeit auf dem Konto.
Aus dem Männerlager wird allerdings Kritik laut, da man als Mann das Wort "Damenarmbanduhr" nur selten ausspräche, wenn überhaupt, dann vielleicht zwei- bis dreimal im Leben. Drei Sekunden Zeitersparnis wären nicht genug, um über die Wortneuschöpfung überhaupt ansatzweise zu diskutieren. Das würde nämlich Zeit vergeuden, und schnell sei man im Minus. Wertvolle Minuten würden am Ende des Lebens fehlen.
Der Verband der Uhrenverkäufer dementiert und fördert das neue Wort, denn den Mitglieder ginge schon einige Zeit flöten. Die könnte eine "Darmbanduhr" kompensieren.
Allerdings wehrt sich der Verband gegen eine Verweiblichung des Wortes Uhr, angelehnt an die Tendenzen an der Uni Leipzig. "Uhrin" diffamiere dann doch eine hochangesehene Zunft, die sich manchmal auf den Wecker gehe aber immer noch wisse, was die Uhr tickt, oder wann's Zeit wird.

Georg Krakl: Schlussmachen (2103)


Jetzt ist mal Schluss, z.B. mit Bluterguss
Jetzt ist mal Schluss,
mit all dem Stuss
von Kunstgenuss
und Überdruss
und Hexenschuss
mit Tinnitus
und Bluterguss
Kumulus
am Himmel
Weihnachtsmarktgewimmel
und Unterdruss
und Überfluss
und Überbein
im Sportverein
mit Ferkeltod
und Merkelrot
mit Wahlversprechen
Aalgebrechen
Nur-1-Euro-Jobs
und Alkopops
mit Steuersenkung
Hirnverrenkung
Schluss mit Energie
und Synergie
und Sympathie
und Empathie
und Apathie
und Aderlass
und Unterlass
und Badespass
und Reisepass
und Regenguss
und Zungenkuss
und Zaubernuss
und Pfiffikus
und Sozius
und Syndikus
und Armverschluss
und Ibichen des Kranikus
und Ikarus
das ist Beschluss

Es ist jetzt Schluss
mit Omnibus!
Und Schluss
mit Linienbus!

Schön wäre Überschuss.

Ansonsten Schluss
mit Omnibus!
Jetzt ist mal Schluss,
endgültig Schluss.

Gescheiterte oder gescheite Gescheitelte?



Manchmal sind die Gescheitelten die Gescheiterten, auch wenn sie nicht so wirken und gern die Gescheiten sein wollen; vielleicht sind sie an ihrem Wunsch zerbrochen. Dabei vermitteln Gescheitelte so viel Gutes:
Der ordentliche Scheitel verbreitet immer das Gefühl von Ordnung und von Bürokratismus, der wiederum ein gutes Gefühl der Sicherheit gibt.
Der Scheitel ist die Liste am Kopf.
Er macht übersichtlich.
Der Mensch wird am Kopf in zwei Bereiche geteilt, einen kleinen und einen großen und er erhält dadurch Struktur, wenn auch ohne Inhalt.
Sie wird der Mensch fassbarer und damit auch liebenswerter; all die Unfassbaren, weil schmierig und unstrukturiert und irgendwie glitschig, bleiben gehasst.
Die Gescheitelten werden geliebt, dessen können sie sich gewiss sein.
Der mit dem Mittelscheitel ist nicht für klein und groß, sondern er betont das Gleichgroße, den Ausgleich, die Harmonie. Er ist im Universum das Besondere, denn er hebt sich ab von der Rechtslinksmasse oder der Linksrechtsmenge, die am liebsten im Gleichschritt herumtrampeln würde. Der Mittelgescheitelte ist der Ausgewogene.
Nicht umsonst kommt das Wort gescheit von Scheitel. Und wer möchte das nicht sein? Wenigstens möchte er so wirken.

Deswegen begegnet gescheitelten Menschen mit Respekt, denn im Grunde genommen haben sie es nicht leicht. Leicht ist es, ein Wuschelkopf zu sein. Wo aber sollten die Friseure bleiben, wenn es nur eine Welt voller Wuschelköpfe gäbe?

