Deutsche Texte für französische Lieder mit inhaltlich ambivalentem Migrationshintergrund (1)

Nach dem Lied "Frère Jacques":

Schwere Jacke, schwere Jacke,
vorne zu, vorne zu,
und noch nicht ganz trocken, und noch nicht ganz trocken.
Hing beim Don.
Hing beim Don.

1. Wir alle kennen die Don-Kosaken, diese Männer mit tiefen Stimmen, Pluderhosen und folkloristischen Hemden, wie sie die deutschen Ehefrauen beim Selbstfindungskurs oder in der Töpferwerkstatt tragen und sich manchmal an ihnen den Lehm von den Fingern streichen. Mutige Männer, die reiten können, wenn sie ein Pferd haben, verwegen sind und furchtlos für den Zaren kämpfen.
Der Zar ist tot.
Der Kosake ist still, der Don-Kosake, der am stillen Fluss steht, besonders still.
Vielleicht wollte er sich aus Verzweiflung über das Dahinscheiden des Dienstherren in den Fluss stürzen, ist ausgerutscht und nun ist die Jacke nass und schwer. Der Kosake hat sie am Don aufgehängt, denn sie ist seine einzige und teure Jacke, die ihn in jedem Kampf beschützt hat. Die Jacke ist vorne zu, damit sie nicht vom Bügel rutscht. Aber - sie ist noch nicht ganz trocken; der Kosake kann warten. Leise summt er sein Lied: Schwere Jacke, schwere Jacke, ....

2. Die Jacke hing beim Paten. Eigentum der Cosa Nostra. Sie ist schwer, vielleicht schwer von Blei, das man in sie und vielleicht auch ihren Träger gepumpt hat. Vorne ist sie zu, damit sie nicht vom Bügel rutscht. Sie hängt beim Paten, dort wird sie keiner nehmen, denn der hätte sein Leben verwirkt. Vielleicht würde man den, der es doch wagte, zwingen, die Jacke anzuziehen, die sich angesichts des nahen Endes wie Beton anfühlte. Sie ist nicht kugelsicher, das weiß jeder.
Noch hängt sie beim Don. Bis der Erste seine vor Aufregung feuchten Finger nach ihr ausstreckt. Dann wird vollstreckt. Der Don summt das alte Lied: Hing beim Don, hing beim Don,....

"Ein einfaches Lied, und doch voll inhaltlich ambinvalentem Migrationshindergrund."( Sattdeutsche Zeitung, 39/2019, Feuilleton, S.17)