Georg Krakl - 2020


Georg Krakl - 2020
Zwanzigzwanzig.
Ach, am Ersten
wiegen Vorsätze am schwersten.
Tanze Rumba,
mach' im Fitnesscenter Zumba.
Wenig essen, wenig rauchen, wenig trinken.
Auch mal Fremden winken.
Laufe Marathon.
Schon am Zweiten
weiß ich nix davon.

Georg Krakl - Was will der Mann da?

Kommend einst aus Hahlen,
wo dies Strahlen,
dieses Brummen
und der Bienen frohes Summen
den Ackermann von großen Qualen
seiner Landbestellung
nicht erlöst,
doch ihn benommen macht, dass er in Frieden döst,
Erquickung findet im Sekundenschlaf auf seinem Trecker,
wo der Fasan ein wenig kecker
wird, den angestierten
Schweinehirten
anlacht,
der so still in Andacht will versinken,
wo indes die Tiere stinken
und das Milchvieh muht,
dass bloß der Städter sich da nicht vertut
in seiner Sicht der Menschen, die uns Brot
und Milch und Fleisch und Wurst
bescheren, und den Durst
aufgrund von zu viel Pökelsalz,
darüber noch den steifen Hals,
vielleicht ist insgesamt
die Landidylle angeschrammt
und aufgekratzt,
derweil der Städter friedlich ratzt,
den Kampf um Existenzen nicht versteht,
sogar erträumt
die Milch sei in der Kuh schon aufgeschäumt,
das Kalb im Mutterleib
bereits das Cordon bleu und Wiener Schnitzel,
fragt man so nicht
nach Wesentlichem schlicht:
Was will der Mann, der hier gezeugt, geboren,
und auf dunkle Scholle eingeschworen,
und gesäugt, gefüttert, aufgezogen,
belehrt und niemals angelogen,
nur in Dinslaken?




Der weise Mann sagt: Sehen

Du kannst das Sehen
nicht der Brille überlassen.

Georg Krakl - Heimatgedicht "Stadt und Land"

Was der tiefen Wunde Schorf,
ist der Stadt das Dorf.

(aus "Statt Land Fluss", Dützen 2019, S.3)

Georg Krakl - Gedichte für die Heimat

Wo das Korn den guten Boden, Glyphosat und einen Keim hat,
da ist seine Heimat.
Wo die Schnecke Haus und Schleim,
der Vogelfänger an der Rute richtig Leim,
wo rustikale Lyrik für die Menschen einen Reim hat,...
...da ist uns're Heimat.




Schwarzgeld

Beim Schwarzgeld hört der Rassismus auf.

Deutsche Texte für französische Lieder mit inhaltlich ambivalentem Migrationshintergrund (1)

Nach dem Lied "Frère Jacques":

Schwere Jacke, schwere Jacke,
vorne zu, vorne zu,
und noch nicht ganz trocken, und noch nicht ganz trocken.
Hing beim Don.
Hing beim Don.

1. Wir alle kennen die Don-Kosaken, diese Männer mit tiefen Stimmen, Pluderhosen und folkloristischen Hemden, wie sie die deutschen Ehefrauen beim Selbstfindungskurs oder in der Töpferwerkstatt tragen und sich manchmal an ihnen den Lehm von den Fingern streichen. Mutige Männer, die reiten können, wenn sie ein Pferd haben, verwegen sind und furchtlos für den Zaren kämpfen.
Der Zar ist tot.
Der Kosake ist still, der Don-Kosake, der am stillen Fluss steht, besonders still.
Vielleicht wollte er sich aus Verzweiflung über das Dahinscheiden des Dienstherren in den Fluss stürzen, ist ausgerutscht und nun ist die Jacke nass und schwer. Der Kosake hat sie am Don aufgehängt, denn sie ist seine einzige und teure Jacke, die ihn in jedem Kampf beschützt hat. Die Jacke ist vorne zu, damit sie nicht vom Bügel rutscht. Aber - sie ist noch nicht ganz trocken; der Kosake kann warten. Leise summt er sein Lied: Schwere Jacke, schwere Jacke, ....

2. Die Jacke hing beim Paten. Eigentum der Cosa Nostra. Sie ist schwer, vielleicht schwer von Blei, das man in sie und vielleicht auch ihren Träger gepumpt hat. Vorne ist sie zu, damit sie nicht vom Bügel rutscht. Sie hängt beim Paten, dort wird sie keiner nehmen, denn der hätte sein Leben verwirkt. Vielleicht würde man den, der es doch wagte, zwingen, die Jacke anzuziehen, die sich angesichts des nahen Endes wie Beton anfühlte. Sie ist nicht kugelsicher, das weiß jeder.
Noch hängt sie beim Don. Bis der Erste seine vor Aufregung feuchten Finger nach ihr ausstreckt. Dann wird vollstreckt. Der Don summt das alte Lied: Hing beim Don, hing beim Don,....

"Ein einfaches Lied, und doch voll inhaltlich ambinvalentem Migrationshindergrund."( Sattdeutsche Zeitung, 39/2019, Feuilleton, S.17)

Georg Krakl - Einigkeit macht stark


Der Ausländer auf dem Dorf



Der Ausländer ist auf dem Lande kein Problem. Es gibt ihn eigentlich nicht, denn jeder, der nicht im Dorfe geboren ist und einen lückenlosen Stammbaum von Hiergeborenen vorweisen kann, ist ein Zugereister. Der Schmalsener ist nur ein Schmalsener, wenn er weiß, woher er stammt. Die eigene Scholle muss quasi Generation um Generation hervorgebracht haben; vielleicht hat sich der eine oder andere einmal eine Frau aus dem Nachbardorf genommen, um frisches Blut in die Familie zu bringen, aber insgesamt bleibt der Schmalsener unter sich. Da kann auch eine von oben her diktierte Gebietsreform nichts bewirken. Die künstlich entstandenen Gemeinden haben gar nichts mit den gewachsenen gemeinsam. Wenn Schmalsen damals der Gemeinde Hüllhausen zugeschlagen worden ist, so bleibt es im Inneren, im Blute, in der innerörtlichen Verwandtschaft doch Schmalsensisch. Da achtet jeder fein auf die Einhaltung der ungeschriebenen Gesetze und die unsichtbaren, aber seit Jahrhunderten gezogenen Grenzen. Es gibt nur den Schmalsener und den Nichtschmalsener. Der Zugereiste glaubt sich eine Eintrittskarte in die Gemeinschaft zu erschwindeln, indem er einem Verein beitritt oder der stärksten Partei im Dorfe. Das macht ihn aber eher verdächtigt, denn wenn der Zugereiste schon durch seinen Neubau den kostbaren Mutterboden versiegelt und damit einer Umweltkatastrophe Vorschub leistet, dann soll er doch bescheiden auf seiner spärlich begrünten Terrasse sitzen bleiben und hoffen, dass sich der Alteingesessene an sein Gesicht gewöhnt. Wenn Letzterer dann eines Tages den Gruß an den Neubürger richtet, erwartet er demütiges Nicken, aber auf keinen Fall überschwängliches Zurufen eines Guten Tages oder aktive Teilnahme am Dorfleben. Der Zugereiste mit Eigentum wird toleriert. Der Chinese, der ein Restaurant betreibt, kommt zwar in den Verdacht der Geldwäscherei, genau wie der Italiener mit dem Pizzabringedienst in den der Steuerhinterziehung, gilt aber zusammen mit jenem Südländer, nicht als Ausländer oder Zugereister, weil er ja doch eines Tages wieder in seine Heimat zurückkehren wird, da seine Machenschaften ans Tageslicht gekommen sind. Es gibt ihn eigentlich gar nicht, oder nur temporär. Er ist eine vorübergehende Erscheinung, an der niemand sich reiben muss.
Neger gibt es so gut wie gar nicht auf dem Lande. Allein die Tatsache, dass Neger nicht Neger sondern Farbige genannt werden, bestätigt dem Landmann, dass hier ein gestörtes Verhältnis zum Nichteingesessenen vorliegt. Dabei gebietet ihm die Christenpflicht, den Farbigen liebend in sein Gebet zu schließen; vielleicht wäre der oder die ja auf dem schwarzen Kontinent verhungert. Die Ehe einer, natürlich protestantischen Afrikanerin mit einem Bäckergesellen wiegt da doppelt schwer in ihrer Mitmenschlich- und Barmherzigkeit. Kinder aus solchen Verbindungen sind besonders süß, solange sie nicht erwachsen sind und Ansprüche wie jeder andere stellen. Ihre Tragik ist, dass sie als doppelt, vielleicht sogar dreifach zugereist gelten, weil Afrika sehr weit weg ist und der Bäckerbursche aus Altwede stammt und nicht aus Schmalsen.
Wehmütig erinnern sich die Menschen vom Lande an die Erzählungen der Eltern und Großeltern und bleiben hilflos und handlungsunfähig: Sie müssen der stetigen und unaufhaltsamen Durchdringung ihrer Heimat durch Zugereiste tatenlos zuschauen, denn die Rechtsprechung gewährt, unabhängig jeder Tradition, der Freizügigkeit Schutz. Ein Scheck für ein verkauftes Baugrundstück spendet hin und wieder den notwendigen Trost.

Georg Karkl - Werzalith (Werkstoff der 70er)

Werzalith
hat immer meine Welt umzäunt:
Wo sich die Adelheide bräunt
und wo der grüne Rasen wächst
Klein-Peter mit der Plakafarbe kleckst
und wo der Grill die Bratwurst brät
der Nachbar durch die Büsche späht
Werzalith,
niemals ohne, immer mit.
Werzalith

Georg Krakl - Resopal (Werkstoff der 60er)

Resopal!
Das Bier, von dir geleckt,
das schmeckte schal.
Der rote Wein,
sein Prädikat: Lass lieber sein!
Das Schnitzel, das ich auf dir gegessen,
das musste ich schnell vergessen,
schnell verdauen,
nicht den Tag versauen
lassen. Resopal!
Ich hatte damals keine Wahl

Beziehungen in der kommunikativen Krise (2)

Das Kind kann nichts dafür.
Es ist ja auch dein Kind.
Ach, deins nicht?
Was weiß ich, wir waren damals in der Krise.
Ich weiß es aber.
Woher willst du das wissen.
Weil ich eine Frau bin.
Ich bin ein Mann.
Und das ist nur ein Kind. Das kann nichts dafür.
Jajaja. Die alte Leier. Immer wenn du nicht weiterweißt, kann das Kind nichts dafür.
Du bist ungerecht.
Es gibt keine Gerechtigkeit.
Aber dass ich den ganzen Haushalt mache, das ist in Ordnung?
Dein Kind könnte ja mithelfen.
Es ist ein Kind.
In Pakistan nähen Kinder 12 Stunden am Tag Fußbälle zusammen. Dann kann der Freddi auch mal den Müll rausbringen.
Wir sind hier in Deutschland, einem der reichsten Industrieländer der Welt, da haben wir es nicht nötig, Kinder arbeiten zu lassen.
Weil es dein Kind ist. Ich sage nur: Glacé-Handschuhe.
Stimmt doch überhaupt nicht.
Na, wenn das meiner wäre.
Es ist unser Kind, also auch deins.
Unser ist nicht gleich meins.
Meins und deins ist unser.
Das sind dann zwei.
Du bist so blöd.
Freddi, komm lass uns Fußball spielen! Mal sehen was die kleinen Pakistani-Finger da zusammengeprokelt haben. Teuer genug war die Pille ja.
Dann könnt ihr auf einem Weg den Müll runterbringen!
Gar nicht....