           


Kunst mit dem Geodreieck: Piet Schlendrian - KWAdraht

Piet Schlendrian: KWAdraht (2013)
Bodos KUNSTwelt (11/2013) dazu:
Schlendrain, der alte Wenigmaler, benutzt in seinem aktuellen Bild, das man gern dem Neoplastizismus von Piet Mondrian zuordnen möchte, sogar nur noch drei Farben, wahrscheinlich ist ihm das Deckweiß ausgegangen.
Mit seinem Titel KWAdraht erregt er, wenn überhaupt, mehr Aufsehen, als durch seine Farbrechtecke.
Das Quadrat - man sollte mal ausmessen, ob es wirklich ein Quadrat ist, oder nur eine optische Täuschung - scheint an einem Draht zu hängen, wenn auch nicht mittig, was eine Schieflage zur Folge hätte. Das Viereck ist aber absolut im Lot und ausgefüllt mit roter Farbe. Das Blau ähnelt einer Schleuse gleich rechts angestaut und links abgelassen, das Quadrat wirkt wie ein Damm, der nicht hält, denn unter ihm spült das Blaue auf die andere Seite. Osmose scheint zu drohen, die jeder Gymnasiast aus der Schule kennt. Die Membran fehlt allerdings und ist damit nicht mal semipermeabel.
Das Quadrat, das nach dem Kreis auf Platz zwei der vollkommenen geometrischen Körper steht und in der Quadratur des Kreises Berühmtheit erlangt hat, symbolisiert wohl die penetrante Matheformelpaukerei und kritisiert ihren Sinn, denn die Fläche, wäre sie ein Körper, überwindet die Gesetze von Mathematik und Physik, die ja wohl verwandt sind.
Was das Gelbe soll? Hier gibt der Künstler sich scheinbar selber die Antwort auf die Frage nach der Qualität des Bildes: Nicht das Gelbe vom Ei.
Damit wäre wohl alles gesagt und den Spekulationen - besonders in der Vorweihnachtszeit - ist ein Ende gesetzt.

Georg Krakl - Lyrik (2013)

Die Menschen, die so weitgelaufen und so offentürig,
die den Füchsen gleich, so schlau und schnürig,
die nicht träge, aber rührig,
die erwärmt im Herzen schnell die Lyrik.

Auch den schlichten
Reimgedichten
wohnt ein Anfang inne.
Also dann, in diesem Sinne!

(Hermann Hesse gewidmet)


Georg Krakl - Der Rezensent (2013)

Der Rezensent schreibt sein Geschwafel
gern auf eine Schiefertafel.
Hab ich Mist geschrieben?
Weggewischt und abgerieben!

Und Papier gespart! Den ungefällten Bäumen wiegt das schwer.
Was will Rezensent noch mehr?

Selber mal Gedichte schreiben!
Doch in ihm steckt nicht ein Keim
von Reim.
Gedichte schreiben, Rezensent? Das lass mal lieber bleiben!

Es liegen dir das Wischen und das Reiben
und das Schreiben von Geschwafel
auf der Schiefertafel.

Reime, die in die Geschichte eingingen: Georg Krakl - Einmal (2013)

Halt den Schnabel,
Abel!

Einmal
ist Kainmal.

