Georg Krakl: Traurige Mütter (2012)


Weder ein feiger noch tapferer Mann, sobald er geboren,
wird lauthals zum Wetter und anderen Banalitäten nur sprechen,
denn eine jede Mutter hat bei der Zeugung geschworen:
Mein Junge, der spricht auch zu anderen Themen,
zu Skizzen und Schemen und schlechtem Benehmen.
Mein Junge, der ist noch sehr klein,
er soll aber jetzt schon ein Freidemokrat, zumindest Politiker sein.
Wie sagt ihr? Die Freidemokraten
verkauft und verraten
die sind bald schon weg
weg vom Fenster
und werden Gespenster?

Ach, Junge, dann bist du verloren,
ach, hätt ich dich niemals geboren.

Engelschutzschild

Gerichtsmedizin stellt fest: Kapitän der Concordia hatte keinen Geschlechtsverkehr vor dem Unglück


Kapitän und Moldawierin nach dem Kuss

Nachdem Kapitän S.(Name geändert) auf seinen Verstand untersucht worden ist, wobei sich nichts nachweisen ließ, wird jetzt sein körperlicher Zustand unter die gerichtsmedizinische Lupe genommen. Bisheriges Ergebnis ist, dass S. sich vor dem Unglück eher mönchisch zurückgezogen habe, um das Kentern der Concordia nicht zu behindern.
Lediglich sei es zu einem Kuss mit einer Moldawierin gekommen, die angab, dass sie später dann im Bett "gelandet worden wären" und S. ihr Held sei. Die merkwürdige Zeitform - Konjunktiv II im Passiv- liegt höchstwahrscheinlich an einem Übersetzungsfehler, denn "gelandet worden wären" gehört ja eher in die Abteilung Flugsicherung. Immerhin entschuldigt dieser Modus die beiden, denn sie wären nicht aktiv  an der Landung im Bett beteiligt gewesen, eine bisher unbekannte Größe würde sie dorthin gebracht haben. Die Moldawierin sei sowieso neu an Bord gewesen, so S. und von ihm, dem Kapitän noch nicht auf Seetauglichkeit überprüft worden. Ein Mund-zu-Mund-Kontakt gehöre zu den grundlegenden Techniken der Wiederbelebung.
Kurz nach dem Kuss habe der Kapitän das Schiff verlassen, da es im Sinken begriffen war und er nicht im Wege stehen wollte. Der Kuss habe mit der Havarie nichts zu tun, da der Kapitän auf der Brücke abwesend gewesen sei, wo er, so das Führungspersonal, gelegentlich die Navigation behindert habe.
Kapitän und Moldawierin sind wohlauf und wollen, wenn der ganze Bohai vorbei sei, den Kuss fortsetzen.

Teures muss nicht schön sein

Teures muss nicht immer schön sein, und Hässliches ist nicht immer billig. Selten ist Überflüssiges brauchbar, und Brauchbares ist oft unnütz. Aber der Mensch gibt gern Geld aus, nachdem er ausgiebig herumgeschlendert ist, Kleider anprobiert, Dinge befingert und Leckereien gekostet hat. Dann sitzt die Geldbörse locker, wenn der Mensch etwas findet, das noch Platz in seinem Partykeller oder zweitem Wohnzimmer findet und dort die Verwandtschaft zum vorzeitigen Aufbruch nötigt.
Zu den wirklich unwichtigen Dingen des Lebens gehören ein Vogelkäfig, ein Bund Leuchtstäbchen, ein aufblasbarer Globus, ein Motorschiffmodell ohne Batterien und mangelhafter Fernbedienung, ein Wecker mit Alarmstufe rot, 24 Karat vergoldet (galvanisiert) und schließlich auch ein paar Beine, die man jederzeit für den wackligen Küchentisch, den Sessel oder Uropa gebrauchen kann.
Diese Dinge machen das Leben erst lebenswert. Vor allem, wenn man sie endlich los wird.

Unverstellte Kinder sehen mehr

Menschen wollen das Besondere, das sie abhebt von den anderen, von den Blassen, den Langweiligen, den Hässlichen.
Je mehr sie selber diesen gleichen, desto fester glauben sie daran, dass etwas Besonderes an ihrem Körper sie dieser Gruppe entreißt und sie als Stern an den Himmel schießt, den alle mit lautem Aaaah! Aufmerksamkeit spenden und das neue Licht im Dunklen bewundern.
Kinder sehen mehr als Erwachsene, weil ihre Augen noch offen sind, ihr Verstand noch wach ist, nicht vergiftet vom alltäglichen Mühen, besser, schöner und tüchtiger, vor allem begehrenswerter zu sein, die einfach schauen und assoziieren, die ihren Gedanken freien Lauf lassen und die Dinge dadurch zurechtrücken.
Mutti, guck mal, die Tante hat Hasenköttel am Hals!, ruft Bubi, als er Desirées neue Halskette aus feinsten schwarzen Perlen, die einen Horrorpreis gekostet hat, entdeckt. Bruno hatte immerhin etwas gutzumachen, da waren schwarze Perlen das Mindeste.
Na, du kleiner Affenarsch, zischt Desirée unhörbar für erwachsene Ohren dem Kind zu und stellt dem Kleinen ein Bein.
Bubi stürzt und heult natürlich Rotz und Wasser, schreit nach seiner Mutti, aber Desirée ist zur Stelle und hilft dem Knirps auf. Dabei kneift sie ihm die Innenseite des Oberarms.
Mund halten, Äffchen, zischt sie noch einmal, von wegen Hasenköttel! Die kannst du gleich frühstücken, und das schmeckt wirklich widerlich. Merk dir das für dein Leben!
Gottseidank ist Mutti dann zur Stelle, bedankt sich artig bei Desirée, dass sie geholfen hat und kümmert sich um ihr unverstelltes, offenes Kind, das wohl so schnell nicht mehr schwarze Perlen und Hasenköttel verwechseln wird. Schade eigentlich.