Beziehungen in der kommunikativen Krise (1)

Herta: Thomas, ich liebe dich nicht mehr.
Thomas: Du mich auch.
Herta: Thomas, so geht das nicht. Du hörst mir nicht zu. Früher sagte man: Ich liebe dich. Dann sagte der Mann: Ich mich auch. Dann hat man gelacht.
Ich habe aber gesagt: Ich liebe dich nicht mehr.
Thomas: Du mich auch.
Herta: Du kannst mich mal.
Thomas: Sag ich doch.

Ganz NRW erleichtert

Mutti! Mach den Fernseher aus!
Die Hacker machen sonst Hackfleisch aus dir!
Auch der NRW-Landtag in Düsseldorf hat eine schwarze Null.

Politik im Spiegel

Wer seine Nase in fremde Konflikte steckt, muss sich nicht wundern,
wenn sie dick wird.
(Jahrbuch 2019:Da lacht die Rüstungsindustrie Berlin 2019)
Wenn dein Spiegelbild dich nicht mehr mag, dann wird es Zeit, zum Fratzenschneider zu gehen.


(Eine Anzeige der Verbandes deutscher Korrekturchirurgen e.D.V. 2019)

Auge zudrücken hilft

CO2?
Die Leute sollen froh sein, dass wir das zweite O eingeführt haben. Sonst wären doch schon alle tot.
Viele glauben, es handelt sich um die schwarze Null. Die schwarze Null, das ist der Altmeier.
Endlich mal wieder richtig durchatmen können.
Ansonsten Klappe halten, dann kann man auch keinen Blödsinn erzählen, und gelegentlich mal ein Auge zudrücken.
Euer Teuer-Scheuer.

Georg Krakl - 3 Gedichte vom Krakllager

ich habe in mich reingeschaut,
ich hatt' mich einfach aufgeklappt.
es war sehr hell und auch sehr laut,
dort war was lose, da nur angepappt,
da war geschraubt und hier geschmiert,
ein wunder, dass das funktioniert!
es gab auch blut und 12 gefäße,
zweitausend knochen und ein hirn,
zwei beine und auch mehrere gesäße,
zwei ohren, eine stirn.
ich hab' dann nicht mehr hingeguckt,
nur in die hände reingespuckt,
mich zugeklappt.
ist alles wieder eingeschnappt.
jetzt weiß ich, wie es innen ist.
im grunde hab' ich nichts vermisst.

sein kaffee war stürmisch gerührt
er hatte den ostwind gespürt
sein blick schweifte übers einsame land
nichts weiter als weißer und feiner sand
er dachte in diesem stillen moment
was wohl wasser und reichlich zement
hier bewirken würden?
jenseits behördlicher hürden!
der ostwind war merklich berührt
er hatte die große idee in den wolken gespürt.


es war kurz vor dem ende des gefechts:
die salatschüssel kippte nach rechts.
der general hielt's für günstiges zeichen:
der feind wird weichen, ja, muss weichen!
die schlacht war ein dekabel.
so vergaß man das salatschüsselorakel

alle gedichte Herrn Win gewidmet 2009





Georg Krakl und Günter Krass - MENSCH

Das Fundamensch
allen Übels steckt im
Wort.
Günter Krass

Die Erde ist nicht leer,
wenn der Mensch nicht wär.
Georg Krakl

Peter Alexander - Die kleine Kneipe

Nicht veröffentlichte Textzeilen:
Die kleine Kneipe an unserer Ecke,
wo ich am Alkohol langsam verrecke,....

Moppe saß an der Theke, Bolle hatte sein Portemonnaie zerrissen, mittendurch, ein Zwanziger war dabei draufgegangen, den konnte man kleben, Pils und Korn von vorn, kippen nicht nippen, schlucken nicht gucken, das war die Aufgabe, warum hätte Moppe sonst hier sein sollen, Erna hinter der Theke sah verlebt aus, hatte aber immer noch einen schönen Körper, von dem träumte Moppe, wenn er kotzte, und dass Erna ihm den Kopf hielt, sie schob jetzt das nächste Pils rüber und ließ die Pulle Klaren noch mal durch den Ausgießer gluckern, so als erwarte sie von ihm, dass er sich sternhabgelvoll soff, damit sie ihm endlich beim Kotzen später den Kopf halten könnte. Bolle war auf dem Klo, und kam nicht wieder. Der erledigte seine Körperreinigung scheinbar vor Ort, fuhr mal wieder Einerbob. Bolle würde zahlen heute Abend, denn er hatte Moppes letzten Zwanziger zerrissen, den würde man vielleicht kleben können, oder zur Kasse bringen, vielleicht nahm ihn  Erna auch so und würde ihn selber kleben. Erna, was für ein Scheißnahme für eine junge Frau, die verlebt aussah, aber so schön war, dass man sich wünschte, sie würde beim Kotzen den Kopf halten, wie damals die Mutter, wenn er sich den Magen verdorben hatte. Erna. Er würde in ihre Bluse schielen, wenn er den Kopf hob. Erna schob noch ein Pils rüber, Moppe musste sich dranhalten, das letzte war noch nicht ganz leer, da kam Bolle und wischte sich den Mund. Die kleine Kneipe. Das war Heimat. Hier konnte man sich besaufen ohne Reue, weil man dafür zahlte. Aber man zahlte schließlich für alles im Leben. Hahaha, nicht mal der Tod ist umsonst, hatte Tante Trude immer gesagt, der  kostet nämlich das Leben. Und dann hatte sie gelacht.





Sprechschule

Nach der letzten Übung "Ist denn dann der doofe (alternativ: dicke, dünne, dolle, daffe) Dieter da?" heute eine Frage, die jedermann (-frau, -mensch) nützlich sein kann:
Wenn denn dann, dann wann denn und dann wo?
In der Regel darf man keine Antwort erwarten, weil die Frage laut afrikanischen Studien von 90% der nicht deutschsprechenden Bevölkerung ohne Migrationshintergrund nicht verstanden wird.

Notaufnahme

Gestern mal wieder in der Notaufnahme, als Angehöriger. Wir drücken den grün-leuchtenden Türöffner, um die  von zwei Damen besetzte Anmeldekabine zu betreten. Die Tür öffnet sich nicht. Abstand halten! steht auf einem Schild und Warten, bis sie hereingebeten werden! Oder so ähnlich.
Ich überlege, wie ich deutlich mache, dass ich eintreten möchte, und ziehe mein Ich-möchte-eintreten-aber die Tür-geht-nicht-auf-Gesicht auf. Innen wird ein Knopf gedrückt und das Sesam öffnet sich. Mein Gesicht hat gewirkt.
Wir wollten fragen, wo sich Frau nennen wir sie Henningmeier befindet.
Ich schaue mal, setzen Sie sich ruhig.
Wir setzen uns vor die Glasschiebetür und warten. Die Dame kehrt zurück, ist betriebsam und hat scheinbar Schichtwechsel, packt ihre Sachen und verschwindet in der Raucherzone oder im Sozialraum, kehrt kurz darauf mit einem Rucksack zurück, geht an uns vorbei. Sagt aber nichts. Aha. Sie hat geschaut, aber nicht versprochen etwas zu sagen.
Vorher hatte sie die Anmeldung an die Kollegin übergeben, die nach eigener Aussage "pünktlich" war und auf ihre Armbanduhr deutete. Wir starren auf den grün-leuchtenden Türöffner, und welche Funktion er hat. Vielleicht die, den Insassen in der Anmeldekabine die Gelegenheit zu geben: Warten Sie bitte, bis Sie hereingebeten werden! zu sagen.
Die neue Kollegin kramt etwas in den Unterlagen herum. Schiebt etwas von links nach rechts und auf die Bank.
Wir warten, aber es passiert nichts. Der leuchtend-grüne Türöffner leuchtet immer noch grün.Vielleicht hat sie die Notiz nicht entdeckt, auf der steht: Nach Frau Henningmeier schauen.
Ich gehe doch auf Nummer Sicher, man weiß nie, wie qualifiziert Menschen an der Anmeldung sind und wie sie die Botschaft auf dem möglicherweise vorhandenen Notizzettel interpretieren. Ich frage noch einmal: Wir würden gern wissen, wo sich Frau Henningmeier befindet.
Bleiben Sie ruhig sitzen, ich habe Sie im Blick.
Aha, sie weiß schon, dass wir warten. Allerdings warten hier alle. Worin unterscheiden wir uns von den anderen?
Wir sitzen genau gegenüber der Anmeldekabine, da hat sie uns gut im Blick. Zwischendurch fixiere ich sie, damit sie Blickkontakt aufnehmen kann. Ihr Blick schweift umher.
Plötzlich tritt eine Dame aus dem Raum neben der Anmeldekabine heraus: Gehen Sie bitte hinter die Glaswand, damit der Platz für die Anmeldung frei bleibt.
Die Glaswand ist mit Streifen blickdicht gemacht worden.
Wie will uns Dame 1 im Blick behalten, wenn sie uns nicht sieht?
Bevor wir in den Warteglaskasten gehen, äußert sich Dame 1: Wie war noch mal der Name? Hülsmann? Hülsenfrucht wollen wir antworten, aber der Ernst der Lage lässt das nicht zu. Henningmeier. Frau. Ah, genau. Die ist noch in der Diagnostik. Sie werden aufgerufen. Ich habe das im Blick.
Wir setzen uns. Hier gibt es Wasser und Becher. Hier kann man in alten Prospekten und Zeitungen wie Bunte, Gala und OK blättern. Das kann man nicht lange aushalten.
Ich stehen auf und wandere auf und ab, den Gang entlang zurück, blicke in die Anmeldekabine, um im Blick zu bleiben. Wir warten. Nach drei Stunden dreißig wiederhole ich die Im-Blick-bleiben-Aktion.
Es kommt etwas Leben in Dame 1: Ah, Sie habe ich doch schon mal gesehen. Etwas mit Hülse. Sie warten hier? Nein, will ich  lieber antworten, ich blättere hier täglich in den abgelegten Zeitungen, besonders die aufgespritzten Frauen in OK und Gala und in der Bunten interessieren mich. Haben Sie einen Spiegel da? Ich lasse es lieber.
Dame 1 blättert in den Unterlagen und schreibt einen Zettel: K02. Wissen Sie wo das ist? Sie bringt mich in die lange Gasse. Immer gerade aus, dann rechts, dann links, dann sind die da, melden Sie sich an der Anmeldung. Wie lange ist Fraiu Henningmeier schon dort?, frage ich, um heruaszuhören, wie lange ich grundlos gewartet habe. Dame 1 überhört diese Frage auffällig, aber ich frage nicht noch mal nach.
Ich denke ein letztes Mal über den leuchtend-grünen Türöffner nach, der keiner ist, der aber auch rot kann. Und dann ist die Tür richtig zu. Vielleicht gibt es an der nächsten Anmeldung keine Tür und auch keinen grün-leuchtenden Knopf. Und: Hoffentlich vergesse ich bei der nächsten Bahnfahrt nicht, den grün-leuchtenden Knopf zu drücken, um auszusteigen.
Auf dem Weg durch die lange Gasse denke ich: Es könnte lustig sein, wenn es nicht traurig wäre.