Farben in der Notaufnahme

Blau - da bist du in der Notaufnahme eigentlich falsch.
Ich habe da mal eine Frage; wenn sie einen Moment Zeit hätten?
Natürlich hatte die Dame am Aufnahmeschalter der Notaufnahme einen Moment Zeit. Eben noch hatte sie mit dem Pfleger über die Urlaubspläne gesprochen.
Ich hatte auch einen Moment Zeit. Ich wartete zwar, aber nicht darauf dranzukommen. Ich hatte gesessen, hatte gestanden, war herumgegangen.
Es gab keine Lesemappen, nur langweilige Prospekte über das Krankenhaus. Diese aber hundertfach.
Beim Herumwandern war mein Blick auf die schönen Farben einer Wandtafel gefallen.
Hier wurden Patienten bestimmten Farben zugeteilt; je nach Dringlichkeit der Behandlung, je nach Schwere der Erkrankung.
Ich fragte die Dame an der Rezeption: Woher weiß denn der Patient, dass er blau ist?
Die Dame stutzte, ich korrigierte meine Frage, denn die war offensichtlich missverständlich.
Er schwankt oder sieht doppelt, ergänze ich leise, frage aber dann: Woher weiß denn der Patient, dass er rot ist? Um Missverständnissen vorzubeugen, deute ich auf die Wandtafel.
Da hinten, die Wandtafel! Wo tauchen denn die Farben wieder auf, damit der Patient weiß, dass er rot,orange, gelb, grün oder blau ist?
Der Patient merkt das schon ...., antwortete der Weißkittel.
Bekommt der einen Laufzettel mit der Farbe?, lasse ich nicht locker.
Nein, die knappe Antwort.
Vielleicht sprüht man ihm die Farbe auf die Stirn, die nur die Behandelnden sehen können, denke ich für mich.
Das ist mal irgendwann festgelegt worden, damit man die Reihenfolge der Behandlungen sinnvoll strukturiert. Die Notfälle zuerst.
Aber woher weiß denn der Patient, dass er rot ist. Oder blau? Das sagt ihm doch keiner.
Nein. Der Patient merkt das an der Wartezeit.
Aha. Ich denke nach.
Je länger ich warte, desto ungefährlicher die Erkrankung. Ein Trugschluss zu denken, dass man nach langen Wartezeiten das Krankenhaus gesund verlässt, weil man es scheinbar auch gesund betreten hat.
Wenn ich lange warten muss, werde ich oft rot -  weil ich mich ärgere.
Wer rot ist, kommt sofort dran, das ist ja so festgelegt, ergänzt die Dame, aber ich kann mich nicht richtig mit dem Farbensystem anfreunden.
Jetzt taucht ein neuer Patient auf und ich vermute, der ist höchstens grün, denn man erkundet erst, welcher Krankenkasse er angehört und ob er eine Versicherungskarte dabei hat. Dann kann es nicht so dringend sein. Vielleicht ist er auch orange, und kann nicht sofort drankommen, obwohl nicht viel los ist in dieser Nacht. Aber so hat man seine auf der Wandtafel festgelegte Wartezeit sinnvoll überbrückt.
Ich sollte mich nicht beklagen, ich als Nichtpatient, als lediglich Wartender, ich habe keine Farbe und auch keine offizielle Wartezeit.
Ich will nach Hause. Alle Prospekte sind gelesen, alle Gänge abgegangen, jede Wandtafel betrachtet.
Die Dame an der Rezeption hat jetzt keinen Moment Zeit mehr, aber ich kann mich gedulden. Vielleicht wird sie ihre Antwort noch ergänzen.
Gelernt habe ich auf jeden Fall etwas. Ob es etwas Sinnvolles ist, bleibt abzuwarten.






Leben vor dem Tod

Sie war so voller Leben,
dass es ihr zum Halse raushing.

Neulich als ich tot war

Neulich als ich tot war, sagt Fred, schien die Sonne.
Ich lag in einem Sarg, der noch offen war, und ich konnte die die Strahlen sehen, die durch die bunten Gläser der Fenster fielen.
Die Trauernden konnte ich nicht sehen, aber ich fühlte mich durchströmt von ihrer Liebe.
Ich war glücklich  an dem Tag war, als ich tot war.
Ich war voller Frieden und wusste, dass ich getrost gehen konnte. Dass ich geliebt wurde. Dass die Trauernden an mich denken würden.
Dass hätte mir zu Lebzeiten passieren sollen,sagt Fred, dann wäre ich neulich nicht tot gewesen.

Weisheit der Naturvölker: Brennen

Weisheit der Indianer: Das Brennen zwischen den Beinen kann ein ganz einfaches Lagerfeuer sein.

Fernsehen: Brandheiße Sendung

Heiße Sendung, die Günter Jauch moderiert, und er selber ist natürlich auch jemand, den man bei großer Trockenheit nicht in den Wald lassen sollte. Brandgefahr!
Seine humorige Art führte in einer seiner  letzten Sendungen sogar dazu, dass sich die Hose eines Studiogastes selbst entzündete.
Hallo, ihre Hose brennt! hielt der überraschte Mann aus Kenia erst für einen der Witze auf Jauch-Niveau.
Weit gefehlt. Günter Jauch macht eigentlich keine Scherze.
Worüber der Moderator selber nicht lachen kann, ist die Verballhornung seines Namens: Günter Jauche (hahaha, lacht der Güllefahrer) - das sei nicht lustig, sondern Diskriminierung.
Die Hose des dunklen Mannes war schnell gelöscht.
Na, bei Ihnen sieht man die Brandflecken ja nicht so, versuchte Jauch mal wieder erfolglos zu scherzen und hatte trotzdem die Lacher auf seiner Seite, denn der Regisseur ist streng und wer buht oder sich zu viel auf seinem Platz räkelt, fliegt raus.

Synchronizität der Dinge

Die alte Dame ringt die Finger,
der Sittenstrolch sortiert die Dinger.

