Gesichter sehen

Überall sah Rob Gesichter und Köpfe, selbst in der Schnittfläche gefällter Bäume.
Was mag in diesen Köpfen vorgehen, fragte er sich und überlegte, wie viel Jahre wohl dieses Gesicht im Bauminneren verharrt hatte, um endlich durch die Motorsäge ans Licht zu kommen?
Wenn er genauer hinsah, dann ähnelte das Baumgesicht einem älteren Fräulein, denn das war sie ja wohl auf jeden Fall, weil sie den Baum bisher nicht verlassen hatte, es ähnelte einem älteren Fräulein, dessen Augen tief in den Höhlen lagen und dessen Kopfkochenstruktur durch die pergamentene Haut schimmerte. Man konnte der Frau nicht in die Augen schauen, so dunkel, so tief, so verborgen waren die.
Wer aber könnte Vertrauen fassen und mit ihr ein Wörtchen wechseln? Denn war nicht ein Sinn der menschlichen Existenz die Kommunikation?
Rob hatte der Alten eine rote Zunge gemalt, denn Rot stand für Leben, für Erotik.
Die hohe Stirn gab der Dame etwas Verschlagenes, etwas Hinterhältiges, etwas Hexenartiges.
Verschlagene Erotik, das ging doch gar nicht.
Rob hofft, dass bald Moos über die Angelegenheit wachsen würde.
Überhaupt: Das  mit dem überall Gesichter Sehen, das musste er sich mal abschminken.
Die Säge war schuld. Falsche Stelle. Falscher Schnitt. Fair Schnitt wäre angesagt gewesen. So war das nur Verschnitt.
Rob wünschte sich mal ein schönes Gesicht, so eins wie es in der Buche steht.

Unregelmäßige Verben optimieren

Opa hat mir gehelft, sagt das Enkelkin und der Opa korrigiert natürlich, damit das Enkelkind sich korrekt ausdrücken kann. Opa hat geholfen, sagt er und nickt dabei.
Dem Enkelkind war nur die Hilfe wichtig, dem Opa das korrekte Sprechen.
Zwei Tage später denkt der Mann über das Erlernen von Sprache nach und findet, da ihm kein Reiomwort auf helfen einfällt, das es doch ziemlich aufwändig ist, dass ein Mensch für ein einzige Verb, das stark und unregelmäßig ist, eine grammatikalische Spitzfindigkeit lernen muss. Helfen, half, geholfen. Kein Reimwort, kein effektives Ausnutzen dieses Lernvorhangs ist möglich.
Belfen, delfen, melfen, gelfen, nelfen, spelfen - denkt der Opa und überlegt, nachdem er die Stammformen entsprechend gebildet hat - belfen, balf, gebolfen, delfen, dalf gedolfen, - überlegt, was denn diese Wörter, die man dem Kanon der bestehenden zufügen müsste, bedeudeten sollen, damit sie auch benutzt werden.
Belfen etwa könnte bedeuten, dass der Helfer zwar geholfen hat, aber nur ein bisschen, deshalb das b vorn. Er hat gebolfen ist etwas ganz anderes als beholfen oder unbeholfen.
Delfen - da hat man doll geholfen und vielleicht sogar eine Delle hinterlassen, vielleicht auf dem Brustkorb nach einer Reanimation.
Nun, denkt der Opa, da sollen sich die Sprachforscher die Köpfe zerbrechen, er hat jedenfalls ganz schön geschwolfen. Schwer geholfen, heißt es eigentlich, aber so klingt das doch eleganter und schneller. Zeitgemäßer eben.
Gegolft oder gegolfen, da scheiden sich noch die Geister. Aber was sollte golfen schon anderes meinen, als sinnlos in der Gegend mit kleinen Bällen herumzuschießen, und dabei das Grundwasser abzusenken, damit das Grün schön grün bleibt?
Gelfen, galf, gegolfen- so muss es ja auch korrekt heißen, aber das merkt der Reiche ja nicht, weil er ja hin und wieder von einem Golfball am Kopf getroffen wird, wonach ihm dann gegolfen werden muss. Was auch immer das bedeuten mag.Gegolfen. Will doch keiner wissen, und der am Kopf Getroffene hat es schon vergessen.
Schwere Sprache, die Sprache.

Dampfender Stuhl

Kurt betrachtete seinen Stuhl. Der dampfte. Definitiv.
Dampfender Stuhl.
 Am frühen Morgen dampfende Stühle zu sehen, war ihm fremd, verstörte ihn irgendwie.
Der Stuhl dampft, solange er heiß ist. War das nicht ein altes mongolisches Sprichwort?
Der Stuhl ist heiß.
Eine Fernsehsendung?
Es war noch so früh, der Kaffee war noch kalt und die Natur hatte erst vor wenigen Minuten den Tag begonnen.
Es war sein Stuhl der dampfte.
Der war nicht heiß, das wusste Kurt. Die Mongolen, Hatten die überhaupt Stühle? Die lebten doch in Zelten.
Die Sprache war vielschichtig. Mehrdeutig.
Der Heilige Stuhl. Bei uns am Stuhl, sagte die Sekretärin, die an der Uni arbeitete.
Die Sache mit dem Stuhl war sprachlich ein schwerer Gang. Besonders am frühen Morgen.
Definitiv war der Stuhl nicht heißt, sondern die Sonne, die ihn beschein. Der Stuhl war feucht. Und die Feuchtigkeit verdunstete im Gegenlicht.
Basta.
Dampfenden Stuhl sehen

Fotos ohne Inhalt

Was fasziniert uns daran, Bilder zu schießen, auf denen fast nichts zu sehen ist?
Vielleicht nur der Teil eines Balkongeländers, ein paar Baumspitzen am Bildrand und dann die diffuse Leuchtkugel, die wir Sonne nennen, und die sich vor einer Stunde aus den Wiesen erhoben hat, um den Tag mal wieder zu bescheinen.
Was bitteschön könnte die Bildaussage sein?
Und immer wieder geht die Sonne auf? Schlagerweisheiten als Foto?
The sun ain't gonna shine anymore? Langhaarigenromantik aus dem Photoshop für Menschen, die sich das nicht vorstellen können? Die Sonne will nicht mehr scheinen?
Wer's glaubt! Die Sonne zu personifizieren, das ist doch den schlichten Völkern und den braunverbrannten Hautgeschädigten vorbehalten.
Und wenn sie nicht mehr scheinen will, dann steht der Mond parat, der wartet ja nur darauf, ähnliche Anerkennung zu bekommen. Und da sind wir auch schon beim Thema: Wer Fotos schießt, auf denen kaum was zu sehen ist, damit die Menschen ans Nachdenken kommen, der will durch nur Aufmerksamkeit, der will doch nur Anerkennung, der will doch nur dieses: "Ja, toll, schönes Foto! Ist das euer Balkongeländer? Ja, fein, schön, sieht solide aus, ist das neu? Ach, ja? So teuer. Na, trifft ja keinen Armen!" hören.
Widerlich.
Digitalfotografie ist widerlich.
Hier kann jeder losknipsen und hat noch nicht mal das Risiko, dass er wertvolles Material verschwendet!
Wenn ich die Sonne wäre, würde ich mal ein paar Tage mit dem Scheinen aufhören. Nur mal so als Test.