Günter Krass: Die Parabel vom Weltmittelpunkt

Er setzte sich auf den Boden und schmollte. Die Welt drehte sich um ihn. Er hatte es wieder mal geschafft. Die Welt drehte sich immer schneller, das hatte er gewollt; denn er war der Mittelpunkt. Ihm wurde schwindlig.
Die Welt drehte sich weiter. Er verlor die Kontrolle.
Was er im Magen hatte, kotzte er aus.
Er hatte nicht verdaut, dass er erwachsen sein sollte.

Geheimnisse geheim halten

Geheimnisvolles Brötchen in Folie

Ein Paket Geheimnisse gibt es immer zu lüften. Da stehen wir vor dem Nächsten und wissen nichts, kennen seine Schatten nicht und nicht sein Licht. Aber- hach!Auch wir haben unsere Geheimnisse und werden einen Deubel tun, sie preiszugeben. Oder auch nicht. Geheimnisse sind die Würze des Lebens.

Nach zehn Jahren Ehe kann man mal eins lüften. Dass man schon auf Mallorca gewesen ist, obwohl man darüber nie gesprochen hat, dass man heimlich Dunkelbier trinkt, weil das so ein gutes Gefühl von Kindheit wiederbringt. Nach zehn Jahren, und dann kann man mal sehen, was die Beziehung taugt. Die institutionalisierte Beziehung, die ja erst mal recht gefestigt durch Brief und Siegel wirkt, aber vielleicht nur noch dadurch zusammengehalten wird. Und dann kommt ein Geheimnis auf den Tisch. Das kann vielleicht der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt, und dann bum!
Ich hasse Camping, sagt Trudel, obwohl sie das angeblich immer schon schön gefunden gaben will.
Seit Jahren fahren sie an den Baggersee in der Eifel und fühlen sich wohl. Trudel kocht aber scheinbar unterirdisch. Jetzt ist es raus. Karl war schon auf Mallorca, da wo Trudel immer hinwollte, und Trudel hasst Camping, das was beide seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, machen.
Ich hasse Braunhaarige, sagt Karl, auch ein Geheimnis, habe ich dir nicht gesagt, weil ich dich nicht verletzen wollte.
Ich hasse fette Männer, sagt Trudel und kann nicht leugnen, dass sie der Model-Klasse längst entwachsen ist, sie ist sogar niemals drin gewesen.
Die Fetzen fliegen, weil Geheimnisse aufgedeckt werden. Die Ehe fliegt in die Luft, nicht in den siebten Himmel, einfach in Stücke.
Ich bin sowieso immer auf Georg scharf gewesen, aber den hat ja die Evi weggeschnappt. Da bliebst nur noch du. Evi fährt schwere Geschütze auf.
Ich bin mit Evi in Teilzeit zusammen, sagt Karl und beißt sich auf die Zunge. Das hätte er nicht verraten sollen. Es ist ja auch erst einmal gewesen. Jetzt gibt es kein Halten mehr, der Damm ist gebrochen. 
Trudel packt die Koffer.
Ich ziehe zu Mutter, schreit Trudel und rennt zur Tür.
Die ist doch schon tot, brüllt Karl
Und wenn schon. Trudel knallt die Tür.

Das Leben lehrt, dass Geheimnisse nicht umsonst Geheimnisse heißen, man soll sie nämlich geheim halten, weil sonst die Fetzen fliegen.

große Stammtischrede

http://www.gemuesegrafik.blogspot.com/

Stacheldraht-Tattoo



Wie kann man sich einen Stacheldraht auf den Oberarm tätowieren lassen?, fragte sich Mathilde selber, als sie wieder zu Hause war. Aber der Tätowieret war nett gewesen, völlig übersät mit Bildern und hatte ihr sein schönstes Stück gezeigt: Einen Stacheldraht, der um seinen Bauch gewickelt war, und es schien, als sei eine ganze Rolle dabei draufgegangen. Er hatte ihr, nachdem sie den Draht einmal abgefühlt hatte, einen Sonderangebot gemacht. Hundert Euro die Rolle. Und diese Rolle wollte er ihr gern über den ganzen Körper verteilen. Ein Angebot, so günstig, dass man eigentlich nicht ablehnen konnte. Aber dass er da mit seinem Tintenstift auf ihrem ganzen Körper herumkritzeln sollte, war Mathilde dann doch zuviel. Ich nehme erst mal zwanzig Zentimeter, hatte sie gesagt.
Der Tätowierer hatte geschluckt. Darf ich mir die Stelle aussuchen?, war seine Frage.
Ja, sagte Mathilde, und wusste, dass sie aus dieser Nummer nicht mehr herauskam.
Dann den Oberarm, sagte der Bilderstichler, und Mathilde wunderte sich.
Das ist die schönste Stelle, ergänzte er.
Wenn du meinst. Mathilde war erleichtert, aber irgendwie auch geknickt. Die schönste Stelle. Was was das denn für einer? 
Mathilde betrachtete das Tattoo im Spiegel. Irgendwie erinnerte sie der Arm an Mauerfall. Und das war 23 Jahre her. Stacheldraht machte alt.