Die Näherin ist emsig mit der Singer,
der Philologe liebt die Merowinger.

Schwergewichtler - die platzieren Schwinger.
Der Pitbull sitzt im Zwinger.


Vieles passiert gleichzeitig. Wir wissen es nicht einmal.
Vieles, das gleichzeitig passiert, reimt sich sogar. Auch das wissen wir nicht.
Und trotzdem leben wir heiter wie der Klops im Pantalon.
Die meisten wissen noch einmal, was ein Pantalon ist.
Aber, was ein Klops isst. Nämlich gar nichts.
Klöpse werden gegessen.
Der Klops ist passiv. Er lässt sich essen, wohingegen
der Mensch ein Alllesfresser ist. 
Die Welt läuft zwar synchron, deswegen spricht man von Synchronizität, aber im Grunde ist das vollkommen bedeutungslos.

PS:

Pürierter und gerollter Mops
heißt Klops.


Ein Ohr zum Violinschlüssel geschnitten

Manoki war traurig.
Sie hatte sich vom Chirurgen - sie nannte ihn Fratzenschneider - ein Ohr zuschneiden lassen, das einem Violinschlüssel ähnelte. Trotzdem konnte sie mit Musik nichts anfangen.
Sie hatte ihre Haare richten lassen und wirkte doch wie eine Gouvernante. Manoki wünschte sich, dass man sie für eine Gräfin hielte.
Niemand tat das und sie ertränkte ihren Ärger und ihre Enttäuschung in schweren Parfümen, kombinierte diese sogar, sodass man nichts mehr von ihr riechen konnte. So musste sie die Menschen betören, dachte sie.
Ich kann dich nicht riechen, war die Antwort derer, denen die schweren Parfüme in die Nase gestiegen waren und nun ihren Kopf benebelten.
Die Lippen waren rot geschminkt, aber niemandem fiel das auf. Sie aber dachte, dass Rot die Farbe von Erotik, Liebe und Energie sei.
Mann, Mann, dachten die Männer und stellten sich vor, Manoki stünde an der Straße.
Da gebe ich aber Vollgas, soviel Lippenstift kann doch keiner verdauen!, brüllte Horst und lachte sich kaputt.
Du sollst das ja auch nicht essen, konterte Pablo.
Manoki aber stand abseits.
Als sie ihr Kleid geöffnet und den Oberkörper entblösst hatte, schauten alle weg.
Das tut man doch nicht, raunte die Menge.
Tut man doch, quiekte Manoki, tut man doch.
Tut man nicht, antwortete die Menge wie aus einem Munde.
Tut man doch, kreischte Manoki.
Na dann, zuckte die Menge mit den Schultern und löste sich in Einzelpersonen auf.
Komm wir gehen nach Hause, schlug Horst vor.
Allemal besser, sagte Pablo.
Allemal schlechter, dachte Manoki.

Betonen, was man nicht unterdrücken kann

Man hatte Gordon gesagt, dass er eine hohe Stirn habe. In einem Ton, der ihm signalisierte, dass das nicht besonders schön sei, dass das eine Erinnerung an Frankensteins grausame Bastelköpfe auslöse.
Jahrelang hatte Gordon den Gedanken gepflegt, eine hohe Stirn sei ein Zeichen für ein großes Hirn und damit für hohe Intelligenz.
Gut, sportlich war er ohnehin nicht, kein Leistungsträger, da konnte man schnell anecken mit hoher Stirn, wurde dann verlacht als verkopfter Lahmarsch, der seine Beine nicht koordinieren konnte.
Damit hatte Gordon immer leben können.
Statt Fußball zu spielen, hatte er ein gutes Buch gelesen oder fürs Eckenraten sein Allgemeinwissen geschult.
Aber dass nun seine hohe Stirn zum Nachteil gereichen sollte, das musste er erst mal schlucken.
Er hatte sich sofort einen neuen Hut gekauft, einfach als Entschädigung und auch als Belohnung dafür, dass er alles so lange ausgehalten hatte.
Das macht aber einen Riesenkrakendoppelkopf!, hatte Vera gekichert und ein lautes Lachen unterdrückt.
Der Hut war im Angebot gewesen, weil er Querstreifen hatte, die angeblich dick machen.
Aber dick hatte Vera nicht erwähnt. Riesenkrakendoppelkopf. Was das nun wieder sollte! Vera war blöd. Auf ihr Urteil konnte man nichts geben.
Irgendwo hatte er gelesen, dass man das, was man nicht unterdrücken kann, etwa eine hohe Stirn, betonen sollte. Der Hut betonte die Stirn und machte sie damit zu einem Gesamtkunstwerk oder was auch immer. Er hatte alles richtig gemacht.
Wo hatte er das nur gelesen? Gordon fiel es nicht mehr ein.
Vielleicht hatte er es auch nur selber auf einen Zettel geschrieben und dann gelesen.
Ein alter  Trick des "Großkopfertern". Aufschreiben, lesen und dann sagen: Habe ich gelesen! Das machte Eindruck, und die meisten glaubten, man zitiere etwas Wesentliches von Menschen, die Wesentliches dachten und aufschrieben.
Eine hohe Stirn. Gordon fand eine hohe Stirn schön.
Wer sich selbst nicht schön findet, kann auch andere nicht schön finden. Das hatte er auch irgendwo gelesen. Nur wo?
Falls das wieder von ihm stammte, sollte er vielleicht doch mal ein Buch schreiben. Mit kleinen Weisheiten des Alltags. Kleben und kleben lassen, zum Beispiel, als Sinnspruch für Postbeamte. Auch wenn die schon lange nicht mehr klebten.
Briefmarken jedenfalls nicht. Höchstens noch am Bürostuhl.
Hahaha, lachte Gordon in  sich hinein, denn Platz genug war ja in seinem Kopf.