Tag des offenen Loches

Alle Welt hat Tage der offenen Tür, einen Tag der offenen Herzen, der offenen Fenster oder der offenen Öffentlichkeit.
Es wird Zeit für einen Tag des offenen Loches.
Das Denkwürdige ist dabei, dass sich gleichzeitig die Frage stellt: Ist ein Loch denn nicht immer offen? Und wenn es erst aufgemacht werden muss, war es dann vorher geschlossen und somit überhaupt kein Loch, sondern vielleicht eine Wand, eine Bodenplatte oder ein Luftballon?
Die Philosophie greift hier wieder ganz tief in die Kiste mit den dummen Fragen.
Früher machte man sich keine Gedanken über die Definition eines Loches und stellte auch nicht die Frage, ob der Rand mit zum Loch gehört oder ein eigenes Objekt der Wahrnehmung ist.
Wenn ein Loch abgedeckt ist, etwa durch eine Holzplatte, ein Frühstücksbrettchen oder eine Heizdecke, dann wird es der Wahrnehmung entzogen, ist aber fiktiv oder als Imago noch existent, wohl aber nicht in seiner Bedeutung als Abwesenheit von des sie umgebenden Materials. Ein Loch im Kopf war vormals ausgefüllt von Kopfmaterie, also Knochen, Haut und anderen Substanzen. Wird ein Loch im Kopf, wo diese Kopfmaterie fehlt, mit einem Pflaster geschlossen oder etwa mit Montageschaum, so kann man eigentlich nicht mehr von einem Loch sprechen, im Sonderfall höchstens von einem im Kopf, das unsachgemäß geschlossen wurde.
Um diesen Fragen ein paar passende Antworten zu liefern, ist es wohl an der Zeit, einen Tag des offenen Loches zu installieren.
Vielleicht auch um der Begrenztheit des menschlichen Denkens zu gedenken, um zu zeigen, dass die Phänomene der Welt nicht endgültig erklärt werden können und dass es manchmal auch gar nicht lohnt, diese zu analysieren.
Trost für alle: Ein Loch im Knie wächst von alleine zu. Allerdings ist es ja auch kein richtiges Loch, weil man nicht durchs Knie auf die andere Seite des Beines gucken kann.
Was allerdings wieder zu der Frage führt: Muss ein Loch tiefer sein als breit und muss man an der anderen Seite rausgucken können, damit ein Loch ein Loch ist?

Heute: Tag des offenen Maules

Gepflegte Zähne und ein guter Atem, der nicht nach verwester Antilope müffelt, halten möglicherweise den Ordnungshüter von einer Verwarnung wegen Falschverzehrs eines Schoßhündchens ab.

Zur Europawahl: Ein schlankes Kinn

Früher galt das Doppelkinn als Zeichen des gut genährten Politikers, der nicht an Halsstarrigkeit leidet.
Heute, in Zeiten der Diäten, ist Schlankhalsigkeit gefordert, damit man erkennen kann, ob der Parlamentarier ein Rückgrad hat.
"Ich habe mir die Doppelkinnimplantate entfernen lassen, die haben mich sowieso jahrelang gestört, und außerdem waren das diese günstigen aus dem Osten, wo niemand das Haltbarkeitsdatum kennt.
Einen großen Hals  kann ich auch anders haben, den Dingern weine ich nicht nach!", so der bekannte Europapolitiker Elmar Brocken.
Und so strahlt uns der Allerweltskerl Brocken von den Plakaten entgegen, und jeder fragt sich: Verdammt, wer ist das denn, der da so schlankhalsig von der Pappe grinst?
Nun, abspecken soll ja auch der Wähler, denn wenn die Diäten steigen, muss das ja einer finanzieren, und statistisch gesehen hat der Wähler europaweit Übergewicht. Da muss auch mal ein Bierchen weniger drin sein! Auch wenn die Metapher paradox erscheint, ist die Botschaft eindeutig: Fetthals und Fette Jahre, das geht gar nicht.
Also, wählen gehen oder nicht! Sieht doch sowieso keiner.


Monolog der Woche: Horst Hass - Osterfeuer danach

Man denkt, dass es nach Ostern endlich gut ist mit Rauch machen, mit Abfackeln von Gartenabfällen, mit Ins-Feuer-Glotzen und Stockbrot und Biersaufen unter Aufsicht der Feuerwehr.
Der dreiste Ackerbesitzer, der eine Schneise für den Brand geschlagen hat, lässt weiterbrennen. Oder besser: Weiterschwelen. Kann kein Ende finden, legt wahrscheinlich heimlich immer noch was nach, obwohl das verboten ist.
Es stinkt sogar verboten, aber den Riesentreckerreifenbesitzer schert nicht, wenn es dem Zugereisten oder dem Kleinkötter in die Schlafstube kriecht und sein Schlaf sich zu einer pestilenzverbreitenden Tortur entwickelt, die nicht nur Kofschmerz bereitet, sondern auch üble Nachgerüche hinterlässt, die sogar die Hausstaubmilbe vertreibt.
Ja, kann denn der großsprecherische Landmann nicht einmal ein Ende finden, muss er denn immerzu und immerfort, wie schon seit Ewigkeiten, beweisen, dass er den größeren Trecker hat? Dass er die grüne Mütze aufhat, die aber nicht das Naturverbundene symbolisiert, sondern zeigt, wer den längeren Atem hat?
Der Agronaut stickert auf dem Felde und fährt dann in seine entfernte Laube, um sich dort aufs Ohr zu hauen.
Aufs Ohr hauen, das ist des Kleinkötters Wunsch, sich endlich aus der Knechtschaft, aus der Hörigkeit zu befreien, endlich durchatmen zu dürfen, endlich als gleichwertiger Mansch ohne Trecker angesehen zu werden.
Fürher hat doch jeder, und der Landmann besonders, seinen Sondermüll hinterm Haus verbrannt und die Überreste im Garten verscharrt, gemäß dem Motto: Was ich nicht sehe, gibt es nicht!
Das ist heute aber nicht mehr tragfähig!
Trete die Osterfeuer aus und befreit die Menschen, damit sie nicht unter die Treckerreifen geraten! Wer hat überhaupt die Osterfeuer erfunden?

Nur Fliegen sind größer

Junge: Die Fliegen werden auch immer größer, Oma, guck mal die!
Oma: Zu meiner Zeit waren die noch größer.
Junge: Wer's glaubt. Die da passt doch in keine Handtasche.
Oma: Auch unsere Handtaschen waren damals größer.
Junge: Aha.
Oma: Und dann kam der Russe und hat sie uns weggenommen.
Junge: Mit den Fliegen?
Oma: Ach, Junge, rede nicht so einen Unsinn. Wer hätte sich denn damals eine Fliege in die Handtasche gepackt? Und vor allem: Warum?
Junge: Weil sie reinpasste. Man macht alles Mögliche, nur weil es geht.
Oma: Ja, was denn, ja, was denn?
Junge: Mit Drohnen Krieg führen.
Oma: Du meinst, das ist eine Drohne da?
Junge: Nein, das ist eine Fliege.
Oma: Haben wir denn wieder Krieg?
Junge: War nur ein Beispiel.
Oma: Mit Krieg macht man keine Beispiele.
Junge: Ich muss zum Sport, Oma.
Oma: Dann kommt wohl bald der Russe...
Junge: Bis denn, Oma.
Oma: Ob Sergej wohl  noch meine Handtasche hat?