Gedichte, die keiner versteht: Georg Krakl: Rote Stangen (2012)

Rote Stangen
steht so rum
vor fahlem Grün und Gras
mit rosa Wangen
euer Bangen
ist uns fremd
wir sind gehemmt
denn das Verlangen
das man unterstellt
so unverpellt
so fast entstellt
das will den Lebensfraß
nicht mehr verdauen
das tät das Leben euch versauen
ja rote Stagen lebt ihr denn
ja könnt ihr streben
wie die roten Streben dieses tun?
Ja, was denn nun?

Puzzle

http://www.gemuesegrafik.blogspot.com/

Land und Linien

Seht die Linien auf dem Lande!, so lautet ein viel zitierter Spruch aus einschlägigen Nachschlagewerken. Stolze Schnörkel hat die Stadt!, ist der herbe Gegensatz zu geometrischer Überschaubarkeit.
Seht die Linien auf dem Lande, sie säen nicht und sie pflügen nicht! Trotzdem kommen sie über die Runden.
 Das klingt paradox.  Schöne gerade Linien können nicht über die Runden kommen, dann wären es ja Kurven.
Aber:  In die Linien wird gesät und schließlich werden sie vorher gepflügt. Vielleicht sind sie ein wenig zu passiv, um Bedeutung in der Weltgeschichte erlangt zu haben, aber sie sind das Richtige für das Land.
Wenn die Menschen sich auf ihren Festen dem Trunke ergeben haben, dann brauchen Orientierung und Überschaubarkeit. Was spielt es für eine Rolle, ob da plötzlich vier oder sechs Linien zu sehen sind, statt derer zwei? Hauptsache ist, dass sie in die selbe Richtung führen. Nach Hause. Denn am Ende der Linien liegt immer auch das Zuhause, da fühlt sich der Landmensch wohl.
Die Stadt verwirrt mit Schnörkeln und Schnitzereien. Es sollen sogar sich übergebende Dämonen an Kirchturmwänden gesehen worden seien. In Kombination mit der hektischen Ruhelosigkeit des Städters führt das, auch in Verbindung mit Suchtstoffen, zu geistiger Verwirrung und Erschöpfung. Der ausgemergelte Städter, der nicht weiß, wo hinten ist oder das Ende einer Linie, ist nicht die Ausnahme.
Der Ländler weiß: Da vorne geht's lang, auch wenn es achtspurig abgeht. Am Ende bin ich zu Hause und wenn ich nicht mehr gehen kann, nehme ich das Auto. Bei diesen vorzüglich ausgebauten Straßen dürfte das wohl kein Problem sein.
Gelobt die Linie auf dem Lande!


Die Schweiz ist nicht käse

Schweizer Käse sieht anders aus
Die Käseindustrie der Schweiz hat einen eigenen Entwurf für die neue Flagge vorgelegt. Nicht ganz eigennützig.
Künstlerisch alles andere als Käse.

Schweiz - Entwurf für neue Flagge

Die Schweiz will weg vom Image des geldgierigen, unmoralischen Schurkenstaates und bekennt sich jetzt per Landesflagge zum Euro, denn damit sei ja ein guter Profit zu erzielen.
Den Franken in die Mitte zu stellen, widerstrebt den Menschen, weil er zu sehr das Eigennützige des Bankgeheimnisses betone.

Schöne Nase

Alma sagte damals: An der Nase des Mannes erkennt man den Johannes. Die Umstehenden schmunzelten, denn sie kannten Alma. Johannes aber lief zum nächsten Spiegel und betrachtete sich dort aufgeregt: Endlich sollte er sich selbst erkennen können, nur durch die Nase?
Seine Nase war klein, zurückhaltend, fast schüchtern.
Hans stand neben ihm am Nachbarbecken. Seine Nase war groß. Lang. Aufdringlich. So, als müsste er sie überall reinstecken. Ein Schnüffler. Hans war ein widerlicher Schnüffler, der in Privatem herumstöberte. Ohne Erlaubnis meistens. Der sprach, wenn er nicht gefragt worden war. Der laut war und über seine Worte lachte, weil er glaubte, sie seien witzig.
Johannes war sensibel, einfühlsam und verstand auch die Frauen.
Was konnte es also bedeuten, wenn es um die Nase ging?
Eine kleine Nase musste positiv sein, denn Hans war ja ein Proll, ein Macho, ein Schlichtdenker.
Warum aber hatte Alma noch kein Interesse an mir gezeigt?, fragte sich Johannes. Hans hieß nicht Johannes. Dann passte der Spruch gar nicht auf Hans?
Johannes war verunsichert. Hans war die Kurzform von Johannes. Kurzform. Hahaha!, lachte Johannes in sich hinein. Und wusste doch nicht mehr.
Mit der Selbsterkenntnis war es nicht so einfach.
Vielleicht sollte er Alma einfach direkt fragen. Johannes wusch sich die Hände und trocknete sie sorgfältig ab. Hans war verschwunden.
Alma!Du....äh, Johannes  stockte.
Dahinten gingen sie zum Ausgang. Hans hatte seinen Arm um Alma gelegt, die scheinbar nichts dagegen hatte.
Johannes fasste sich an die Nase. Eine schöne kleine zurückhaltende Nase reichte nicht. Vielleicht war sie auch zu schüchtern.