Moderne Malerei(1): Vincent van Eijnoor - Vatermutterkind (2006)

Vincent van Eijnoor: Vatermutterkind (2006)
Vatermutterkind - Wer ist denn hier der Vater, wer die Mutter, wer das Kind? Von links nach rechts gesehen ist das klar und ergibt einen Sinn: Der Vater in einer mittlerweile frauenbetonten Gesellschaft schrumpft zur Bedeutungslosigkeit. Die Mutter, schmalköpfig und an sekundären Geschlechtsmerkmalen nicht zu erkennen, hat sich durch fehlgeschlagene Ernährungsberatungen und misslungene Schönheitsoperationen in ein Wesen der vierten Art verwandelt. Das Kind, großköpfig und hohläugig, starrt lethargisch in den Gegend, weil es den Bildschirm sucht, dessen penetrante Frequenz den abgestumpften Geist zu beleben versucht. Der Titel Vatermutterkind deutet darauf hin, dass die Familie eine Einheit sein sollte, in der die Mutter mittlerweile von der Familienministerin eine "Herdprämie" bezahlt bekommt, wenn sie dem Sohn den PC anschaltet und dafür sorgt, dass er nicht glatzköpfig in Springerstiefeln durch den Asylbewerberbezirk marschiert. Erschütternd, was schwarze Politik aus grünen Menschen macht.

Depressive Menschen belasten die Umwelt

Wir kennen das alle:
Jemand lässt den Kopf hängen, mit diesem hängen alle Teile, die das auch können und man spürt den Impuls, weglaufen zu müssen.
Die Frage: Wie geht's?, häufigst gebrauchte Einleitung zu belanglosen Gesprächen, erübrigt sich hier, nein, sie birgt sogar das Risiko, dass die Antwort nicht wie erwartet "Gut" lautet, sondern die Hörbuchfassung der letzten Sitzung beim Psychomann evoziert.
Wer will das denn?
Wir sind gewohnt, dass man höflich sein darf, indem man sein übliches "Wie geht's" herausbringt, auch wenn das Gegenüber vielleicht nicht wirklich frisch aussieht. Der wird sich zusammenreißen und sein bestmögliches "Danke! Selbst auch?" herauswürgen und fertig!
Aber alles hat seine Grenzen.
Irgendwo passen weder Frage noch Antwort. Die Grenze ist überschritten.
Und dann kommt es zu gesellschaftlich schädigenden Verhaltensweisen: Weglauf, Verstecken und Kopf-in-eine-Einkaustüte-aus-Papier-Stecken.
Alle drei Verhaltensweisen haben zu Folge, dass die Arbeit liegen bleibt und dass gleichzeitig vermehrt knapper Sauerstoff verbraucht wird. Dazu wird das Klima durch erhöhten CO2- Ausstoß belastet.
Und das geht weder kurz-, mittel-, noch langfristig.
Also: Kopf hoch, auch wenn der nicht gut aussieht!