Einzigartigkeit

Malewisch: Neo-suprematistische Eierköpfe (2014)
Jeder ist in seiner Einzigartigkeit einzigartig, dachte Steffen, und überlegte, ob das ein Spruch für das Große Buch  der Weisheiten sei. Besonders ich, ergänzte Steffen, und dachte daran, dass Ostern der Tag war, an dem seiner Kopfform gehuldigt  wurde.
Steffen hatte irgendetwas Diffuses gelernt und warder richtigen Ortsgruppe beigetreten; heute diente er einer mächtigen Frau, die durch geheime Handzeichen das Volk ruhig hielt und in dem Glauben ließ, alles sei gut.
Nichts war gut. Das wenigstens wusste Steffen, aber er musste mitmachen und wusste auch, dass er den Platz an ihrer Seite seiner besonderen Kopfform zu verdanken hatte. Überhaupt war der Teil des Körpers ungemein groß im Verhältnis zum Rest, sodass man denken musste, ein ausgesprochen großes Hirn würde hinter der Knochenschale beherbergt.
Die mächtige Frau, die Handzeichen machte, duldete keine schönen Menschen neben sich, weil die sie selber hässlicher machen würden, und weil jedermann glaubte, dass sich Schönheit und Geist nicht paarten.
Steffen hatte seine Wahl getroffen. Er wollte der mächtigen Frau nahe sein, damit diese schöner wirkte und weil sich wegen dieser Nähe niemand traute, hinter ihm herzurufen. "Eierkopf, rede nicht so'n Scheiß!" Zum Beispiel.
Was aber störte ihn an dem Satz "Jeder ist in seiner Einzigartigkeit einzigartig"?
Ach, dachte Steffen, eigentlich nichts; ab damit ins Große Buch der Weiheiten! Damit er auch endlich einen Spruch drin hatte. Das "Besonders ich" wollte er aber weglassen; auch wenn es stimmte.

Piet Schlendrian: Ostereier (2014)

Piet Schlendrian: Ostereier (2014)
Mal wieder typisch Schlendrian: Wenn es alle Welt rund haben will, macht er es auf eckig. Nicht, dass er wirklich opponieren wollte, es geht nur um Aufmerksamkeit.
Ach, der Schlendrian, der alte Faulpelz, heißt es in der Kunstgemeinde, der hatte mal wieder keine Lust, seinen Eierzirkel rauszuholen.
Ostereier mit dem Geodreieck gemalt, ja wo hat man das denn schon gesehen?
Ja, sicher, tausendmal im Kubismus, das ist doch nicht neu!
Die Farbgebung auch wieder typisch: Weil ihm das Blau ausgegangen ist, ist es Ostern eben bewölkt. Vielleicht regnet es sogar. Da macht Eiersuchen keinen Spaß. Das hätte sich Schlendrain hinter die Ohren malen sollen. Oder besser: Hinter die Löffel!

Etappe 13: Georg Krakl - Im Breisgau (2014)

Im Breisgau
stöhnt man über Weißklau.
Die Unterhosen und die Unterhemden
sind jetzt zum Befremden
braun.
Nicht lecker anzuschaun.

Etappe 13: Im Lande Tulpan

Stell dir vor, du lebst im Lande Tulpan, wo sich die dunklen Lande zusammengetan haben, dass kein großes Wasser zwischen ihnen ist, und wo das Leben gespeist wird aus riesigen unterirdischen Behältern, in denen  die lebenswichtige Flüssigkeit still steht und sich ihrer Bedeutung nicht bewusst ist.
Im Lande Tulpan aber ist es trocken, die Bewohner sind trocken, sodass immer drei sich zusammenfinden müssen, damit sie für Nachkommenschaft sorgen können. Unter Schmerzen zeugen sie diese, und sie verbrennen fast an der Reibung, die keine Flüssigkeit kühlt. Und wiederum drei andere, die sich zusammengetan haben, schließen sich zu einem doppelten Dreibund zusammen, aus dem schließlich und unter großen Anstrengungen, weil das Feuchte fehlt, das ihre Bewegungen schmiert, ein neues Leben entsteht.
Die Alten aber erzählen ihre Geschichten, in denen es große Wasser gegeben hat, die die Ländern voneinander trennte, in denen es um Macht und Sieg und Herrschaft ging.
Als noch alles wie geschmiert verlief, wo die Tränen flossen und die Körpersäfte sich vereinten und eine neue Flüssigkeit bildeten, die angereichert war mit glückselig machenden Substanzen, wo die Menschen lieben konnten, wo sie hassen konnten, wo sie Leben schenkten und Leben nahmen, denn das ist der Preis, die Angst und die Hoffnung, die Liebe und der Tod, um im Dasein einen Sinn zu entdecken; der aber blieb trotz allem verborgen. Die Menschen klammerten sich an die Hoffnung, ihn irgendwo zu entdecken.
Eines Tages hatten die Menschen genug von ihrem Leben und wollte Sicherheit und Frieden und Einssein.
Sie vereinigten die Kontinente und die Völker, und sie erzählten sich vom Guten König auf dem goldenen Thron; beide hatte niemand je gesehen.
Es verschwanden der Hass und mit ihm die Liebe, es verschwand die Gier nach Macht und Sieg und Herrschaft; es kehrte die Sicherheit ein und die Langeweile und die Gewissheit, dass es keinen Sinn des Lebens gibt. Denn das ist der Preis.
Die dunklen Lande blieben eins und dunkel und das Wasser stand still im Unten.
Das Leben wartete.
Und so bleiben die dunklen Lande eins, bis die Alten aufhören werden, ihre Geschichten zu erzählen.

Wer aber noch Wasser hat, der trinke, wer noch lieben kann, der liebe, und wer hassen kann, tue das, denn es ist nur die Umkehr der Liebe. Nur das Wasser kann man nicht umkehren.

Etappe 12: Die Schlagzeile der Woche - Crystal Meth

Wer ist Crystal Meth?
Was wir schon lange vermutet haben, bestätigt die lokale Presse endlich: Crystal Meth ist die Freundin von Hasi Osterwald, der seinen Lebensunterhalt saisonbedingt nur im Frühjahr mit dem Verstecken von bunten Eiern bestreitet.
Was also sollte neu daran sein, dass er und seine Freundin Crystal auf dem Vormarsch sind? Wenn nicht an diesem Wochenende, wann dann? Jetzt ist die Zeit, wo gearbeitet wird, wenn man seinen Job machen will. Niemand will Ostereier Ende Mai.
"Hasi und Crystal sind unterwegs", diese Schlagzeile hätte wohl auch das Informationsbedürfnis der Leserschaft befriedigt, auf ein martialisches "Vormarsch" sollte man gerade zu Ostern verzichten.
"Vormärz" klingt noch ganz gut, ergibt aber im Gesamtzusammenhang keinen Sinn, denn der Vormärz wäre ja der Februar und der liegt schon ein paar Wochen zurück.
Schade, dass auch die Provinzpresse immer mehr auf sensationsheischende Texte zurückgreift, um überhaupt gelesen zu werden.
Das Volk flüchtet sich mehr und mehr in die Leserechtschreibschwäche.
Hoffen wir, dass die Eier rechtzeitig auf demTisch liegen.

Kunst darf nicht aus dem Rahmen fallen

Pawel Pikass: Napf (2014)
Erst wenn sie einen Rahmen haben, bekommen die Dinge einen Wert.