Es war nicht alles schlecht

Wir, die unwissentlich Überheblichen im Westen, dachten, dass die Menschen im Osten alle so aussahen, wie die Beamten an der Grenze: Mürrisch, hässlich, uniformiert, verbittert, entnervt durch übermächtigen Genuss von Kaffeeersatz und die Lektüre des Roten Morgen oder der Moskauer Nachrichten. Uns demütigten sie an der Grenze und fragten herrisch, ob wir nicht endlich mal aussehen könnten wie auf dem Foto des Personalausweises. Wir waren immer schon älter als unser Foto und verängstigt, dass wir jetzt zwei Stunden länger warten mussten, wenn wir die Grenzen überschreiten wollten und konnten nichts machen.
Im Inneren des östlichen Deutschlands, das damals durch einen Todesstreifen vom restlichen Land getrennt war, muss es aber wohl ganz anders hergegangen sein:
Die Menschen waren nicht mürrisch, nicht herrisch und nicht verbittert, sondern liefen, wohl wegen der höheren Temperaturen, dünn bekleidet herum und es war eine Freiheit da, von der die Westler träumen konnten. Wenn überhaupt. Denn eigentlich wussten sie ja gar nicht, was alles hätte möglich sein können und wovon sie hätten träumen sollen.
Die Frauen hatten Backförmchen auf dem Kopf und zeigten: Back mers an! Die Männer lieferten die Vorlage für die spätere Dieter-Bohlen-Frisur und konnte das Mädchenhafte in ihnen mal so richtig zur Schau stellen. Sie durften die Fäuste ballen und trotzdem Tränen in den Augen haben, weil sie sich im Spiegel betrachten mussten. Da es an BHs in der Ostzone, wie sie liebevoll jahrzehntelang genannt wurde, mangelte, durften die Frauen auch ohne auf die Straße, und dafür griffige Schulterpolster, die sich in Richtung Bauch strecken konnten, tragen. BHs waren imperialistische Luxusgüter, die niemand wirklich nötig hatte.
Unterhosen waren damals schon out, der String-Tanga, im Westen später als "Arsch-frisst-Hose" bekannt, war Standard. Und: Alle konnten zuhören! Denn sowohl die Mädchenfrisur der Herren als auch das spitzgescheitelte Backförmchen-Toupet der Damen ließen den Ohren ihre Freiheit. Hier lag kein Lauschangriff vor, hier hörte man auf die Stimme des Volkes oder der Partei, je nach dem, wer gerade etwas gerufen hatte.
Letztendlich ist die sozialistische  Revolution dann  an den Ketten vor der Lederbadehose der Männer gescheitert, bei der sich die werktätigen Frauen während der Herstellung verstrickt  haben mussten. Aber: Das Auge guckt mit. Und wo man nichts sehen kann, ist fühlen keine Schande.

Berufe und Menschen: Flieger

Das ist Lufthans von der Lufthansa. Liebevoll wird er auch Lufthansel genannt, weil er nicht alles so genau nimmt.
"Weich landen kann ja jeder!", ist sein Motto, und damit landet er gern bei seinen Stewardessen.
Für den  Beruf des Fliegers qualifiziert ihn  die Pilotenbrille, die in den 70ern modern war.
Meistens bleibt Lufthans im Cockpit und mixt die Begrüßungscocktails.
Sein Kollege Ikus hebt derweil ab.

Fußballer können bis drei zählen

Zwei im Sinn - da wird's schwierig....
Jetzt wurden langjährige Vorurteile gegen Fußballer widerlegt.
Fünf Jahre hatten Wissenschaftler die Sportprofis mit der Kamera begleitet und herausgefunden: Sie können bis drei zählen. Wiederholt wurden eindeutige Gesten registriert, die das bestätigen.
Die Vollprofis bedienten sich sogar einer alten assyrischen Rechenmethode, die überzählige Ganze durch eingeklappte Finger darstellt, was auch bedeuten mag, dass zwei noch im Sinn sind, oder salopp gesagt, noch drin sind.
Die Legende, dass Fußballer mit einem Taschenrechner auf dem Platz herumliefen, um das Ergebnis zu dividieren, ist schlichter Unsinn und gehört in die Abteilung Volksmärchen. Im Fußball gibt es meistens nicht viel zu dividieren, und durch Null darf man bekanntlich nicht teilen, weil dann Unendlich rauskommt oder eine Zahl, die man an einer bzw. zwei Händen nicht abzählen kann. Hand- und Basketballer hätten mehr Freude am Dividieren, denn in diesen Sportarten rasselt es nur so in Tor und Korb. Was allerdings ein geteiltes Ergebnis für alle bedeutet, bleibt im Dunklen. Vielleicht ist es einfach schön, das Leid zu teilen und auch die Freude, das des Verlierers und die des Gewinners. Das Eine teilt sich und das Andere verdoppelt sich, womit sich die Angelegenheit der reinen Mathematik entzieht und wir getrost zum Fußball zurückkehren können. Fußball ist Kopfball, hat schon Sepp Herberge, der Vater aller Herbergsväter, gesagt und angedeutet, dass der Kopf des Fußballers auch ganz ordentlich belastet wird. Taschenrechner will der DFB aber nicht zulassen, und das finden besonders die Fans gut. Die rechnen sowieso immer mit dem Schlimmsten.

Edwin Hoppser: Kurz vor dem Start

Hoppser: Rakete auf Wangerooge (2000)
Rakete auf Wangerooge.