Schlager in der Krise: Lieder ohne Liebe

Lieder ohne Liebe
sind wie beutelose Diebe.
Sind wie Treibholz ohne Triebe.
Oder Prügel ohne Hiebe.

Lieder ohne Liebe.
Sind wie ungelochte Siebe.

Betrüger unterwegs

Pawel Pikass: Weihnachtshase (2013)
Betrüger sind gerade in der dunklen Zeit vor Weihnachten unterwegs.
Sie geben vor, Freude und Glückseligkeit zu bringen, und hätten nicht die Katze im Sack, sondern ein paar kräftige Eier, seien der Weihnachtsmann und das könnte man ihnen hinter die großen Ohren schreiben.
Wenn man wollte.
Dekorativen Schmuck wollen sie an den Mann und die Frau bringen; diesen könne man schön an eine Tanne hängen und später im Frühjahr in den Garten werfen, um ihn  von den Zöglingen und Großzöglingen suchen zu lassen.
Zu deren Freude und Belustigung.
Bevor also das großen Rennen auf die Auslagen in den Geschäften losgeht, bevor bei Amazon die Belegschaft durchdreht und endlich streikt, könne man jetzt an der Haustür sein Geschäft erledigen und habe den Rest des Jahres Ruhe. Bestellen, zahlen und warten.
Die beiden ersten Tätigkeiten sind denn auch schnell erledigt. Und da man dann nur noch das Warten versprochen hat, bleibt es dann auch dabei. Warten. Warten. Warten.
Bis was kommt, was man bestellt hat.
Dass was kommt.
Es bleibt beim Warten.
Bleibt zu hoffen, dass zu Ostern der Bärtige mit den Segelohren und dem echten Sack vor der Tür steht und Weihnachtskugeln anbietet.
Dann ist es Zeit, Rache zu nehmen.
Wo aber bleibt die Liebe in all den verflixten Festen?

Narzisstische Störung: Leistungsdruck

Günter Krass: Schöne Ohren (2013)
Man hat dir als Kind zu wenig gesagt, dass du geliebt wirst!
So erklärt man Menschen mit narzisstischer Störung ihr komisches Verhalten, das sich im Abzocken von Mitmenschen, Erbringung von sportlicher Höchstleistung und von dem alles durchdringenden Wunsch, immer der Beste zu sein, bestimmt wird.
Allen immer eine Radlänge voraus sein, beim Boßeln die Kugel am weitesten schieben, aber nachher nicht aus dem verschlammten Graben holen wollen, immer und überall Erster sein wollen, die tiefste oder höchste Stimme haben, die größten primären Geschlechtsmerkmale vorweisen können, der Beste in der Besenkammer sein und immer auf der Gewinnerseite stehen wollen, das sind die Zielvorgaben, nach denen unreflektiert und rücksichtslos gestrebt wird, nur um dieses billige Surrogat, das dem "ich hab dich lieb" ähnelt, zu ergattern.
Ob sich das lohnt, ist nicht die Frage.
Das Lohnen wird vorausgesetzt; die arme, in der Kindheit - subjektiv gefühlt- förmlich ignorierte Kreatur setzt das quasi als Bedingung. Nach und nach bilden sich Soziopathen heraus, die ihre Mitmenschen nur als Instrumente des eigenen Erfolgs ansehen.
"Du hast schöne Ohren!", sagt sie zu ihm, nachdem sie sich näher kennen gelernt haben.
Das haut den Gestörten aus den Schuhen, falls er sie in diesem Moment anhat.
Sein Weltbild bricht zusammen.
Das, was sein Leben lang das Hässlichste an seinem Körper war, ist plötzlich schön.
Die Geliebte widerspricht der Mutti, ohne es zu wissen, sie widerlegt mit vier Wörtern die ganze Kindheit, die ganze Jugend, das ganze "Du hast doofe Ohren".
Wenn das Weltbild ins Wanken gerät, ist der Schwankende gezwungen, nachzujustieren oder sich selbst kritisch zu betrachten.
"Ich bin nicht der Mann für dich!" wird er sagen, denn das ist die eleganteste Lösung; der mit robustem Mandat wird wohl eher "Verschwinde jetzt! Du bist eine Schlaftablette!" sagen, um damit der Sieger bleiben zu können.
"So schnell wie du eingeschlafen bist...", murmelt sie und packt ihre Sachen. "Eigentlich sind deine Ohren doof. Nur deine Nase ist noch hässlicher!"
Die Welt ist wieder in Ordnung.