Der Schein sorgt für das Sein.


Bekenntnisse eines Schokohasen


Etappe 11: Schlagzeile der Vorwoche - Maiwies'n

Da freuen sich alle, die im Oktober keine Zeit hatten. Und die, die auch im nächsten Oktober keine Zeit haben werden.
Jetzt kommt die Maiwies'n.
Bayrisch im Mai - Das ist das Versprechen. Nicht in Bayern, nein direkt hier im Norden, wo das Land angeblich von Sturköppen bevölkert ist, die endlich einmal, besser zweimal im Jahr die bayrische Feierart kennen lernen sollen.
Neben Karneval ist es die lustigste Zeit im Jahr, denn die Geburtenrate schnellt nach neun Monaten rapide in die Höhe.
"Wie Bayern feiern" heißt: Sich in Krachlederne quetschen, in Dirndl zwängen, deren Einblicköffnungen endlich freilegen, was Männeraugen wollen. Alltags führt das zu sexistischem Verhalten, in Bayern nennt man es Lebensart.
Nur gucken, nicht fummeln! lautet der Imperativ und die Maiwies'n-Besucher, die in der Regel nach der ersten Maß das letzte "e" von Maiwiesen weggelallt haben, kompensieren durch Aussaufen von vergorenenem Gerstensaft , durch Abnagen fetttriefender Hähnchenschenkel oder Haxen inklusive der untertischigen Entsorgung und dem Mitstampfen zu dummdusseliger Musik. Und was machen die knusprigen Frauen in ihren Dirndln? Welken, denn Feiern macht schlechte Haut. Da heißt es, schnell einen Krachledernen angeln, damit die Doofen nicht aussterben.
Wann wir Bayern endlich Freistaat?

Daheim, nicht unterwegs: Etappe 10 - Georg Krakl - Gedichte für über all

Haushaltsrolle, Elvistolle - Fertig kann ein Gedicht sein
Eins in jedem Haushalt,
denn das formt der Küchenfrau Gestalt.
Eins in jedem Urwald,
denn das lässt den Indio nicht kalt,

eins in jedem Rauminhalt,
da vielleicht mit Vorbehalt.
Eins in jedem Rechtsanwalt,
dann zahlt der gern Unterhalt.
Eins in jeder Gasanstalt,
das verschließt den Restluftspalt.
Eins in jeder Missgestalt,
die wird schließlich schön.
Eins in jedem Fön,
der wird richtig heiß.
Eins für jeden Scheiß,
und eines für die Haftanstalt,
dann bleibt der Häftling durchgeknallt.

Eins für jede Lebenslage,
denn dann bleibt das Leben keine Frage.
Eins als Hilfe für das Sterben;
denn da freuen sich die Erben.

Ein Gedicht,
sei's noch so schlicht,
erweitert uns'ren Tellerrand
durch das ganze Land
bis hinein ins weite All
bis zurück zum allerersten Sündenfall.

Selbst der Fön
find't das sehr schön.
Weil's sich reimt.

Schön geschleimt.

Heute vor 5 Jahren: Erziehung und Familie - Hab dicke Finger

Mutter: Du hast ganz schön dicke Finger!
Vater: Wer?
Mutter: Du auch!
Kind: Und du hast rote Augen.
Mutter: Werd nicht frech!
Kind: Wenn's doch stimmt.
Vater: Ruhe jetzt, kein Wort mehr. Ihr habt beide rote Augen und dicke Finger.
Kind: Ich nicht, ich bin doch erst 11.
Mutter: Fängst du schon wieder an? Guck doch mal in den Spiegel!
Vater: Nicht nötig, ich weiß wie ich aussehe.
Kind: Aber nicht heute.
Vater: Werd nicht frech.
Kind: Das hat Mutter auch gesagt.
Vater: Plapper nicht alles nach!
Kind: Du hast doch nachgeplappert.
Vater: Hörst du nicht? Werd nicht wieder frech! Gleich setzt es was.
Mutter: Jetzt hack nicht ständig auf dem Kind herum.
Vater: Du erziehst es ja nicht.
Mutter: Wer hat denn gestern mit dem Kind eine Flasche Wodka verputzt?
Vater: Du hast mitgetrunken.
Mutter: Na und? Der Schnaps war aus der Haushaltskasse.
Kind: Jetzt geht das wieder los.
Mutter und Vater: Du bist still! Musst du nicht längst in der Schule sein?
Kind: Ich geh nicht, ich hab Kopfschmerzen.
Mutter: Ich auch, aber deswegen gehe ich noch lange nicht nicht zur Schule.
Vater: Du bist doch längst entlassen.
Mutter: Ist auch gut so.
Vater: Mir brummt auch der Schädel. Das war bestimmt wieder dieser billige Kartoffelschluck.
Mutter: Wodka war das.
Vater: Genau.
Kind: Ich leg mich wieder hin.
Mutter: Zweiter.
Vater: Ok, ich mach den Letzten.

Daheim, nicht unterwegs: Etappe 9 - Mein trauriger Kaktus

Was ist mit meinem Kaktus los?, fragt sich Fredo. Einst war er so schlank und rank, so prick und gar nicht dick, da stand er stolz gereckt und wollte in den Himmel wachsen.
Jetzt liegt er auf der Seite, als sei er müde, als wolle er nicht mehr, was auch immer es zu wollen gibt für einen Kaktus.
Der Hals immer noch schlank und rank, der Kopf aber dick und schwer, dass der Hals ihn nicht zu tragen vermag.
Kaktus denkt zu viel, schießt es Fredo in den Kopf.
Worüber aber sollte ein Kaktus nachdenken? Dass er ihn, den Fredo, letzte Woche gestochen hat, als er ihn gießen wollte?
Kakteen brauchen wenig Wasser, denkt Fredo, es sind Wüstenpflanzen. Aber wenn ich meinen Kaktus schon mal gieße, sollte er wenigstens dankbar sein und nicht stechen.
Fredo zweifelt daran, dass der Kaktus darüber nachdenkt. Und wenn: Kann denn ein Kaktus Schuld empfinden? Wohl eher nicht. Der ist doch wie alle Pflanzen. In der Sonne rumstehen, nichts weiter tun und sich vermehren. Das, wovon alle Männer träumen. Deshalb trinken die auch so viel, weil ihre Träume eben nur Träume bleiben.
Ein Kaktus denkt nicht. Das sollte klar sein. Aber:  Empfindet er vielleicht?
Das kann doch nicht von ungefähr kommen, dass sich der auf die Seite legt und so tut, als sei er depressiv, oder als ob er schlafe, oder als sei ihm das ganze Gießen und Wachsen und in der Sonne Stehen und das Nichtstun und das sich Vermehren zuwider, abgrundtief zuwider. Genau genommen hatte sich dieser Kaktus überhaupt nicht vermehrt, er hatte sich nur vergrößert, und das hat soviel mit Vermehrung zu tun wie die unaufhaltliche Gewichtszunahme bei Männern. Die wachsen eben, werden aber nicht mehr.
Vielleicht hat dieser Irrglaube den Kaktus in diese verzweifelte Lage gebracht.
Wie war ihm zu helfen? Wie konnte man ihn aufrichten? War das Bild dieses Sukkulenten eine Allegorie auf die Menschen, auf das Leben schlechthin?
Fredo merkte, wie er plötzlich müde wurde und das dringende Bedürfnis verspürte, sich auf die Seite zu legen und ein wenig nachzudenken. Ein Viertelstündchen, murmelte Fredo, und war bei der letzten Silbe schon eingeschlafen.