Hiphop-Vorläufer: Georg Krakl - Schaffenmann (1978)

Bodo Bodi  - Schaffenmann (2004)
Schaffenmann kann alles schaffen,
der hat Werkzeug und paar Waffen,
schafft Montag bis ins Wochenende
mit Füße und mit Hände
Hauptsach kann erreichen
was andere nicht
und dicke Autos fahren
und mit Gold im Mund
und
Frauen streichen
die vor blonden Haaren
völlig dicht
und voll daneben
Schaffenmann, so ist das Leben
nicht

(Marcel von Leicht-Wahnwitzki: Ein Quell der Freude für korrekturwütige Deutschlehrer; und doch: Wo findet man das noch?
Eben, überall im Jahre 2012.
Zukunftsweisend. Antizipierend.)

Das drittletzte Blatt


Bertine klemmte die Backen zusammen. Das durfte nicht wahr sein. Peti hatte wieder mal die Rolle bis zum drittletzten Blatt abgerollt und jetzt war sie es, die eine neue Rolle auf den Halter schieben musste. Vor allem: Die die alte Rolle entsorgen musste.
Bertine war nicht dran. Peti hatte diesen Trick jetzt das fünfte Mal in sieben Monaten eingesetzt. Bertine klemmte. Sie war nicht dran und wollte nicht dran sein. Hier musste mal was passieren.
Sie hasste dieses Bild der fast leeren Toilettenpapierrolle, das Ignoranz und Gleichgültigkeit symbolisierte. Sie arbeitete hart und da war es einfach mal selbstverständlichen, dass Peti seinen Teil im Haushalt übernahm. Gut, er saugte. Er wischte. Er brachte Müll. Er kaufte ein. Kochte gelegentlich. Aß wie ein Scheunendrescher und verdaute. Das war die Krux. Er verdaute und verbrauchte Papier. Toilettenpapier. Er konnte zehnmeterweise Papier abrollen und ins Klo stopfen. Fernab von Umweltsorgen. Nur gegen Ende der Rolle wurde er sparsamer. Plötzlich zählte er jedes Blatt, plötzlich konnte er unterscheiden zwischen Vergeudung und Notwendigkeit, zwischen Gedankenlosigkeit und Notdurft.
Bertine hockte jetzt auf der Brille.
Diesmal würde Peti die Rolle holen. 
Bertine begann, die Tageszeitung in Stücke zu reißen und zu zerknittern. Druckerschwärze. Bertines Finger waren schon grau und es roch nach Buchstaben.
Egal. Nachkriegszeit. Vorbei. Egal. Heute war heute und Peti musste umdenken. Handeln. Begreifen.
Peti saß im Rauchzimmer und strich über die fast volle Rolle dreilagigen Papiers, die er  hinter den Kochbüchern versteckt hatte, recycelt, ungebleicht, umweltfreundlich.
Beziehungsschädlich vielleicht. Aber mehr auch nicht. Das Leben war kein Erziehungsprogramm. 
Peti nickte bedächtig, als er die Toilettenspülung hörte.

Bundespräsident darf nicht zurücktreten

Der Duden überlegt, ob der Neologismus "wulffen" in das Wörterbuch und damit in den Sprachschatz der Deutschen und Deutschsprechenden aufgenommen werden soll.
Im Sprachschatz ist er ja schon heimlich und bedeutet das Vollreden eines Anrufbeantworters. Für diesen menschlichen Makel haben wir doch schon immer einen treffenden Begriff gesucht, warum also nicht "wulffen"?
Ja, sagt der Duden, der Begriff muss erst mal ein paar Jahre im Sprachgebrauch sein, er darf nicht nach einem Jahr verschwunden sein.
Gut, sagt der Bürger, der Wulff ist ein blassen Typ und hat seine Farbe erst durch diverse eigennützige Machenschaften erhalten. Der darf nicht zurücktreten, wenn wir ein schönes neues Wort im Duden finden wollen. Ergo: Wulff muss bleiben!
Das Wort "Guttenbergen" für doofes Abschreiben, bei dem man erwischt wird, wartet auch noch auf einen Platz im dicken Werk. Die Vorlage des Begriffs hat durch neue Frisur, Kontaktlinsen und ein paar Kilos mehr auf den Rippen für Gesprächsstoff gesorgt und sich gute Chancen, vor allem auch durch den peinlichen Job in der EU, erarbeitet, den Sprung in die Welt der Sprache zu schaffen. Adel verpflichtet. Da kann der Wulff leider nicht punkten.

unerwartete Begegnung

http://www.gemuesegrafik.blogspot.com/

Gedichte mit grenzwertigem Reim: Georg Krakl - Roter Mund (2012)


Der rote Mund von Wanne-Eickel
gehörte jener Heike L.
die Menschen zugeneigt
und auch bedingungslos
will sagen stark verzweigt
und bindungsgroß
das Ruhrgebiet
in Kurgebiet
verwandelte
und aus dem Bauch heraus nur handelte
so quasi ohne Kopf
wodurch sie Bürgerliches schnell verschandelte
und alten Zopf
abschneiden
wollte und das kann das Bürgerliche gar nicht leiden
es soll so bleiben wie es ist
das was man ändern will
ob's laut  ob's still
das landet auf dem Mist.
Nicht roten Mund den roten Mond
ist man gewohnt.