Georg Krakl - Gedicht mit Schleim drin

Wenn die Schnecke unterm Körper reichlich Schleim hat,
entwickelt sie ein Wohlgefühl von Heimat.

Auch der Vers, der einen Reim,
und das Korn, das einen Keim,
und der Alte, der ein Heim,
ja, der Populist, der seinen Leim hat,
alles Heimat.






Kinder-Andi macht

Bundesverkehrtminister Andreas Scheuer, genannt Andi B.Scheuert, moniert, dass der Titel "Kinder-Andi macht..." von Herbert Gröhlemeyer nicht ihn meine, sondern Kinder gemeint seien, die die Regierung, weil ihr IQ höher anzusetzen sei, die Macht übernehmen sollten. Kinder-Andi macht - das sei absurd, denn er mache ja nichts. Und Kinder an die Macht! zu grölen sei eine Provokation.
So ist alles wieder im Lot. Andreas Scheuer macht nichts, was ja besser ist, als wenn er etwas macht. Und Kinder an die Macht zu singen, ist nach wie vor eine Provokation. Macht ja nix.

Anmerkung der Redaktion: Der Konjunktiv I war dem Minister nicht bekannt. Seine irgendwie direkte Rede("Ich bin doch nicht B.Scheuert!") wurde aus redaktionellen Gründen in den Konjunktiv I, also die indirekte Rede übertragen.

Hunde und Windelsäcke

Liebes Tagebuch!
Heute morgen bin ich mit dem Auto unterwegs gewesen und an einer recht belebten Straße sehe ich einen mittelgroßen, braunen Hund und sein Herrchen, das diesen an der Leine herumführt, bzw. versucht, sich von seinem Hund nicht herumführen oder -zerren zu lassen.
Zwischen den beiden, die wohl zu einer Runde Gassigehen aufgebrochen sind und die dem Hund die Möglichkeit zur Blasen- und Darmentleerung geben soll und dem Herrchen wohl als Bewegungsprogramm zur Erhaltung der Lebensqualität dient, gemäß dem Motto "Gegen Morbidität und Mortalität", liegt ein rosafarbener Sack, in dem sich normalerweise, wie auch an diesem Vormittag, Kinderwindeln befinden, den die Müllabfuhr mit einem Sonderkommando später zusammen mit allen anderen rosa Säcken am Wegesrand beseitigen wird.
Der Hund nun springt und hüpft förmlich um den Sack herum, wedelt mit dem Schwanz und versucht, die Nase in das Plastikzeug zu stecken, vielleicht weil der den Geruch von Bübchen Kinderhinterncreme und den plattgewalzten oder -gesessenen Verdauungsergebnissen liebt, vielleicht aber auch in den Hinterlassenschaften seinen geliebten oder verhassten Spielkameraden wiederkennt, der nicht einmal ein Spiel richtig beherrscht, sondern ihm ständig in die feuchte Nase greift, weil er das lustig findet.
Scheiße, denke ich, was ist mit Deutschlands Hunden los? Und mir fällt sofort dieser altbekannte Filmtitel "Hunde wollt ihr ewig bellen?"ein, der so oder so ähnlich lautete, denn der Hund hüpft nicht nur, sondern bellt auch noch. Der Hund ist aus dem Häuschen, im übertragenen Sinn, realiter sowieso, denn er wird ja Gassi gegangen.
Was mag ein Tier an Kinderkacke finden?
Da ich mit etwa 60 Stundenkilometern unterwegs bin, liegt die Szene schnell hinter mir. Als ich zu Hause ankomme, rufe ich über die Tagesschau-App die neusten Meldungen auf und ich werde informiert, dass Björn Höcke per Gerichtsentscheid "Faschist" genannt werden darf. Mich wundert kurz, dass solche ein Frage überhaupt im Raum gestanden hat. Jemand, der sich faschistische  Ziele zueigen gemacht hat, wird wohl Faschist genannt werden dürfen, genau wie jemand, der demokratische Ziele hat, Demokrat genannt werden kann, ohne dass er sich gleich beleidigt fühlt.
Beim Wort Faschist muss ich unwillkürlich an die Kinderkacke in den rosa Beuteln denken, vor der ein mittelgroßer, brauner, deutscher Hund aus dem Häuschen ist und sein Herrchen ihn nicht korrigierend an die Leine nimmt. Wie lange willst du bellen, Hund?, variiere ich den Filmtitel und erkenne, dass alles zusammenhängt: braun, deutsch, Kinderkacke, Faschist, bellen, nicht korrigiert werden, Höcke, Sonderkommando der Müllabfuhr. Nur das Rosa passt nicht in die Reihe.
Der Hund ist ein Herrentier, denn er hat ein Herrchen. Das Herrchen ist umweltbewusst und benutzt einen schwarzen Kotbeutel, um die Hinterlassenschaft des Hundes, der durch die Aufregung, die der rosa Sack verursacht hat, forciert verdaut. Schwarz ist die Farbe der Faschisten. Schwarz ist keine Farbe. Schwarz gibt es nicht in der Natur, wie unser Kunstlehrer immer zu sagen geruhte. Geglaubt habe ich ihm das damals schon nicht.
Ich entscheide, mich noch einmal aufs Ohr zu legen und das Erlebte ganz kurz zu überschlafen.
Melde mich morgen wieder!
Bis dahin,
dein Tonne

Rückblick Oktober 2016: Oktoberfest in Weserstadt

Auf einem der großen Kostümfeste in Weserstadt war man es leid, wie die Bayern rumzueiern, sprich ausländerfeindlich zu sein, schließlich hat man nichts gegen Ausländer, wenn sie denn arbeiten und den Deutschen nicht das Hartz 4 vom Butterbrot kratzen. Das Motto hieß deshalb in diesem Jahr nicht "Saufen und in Blusen glotzen bis wir kotzen", sondern "Nichts gegen farbige Negative - Wir sind nach oben offen!" Man goss unter diesem Leitspruch das teure Bier  in den nach oben offenen Hals und mancher erinnerte sich an der Zeltaußenwand doch noch an den Vorjahresspruch und gab alles, bis der Magen leer war.
Verkleidet hatte man sich so, dass alles irgendwie   Negativ wirkte, also wie die Vorlage für das Farbfoto damals, als es noch richtige Filme gab, die man unterbelichten konnte.
Trotz allem wurden in diesem Jahr  wieder Preise vergeben: Mandy erhielt den ersten Preis für "Diemaßlangefestandasholzvorderhüttendrückenbisnichtmehrgeht", Nancy für "AuchmitBrilletrotzdemdoofkuckenkönnen", Mary für "MitoffenerBluseeinfachdummherumstehenundnichtsmachern", Natalie für "BeidiesenPreisenblödeübereinemmaßkruggrinsenundsichauchnochanfassenlassen". Die Preise für "DanebenstehenundaufFraumachenobwohleineLederhosetragend" gingen an Brett und Pit von der Selbsthilfegruppe für Unantastbare.

Der weise Mann sagt: Werde der du bist!

Werde, der du bist! Was für ein Unsinn, denkt der hungrige Mensch an der Imbissbude und schiebt sich dabei eine gebratene Wurst in Mund. Mit vollem Mund denkt man nicht, denkt der Esser und will der unbequemen Aufforderung entkommen, schafft aber ein weiteres Pradoxon, denn wenn man denkt, dass man nichts denkt, denkt man ja schon, und das muss auch der Wurstfreund verstehen.
Wie soll ich werden, was ich schon bin? Diese Frage drängt sich auf, denn ein Paradoxon, ein Satz mit widersprüchlichen Aussagen, sprengt den Schädel, der unter dem wurstzermalmenden Kiefergeräusch nicht zur Ruhe kommen kann.
Der Mensch ist, was er isst.
Das hat der Philosoph Feuerbach formuliert und wir alle wissen, dass Philosophen recht haben, auch wenn man nicht immer versteht, was sie damit meinen. Helmut Kohl wird wohl reichlich Kohl gegessen haben, denn er hat viel Kappes erzählt. Entscheidend ist - ein Satz von Kohl - was hinten rauskommt. Damit wären wir wieder bei der Wurst.
Du Hanswurst!, hatte Tilde immer zu Görg gesagt, und der hatte sich beleidigt gefühlt, gedemütigt und auf alle Emanzen geschimpft. Alle Emanzen sind Schranzen!, hatte er gelauthalst, ohne zu wissen, was denn Schranzen wirklich sind.
Die Wurst konnte er sich vorstellen, die innere Wurst, die, mit der er immer im Clinch lag.
Es fiel ihm ein Buch in die Hand, das Hilfe sein wollte: Die Versöhnung mit der Inneren Wurst, und Görg wusste: Ich bin nicht allein. Und wenn die Welt auch unterginge, und wenn ich auch der letzte Mensch wäre, so hätte ich immer noch meine Innere Wurst, die, von der Tilde wohl  gesprochen haben musste.
Wenn denn im Inneren die Wurst saß, dann galt es endlich als erwachsener Mensch, der sich ent-wickelt hat, diese Wurst nicht nur herauszuholen, sondern vielmehr das zu werden, was Görg immer schon war, eine Wurst nämlich.
Lass die Wurst heraus! Dieser Appell reicht nicht, um das Problem zu lösen, um in Harmonie mit dem Universum zu leben. Werde Wurst, werde die Wurst, werde deine Wurst, sei Wurst! Dieser Vier-Schritt zur Glückseligt, zur Erfüllung war ein Muss, so wie sich der Schmetterling von der Puppe befreit, um zu vollkommener Schönheit und Anmut zu gelangen.
Görg hatte den Schritt gewagt. Tilde saß heulend im Sofa, weil sie die Welt nicht mehr verstand. Görg hatte plötzlich Widerworte gesagt, es sei ihm Wurscht, hatte seinen Rucksack gepackt und war gegangen. Zu Willis Imbiss!, hatte er in den Flur gerufen. Da nimmt man mich ernst!
Wer ist denn jetzt Ernst?, hatte Tilde gerufen, aber da war Görg schon außer Hörweite.
Und heute steht Görg vor Willis Imbissbude, hat einen Job, in dem endlich Mindestlohn gezahlt wird, und betrachtet die Welt aus dem zarten Eigendarm heraus. Sein Gesichtsausdruck verrät, dass Görg glücklich ist.
Ob du Wurst bist oder Huhn, oder Ziege oder Schwein, Kuchen oder Sahneschnitte, Hahn oder Mist, aif dem er kräht: lass es raus und werde, was du bist!