Daheim, nicht unterwegs: Etappe 8 - Wenn ich tot wäre

Wenn ich tot wäre, dachte Ben, der Atheist, könnte ich endlich mal ausschlafen.
Aber, dachte Ben, und er bemerkte richtig, dass es immer ein Aber gab, aber wenn ich tot wäre, müsste ich auch liegenbleiben, wenn ich ausgeschlafen hätte, und vielleicht, nein, wahrscheinlich wüsste ich gar nicht, dass ich ausgeschlafen hätte, weil ich ja tot wäre.
Ben entschied, dass es nicht erstrebenswert sei, tot zu sein.
Schade, dass er kein Christ oder Moslem oder Jude war. Dann könnte es ja nach dem Tod weitergehen. Vielleicht durften die ja in ihren Paradiesen ausschlafen, denn was war paradiesischer als auszuschlafen, wenn man eigentlich aufstehen musste? Obwohl, und Ben bemerkte folgerichtig, es gibt immer ein Obwohl, obwohl, dachte Ben, vielleicht hatten die im Paradies ja gar keinen Grund mehr aufzustehen, weil ja alles so superparadiesisch war? So alleswievonselbst? An Milch und Honig gedacht, schon war das Glas voll!
Ben mochte keine Milch mit Honig.
Milch und Honig, das war wie Molch mit Honig, oder besser, Molch mit Senf. Igitt.
Ben stellte fest, dass es nicht einfach war, Atheist zu sein. So perspektivelos, so düster, ohne Aussicht auf irgendwas.
Liegenbleiben, liegenbleiben. Der Preis dafür hieß: Totsein.
Vielleicht sollte er Agnostiker werden, dachte Ben, da könnte man sich ein Türchen offen halten, wenn es denn doch einen Gott und ein Paradies gäbe.
Denn im Ernstfal, wenn es das alles doch nicht gibt,l wäre er sowieso tot. Agnostiker. Das hörte sich doch gut an.
Da musste man nicht so viel erklären, weil die Leute das Wort nicht kannten.
Diagnostiker, hahaha, lachte Ben, das war der Hausarzt und da fragte doch auch keiner, ob die Diagnose stimmte.
Jetzt aber mal raus aus den Federn!
Gestorben werden konnte immer noch. Musste ja nicht gerade heute sein.

Daheim, nicht unterwegs: Etappe 7 - Namen für Kinder: Rha-Barbara

Eltern unserer Zeit geben ihren Kinder Namen, die jeden stutzen lassen, denn sie wollen, dass ihre Kinder einzigartig sind. Wenn die Zöglinge dann nur den ganzen Tag auf Facebook rumdaddeln, dann soll wenigstens der Name einzigartig sein, er soll für Verwunderung sorgen, so als ob ein Wunderkind vor den Hörern des Namens stünde.
Rha-Barbara wäre doch eine schöne Bereicherung, denn die üblichen Savannah, Ethan, Methan und Dakota, Lambrusco, Chiara-Chianti, Schackeline und Zeddrick sind doch längst abgedroschen und abgelutscht, sie klingen immer noch nach den gewöhnlichen Sprachklopsen, und nur eine neue Schreibweise bringt die Verwunderung nicht auf Touren.
Rha-Barbara. Das ist eine Markenlücke.
Erstmal gibt es einen Wiedererkennungseffekt. Es erinnert an etwas Frische, etwas Obstiges oder Gemüsiges.
Dann der Halt in der Sprachverwirrnis: Barbara. Den Namen kennt jeder, in der Spaßform Barbie allen Mädels bekannt. Den Jungen verhasst, denn Barbie liebt Ken und der sieht definitv sixpackartiger aus als jeder Schulkamerad.
Rha - Das H hinter dem R gibt dem Ganzen etwas Fremdes, etwas Unerklärliches, etwas Esoterisch-Übernatürliches. Das kommt an, da sagt keiner ein böses Wort, weil niemand einen Fluch auf sich ziehen will.
Rha - War das nicht der Sonnengott der alten Ägypter? Vielleicht sogar ohne H?
Egal. Wenn Mandy endlich Rha-Barbara heißen darf, dann ist sie geadelt. Dann ist sie gesund, dann wirkt sie heilend auf andere: Der Schwätzer verstummt und der Mobber moppt endlich und erkennt, dass er eigentlich ein vollkommen spaßbremsendes Element aus der Reinigungsbracnhe ist, den man gesellschaftlich überbewertet hat, weil eben falsch geschrieben. Ein Zufallsprodukt der Leserechtschreibschwäche!
Der Mopp gehört in den Eimer und Rha-Barbara erstrahlt im eigenen Glanz. So kommt die Welt wieder in Ordnung.
Gebt den Kindern eine Chance: Rha-Barbara!

Daheim, nicht unterwegs: Etappe 6 - Rechtsstreitigkeiten

Doppelpapst zu sein, ist schwer.
A: Rechts!
B: Links!
A: Rechts!!
B: Links!!
A: Rechts!!!
B: Du bist rechtshaberisch.
A: Du linker Pope!
B: Sag nicht Pope zu mir, das geht unter die Gürtellinie.
A: Endlich hast du es kapiert.

Daheim, nicht unterwegs: Etappe 5 - Bernhard Grzimek

Eben als ich einer Topfblume die Blüten abschnitt, wurde ich müde und ich dachte liebevoll daran, wie uns damals Bernhard Grzimek müde gemacht hat, wenn er im Schwarzweißfernsehen an einem Tisch saß und einem Geparden den Kopf kraulte. Der Gepard schnurrte, wohl weil er ein guter Freund des Mannes war, oder weil man ihm ein paar Wacholder zur Beruhigung verabreicht hatte. So machte man es mit einem lediglich halben Wacholder bei uns Dorfkindern, wenn uns übel vor der Mathearbeit war, die in der Stadt auf der Oberschule geschrieben wurde.
Müde waren wir manchmal, wenn wir abends vorher Bernhard Grzimek gesehen hatten; müde waren wir aber auch schon nach zehn Minuten, denn der Tier- und besondere Gepardenfreund sprach in einem Modus, der direkt in die Tiefenentspannung führte. Seine beruhigende Art ließ uns ebenfalls Tierfreunde werden, sodass wir das gleichnamige Heft in der Schule für 30 Pfennige abonnierten und aufhörten auf Nacktschnecken mit Pfeilen aus alten Regenschirmen zu schießen.
Selbst Gäste bei Bernhard Grzimek wurden ruhig und freundlich, obwohl die Tiere im Studio nicht immer machten, was sie sollten. Es war einem Schimpansen nicht beizubringen, dass man der Frau eines Tarzandarstellers niemals die Perücke vom Kopf reißt, sodass diese aussah, als habe ein Mähdrescher auf ihr gewendet. Diese Mähtapher erscheint mir in diesem Moment, wo ich sie schreibe, etwas übertrieben, denn sicher hatten die Tarzans in einem Hotel übernachtet, in das sich ein Mähdrescher wohl kaum verirrt.
Bernhard Grzimek sprach bei solchen Gelegenheiten einfach in seiner beharrlich ruhigen Art weiter und schläferte uns ein, was eigentlich, wenn man entsprechende Medikamente verabreicht hätte, verboten gewesen wäre. Sogar der Tarzandarsteller lachte, denn im Film war der Schimpanse ja der beste Freund von Tarzan, seine Frau hieß allerdings nicht Martha oder Elizabeth, sondern schlicht Jane, und sie trug keine Perücke, denn mit der hätte sie mit Tarzan nicht im Urwaldfluss baden können.
Irgendwann waren wir eingenickt und wachten auf, weil eine kurze Gesprächspause aufgetreten war, die uns lauter erschien, als das Reden des Bernhard Grzimek.
Wir schleppten uns ins Bett und träumte davon, wie wir sanft den Kopf eines Geparden kraulten.