Verkannte Möwen lachen nicht mehr


Ratten der Lüfte nennt sie der Volksmund und vergisst, dass die Möwe das Freiheitssymbol der Seefahrer war. Cuxhaven ist nicht mehr weit, will uns der Flügelschlag und das freundliche Gekrächze des Allesfressers sagen.
Früher dinierte der feine Vogel am Tisch der Krabbenkutter und Heringsfänger. Seit der Hering die Rolle der Forelle übernommen hat und auch den Lachs ersetzen muss, weil die Menschen in Thunfischdosen auch Delfinfleisch vermuten und damit die hundertprozentigen Frischfisch-Vegetarier brüskieren, bleibt dem weiß-grauen Vogel nicht mehr viel. Auch wenn er lacht, dürfen wir uns nicht täuschen lassen, es ist eher ein zynisches Grinsen, das in Laute transformiert wurde, als ein befreiendes Lachen über einen guten Seefahrerwitz.
Die Möwe hat sich ihr Meer und ihren Speiseplatz auf der nahen Mülldeponie gesucht, wo sie die leeren Thunfischdosen auslöffelt, die aufgetauten Fischstäbchen aus Abfallprodukten der Fischindustrie verputzt und sich Fischölkapseln, die das Haltbarkeitsdatum überschritten haben, runterwürgt.
Der Klimawandel soll mal wieder als Ursache herhalten. Und richtig: Es herrscht in unseren Landen ein Klima der Gefühlskälte, die Tieren missgönnt, sich von dem, was von unseren Tischen abfällt, zu ernähren.
Dabei sollten wir über jeden Bissen froh sein, den eine andere Kreatur zu sich nimmt. Angesichts der Inhaltsstoffe ist den Möwen das Lachen vergangen. Aber Hunger ist nie ein guter Ratgeber gewesen; da lobt sich der Mensch die Aopthekenrundschau, die den fliegenden Tieren leider verschlossen bleiben muss.
Es gibt noch vieles zu tun auf dieser Welt. 

Hallo ist unhöflich

In Passau an einem Gymnasium ist es endlich raus: Hallo! zu sagen ist unhöflich, korrekt heißt es Grüß Gott!
Selbst wenn gefragt wird: Wer ist das denn, was ja in gottlosen Gegenden vorkommen kann, soll der Gruß dem Volk mehr Sicherheit bieten, da er pietätvoller ist als der lässige Gruß.
Bayrische Forscher haben herausgefunden, dass das Wort Hallo eigentlich eine Verschmelzung der Wörter Hallo und Allah ist. Der Islamist grüßt also gern mit einem lockeren Hallo! und schaut dabei gen Mekka. Der Katholik meckert darüber und kontert mit einem Grüß Gott!, was dem Hallo, Allah! in etwa gleichkommt.
Bayern wehren sich gegen die schleichende Verislamisierung des südlichen Bundeslandes.
Hier mehr lesen

Schneiders Albtraum

Wüchsige Hecken

Im ersten Moment stutzt der Leser. Wüchsige Hecken, ja was soll das denn sein?
Wenn Hecken nicht wachsen, dann sind es Zäune. Tautologie, doppelt gemoppelt. Ottos Mops trotzt darob.
Kleinwüchsige hüpfen aufgeregt, umarmen die Zergwüchsigen. Die Wüchsigen halten inne. Was ist mit uns?
Der Gärtner lacht: Wüchsige Hecken, ja, das sind eben Hecken, die wachsen. Das muss auch mal gesagt werden. Hecken werden immer unterschätzt. Wer schenkt schon eine Hecke zum Valentinstag?
Je wüchsiger ein Baum, desto später blüht er. Das kann man nachlesen. Da muss was dran sein.
Je später ein Baum blüht, desto wüchsiger ist er vorher gewesen.
Das ergibt einen Sinn. Dass man wüchsig steigern kann, zeigt, dass das Adjektiv  nicht einfach Leerformel ist, nicht einfach Wörterschindern dient, die nach Menge bezahlt werden.
Wollen wir einen Moment stille werden, und gedenken der Wüchsigkeit der Hecken und Bäume, die immer wieder ignoriert wird.
Die kultivierte Natur wird es uns lohnen.
Hier nachlesen.

Wer bin du?


Sind wir denn nun Auswanderer oder Einwanderer?, fragten sich die Wanderer, die ihr Land verlassen hatten.
Das kommt darauf an, wo wir sind, also wenn wir zwar auswandern, aber noch im Inland sind, sind wir möglicherweise noch Wanderer, aber je näher wir der Grenze kommen, desto mehr werden wir zu Auswanderern.
Und dann werden wir Einwanderer? Also, je mehr wir uns von der Grenze entfernen, die wir überschritten haben, desto mehr werden wir zu Einwanderern?
Nein, wenn du zu weit wanderst, dann wirst du ja wieder zum Auswanderer, so ab der Mitte etwa, weil du dich dann der nächsten Grenze näherst.
Aber sind denn nicht Einwanderer die, die ein Land betreten haben, das nicht das ist, was sie verlassen haben, immer Einwanderer?
Nee, das sind Ausländer, was du meinst.
Aber Einwanderer sind auch keine Inländer.
Und Inländer können Auswanderer sein, aber auf keinen Fall Ausländern, höchstens, wenn sie ausgewandert sind und nicht zurückkommen.
Ich dachte, Ausländer sind fremd.
Fremdartig, deswegen kann man sie ja auch erkennen.
Dann sind also alle, die nicht so sind wie wir, Ausländer?
Auch wenn wir im Ausland sind? Ausländer kann man doch nur im Inland sein für die, die nicht wegwollen.
Ich will auch nicht weg.
Ruhe!
Also ich weiß jetzt gar nichts mehr.
Ich setz mich erst mal hin.
Wo sind wir überhaupt?
Keine Ahnung.
Vielleicht sind wir auch einfach nur Wanderer.
Und keine Aus- oder Inländer. Einfach Länder.
Das geht nicht.
Stimmt.
Ich will nach Hause.

