Das drittletzte Blatt


Bertine klemmte die Backen zusammen. Das durfte nicht wahr sein. Peti hatte wieder mal die Rolle bis zum drittletzten Blatt abgerollt und jetzt war sie es, die eine neue Rolle auf den Halter schieben musste. Vor allem: Die die alte Rolle entsorgen musste.
Bertine war nicht dran. Peti hatte diesen Trick jetzt das fünfte Mal in sieben Monaten eingesetzt. Bertine klemmte. Sie war nicht dran und wollte nicht dran sein. Hier musste mal was passieren.
Sie hasste dieses Bild der fast leeren Toilettenpapierrolle, das Ignoranz und Gleichgültigkeit symbolisierte. Sie arbeitete hart und da war es einfach mal selbstverständlichen, dass Peti seinen Teil im Haushalt übernahm. Gut, er saugte. Er wischte. Er brachte Müll. Er kaufte ein. Kochte gelegentlich. Aß wie ein Scheunendrescher und verdaute. Das war die Krux. Er verdaute und verbrauchte Papier. Toilettenpapier. Er konnte zehnmeterweise Papier abrollen und ins Klo stopfen. Fernab von Umweltsorgen. Nur gegen Ende der Rolle wurde er sparsamer. Plötzlich zählte er jedes Blatt, plötzlich konnte er unterscheiden zwischen Vergeudung und Notwendigkeit, zwischen Gedankenlosigkeit und Notdurft.
Bertine hockte jetzt auf der Brille.
Diesmal würde Peti die Rolle holen. 
Bertine begann, die Tageszeitung in Stücke zu reißen und zu zerknittern. Druckerschwärze. Bertines Finger waren schon grau und es roch nach Buchstaben.
Egal. Nachkriegszeit. Vorbei. Egal. Heute war heute und Peti musste umdenken. Handeln. Begreifen.
Peti saß im Rauchzimmer und strich über die fast volle Rolle dreilagigen Papiers, die er  hinter den Kochbüchern versteckt hatte, recycelt, ungebleicht, umweltfreundlich.
Beziehungsschädlich vielleicht. Aber mehr auch nicht. Das Leben war kein Erziehungsprogramm. 
Peti nickte bedächtig, als er die Toilettenspülung hörte.