Daheim, nicht unterwegs: Etappe 4 - Kopfreisen

Neulich, ich hatte ein Gefühl im Gewühl in der Fußgängerzone, so als ob eine Gußeisendrohne über mir schwebte, so als ob sie wirklich lebte, ein Gefühl, das war ein bisschen so wie ranzig, denn ich hatte einst in Danzig, erst nachdem ich festgestellt, gefühlsbezogen eingedellt, dass die in Amsterdam keine Hamster ham, gesucht, in Danzig gesucht. Es fand sich nur die Vase einer Base, die mit voller Blase und gefüllter Nase sich nach Wismar aufgemacht, da wo das Chisma unsrer Kirche nicht ein Thema je gewesen, vielleicht Verwesen oder Protestantenthesen oder Arm- und Beinprothesen, Zahnersatz und Glasaugen, die beim Spaßsaugen aus der Höhle flutschen und dann in den Mundraum  rutschen, da in Wismar, wo man immer noch nach Schema F lebt, vielleicht auch nach Schablone B, die der Melone gleicht, der niemand je das Wasser reicht, die schnell erbleicht, wenn meine Base ihre Blase hinter grünem Busch entleert und unbeschwert zum Hafen hüpft, ein Brötchen voll mit frischem Fisch auf Tischen frisch serviert und in sich rein introvertiert, will sagen einverleibt, dass man den Bauch sich reibt aus Appetit und Schluckgenuss, vergleichbar nur dem Regenguss im Mai, wenn aller Winterspeck vorbei und aus ist. Der Weihnachtsbrei auch raus ist.
Des Schwafelns sei genug, ich nehm den Zug, die Autobahn, ich bin mit einem Fahrzeug da, das lass ich gar nicht geren stehen; ich hoffe sehr auf Pünktlichkeit und reservierten Platz zum Sitzen, so wie die Feuerwehr, die auf die Spritzen wartet, die sie braucht im Kampf gegen Feuer braucht, wenn es aus allen Löchern raucht.
Deshalb jetzt der Zug, denn es ist genug, wir fahren zu den Kleinen, wir sparen nicht mit Scheinen, und wir schreien und befreien unser Herz. Es ist kein Scherz! Wir woll'n dich spür'n, Zwerg!
Wir suchen dich in Nürnberg.
Oder auch in Fürth, da hab'n dich andre schon gespürt.

Gedichte mit Transzendenz drin: Georg Krakl - Gefallener Engel (2014)


Auf den Asphalt
Geknallt
Überrollt
Gebügelt
Dann entflügelt.
Dem Transzendenten kurz Tribut gezollt.

Dann aufgestanden.
Ging mal besser mit dem Landen.

Daheim, nicht unterwegs: Etappe 3 - Wenn alles so einfach wäre


Wenn alles so einfach wäre, bräuchte ich keinen Handwerker. Die Haustür braucht einen neuen Stoßgriff, der alte war abgefallen.
Der Mann, der Fachmann, der Mann vom Fach aber flucht, weil das Gewinde ausgejackelt ist, weil das Blech zu dünne ist, weil die Schraube oben zwar hält, die unten aber nicht, da müsste man heiß kleben, aber den Kleber habe er nicht mit, die Schraube sei locker, und ich denke: Wo ist eine Schraube locker? Böses Bemerkungen fallen mir ein, aber ich will niemanden vergraulen, der deutsche Handwerker ist da, der Fachmann, hat lange gedauert und es soll nicht länger dauern. Das bezahlt mir doch keiner, da muss ich ja erst wieder nach Hause. Döpking!, spricht er erzürnt und meint den Dachdecker, der ihm den Auftrag besorgt hat, den eigentlich zu kleinen für einen deutschen Handwerker, für einen Fachmann, der jetzt noch Geld drauf legen muss, ich vermute mein Geld drauf legen muss, und nichts verdient. Wenn er das gewusst hätte, Döppking ist schuld, der hat ihn hierhin bestellt, das hätte er vorher wissen müssen.
Wenn er das gewusst hätte!
Wäre er wohl kein Handwerker geworden, denke ich.
Ich frage mich: Wenn alles nur einfach wäre, wozu bräuchte ich einen Handwerker?
Und: Wozu sind denn Handwerker da?
Eben mal was bestellen, anschrauben und abkassieren? Hauptsache nicht Probleme lösen.
Ich hatte mich schon an die Tür ohne Stoßgriff gewöhnt.

Daheim, nicht unterwegs: Etappe 2 - Schlabber an der Backe

Frauen können so schön sein, doch ein fremdes Exsudat unbekannter Herkunft lässt die ganze Ästhetik zusammenbrechen.
Sogar wenn die Dame an eine Plakatwand geheftet ist und der Schlabber oder Sprotter nur an der Scheibe klebt, hinter der die Dame wartet.
Niemand wischt den Kram weg, um das Schöne, das Appetitliche wieder herzustellen; alle gehen gedankenlos weiter, die Männer schüttelt es und die Frauen glauben sich wieder gegen die Konkurrenz ein wenig im Vorteil.
Das gelackte Model sieht eben auch mal scheiße aus, denkt Evalotte und zupft ihren Pulli zurecht, damit sie Thomas gefällt.
Selbst der Regen scheut sich, die Scheibe zu waschen und das Gleichgewicht zwischen Bild und Natur zu fördern.
Vielleicht will sich das Volk am Schaden der Schönen ergötzen, um sich selbst zu erhöhen.
Das aber wird nicht funktionieren, denn das Hohe wir fallen und das Gefallene muss erst wieder aufstehen, um wenigstens über den Tellerrand zu gucken.

Daheim, nicht unterwegs - Etappe 1 : Suchen, kaufen, finden

Warum wegfahren, warum wandern, herumstreunen oder in die weite Welt hinauslaufen, wenn alles, was wir suchen, zu Hause zu finden ist?