Thomas Mahn - Der Tod in Venedig

Gustav Aschenbecher. Von Aschenbecher wohl besser. Der Tod kramte seinen Zettel hervor und grummelte unwillig vor sich hin. Er hasste Venedig. Eine Stadt, die stank. Auf diesem Gestank schipperten geldgierige Gondolieri und nahmen Touristen aus. Die Modelle ihrer Boote waren üppig galvanisiert in Andenkenläden für teures Geld zu erwerben. Überall schreiende Gruppenführer die in babylonischer Sprachverwirrung ihre Nachläufer zusammenhalten wollten. Sie schenkten Fähnchen oder Wimpel, trugen bunte Mützen, die auch die Unfolgsamen trugen, um sich als Gruppe zu erkennen zu geben. Etikettierung. Kackende Tauben. Taube kackende Ratten, die an den Kanälen entlang glitten und Säuglinge anknabberten, weil sie es konnten. Widerlich. Dogen und Drogen und seufzende Brücken. Und jetzt Aschenbecher. Von Aschenbecher. Gustav von Aschenbecher. Abzuholen bis nächsten Donnerstag. Das war heute. Gustav. Lächerlich. Wer hieß denn heute noch Gustav? Gustav Gans. Wie hatte der gezetert, geschnattert, gequakt, als er mitkommen sollte. Hatte beteuert, er sei gar kein lebendes Wesen, sondern lediglich eine Zeichnung. Wie vielfältig und doch oft einfältig waren die Ausreden, wenn es Zeit wurde, mitzugehen.
Tod zu sein war sterbenslangweilig. Tot zu sein, war das Ziel. Alle wollten sich lieber auf dem Weg dahin verirren.
Der Tod hatte geklingelt. Eine Art Concièrge hatte geöffnet und verlauten lassen, dieser besagte Gustav von Aschenbecher sei bereits tot. Seit drei Tagen. Er habe sich allerdings Ascher genannt. Der Concièrge redete noch von den Gewohnheiten besagten Aschers und dass dieser häufig voll gewesen sei, weil er es den Kanälen habe gleichtun wollen.
Der Tod hörte nicht mehr zu. Da hatte der Kollege in seinem Revier gewildert, oder wie man besser sagte, hatte in seinem Bezirk die Arbeit übernommen, oder sie ihm auch abgenommen. Weggenommen. Tausend Tode. Man konnte mit tausend Toden sterben. Danke. Der Tod knirschte mit den bleichen Zähnen. Wie hasste er diesen Job. Wenn er nicht schon tot wäre, hätte er es jetzt endlich sein mögen. Aber man kann nicht werden, was man schon ist. Westliche Weisheit. Gondoliere!, rief der Tod laut. Einer würde zahlen müssen. Denn einer musste immer bezahlen. Gondoliere!, wiederholte der Tod energischer.
Vielleicht würde die Welt dadurch ein wenig leiser und ein wenig schöner werden. Gustav von Aschenbecher. Ein Name, wie er im Buche stand. Vergangenheit.

James Grüss - Der Flamingo

Oh, oh, oh, kukkt mal da!, schreit der kleine Beppo. Ein Flamingo mit einem blauen Flügel!
Oppa knurrt: Udo Jürgens hatte einen gläsernen Flügel, auf dem konnte der wenigstens spielen.
Oppa, sei mal ruhig, zischt die Mutti, lass das Kind mal, der Beppo will die Welt entdecken. Da darfsta du ihn jetzt nicht...
So'n Quatsch, haut Oppa dazwischen. Der Beppo hat die Welt schon längst  entdeckt. Der weiß sogar schon, was ein Flamingo ist. Das kannst du wahrscheinlich noch nicht mal schreiben.
Selber!, kontert die Mutti und Tante Herta fragt blöd: Ist Flamingo nicht ein Tanz aus Spanien, wo die Tänzerin mit den Fingern klappert, ein Gitarrist auf den Saiten schrabbelt und dabei so eine Art Wolfsgeheul ausscheidet?
Ausstößt, Herta!, sagt die Mutti. Geheul kann man nicht ausscheiden.
So ein Scheiß, grunzt Tante Herta.
Eben, sagt die Mutti, das kann man ausscheiden.
Omma ruft: Alle mal hersehen! Der Flamingo da schläft auf einem Bein! Da, der Flamingo mit dem blauen Flügel.
Dass das nicht der Udo Jürgens ist, ist mir auch klar, wettert Oppa.
Auf einem Bein schlafen?, fragt Tante Herta dazwischen, nee, das kann ich nicht. Da kippe ich ja immer um.
Wovon ist der überhaupt müde?, fragt Oppa, der tut doch nichts, steht den ganzen Tag in der Gegend rum. Das macht doch nicht müde.
Doch, sagt Omma, kukk mal die Merkel, wenn die länger rumsteht und nichts tut, dann fängt die an zu zittern.
Müde ist was anderes, sage ich, sagt Oppa.
Warum hat der denn einen blauen Flügel, fragt die Mutti.
Gläsern, nicht blau, antwortet Oppa.
Ach, mit euch kann man nicht mal in den Zoo gehen, zischt die Mutti ärgerlich.
Dann bleib doch hier, schlägt Oppa vor.
Wo ist denn Beppo überhaupt? Beppo! Beppo! Hier ist ein Flamingo mit einem blauen Flügel und der heißt Udo!
Beppo ist mittlerweile bei den Affen. Da ist es viel lustiger.

Neues Finanzmodell: Divi-Dandy/Dividendi

Der Erfinder der Merz-Spezialdragees zur Verschleierung von Finanztransaktionen, Friedensreich Merz, gleichzeitig Berater der NRW-CDU/FDP-Regierung zum Brexit, hat ein neues Geschäftsmodell vorgeschlagen, wie man geschickt an das Geld anderer Leute kommen kann: DIVIDENDI.
Es würde hier dem neuen Geschlecht "divers" Rechnung getragen, es suggeriere Reichtum für alle, besonders aber für die, die anders als Merz und die CDU seien, und verspreche irgendwie "Ausschüttungen", also, dass das Geld auch "in die Hand zu nehmen" sei, und damit anfassbar, begreifbar werde.
Das Wort DIVIDENDI sei eine Zusammenführung von "Dividende" und "Dandy". Der Dandy habe ja immer schon als etwas tuntenhaft gegolten, so der Versprecher der Landesregierung NRW. Aber Gespräche mit Finanzminister Lienenkrämper habe es sowieso nicht gegeben, höchsten ein paar Altherrenwitze seien bei Wein und guten Zigarren ausgetauscht worden.  Wie das eben so sei in der Politik.

Georg Krakl - Gedanken eines Ballfreundes

O, Freund, der Mensch ist nur ein Tor,
durch das man irgendwie nicht gehen kann,
das man jedoch mal schießen könnte,
wenn denn der Libero den Ball mir gönnte,
sodass ich nicht nur könnte, sondern kann.
Ein schöner Schuss, doch widersetzt sich kurz davor
des Fußes Willenlosigkeit,
der Schuh so breit,
dann auch des Trainers Pfiff
Gehorsam fordernd,
ich schwanke wie auf einem Schiff,
das in der Brandung kämpft ums Obenbleiben,
wie jeder Ballverein es tut.
Mir fehlt der Mut,
ich zögere und zweifle, scharre mit dem Fuß im Gras.
Da stürmt der Gegner, nimmt den Ball mir von der Picke,
im Hintergrund skandiert der gegnerische Männerchor mit Quotenzicke,
und ich stutze
und benutze
meine Hand, den Mann zu halten,
der Piepenkerl lässt keine Gnade walten,
pfeift.
Ich muss den Ball dem Feinde geben,
ich wollte ihn ganz sanft in jenen Tor reinheben,
oder heißt es jenes wegen dem Artikel,
oder des von wegen Genitiv,
der Piepenkerl hat mich am Wickel,
der Trainer, der mich rief,
hat das jetzt auch.
Ich stehe auf dem Schlauch,
beziehungsweise meinen Stollen,
und es wächst in mir der Wunsch zu schmollen.
Des Gegners Schuss
ist kein Genuss,
der Ball prallt vor die Stirn,
erschüttert mein Gehirn.

Und dann der einfache Gedanke,
dem Denken jetzt entrissen seine Schranke.

O Freund, der Mensch ist nur ein Tor,
das ich nicht schießen kann.
Ich lass es sein
und wiege mich im schönen Schein:
Ein Tor,
nicht nur dahinter, auch davor.
Zum Sehen
und zum Rein- und Durch-Es-Gehen.




Georg Krakl - Herbst und Samstag /Gedicht mit Seife drin

Gerhard Richtig - Badetag (Samstag vor 8 Tagen) (2019)
O Herbst, du Zeit der Reife,
wie der Samstag: Tag der Seife,
Tag des Wassers, Tag der Wanne.
50 Grad und volle Kanne
auf den Körper, auf den Kopf,
auf die Füße, auf den Zopf.
O Herbst, du bleibst wie immer unbenetzt.
Wir baden irgendwie gehetzt,
der Nächste wartet schon,
und nach dem Vater kommt der Sohn
und dann die Mutter,
die Tochter war vorm Vater schon als Erste dran,
weil sie so sauber und so rein,
das Wasser kann es nicht mehr sein.
O Herbst, du Zeit der Reife,
gib jedem seine eig'ne Seife,
eine saubre Wanne
und die eigne Kanne
voll des frischen Wassers auf den Körper und den Kopf,
auf die Füße auf den Zopf.
So bleibt die Mutter jetzt
vom Schmutz der Tochter und des Mannes und des Sohnes unbenetzt.

O Samstag, Zeit der Seife!
O dass der Vorschlag in den Köpfen reife!

Georg Krakl - Gedicht mit tat und tut

Günter Krass - Ach, Herr Kaplan!
Der Kaplan
hat einen neuen Klapphahn.
Für den musst' er berappen.
Das tat auch ganz gut klappen.
Doch wegen Zölibat und Nichtankommen in den Himmeln
tut der Klapphahn jetzt verschimmeln.


(Herr Kaplan,
was habe ich getan?!
Der neue Klapphahn
fühlt sich schlapp an.)

Hörfehler der Woche: ....zum Darmload

Irgendwie hatte ich mal wieder nicht richtig hingehört, hatte ein paar Nachrichten wahrgenommen, von der Leyen ist plötzlich EU-Kommissionspräsidentin ohne gewählt worden zu sein, jetzt kann sie Geld auch EU-weit verbrennen, denke ich, und die ganzen Buddies, diese vielen Berater, was wird aus denen, müssen die sich jetzt endlich Arbeit suchen, oder übernimmt sie die Karrenbauer, und dann die Fucking Gorch, was wird aus dem Vorzeigeschiff der Marine, ja, macht ein U-Boot draus, denke ich, zwei Löcher reinbohren und tieferlegen! Dann die Föcking Schulze und ihre internetuntaugliche Schwiegermutter, die zwischen Frikadellen und Hackern nicht unterscheiden kann. Was machen die Schweine bei denen im Stall? Fressen die sich Ohren gegenseitig ab, oder kann man die noch ins Ohrenfresserland schicken, um eine am Hungertuch nagende Familie zu ernähren? Neuer VW-Skandal, alter Audi-Skandal, und Mercedes dazu und die ganze Bagage, die nur den Profit im Auge hat und sich den Fortschritt gegenseitig ausredet, und wenn Fortschritt, dann zur Seite in die eigene Tasche, symbolisch gesehen. Undsoweiterundsoweiter, dann aus aller Welt und was weiß ich woher, das Ganze noch auf Ausländisch. Verdammte Scheiße, denke ich, und mit diesem Gedanken kommt die Ansage im Radio: Diesen Beitrag gibt es auch als Darmload.
Darmload, denke ich, das ist ja was ganz Neues, das heißt doch, der Bürger schluckt erst mal die täglichen Kröten, dann muss er die verdauen und damit hätte er den Darmload schon gestartet. Und entscheidend ist, was hinten rauskommt, wie schon Helmut Kohl nach etlichen Saumägen zu salbadern wusste.
Am Endes Tages, bzw. des Darmes sind wir dann wieder am Anfang. Nachladen.
Bevor ich mich darüber aufregen kann, dass durch einen Darmload dem Bürger suggeriert wird, er selber sei für die ganze Scheiße verantworlich, klärt mein Hirn auf: Download war gemeint.
Download. Schade, eigentlich, war eigentlich auch ganz schön, mal kurz verantwortlich zu sein, da hätte man noch was machen können...
Aber mit einem Download bleibt alles wie es ist. Das macht mich dann richtig down.
Danke, liebe Ohren, für einen Moment des Aufhorchens! Auch wenn's völliger Blödsinn war, den ihr da durchgelassen habt.