Heidis Finalistinnen

Drauf klicken und genauer hingucken können
Heidi Schiefer, früher bekannt als Heidi Klump, hat eine neue Staffel dünnhäutiger Mädels auf den Catwalk geschickt. Für jeden Geschmack ist etwas dabei, nicht immer für den guten, aber die Damen wollen in der Model-Welt ankommen, und das haben sie auch verdient, nachdem sie Heidis schiefes Grinsen wochenlang haben ertragen müssen. Zum Abschluss der Ausbildung beglückte der bekannte Volksmusiker Peer Siel auf seinem Schifferklavier mit ein paar deftigen Seefahrerweisen.
"Wie, haben die keine Eltern mehr?", war die Frage von Mausi, die bestätigte, dass auch Dunkelhaarige dumme Fragen stellen können.
Insgesamt siegten:
-Chanti in der Kategorie Dünnarmig-/Dünnärmeligkeit in Kombination mit Pomadiertheit der Kopfbehaarung.
-"Man-nennt-sie"-Nancy in der Kategorie Flatterhaftigkeit des Kopfhaarwuchses
-Banni in der Kategorie Zweiäugigkeit plus Rucksacksyndrom hinten
-Mandy in der Kategorie Einäugigkeit
-Heidi Schiefer in der Kategorie Flachschädeligkeit bzw. Flachsschädeligkeit
-Bruni in der Kategorie Halbes Hähnchen
-Eva Luation in der Kategorie Aufbiss/Progenie oben links
-Wölfi in der Kategorie Haare bis zu den Brauen und Kombination mit Mähnenhaftigkeit und retroaktiver Miene
-Fanta in der Kategorie Toxisches Substrat (Chinesisch süß-sauer)

Allen Finalistinnen Glückwünsche!

Georg Krakl: Ich und meine Maggiflasche (2012)

Meine Maggiflasche ist zerbrochen,
hat die ganze Küche nach gerochen.

Ohne Maggi
maggi
Suppe nicht
gleicht dem Sprecher, der nicht spricht

Suppe Suppe
keine Trauer
ihr ist Maggi schnuppe
ich bin sauer

Gedichte mit Grammatikfehlern drin: Georg Krakl - Sonnenaufgang und verwirrter Mond (2012)

Jeder hat seinen eigenen Sonnenaufgang

Mal ist er kurz, mal ist er lang
Mal ist er knapp, mal ausgedehnt
Mal macht er Angst, mal so herbeigesehnt
Mal ist die Sonne da, und mal auch nicht
Mal bleibt es dunkel, und mal wird es Licht

Sogar der Mond
Bleibt nicht verschont
Von diesem Akt
Der Mond ist nicht intakt
Hat sich im Morgenglanz verirrt
Er ist verwirrt
Ich wollt ja untergehen!
Ich werde alt, da kann man's sehen!
Ich hab es wohl vergessen,
Ich bleib noch was am Himmel hängen
Und mach ein Foto für die Sammlung "Schönste Sonnenuntergängen".

Eskimo und Tiroler im Eisgebirge

Ein Tiroler und ein Inuit wandern im Eisgebirge. Der Tiroler spricht den Inuit an: Findest du nicht auch, Eskimo, dass das Gebirge irgendwie wie ein Frauengesicht aussieht.
Nein, sagt der Inuit.
Nennt man das, was du auf dem Leib trägt, eigentlich Eskimono?
Das ist ein Anorak, sagt der Inuit, den kann man nicht essen. Und sag nicht immer Eskimo zu mir! Ich sage ja auch nicht Arschkrampe zu dir, obwohl du mit einer Wahrscheinlichkeit von 97% eine bist. Das haben Alpenforscher herausgefunden.
Der Tiroler ist geknickt. Sag nicht Tiroler zu mir, das sage ich dir!, warnt er den Inuit.
Habe ich doch gar nicht gesagt!, entgegnet der Inuit.
Eben, sagt der Tiroler. Sag das nicht noch mal.
Der Inuit merkt, wie der Tiroler andreashofermäßig eskaliert. Gleich ist Freiheitskampf angesagt, gleich wird Tirol ein eigener Staat, das fließt Blut.
Der Inuit bechwichtigt: Weißt du eigentlich, dass sich auf Tirol der Pirol reimt?
Der Tiroler besinnt sich und denkt nach: Den gibt's hier doch gar nicht.
Der Inuit: Aber der reimt sich.
Der Tiroler ist verwirrt: Findest du nicht auch, Eskimo, dass das Gebirge wie ein Frauengesicht aussieht?
Der Inuit grinst: Auf jeden Fall. Wie eine Tiroler Frau.
Der Tiroler freut sich. Siehst du, Eskimo?Habe ich doch vorhin schon gesagt.
Der Inuit grinst: Du bist deiner Zeit immer ein Stück voraus.
Aber es heißt tirolisch, sagt der Tiroler. Wie eine tirolische Frau, was zwar nicht stimmt, weil du die tirolischen Frauen gar nicht kennst. Die tirolische Frau sieht niemals aus wie ein Gebirge.
Der Inuit grinst weiter: Da magst du Recht haben.
Leise zischt er, unhörbar für den Tiroler: Arschkrampe. Tirolische.

Gregor Baselnicht - Lass den Kopf nicht hängen, Hurraschreier!