Es ist doch merkwürdig, dass manches, das wir tagelang gesucht haben, plötzlich auftaucht, wenn wir bereits etwas Neues gekauft haben.
Neulich suchte ich eine Druckerpatrone in Schwarz für meinen Tintenstrahldrucker und musste dabei über das Wort Tintenstrahl lachen -nie habe ich in oder vor meinem Drucker einen Tintenstrahl gesehen- und fand diese nicht. Ich war mir sicher, dass sie da war, aber ich war blind in Bezug auf die Wahrnehmung von Druckerpatronen.
Ich bestellte vier neue Patronen in Schwarz, die Farben waren noch reichlich auf Vorrat, die Auslieferung erfolgte nach etwa 5 Tagen, endlich konnte ich wieder drucken.
Nach dem ersten Probeausdruck fiel mein Blick wie zufällig auf die Ablagekante des alten Rollschrankes, in dem die Gesuchten eigentlichen hätten liegen sollen, und fand einen weißen, neutralen Karton mit einem kleinen, unscheinbaren Etikett.
Obwohl ich an die Patronen gerade nicht mehr gedacht hatte, blitzte es in einem Schädel vor spontaner Erkenntnis. Da waren sie! Da waren die gesuchten Druckerpatronen.
Super!, schoss es mir durch den Kopf. Jetzt habe ich jede Menge Patronen in Schwarz. Da muss ich wahrscheinlich demnächst wieder Farbe nachbestellen.
Komisch ist es doch. Wer etwas doppelt haben will, verlegt es einfach, bis er es suchen muss, und bestellt dann neu. Oder gleich sofort neu. Oder bestellt gleich die doppelte Menge. Aber, wer zu viel hat, sucht nichts. Und damit verschwände auch das Bedürfnis nach dem Objekt. Grausame Welt.
Ist denn der Konjunktiv II von verschwinden wirklich verschwände? Und ist das nicht Zeitverschwendung, darüber nachzudenken? Heißt es nicht verschwönde?
Aber worüber lohnt es denn nachzudenken?
Wie viele Frage stellten sich, wenn ich jetzt unterwegs wäre und nicht den Rückhalt des Zuhauses hätte?
Allein und in weiter Flur und den Konjunktiv II von verschwinden als Problem; kann es Schlimmeres geben?
Wahrscheinlich, aber wir ignorieren das, und glauben, wir litten am meisten am Leben und an den Fragen, die uns tagtäglich bedrängen.
Daheim, nicht unterwegs, finden wir die Antworten.


Vor fast fünf Jahren: Stress bei Familie Lampe

Mutter: Wer versteckt denn morgen die Ostereier?
Marvin: Ich war letztes Jahr dran!
Lina: Ich habe gesaugt heute Morgen...
Mutter: Na und ?
Marvin: Ich find Eierverstecken sowieso blöd!
Mutter: Ach! Das sagst du jetzt, wo mal wieder Ostern ist.
Lina: Wenn er das doch so sieht...
Mutter: Dann kannst du ja die Eier verstecken.
Lina: Ich habe gesaugt.
Mutter: Das ist nicht dasselbe.
Lina: Doch.
Marvin: Ich bin dann mal weg.
Mutter: Wohin gehst du?
Marvin: Weg.
Lina: Er geht gleich.
Mutter: Wohin?
Marvin: Ciao.
Lina: Eben.
Mutter: Was hat er gesagt?
Lina: Das war Italienisch.
Mutter: Und was heißt das?
Lina: Dieses Jahr werden keine Eier versteckt.
Mutter: Und wer soll die alle essen?
Marvin(ist in der Tür stehen geblieben): Ich hätte mal wieder Hunger auf einen Eiersalat.
Lina: Ich auch.
Mutter(für sich): Denen sollte man mal gehörig die Ohren lang ziehen. (laut) Gut, dass Vater nicht hier ist.
Lina (zu Marvin): Jetzt kommt wieder die Nummer mit der Treibjagd.
Marvin(zu Lina): Der schnellste Hakenschläger der Gegend, leider in die falsche Richtung.
Mutter: Vater hat sich auch für euch erschießen lassen.
Marvin(zu Lina): Das geht mir total auf die Eier.
Lina: Mir auch.
Marvin: Eben.
Mutter:(Marvin und Lina verschwinden, Mutter leiser werdend, singt) Hermann Löns, es brennt die Heide, Hermann Löns, die Heide brennt....
Marvin und Lisa (im Chor): Löschen!

Bald ist Ostern


Neues aus der Wörterwerkstatt: Chinesische Schriftzeichen, oder was?

Der Chinese ist das anders: Während der Deutsche seine 22 oder mehr Schriftzeichen, Buchstaben genannt, bemüht, um einen halbwegs verständlichen Satz zu formulieren, kann der Chinese eine komplette Bedienungsanleitung für einen Flachbildschirmfernseher in einem Zeichen festhalten. Dafür hat er natürlich etwa eine Million verschiedener Zeichen, die der Ottonormalchinese auswendig lernen muss.
Hilfreich ist auch, wenn man vorher schon weiß, wie so ein Fernseher zu bedienen ist.
Jetzt drückt der deutsche Wörter- und Zeichenmarkt nach und will die Vorherrschaft der Asiaten beenden.
Kreative Köpfe, die sonst nichts zu tun haben, waren einfallsreich und haben ein wenig auf dem Grafik-Tablet herumprobiert:
Das linke Schriftzeichen soll bedeuten: Dein Teddy hat ein rohes und zerschlagenes Ei auf dem Kopf, was ihm nicht behagt; deshalb schreit er herum und will von seinem Pfleger, der ja eigentlich ein Kind, dessen Eltern Kunden bei Toys are us" sind, ist, was ja sowieso absurd ist, denn Kinder pflegen wohlweislich nicht, sie pflegen höchsten zu lange aufzubleiben und herumzuquengeln, Betreuung. Will von seinem fiktiven Pfleger Zuwendung. Der Teddi kennt aber weder das Wort fiktiv, noch das Wort Pfleger. Kind schon gar nicht.
Man sieht auf den ersten Blick, dass komplexe Schriftzeichen Verwirrung stiften.
Die Frage ist ja auch: Wer braucht dieses Schriftzeichen denn überhaupt? Und lohnt es denn, es  auswendig zu kennen, falls jemand eine Not-Postkarte mit einem dringenden Hilferuf schicken muss?
Und darüber hinaus: Teddis sollten die Fresse halten und sich ihrer Funktion besinnen.
Bekuscheln lassen. Freund sein. Nicht fordern, sondern geben.
Ansonsten: Steiff. Knopf in's Ohr. Auch wenn's wehtut.
Dem Wörter- und Zeichenmarkt sei geraten, sich auf das Wesentliche zu besinnen.
Was auch immer das sein mag.

Gefährlicher Sekundenschlaf

Immer wieder passiert es uns, dass wir morgens auf dem Weg zur Arbeitsstelle in ein kurzes Nickerchen zurückfallen, weil der Nachtschlaf zu wenig erquickend gewesen ist. Wir geben uns einem schönen Traum hin, der suggeriert, wir hätten heute frei und könnten einmal richtig lange in der Kiste liegen. Dann meldet sich das Ich und schreit herum: Du sitzt im Auto, du Scharchnase, mach die Augen auf, da vorne kommt ein englischer Schulbus!
Üblicherweise gehorchen wir dem Ich und reißen die Augen auf. Und wahrlich: Ein Bus oder ein ähnliches Gefährt fährt auf unserer Spur. Wir fangen in Windeseile an zu denken und überlegen, ob wir uns in England befinden, wo ja Linksverkehr herrscht und wir auf die Gegenfahrbahn geraten sind? Da wären wir die Geisterfahrer, die jeden Moment - schuldhaft - mit dem Gefährt vor uns kollidieren müssten. Merkwürdigerweise bewegt sich das Mobil von uns weg, sodass wir schließen, dass es sich um einen englischen Schulbus handelt, der auf der für ihn richtigen Spur rückwärts fährt, oder aber, und das ist wohl wahrscheinlicher, denn unsere Arbeitsstätte ist ja in der Bundesrepublik - sonst wäre die Anfahrt ja viel zu lang- oder dass es sich um einen englischen Schulbus handelt, der auf der aus seiner Sicht falschen Spur vorwärts gefahren ist und nun den Fehler durch Rückwärtsfahren korrigieren möchte.
Ein irgendwie verschmorter Geruch bemächtigt sich unserer Nase und wir lassen ab von solchem Denken, denn die Gehirnzellen sind zu solch früher Stunden überlastet.
Wir halten die Augen offen und versuchen unbeschadet und ohne weitere Träume an die Arbeit zu gelangen, um unser tägliches Brot und noch mehr zu verdienen.
Der Rat aber ist, sich vor dem Sekundenschlaf zu hüten, indem man seinen Nachtschlaf optimiert oder eine geeignete gut bezahlte Heimarbeit an nimmt. Vor allem sollte man sich nicht ständig vom Ich oder Über-Ich oder sonst einem Klugscheißer im Hirn dreinreden lassen!