Papst Sieger im Schnickschnackschnuck?





Alle Deutschen sollen Katholiken werden, war der vielleicht nicht ernst gemeinte Vorschlag Angela Merkels beim letzten Kaffeetrinken mit dem Papst, als es nichts mehr zu erzählen gab.
Der Papst war darüber wenig "rallegrato", was "erfreut" bedeutet. Man habe schon genügend Probleme mit den augenblicklich in der katholischen Kirche befindlichen Gläubigen, da könne man, Kirchensteuer hin und her, nicht noch weitere gebrauchen.
Auch könne man dann nicht mehr auf den Protestanten herum hacken, weil es die nicht mehr gäbe.
Merkel, die aus dem atheistischen Osten stammt, schlug vor, eine Runde Schnickschnackschnuck zu spielen, um diese Frage wenigstens zielorientiert und abschließend zu beantworten.
Beide Patriarchen erweiterten schnell das Repertoire an Handstellungen, um die Gewinnchancen zu optimieren.
Pistole vor Mittelfinger!, juchzte Merkel und freute sich schon, dass demnächst alle Deutschen Katholiken werden würden.
Gar nicht!, konterte der Papst, das Zeichen bedeutet Hase mit drei Ohren! Eine Pistole kann immer nur eins wegschießen. Der Punkt geht an mich. Alle Katholiken sollen Deutsche bleiben! Das ist ein super Kompromiss!

Beim Likörchen beschloss man, die endgültige Entscheidung auf das nächste Kaffeetrinken zu verschieben, weil man ja sonst auch keinen Gründe hätte, sich noch einmal zu treffen.
So gut sei der vatikanische Kaffee nicht gewesen, habe Merkel laut unsicheren Quellen nach dem Treffen konstatiert.

Neulich im Lidl

Liebes Tagebuch!
Mit einem fröhlichen Liedl auf den Lippen und ruckbesackt schritt ich kürzlich zügig in den neuen Lidlmarkt, der ein umfangreicheres Warenangebot versprach und das ich erkunden wollte. Beim Eintreten dachte ich kurz über das missratene Wortspiel - ein  Liedl auf den Lippen in den Lidl- nach und widmete mich dann dem Warenangebot, das sich aber nicht sonderlich vom üblichen unterschied. Ich räumte einen Beutel Möhren, zwei Bio-Paprika und eine Dose Hautcreme aus den Regalen in meinen Transportbeutel und stellte mich an der Kasse in die Schlange, eigentlich ans Ende der Schlange, als eine Verkäuferin fröhlich winkte und darum bat, sich an Kasse 5 einzufinden und dort die Waren auf das Transportband zu legen.
Ich leerte meinen Beutel und ließ die Dame eine Rechnung aufstellen, die ich anstandslos bezahlen wollte.
Vor dem Nennen der Endsumme fragte sie: Darf ich mal in Ihren Rucksack sehen?
Gleichsam wie konditioniert schoss es mir heraus: Nö.
Die Dame wirkte ein wenig irritiert, so als habe sie etwas anderes erwartet, denn sonst hätte sie ja nicht gefragt.

Sie wissen, dass das nicht erlaubt ist?, fragte ich nun meinerseits die Kassiererin.

Neinnein, kein Problem, das ist nur freiwillig, das war ja auch nur eine Frage, versuchte sie zu beschwichtigen.

Wenn es Sie interessiert, dürfen Sie gerne reinschauen, wenn ihnen dann wohler ist, versuchte ich die nun Verunsicherte weiter zu verunsichern.

Neinnein, schon gut, das ist nicht nötig, hätte ja sein können, dass Ihnen das nichts ausmacht. Die Dame wird kleiner hinter dem Transportband und die Angelegenheit wird ihr zunehmend peinlicher.

Hat ihr Chef Sie angewiesen, Taschen zu kontrollieren?, will ich wissen.

Neinneinnein, schon gut, ich will Ihnen jetzt nicht den Tag verderben, alles gut.

Selbst wenn ein Tatverdacht besteht, darf nur die Polizei einen Blick in meinen Rucksack werfen!, kehre ich den Volljuristen raus, der ich gar nicht bin, und ich frage mich, ob ein Vollhorst von Ladendetektiv eine ungeschickte Handbewegung meinerseits als Ladendiebstahl diagnostiziert hat.
Sagen Sie Ihrem Chef, dass das gegen bestehende Gesetze verstößt, setze ich nach; die Frau windet sich auf dem Kassierstuhl.

Neinneinnein, ich würde Ihnen ja sonst unterstellen, dass Sie etwas gestohlen hätten, versucht die Frau weiter zu beschwichtigen.
Die Kunden in der Restschlange grunzen leise, amüsiert, aber auch beunruhigt.

Wenn Sie mir nichts unterstellen, warum wollen Sie dann in meinen Rucksack sehen?,frage ich.

Könnte ich dann mal einen Blick in Ihre Handtasche werfen? Nur mal so, oft lässt der Inhalt der Handtasche ja auf die Persönlichkeitsstruktur schließen.
Die zwingende Logik der Fragen wird mir erst zu Hause klar und ich vergesse sie zu stellen.

Na, dann noch einen schönen Tag!, quetsche ich mir durch die Zähne.

Jajajaja, Ihnen auch und nichts für ungut, schönen Tag, auf jeden Fall.

Ich schreite zu meinem Fahrrad und überlege, ob ich dieses Vorgehen oder Vergehen  nicht der gesamten Menschheit im Internet melden soll.
Was um Himmels willen hätte ich im Lidl denn klauen können? In diesem verschissenen Niedrigpreisangestelltenausbeutungsladen, der auf Bio macht und seine Kunden für Diebe hält. Das gibt Punktabzug, gewaltig Punktabzug, das ist mir klar, und ich trete massiv in die Pedale. Leider quietschen die Reifen meines Fahrrads nicht. Ich weiß auch noch nicht, wo ich die Punkte abziehen kann, damit Lidl das überhaupt merkt.

Georg Krakl - Flossen

Wassili Kannikski - Wo ist der Fisch? (2019)
Wenn ein Fisch ertrinkt,
dann sinkt
und schließlich, weil er tot ist, stinkt,
dann war's kein Fisch, vielleicht ein Huhn,
weil diese Tiere manchmal tun,
als wären sie des Schwimmens mächtig
und auch des Sinkens
und des Stinkens.

Wohl beim Sterben hört die Täuschung auf,
denn wer tot ist,
bläht und steigt dann an die Wasseroberfläche auf.

Darum hört, Genossen:
Lügen haben kurze Flossen.

Georg Krakl - Auf auf Norderney

Aus einem Troge
aßen wir auf Wangerooge.
Getrennt und einsam klopften wir das Frühstücksei
dann auf auf Norderney.

Also ich
tat so; du warst (erfüllt)
auf Sylt.


Jetzt kommt die Krampenkarre

Angelehnt an die neue Verteidigungsministerin soll der deutsche Panzer jetzt "Krampenkarre" heißen. Das Wort mache die Bundeswehr für junge Menschen attraktiv, da sie es mit eigenem, aber verbotenem Tun verbinde und in Aussicht stelle, in der Armee Ähnliches tun zu dürfen. Selbst Greise erinnern sich gern an das Krampenschießen im Klassenzimmer, wenn man heimlich versuchte, dem ungeliebten Kameraden ein Auge auszuschießen. "Das kann auch mal ins Auge gehen!", predigten die Erwachsenen, "Und dann läuft das aus!" Leider ist das nicht so einfach, einen Volltreffer zu landen. "Wenn hier was ausläuft, dann doch wohl erst mal die Gorch Fock", so AKK 47 , die mit bürgerlichem Namen Kalshinikov-Karrenbauer heißt und für Jahrgang 47 noch prächtig im kniefreien Sommerrock vor den Gewehrpräsentierenden daherschreitet.
Die Wehrexperten, die bei der Postenvergabe leer ausgegangen waren, empfehlen, dass sich das alte Von-der-Leyen-Beraterteam durch gegenseitigen Krampenbeschuss selber dezimiere und somit Kosten spare. "Da müsse man auch mal ein Auge zudrücken, bzw. beide, wenn so ein Berater nicht mehr zu retten sei", so verlaute es aus dem Ministerium, wie unsichere Quellen bestätigen.

Georg Krakl - Spahn im Alter

Am Spahn, der speit,
nagt der Zahn der Zeit.

Georg Krakl - Folge dem Geld! Folge der Macht! Zum 16.7.2019

Bleiben Sie behütet!,
sagt die Führerin der Bundeswehr,
ich sage dann mal tschüss!
Ihre Arbeit wird vergütet,
auch das Tun am Schießgewehr.
Leichen werden eingetütet
und mit Ehren beigesetzt.
Bleiben Sie behütet, besser noch: behelmt am Kopf,
dass Sie keinen auf die Mütze kriegen
und dann blutbeschmiert in einer Pfütze liegen,
später dann im Lazarett
im Bett
am Tropf.
Achten Sie auf Ihren Kopf!
Ich geh nach Europa.
Halt es mit dem Rat von Opa:
Folg' dem Geld und folg' der Macht!
Zahl ein gutes Honorar
an die gierige Beraterschar.
Das Volk will die nicht lieben,
auf die kannst du die Fehler schieben:
Nichts kapiert
und doch kassiert.
Folg' dem Geld! Und folg' der Macht!
Europa, Deutschland: Gute Nacht!

Beraterteam und Waffenbauer
hoffen jetzt auf Annekräht Kramp-Karrenbauer.

Georg Gregorowitsch Krakl - Russland


Mit Kusshand
nehm ich Russland
für ein Kilo Flusssand,
dann sind wir nicht mehr Schlussland!
Sprach der Zar von Ostverdrussland,
und griff sich an der Krone 
Schussrand.
Der redet Stuss fand 
sein Verweser, der Zar, der ist ist nicht ohne.
Den stellen wir vor eine Schusswand.
Und schon
ist Revolution.
Und  nichts mit Russland,
Kusshand
für ein Kilo Flusssand.


Georg Krakl - Willkommen

Willkommen,
all ihr Frommen!
Die andern
sollen weiterwandern.
Oder draußen
bleiben,
Petitionen schreiben,
sich am Drahtzaun reiben.
Draußen,
das ist außen
vor
dem Zaun, der Mauer oder Grenze.

Willkommen,
all ihr Frommen,
hier im Paradiese.
Hinten rechts die Liegewiese.
Da bräunt schon die halbe AfD,
und der Söder liegt daneben, wie er früher schon danebenlag.
Kurz ist im Seniorenbrunnen, Strache ist Toiletten putzen.
Musste deshalb ganz kurz stutzen.

Besser Klos im Himmel schrubben als die Hölle heizen.
nicht mit Scheuermitteln geizen.
Scheuer drückt die Hilfsschulbank,
sei im Kopfe schlicht und krank.
Alles sei vergeben.
Nur nicht sein Verkehrsministerleben.
Für die Sicherheit bemüht sich Horst mit Maaßen,
den wir viel zu schnell vergaßen.
So hat jeder was zu tun,
Eier legt sogar das blinde Huhn.