Metaphern im Alltag: Schlimmer Finger


Das ist ein schlimmer Finger, sagt Bernd seinem Hausarzt, und hält seinen schlimmen Finger über den Behandlungstisch. Damit kann ich gar nicht arbeiten, da bin ich erst mal raus, da bin ich aus dem Rennen, so arbeitstechnisch, da bleib ich doch wohl erst mal zu Hause. Können wir uns vorerst auf eine Woche einigen, also zwei wären auch realistisch, Herr Doktor?
Die Diagnose stelle immer noch ich, jetzt der Hausarzt, und den Doktor lassen Sie mal weg, das geht auch ohne. 
Bernie stutzt: Wie ohne? Sie sind gar kein Arzt? Und wer schreibt mich dann krank?
Melk, zieh doch mal die Spritze auf, wir müssen den Fingernagel unterspritzen, und bring den Gürtel mit, damit wir den Arm arretieren können.Fixieren!
Was heißt hier denn arretieren, was heißt denn fixieren, fragt Bernie aufgeschreckt.
Gleich abnehmen? Ich bin kein Fixer, mit Drogen habe ich nichts am Hut, vielleicht mal ein Bierchen oder zwei.
Na, letzte Woche war's der schlimme Zeh,  davor der schlimme Kopf, davor der schlimme Hals. Da müssen wir arretieren, damit Sie nicht mit dem Arm rumzappeln, das wird wohl nicht ohne Schmerzen abgehen. 
Der Hausarzt blickt streng.
Aber der Finger tut doch schon weh, wendet Bernd ein.
Na, das wird dann ein Sekundärschmerz, den merken Sie gar nicht mehr, wenn der Hauptschmerz eintritt. 
Der Arzt wirkt nicht beruhigend.
Kann man das nicht wegspritzen?, fragt Bernd besorgt.
Eben, sagt der Hausarzt.
Was eben?
Wir spritzen mal eben, und das tut eben etwas weh.
Gibt es da nicht eine Salbe, ich meine  überhaupt für den Finger, kann man den nicht mit Salbe behandeln? So schlimm ist das doch gar nicht.
Also, kein schlimmer Finger?, hakt der Hausarzt nach.
Geht so, also, vielleicht stelle ich mich auch etwas an, man kann ja auch gar nichts sehen. Der Fingerschoner wirkt jetzt übertrieben.
Der Arzt runzelt die Stirn: Sie sind mir schon ein schlimmer Finger!
Bernd schaut erstaunt: Wie jetzt? Ich dachte nicht.
Der Arzt ruft nach der Assistentin: Melli, der Herr möchte krankfeiern!
Bernd jetzt dazwischen: Davon habe ich doch gar nichts gesagt. Feiern? Wie soll ich denn mit dem Finger feiern?
Der Arzt lächelt wohlwollend: Das werden Sie schon hinkriegen. Laden Sie mich ein?




ins Selbstgespräch vertieft

http://www.gemuesegrafik.blogspot.com/

Scharzbraunweiß

Pawel Pikass: Braunellen(2004)

Es ist schon verwirrend.
Also, Schwarze sind gar nicht schwarz, manchmal sind sie braun. Manchmal hellbraun, manchmal dunkelbraun, sie selber wollen aber schwarz genannt werden. Einige nennen sie Farbige, weil sie denken, dass das besonders schonend wäre. Da gibt es aber die Gelben und die Roten, die sind viel mehr farbig als die Schwarzen, die auch nicht richtig schwarz sind.
Farbig ist man eigentlich erst, wenn man verschiedene Farben vorweisen kann, sonst ist man nämlich monochrom. Die Mischlinge, die aus Weißen und Schwarzen entstehen, nennt man nicht Schwarzweiße sondern Mulatten. Erinnert an Latte macchiato, der ist braun mit viel Weiß. Die Mulatten gelten aber eher als Schwarze, nicht als Weiße, sagen die Weißen. Die Weißen sind nicht farbig. Obwohl viele gern braun wären, weil das Gesundheit und Jugend symbolisiert. Sie wollen aber nicht als Farbige oder Braune oder Schwarze gelten, sondern als braune Weiße, besser als gebräunte Weiße. 
Weiß ist auch keine Farbe. Genauso wie Schwarz.
Alle, die nicht weiß oder schwarz sind, müssten dann farbig sein. Oder monochrom.
Die Grünen kommen vom Mars.
Manche der Obengenannten nennen sich Menschen. Weil sie sich von den Grünen unterscheiden. Es gibt auch Weiße und Farbige und ein paar Schwarze und Braune, die sind bei den Grünen. Das ist zwar schön, aber eine ganz andere Geschichte.

Metaphern unwaschbar

Wie oft waschen wir dreckige Wäsche und stellen uns einen lausigen Haufen stinkender Küchenhandtücher vor, mit denen auch der Boden gewischt wurde.
Dabei ist "dreckige Wäsche waschen" eine Metapher, die man gar nicht waschen kann.
Manchmal sind Metaphern keine Hilfe im Leben, und wer nicht weiß, was Metaphern sind, der steht dumm da, weil er davon nichts weiß. Eigentlich müsste es heißen "ungebildet dastehen", denn nur der, der sich dem Lernen verweigert, weil es eben nicht geht, ist dumm.

"Dumm dastehen" kann eine Metapher sein, muss aber nicht. Ein Mensch mit einem IQ von 140 kann eigentlich nicht dumm dastehen. Erst wenn er "dumm dasteht", ist es eine Metapher. Der feine Unterschied macht es eben, und den kann man kaum erkennen. Vor allem nicht die Leute, die noch nie was von Metaphern gehört haben.
Also, liebe Menschen, lasst euch keine Märchen erzählen (Metapher) und wascht lieber eure dreckige Wäsche (keine Metapher), die stinkt nämlich schon.