Müssen denn die Bösen Engel werden,
damit endlich Ruhe ist auf Erden?








Blick in die Zukunft (Aphorismen aus "Aus dem Leben eines Saugesichts" von Joseph von Eichenschorff)

Was gestern noch jung,
ist heute schon alt.
Was heute noch warm,
ist morgen schon kalt.
------

Seit ich nicht mehr höre,
was ich sage,
weiß ich nicht mehr,
was ich denke.

------
So kann die Welt bestehen

Wer liegt,
will nicht sitzen.
Wer nackt ist,
will nicht schwitzen.
Wer sitzt,
will nicht stehen.
Wer steht,
will nicht gehen.

Liegen,
nackig sitzen,
stehen.

Wer so tut,
der bleibt,
wenn auch beleibt,
bevor er sich an ander'n reibt
und schluckt, was ihm der Arzt verschreibt.

So kann die Welt bestehen,
wenn alle liegen, sitzen, nackig schwitzen,
stehen, sich an ander'n reiben, schlucken,
was die Ärzte so verschreiben.Und nicht gehen.
Nicht gehen.
Einfach nicht gehen.



Günter Krass - Ich und die Russen(1)

Mein erster Russe hieß Ilja Rogoff, mit vollständigem Namen Ilja Rogoff Knoblauchpillen 104 Jahre alt.  Einhundertvier Jahre, damals, als ich noch sehr jung war, ein unwahrscheinliches Alter, das man vielleicht durch den Biss eines Vampirs, der ja im Östlichen beheimatet ist, erlangen konnte. Heute ist das schon fast normal, die Medizin schreitet voran, alles ist möglich, die Leute werden steinalt, obwohl sie es gar nicht wollen.
Ilja Rogoff hing an einem Reck im Schaufenster der Löwenapotheke. Da es in einem Apothekenschaufenster eigentlich nichts zur Schau zu stellen gab, was nicht  zu Hause im Regal stand, hatte man ein kleines Reck aufgebaut, den Ilja Rogoff drangehängt und nun hieß es eine Art Umschwung vorzustellen, die wohl demonstrieren sollte, dass der Russe Rogoff zwar 104 Jahre alt war, aber er immer noch in der Lage war, einen Perma-Umschwung hinzulegen, bei dem wir mittelmäßigen, aber jungen Sportler uns die Schultern ausgekugelt hätten. Rogoff aber machte Umschwung um Umschwung, rücksichtslos gegen seine Schultergelenke, so als sei er ferngesteuert durch Knoblauchpillen. Ziemlich schnell erkannte ich aber, dass nicht der Mann sich um die Stange drehte, sondern die Stange mit dem Mann. Seine Hände waren fest mit der Reckstange verbunden, sodass er keine Chance hatte, den ewigen Kreislauf der Sportmaschine zu beenden.
Knoblauchpillen halfen also auch gegen Folter.
Trotz des Wissens, dass hier nicht durch Willenskraft geturnt wurde, war es immer wieder spannend, wenn der dünne Mann sich bis zu einem Art Wendepunkt emporgehievt hatte, und dann plötzlich sein ganzer Bewegungsapparat auf der anderen Seite der Stange runterrasselte. Mit ausgekugelten Schultergelenken natürlich, um dann wieder vor vorn zu beginnen.
Ich lernte damals: Der Russe ist alt, der Russe riecht nach Knoblauch, der Russe macht immer weiter, auch wenn er durchdreht.
Vielleicht war der Russe auch gar kein Russe, sondern ein Bulgare. Das war aber letztlich egal.

Georg Krakl - Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will,
Kann ich nicht in Worte fassen.
Ach, da bin ich lieber still
Und werd‘ es einfach lassen.

Bagdad kommt vor Berlin

Im Nachhinein erklärt US-Außenminister Pompeo die Absage seines geplanten Berlin-Besuchs mit den Tücken des Alphabets. Zu spät habe er bemerkt, dass Bagdad im Alphabet vor Berlin komme. Seine Reisen seien alphabetisch geordnet, um ein neutrales Verfahren ohne Bevorzugungen umzusetzen.
Auch Präsident Donald Truck sei es nicht aufgefallen; der habe sofort verfügt, dass das Alphabet der amerikanischen Computer-Tastatur angepasst werde, da könne man dann immer ablesen, welcher Buchstabe nach welchem kommt; auch der Chinese könne nicht meckern, denn immerhin sei es auch möglich, von oben nach unten oder umgekehrt zu buchstabieren.
Folgt man dem neuen amerikanischen Alphabet, seien vor Berlin noch Zagreb, Xanadu, Chitzen Iza und Vodnjan Ziele, allesamt bedeutende Hauptstädte bedeutender Staaten, die auch ein Anrecht hätten, besucht zu werden.
Kanzlerin Merkel und Außenminister Heiko Maas hatten durch die Absage frei und schauten sich bei Sahneschnittchen und einem Latte macchiato einen Film mit der maasschen Lebensgefährtin Natalie Wörner an, nachdem Maas es abgelehnt hatte, auf Wunsch der Kanzlerin ein paar japanische Heikos zu schreiben.

Gorch Fock soll U-Boot werden

Die Gorch Fock soll zum U-Boot umgebaut werden, so bisher unbeständige Aussagen aus dem Bundesverteidigungsministerium. "Insgesamt die günstigere Variante", so Bundesverteidigungsministerin von der Leyen. Damit sei dann die unleidliche Angelegenheit vom Erdboden bzw. der Meeresoberfläche verschwunden. Die Gorch Fock bestehe ja aus Holz und sei damit umweltverträglich, alle Materialien seien biologisch abbaubar. Einwände von Kritikern, dass man noch kein U-Boot besitze, wenn man ein Schiff versenke, wurden mit dem Hinweis abgeschmettert, dass man sich um neue Berater, die vor allem im Bereich "Geld versenken" Kompetenz auswiesen, bemühe.
Es seien genügend Fehler gemacht worden, es sei bereits viel Geld verbrannt worden, da sei es an der Zeit, für eine abschließende Lösung zu sorgen.
Experten wüssten allerdings noch nicht, wie sie die Gorch Fock dicht bekommen sollen, was eine Grundvoraussetzung für ein U-Boot ist. "Aber im Verteidigungsministerium sind ja auch nicht alle dicht", so eine Expertenmeinung, und die Ministerin habe was am Keks, das sei ja auch familienbedingt.
Personelle Veränderungen seien nicht vorgesehen, so die Ministerin, abgesehen von der Aufstockung des Beraterteams. Man hoffe, dass bis zum Umbau kein Krieg ausbreche; abschließend habe Deutschland aber immerhin ein U-Boot aus Holz, was wegweisend für eine ökologische Kriegsführung sein könnte.


Georg Krakl - Rehe und Krähe

Wenn ich Rehe
sehe,
während ich, was paradox, auf einem Hochsitz stehe,
wünscht' ich, dass ich eine Krähe,
die was krähte und das beste Saatgut säte,
sähe.
Wenn ich keine Rehe
sehe,
während ich, was paradox, auf einem Hochstand sitze,
wünscht' ich, dass ich eine Berberitze,
die was in mein Holz reinritzte,
-ja, vielleicht ein Herz-,
dabei vor Eifer schwitzte,
sähe.
Und nicht immer diese blöde Saatgutkrähe,
die ich tief im Inneren verschmähe.

Ach, ihr Böcke und ihr Ricken,
lass euch hier nicht blicken!




Alte Naive für Dötschland: Impfpflicht

Impflicht
für den Pimpf nicht.

Georg Krakl - Zipfel zu Schwertern!



Weichlich weich,
dann hart und härter,
werden aus den Zipfeln, manchmal gleich
und manchmal später, Schwerter.

Unbeschwert
der Stahl dem Kampf entgegen!
Doch nicht unversehrt
zu bleiben käme ungelegen.

An Erfahrung und Blessuren reichlich reich
wünscht das Schwert, es wäre wieder weich.

Georg Krakl - Möhren und Gurken

Schecksohn Pollack -
Schweiz/Alles nur geklaut (2019)
Auf Föhr, da leben Föhren,
und in meinem Garten Möhren,
und ganz grüne große Gurken.
In der Schweiz, da leben Schwarzgeldschurken.

Auf alle Föhren,
Gurken, Möhren
könnt ich schwören.

Die Schwarzgeldschurken muss ich gottseidank nicht sehen,
weil die Alpen davor stehen.


Treppenstufenkontingent

Beim Treppensteigen gestern dachte ich so bei mir: Gibt es wohl ein lebenszeitliches Treppenstufenkontingent? Sagen wir: 400 000 Stufen rauf, 400 000 runter. Wenn die aufgebraucht sind, ist es aus mit Treppensteigen. Und wer nicht mehr rauf kommt, muss ja auch nicht wieder runter.
Dann dachte ich weiter, ob man Frauen vielleicht zu viele Gefälligkeiten erweist. Müll runterbringen, Kartoffeln hochholen, Wäsche runterbringen, nach dem Waschen wieder raufholen, und vor allem: Dauernd die bestellten Pakete hochholen und hinterher die Rücksendung wieder nach unten bringen. Besonders problematisch ist es, wenn man im  ersten oder zweiten Stock wohnt. Dann kann so ein Kontingent schnell aufgebraucht sein, je nach dem, wie viel die Dame im Internet bestellt. Frauen leben länger, heißt es in  der Statistik und das kann man auch in  der Umgebung beobachten. Wie viele alte Frauen sitzen ohne Partner rum, machen sich aber trotzdem einen schönen Tag mit Kuchenessen und Bustouren zum Spargelessen. So als seien sie ganz froh, dass der Mann viele Stufen für sie gegangen ist und sein  Treppenstufenkontingent schneller verbraucht hat und damit früher aus dem Leben scheiden musste.
Man kann überlegen, der Frau die Bitte, an die Tür zu gehen und nachzusehen, wer da geklingelt habe, abzuschlagen. Vielleicht hätte man mittelfristig eine längere Lebenserwartung. Aber wie reagiert die Frau auf eine abschlägige Antwort? Wohl doch eher mit Unwohlsein und Übellaunigkeit. Das wäre die Hölle für den Treppensteigenverweigerer. In der  Hölle mit erhöhter Lebenserwartung  zu schmoren, das könnte eine Quälerei werden. Dann lieber ein kurzes Leben im Paradies. Obwohl: Treppauf, treppab, treppauf, treppab - So sah das Paradies ja wohl auch nicht aus.
Vielleicht gab es aber auch gar kein Treppenstufenkontingent und meine Sorge war unberechtigt. Ich wurde dann doch in meinen Überlegungen unterbrochen, weil es an der Tür klingelte. Ich bin dann trotz meiner schweren Gedanken die 35 Stufen hinabgestiegen; es war mal wieder DHL mit einem Paket. Es hätte aber auch die Schwiegermutter sein können, und die wartete nicht gern vor der Tür, wenn sie langanhaltend auf den Knopf gedrückt hatte. Vielleicht waren Himmel und Hölle auch nur eine Erfindung der Kirche, um die Leute bei Laune zu halten.

Georg Krakl - Der Kranich

Der Kranich
kann nich'
hören.
Ach, ich glaube,
der ist wohl eine Taube.



Platten aus der Hülle holen - Richtig gemacht

Man kann die Menschheit in zwei Gruppen einteilen: Der einen ist es aus Unwissenheit über die Verletzlichkeit einer Vinyl-Platte egal, wie sie die Tonscheibe aus dem Cover und der Schutzhülle holt, sie greift mit staub- oder fettbehafteten Fingern in die Hülle und fasst das Objekt einfach an, zieht es raus und klatscht es lieblos auf den Platternteller. Was allein können schon die säurehaltigen Absonderungen der Haut an unerwünschten Nebengeräuschen erzeugen und die Frage „Na, wohl am Lagerfeuer aufgenommen, die Platte? Wie das knistert….“ wird ergänzt „Hast du mit Brandbeschleuniger gearbeitet?“. Der ersten Gruppe bedeutet diese versteckte Kritik oder Schadenfreude mit immanentem Hohn über die Unfähigkeit, eine empfindliche Vinylplatte adäquat zu behandeln, überrhaupt nichts. Eine Platte war ein Gebrauchsgegenstand und wenn man das Gedudel später nicht mehr hören konnte, dann wurde daraus nach Erhitzung im Backofen eine dekorative Chipsschale geformt, die man gut verschenken konnte, zum Beispiel an Leute, die dumme Fragen stellten.


Die zweite Gruppe verhielt sich völlig anders: Sie stellte erst einmal die Frage, ob es sich lohnte, die Platte aufzulegen, denn man musste Zeit haben, um die Plattenseite zu Ende zu hören. Ein vorzeitiges Abheben der Nadel erzeugte immer eine kleine Beschädigung und ein unerwünschtes, hässliches Knackgeräusch, was wiederum den Hörgenuss beeinträchtigte.


Hatte man eine Abspielentscheidung getroffen, wurde die Platten inklusive Schutzhülle aus der Plattentasche (bei Rockmusik Cover) geholt. Entscheidend war der Mittelfinger, der heutzutage in der Regel zweckentfremdet eingesetzt wird. Er ist der längste Finger, der am besten geeignet ist, auf dem Loch in der Mitte der Platte zu landen und Halt zu finden. Der Daumen legte sich an den Rand der Scheibe und die anderen Finger stabiliserten die Lage des Mittelfingers, der immer noch auf dem Loch ruhte, auf dem Plattenlabel, bzw. auf dem Papieraufkleber (bei Volksmusik oder deutschem Schlager). Der Handrücken lupfte die Plattenhülle etwas an und vorsichig konnte so die Platte aus der Ummantelung gezogen werden. Nun musste der Plattenliebhaber umgreifen, sodass die Handflächen sanft an die Seiten der Scheibe drückten. Jetzt war die Platte bereit, aufgelegt zu werden. Hatte man vergessen, die Kunststoffabdeckhaube des Plattenspielers zu öffnen, musste der Vorgang, wie auch nach dem Abspielgenuss später, umgekehrt durchgeführt werden. Vorsichtig legte man nun die Platte mittig auf die Matte des Plattenspielers, sodass ein Metallstift sich direkt in das Loch schieben konnte, um für zentriertes Abspielen zu sorgen. Wer hier bereits erotische Parallelen assoziiert, sollte bedenken, dass es sich trotz aller Feinfühligkeit um ein streng rational durchdachtes Verfahren handelte, das dem Plattenwohl diente, nicht aber zwingend vorgeschrieben war.


Der wirkliche Lieberhaber benutzte keinen Automatik-Plattenspieler, der die Nadel brutal in die Startrille fallen ließ, was ein dumpfes Blbbb erzeugte. Vielmehr wurde die Nadel samt Tonabnehmer auf Startposition gebracht und mittels Tonarmlift sanft und kontrolliert in die Rille gesetzt, um ledigleich ein leises blppp hören zu lassen. Die Zeit, eine Hörentscheidung zu treffen, die Rüstzeiten und die Abhörzeiten, konnten zusammen für eine LP-Seite schon eine Stunde betragen, sodass vielfach die Hörentscheidung negativ ausfiel und die Platte im Regal blieb. Das verhinderte Beschädigungen und sorgte für einen langjährigen uneingeschränkten Hörgenuss.





Eine Untergruppe der eben vorgestellten, waren die Lenco-Clean-Nassabspieler. Davon zu berichten, würde den Abend sprengen. Wer schon mal eine selbstgebastelte Chipsschale verschenkt hat, wird wissen zu welcher Gruppe er gehört.

Plattenspielermeditation

Als Kinder waren wir fasziniert von der sich drehenden Scheibe und es war nicht nötig, eine schwarze Platte mit Rillen, die beim Aufsetzen der Nadel erst kratzende und dann tönend-knisternde Känge abgab, aufzulegen. Stumm blickten wir auf die Drehscheibe, bis das Muster im Zentrum immer mehr verschwamm und eins wurde mit unserem stillen Verharren und Warten auf irgendetwas, was da kommen könnte. Es kam nichts, die Scheibe drehte sich und wir wurden müder und müder. Dann erschien es uns so, als wolle sich der Tonarm aus seiner Befestigung lösen, als wolle die Nadel in nichtvorhandene Rillen springen und uns den Klangzauber des Himmels vermitteln, Engelsgesänge vorjubilieren, Aeolsharfen anzupfen, die Geigen zum Schwingen bringen, und die Hymnen des Paradieses und der Ewigkeit direkt in unser Ohr summen. Lange konnten wir auf das sich drehende Rund starren und die Welt um uns vergessen, vielleicht bis Mutter "Abendessen jetzt, los, wasch dir mal die Hände und dann zackzack!" rief, ein Sakrileg, wahrlich, aber ein notwendiges Übel, um uns wieder in die Wirklichkeit mit all ihren Bedürfnissen zu holen. Wir hätten bis zum Eve of Destruction noch dort gesessen und uns der Rechtsdrehung hingegeben. Tief durchatmen, Arme fest, Augen auf! war unser Schlagwort, dann schlugen wir die Augen auf, wenn sie geschlossen waren, und sahen vor uns die unermüdliche Bewegung des Plattentellers, der uns mit 33 Umdrehungen verzaubert hatte. Oft waren wir benommen und nicht wirklich in der Welt der Dampfkartoffeln, des Erbsengemüses und der Schweinefrikadellen; dann beschlossen wir, das nächste Mal 45 Umdrehungen zu wählen. Wer wusste denn damals schon, was Geschwindigkeit bei einem Menschen bewirken kann.


Heute kann kein MP3-Player das leisten, was der Plattenspieler der Volksgesundheit gegeben hatte. Moderne Technik muss nicht immer zum Wohle der Menschen sein.

A bis Z des Rock: Brian Auger und Julie Driscoll

Julie Driscoll, als sie einmal ihren Text vergessen hatte...
Wenn wir von damals alle, wir, die damals jung waren, an Julie Driscoll denken, dann haben wir ihre Haare vor Augen, ihre Frisur, obwohl die Mütter es nie eine Frisur genannt hätten und den Vätern wäre sie zu dünn, zu flach, zu kalt gewesen.
Einen riesigen Busch verkräuselter Flocken, mit dem die Julie in unserer Erinnerung durch keine Tür passte, rufen wir aus unserem Inneren ab; in Wirklichkeit war die Frisur begrenzt und es war Marsha Hunt, die durch keine Tür passte, und darüber hinaus schwarz war, was ihr ein originäres Bluesfeeling attestierte. Darum musste sich Julie Drsicoll bemühen, auch wenn sie wohl irgendwie singen konnte. Das interessierte uns weniger. Julie Driscoll konnte so abgefahren und lässig die Lippen schürzen, den Muskel unter der Nase dermaßen kürzen, dass man fast ein Fauchen spürte, oder wähnte zu hören.  Wir wollten Julie Driscoll ganz, sie sollte uns gehören und wir überlegten, ob sie wohl was mit Brian Auger hatte. Oder gehabt hatte. Das hätten wir schade gefunden, weil es ihr Image in uns, ihr Image der singenden Göttin, die abgeklärt und flachbrüstig ihre Lieder hinausschmetterte, ohne sich um die Anbetenden zu kümmern, weil es dieses Image zerstört hätte. Da hätten wir uns auch in Lena Valaitis verlieben können. Was auch einige taten, ohne es zu erwähnen natürlich. Denn Lena Valaitis hatte was, abgesehen von den bekloppten Liedern, die man ja ausstellen konnte.
Brian Auger war im Weg. Er spielte Orgel. Sah aus wie der junge Gerard Depardieu, der damals wirklich noch jung war. Er trug Rüschenhemden. Unverzeihlich. Aber wir fingen an, über den Kauf einer Heimorgel nachzudenken. Nur mal so. Einfach aus Interesse.
Die günstigsten gab es bei Dr.Böhm. Das war damals bei uns um die Ecke. Aber die musste man selber zusammenbauen. Deshalb waren die so günstig. Selber spielen musste man auch. Und was war, wenn das mit dem Zusammenbauen nicht klappte? Wenn das mit dem Spielen nicht klappte? Und überhaupt: Wenn es mit Julie Driscoll nicht klappte?
Heute haben wir den riesigen Haarbusch Julie Driscolls in Erinnerung und wenn wir ein wenig im Internet herumblättern, stellen wir fest, dass sie eigentlich ganz kurze Haare hatte. Und dass sie heute fast 50 Jahre älter ist.
Welche Frisur mag sie wohl haben?

A bis Z des Rock: Cohen - Traurige Musik mit Maultrommel und Gitarre

Faszinierend, dachten wir damals und beneideten Leonard Cohen um seinen Gitarrenspielerbonus. Egal, wie du aussahst, egal, was du sonst warst, wenn du  drei Akkorde auf der Wandergitarre spielen konntest und das Lied, das du sangst von dir war, oder irgendwie an Beatles oder Cat Stevens erinnerte, dann lagen dir die Frauen zu Füßen. Manchmal die, die du gar nicht wolltest, aber immerhin. Die andere hatte sich schon dein Kumpel, der nicht dein Kumpel sein sollte, geschnappt, weil er die Hände frei hatte. Kameradenschwein, dachtest du und würdest demnächst einen Song darüber schreiben, aber rein optisch und quantitativ warst du der Sieger, der Womanizer.

Faszinierend, dachten wir damals, wie sich so ein Mann hinstellen kann, billige Gitarre mit Nylonsaiten und eine Maultrommel, vielleicht eine Dreiergruppe morbid jubilierender Mädels, eine traurige Stimme, die Kerzen erlöschen ließ und dieses nöselnde Timbre an den passenden Stellen! Und dann einfach ein Star sein!
Nach jedem Lied, das aus dem Lautsprecher gekrochen war, das kaum in der Lage war, selbst zu stehen und selbst zu klingen, dachten wir daran, dass das Leben keinen Sinn hatte.
Cohen - das war aktive Sterbehilfe.
Vielleicht sollten wir Gitarrespielen lernen.
Mal was Trauriges hören.

A bis Z des Rock: Cohen Runtermacher

Wir waren gut drauf. Hatten Deep Purple gehört, hatten mit den Oberkörpern hospitalistisch gewackelt, vor und und zurück, wir hatten den FLOW, obwohl wir das Wort nicht kannten, waren in einer Art Rausch ohne Drogen, vielleicht mit zweidrei Bieren, die Welt gehörte uns, bei jedem Riff von Richie B wiederholte sich die Botschaft: Ihr habt die Kraft, ihr seid die Macht, ihr seid die Zukunft.

Und dann, ohne Vorwarnung: Leonard Cohen. Nylonsaitengitarre, Maultrommeln, und scheinbar von Cohen hypnotisierte Backgroundsängerinnen.

Alles war sofort wieder da. Wir landeten von unserem Höhenflug. Uns wurden die Flügel von jetzt auf nichts weggenommen, Sturzflug, ohne Fallschirm, harte Landung, nein, Aufprall.

Alles war wieder da:
Die fünf in Mathe. Barni hatte ein Auge auf Rita geworfen, die in Frage gekommen wäre, wenn Sigrid nicht endlich weniger spröde, weniger abweisend wäre. Das Generve: Die Haare sind zu lang, was sollen die Leute denken. Kreuzigung. Verdammte Kreuzigung: Wurde man in der Hölle gekreuzigt? Andere behaupteten, die Hölle sei die längste Theke der Welt. Der Welt? Die Hölle war doch gar nicht Welt! Dauerparty. Hölle war Hölle. Und dann: Wenn wir in den Himmel kämen, Konjunktiv zwei, die Deutscharbeit war auch daneben gegangen, wo bitteschön sollten wir uns treffen? Wie könnten wir uns wiederfinden? Da war doch nichts. Große Liegewiese? Im Schwimmbad war das ja schon schwierig. Da konnte man sagen: Ich bin die rote Badehose. Die Gummiente.

Im Paradies waren doch alle nackt? Oder gäbe es Einheitskleidung? Das war dann eher Internierungslager. Ich wollte aber auch nicht alle nackt sehen. Das wäre nicht schön. Liebe, Religion, Schule, Eltern. Existenziell. Morbide. Und Leonard Cohen hatte seinen Grabgesang angestimmt.

Immer und immer Entscheidungen, die zerrissen: Noch ein Bier? Noch mal an Sigrid? Nach Hause gehen?

Jetzt ist Cohen alt, aber wir sind es auch.
Der Trost: Daran wird sich nichts mehr ändern.

A bis Z des Rock: Genesis - Nursery Crime

Es war immer ein Risiko, den Plattenladen an der Bäckerstraße zu betreten, vor allem wenn man für einen bargeldlosen Langhaarigen gehalten wurde, der sich ohne Kaufabsicht diverse Platten auflegen ließ, um mal reinzuhören, wie er es ausdrückte, und vielleicht ungeschickt seine Fingerabdrücke auf den schwarzen Rillen hinterlassen hatte, weil er in dilettantischer Manier die Scheibe aus dem Futteral zu klauben versucht hatte.
Eigentlich hatte der junge Musikliebhaber den Eindruck, dass hier gar nichts verkauft werden sollte, jedenfalls nicht an ihn, der sein sauer Erspartes nicht für eine minderwertige Platte rausschmeißen konnte. Da hieß es: Mal eben reinhören.
Der Freundlichste des Familienbetriebs war der ältere Bruder des Inhabers, dessen eines Auge so wild in der Höhle herumwanderte, dass man annehmen musste, das andere sei aus Glas und unbeweglich; niemals wusste man, in welches man blicken sollte, denn die Höflichkeit erforderte den Blickkontakt beim Äußern des Hörerwunsches. Dieser schielende Bruder war nur vertretungsweise im unteren Plattenbereich des Laden, sondern eher oben in der Abteilung Blechblasinstrumente zu finden. Wenn er dann vertretungsweise unten war,  legte dann ohne zu murren die Wunschplatte auf und vermittelte den Eindruck, er halte den Interessierten nicht für einen schnorrenden Gammler, sondern für einen Menschen.
Der Rest der Familie - Mutter, Vater und Tochter - hatten allesamt etwas Bissiges, etwas Natternhaftes und Giftiges an sich; so dass der junge Mensch, der sich in den Laden getraut hatte, sich fast genötigt fühlte, die gehörte Platte zu kaufen, auch wenn sie ihm nicht gefiel, anstatt sich im Folterkeller an Fleischhaken aufgehängt wiederzufinden, um dort mit einer Heino-Platte dauerbeschallt zu werden.
Und trotzdem siegte immer Entdeckertrieb. Was gab es Neues? Was konnte man den anderen voraus haben, das sie noch nicht kannten und das in ein paar Jahren der neue Stern am Rockhimmel sein würde.
Fred blätterte in den neuen Alben und stieß auf eine, deren Cover in angenehmen Grün-Gelb gehalten, was ihn irgendwie an die schönsten Winnetou-Sammelbilder erinnerte und so ein wohliges Gefühl nach Sinn und Gerechtigkeit in ihm auslöste. Für die Sammelbilder war Fred längst zu alt, aber das Gefühl war konditioniert.
Bei näherem Betrachten des Gemäldes, das die Basis des Covers bildete, entdeckte er frisch gemähten Rasen in Zentralperspektive, was dem Ganzen etwa Erhabenes und Entrücktes zugleich verlieh. Ein Mädchen mit dümmlicher Spitzenhaube und knielangem Kleid, unter dem sie braune Wollstrümpfe trug holte zu einem Schlag mit einem Krocketschläger aus, um damit einen vor ihr liegenden Puppen- oder Kinderkopf zu treffen, der an der Schnittstelle am Hals blutete. Im Hintergrund eine auf altertümlichen Rollschuhen fahrende Gouvernante, oder auch Nurse, die einen Rohrstock als Balancierhilfe benutzte.
So viel englisch-adlige Perversion weckte Freds Interesse, was denn wohl die schwarzen Rillen hergeben würden?
Missmutig legte die Tochter des Hauses mit spitzen Finger und zusammengepressten Lippen die Platte auf, als gehöre ihr der Kinderkopf, an dem sie gleich getroffen werden würde.
Genesis - nie gehört, murmelte Fred, aber die Musik gefiel ihm. Er zückte sein Portemonnaie und zahlte 22 DM auf den Tisch, eine enorme Summe im Jahr 1971.
Kindergartenvebrechen. Was für ein Anfang einer neuen musikalischen Freundschaft. Fred verließ den Laden unbeschadet, denn er hatte gekauft. Die Familie schaute stumm, aber wahrscheinlich zufrieden über den Verkaufserfolg, hinter Fred her, der seine nächste Genesis-Platte in Bielefeld an einem Plattenbulli mit Importplatten aus Frankreich für 16 DM erstehen würde. Das wusste er aber noch nicht.

A bis Z des Rock: The Rolling Stones

Wat es dat denn?, fragte Oma Uns an Weihnachten, als die Platte "Get off of my Cloud" von den Rolling Stones auf dem neuen Monarch-Plattenspieler von Neckermann, dem größten Versandhaus neben Quelle, lief. Der Plattenspieler war mit grauem Kunststoff bezogen und hatte einen eingebauten Lautsprecher. Die Klangregelung bestand aus lauter oder leiser, ein rotes Lämpchen leuchtete, wenn das Gerät unter Strom stand. Ein Klappdeckel machte das Gerät transportfähig; die Nadel wurde von Hand aufgelegt, der Sound war ausreichend und man konnte erkennen, um welches Stück es sich handelte.
Das doppelte off of war verstörend für Sprachanfänger des Englischen. Lag hier ein Schreibfehler vor - off mit zwei f - oder handelte es sich um den Sprachfehler eines Stotterers, den man zum Titel stilisiert hatte?
Egal. Die Oma fragte noch einmal: Wat es dat denn?, und brachte ihr Erstaunen und auch ihre Verstörung zum Ausdruck, dass man die Geräusche, die aus dem Plattenspieler quollen, als Musik bezeichnete.
Schnell wurde eine Platte mit Volksmusik aufgelegt, die der Cousin mit "Brotzeit im Walde" betitelt hatte, weil sich auf dem Cover der Platte eine Familie unter einem Baum auf einer Picknick-Decke ausgebreitet hatte, um dort Selbstgeschmiertes und Kaffee zu konsumieren. Hoch Heidecksburg und das Kufsteinlied schepperten durch Nadel, Gerät und Lautsprecher. Die Oma war beruhigt, dass die Musik nicht verloren war und schlief ein.
Als sie dann endgültig im Bett lag und weiterschlief, legten die Jüngeren unter den Weihnachtsfeiernden noch einmal die Geräusche-Platte auf. Nach dreimaligem Abspielen beharrte der Cousin auf Hoch Heidecksburg und Kufsteinlied, weil die Familie so lecker eine Brotzeit im Walde abhielt. Wie vielfältig Musik sein konnte und wie vielfältig der Geschmack. Das Ohr ist das Tor zur Seele, hatte ein weiser Mann mal gesagt. Der Eintritt zur Seele war an diesem Weihnachtsabend fehlgeschlagen; möglicherweise hatte der Mensch gar keine Seele mehr, sondern bereits "Sympathy for the Devil" und diese dem Besungenen überlassen. Das sollte sich aber erst später herausstellen, denn diese Platte gab es noch gar nicht.

Der Knabe...

Neulich las ich
"Der Knabe im Mohr"
und dachte: Wie gut, dass es Rechtschreibung gibt.

A bis Z des Rock: Alice Cooper

Alice Cooper hatte mit Vorurteilen zu kämpfen. Erst mal war er schon zu alt, als er anfing Musik zu machen und es stellte sich raus, dass er ein reicher Pinkel war, auf jeden Fall der Sohn dieser. Um von der Musik abzulenken,   schminkte er sich die Augen, als sei er ein verheultes Schulmädchen, hängte sich eine Schlange um und trug eine löchrige Ganzkörperstrumpfhose. Die Haare hatten was von unserer Andrea Berg, die ja auch immer in Unterwäsche auftrat, um von der Musik abzulenken.
Das war dann insgesamt Protest gegen die reichepinkligen Eltern und die ganze amerikanische Sippschaft, mit denen Alice Cooper nichts zu tun haben wollte. Eine Zeitlang wohnte er - wohl wieder aus Protest - neben Howard Carpendale, der daraus das Lied "Tür an Tür mit Alice" machte. Smokey machte im Gegenzug ein Lied über Howard Carpendale mit dem Titel "Next door to Alice".
Was uns aber allen unter den Nägeln brannte, war die Frage: Was macht der Mann, der ja trotz des irreführenden Namens kein Mädchen war, wenn er mal pinkeln muss? Konnte man die Löcher in der Strumpfhose als Verzweiflungstaten deuten, wenn es dann doch pressierte? Musste er sich immer ganz ausziehen, und hatte er genügend Zeit dazu, während die Band die Gitarren stimmte? Nach dem Ausziehen kam ja das Wiederanziehen und da musste man schon die richtigen Löcher in der Strumpfhose treffen, wenn man zeitnah und punktgenau auf der Bühne stehen wollte, um mit seiner Python von der Musik abzulenken und gegen die ganze amerikanische Meschpoke zu protestieren.
Und die Python - sollte sich nicht den Penisneid bei Frauen schüren, so wie es Rudolf Nurejew damals mit seiner Hasenpfote machte, die er sich in die Tanzhose geschoben hatten, damit diese prallgefüllt die Kraft des Russen an sich repräsentieren sollte, auch wenn seinem Land den Rücken gekehrt hatte? Klar ist, dass sich Legenden über das Outfit bilden, denn Musik geht da rein und da wieder raus und hinterlässt vielleicht nur einen Hörschaden.
Alice Cooper aber bleibt. Seite an Seite mit Rudolf Nurejew und dem ganzen Bolschoi-Theater.