Wo ein Papst nicht reicht: Doppelpapst

Links: Wer von uns beiden ist denn jetzt der Papst?
Rechts: Na, ich.
Links: Seit wann das denn?
Rechts: Seit immer schon.
Links: Und wieso heißen wir dann Doppelpapst?
Rechts: Das musst du den Chef fragen....

Helfen oder Hindern?

Nicht immer ist es klar, wenn wir am Abgrund stehen, was die Menschen hinter uns wollen.
Was ist die Hilfe?
Ein Griff in den Kragen und ein kurzer Zug in die entgegengesetzte Richtung und das Leben geht weiter in der für den Sprungkandidaten unangenehmen Weise.
Ein Griff in den Kragen und ein kurzer Druck auf den Rücken, sodass der vielleicht Unentschlossene endlich einen Entschluss gefasst bekommt. Sein Leben hat sowieso an dieser Marotte gekrankt. Aber die Tat ist getan und schafft vielleicht ein kurzes, aber gutes Gefühl.
Oder soll man als Außenstehender die Finger von Menschen am Abgrund lassen? Wie leicht können diese einen mitziehen, obwohl wir doch fröhlich sind, und noch richtig einen draufmachen wollen in unserem Leben?
Manchmal stehen die Menschen unter Strom.
Dann sind sie unberechenbar. Da sollte man schnell auf Akkubetrieb oder Standby schalten. Wie immer das auch geht, davon das nächste Mal.

Neulich im Neukauf

Welch fröhliche Jugend haben wir doch, welch fröhliche junge Frauen!
Neulich war ich im Neukauf und suchte die Gefährtin, die schwer zu entdecken war, da sie nicht über die Regale hinausragt.
Am Getränkeregal, dort wo Cola und colaähnliche Getränke in großen Plastikflaschen ausgestellt sind, stand eine junge Frau die lachte. Die herzhaft lachte und lachte. Sie drehte eine Flasche im Regal, ohne diese herauszunehmen, so als wolle sie die von allen Seiten betrachten, um dann eine Kaufentscheidung zu treffen.In den Ohren steckten weiße Kopfhörer; in was sie hineinsprach, konnte ich in dem kurzen Augenblick meiner Aufmerksamkeit nicht verorten.
Oh, dachte ich, schon wieder jemand, der mit mir in diesem Supermarkt sprechen könnte!, was allerdings eine Fehleinschätzung war. Die Frau lachte weiter und sprach, dass sie heute Abend kommen werde, und dass das doch schön sei. Es klang wie Gesäusel frühlingshaft verliebter Menschen, die jeden Blötschkopp toll finden, weil es die Hormone mal wieder diktieren. Dabei drehte sie ständig die PET-Flasche, wohl um eine Unsicherheit oder Nervosität zu kompensieren, die das Gegenüber, der Gesprächspartner, aber gar nicht mitbekam, weil es sich ja lediglich um ein Telefonat ohne Bild handelte.
Ich entfernte mich dann unauffällig, da die Verliebte wohl nicht mit mir sprechen wollte und ich auch wenig motiviert war, den weiteren Inhalt des Gesprächs anzuhören, da dessen Ziel, das abendliche Kommen und Treffen, oder Treffen und Kommen, wie auch immer man es interpretieren will, sowieso ohne meine Beteiligung angestrebt werden würde.
Im Weggehen dachte ich noch: Eine Jugend die lacht, schießt sich wenigstens nicht tot.
Ob sie sich aber gesellschaftlich über die eigenen Triebhaftigkeit hinausentwickelt, das bleibt fraglich. Wie sagt schon der Volksmund: Wer mit der Hose denkt, hält eine Blähung schon für einen guten Gedanken.


Heute vor 6 Jahren und einem Tag: Lyrik: Georg Krakl "Paul"

Paul

Paul hat eine volle Base.
Vor dem neuen Hochregal
Erbricht sie in die Bodenvase.
Paul ist das egal.


(Hier wird mit dem Begriff "eine volle Blase haben" jongliert, denn der Vorgang des Erbrechens ist für die Allgemeinheit vollkommen uninteressant. Aufmerksamkeit erregt aber die "volle Blase", weil jeder mit diesem menschlichen Bedürfnis zu ringen hat, und weil der Begriff Base mittlerweile zu den bedrohten Wörtern gehört. Selbst Cousine wird kaum noch verstanden, geschweige denn geschrieben. Probleme bereitet allerdings das Wort Hochregal, das wohl nur aufgrunde der sprachrhythmischen Notwendigkeit benutzt wurde. Im Wohnzimmer finden zwar Hochschränke Platz, Hochregale werden eher im Großhandel genutzt. Chauvinisten, die die Frauenbewegung parodieren wollen, schlugen vor, statt "erbricht sie..." "siebricht sie ..." zu schreiben, um die männlichen Anteile eines hier temporär weiblichen Problems zu beseitigen.
"Basisch reagieren" darf im täglichen Sprachgebrauch nicht als Synonym für "in die Bodenvase kotzen" benutzt werden, davor hat der Deutsche Sprachrat gewarnt.)

Zuerst veröffentlicht: 4.4.2008 Bodos Welt

Piet Schlendrian: Nicht zu viel des Guten

Piet Schlendrian: Logo? Logo! (2014)
Schlendrian hat reduziert. Damit liegt er im Trend der Grafik- und Abzeichenwirtschaft, die es sich in Zeiten zunehmender Komplexheit des Alltags zum Ziel gesetzt hat, die eigene Arbeit zu vereinfachen. Drei Kleckse, zackzackzack, ein bisschen zusammengeschoben, damit Rechtecke entstehen und fertig ist das Gebilde, das alles Mögliche ausdrücken kann:
Ein Dreigangmenü auf unrunden Tellern, das ein Unternehmen markieren könnte, das Senioren beköstigt. "Essen auf Tellern" könnte der Firmenname lauten.
Oder aber das dreigliedrige Schulsystem, wie Schlendrian es beabsichtigt hat. Er selbst schreibt:
Das Gelbe sind die Gymnasiasten, weil die ständig auf Geräten aus China herumdaddeln, das orangene sind Gesamtschüler, die für alles herhalten müssen, warum nicht auch für Orange? Das Blaue sind die Hauptschüler, weil die ständig am Komasaufen sind.
Ob Schlendrians schlichte Erklärung greift, sei dahingestellt, schließlich kann sich ja jeder etwas denken und muss sich dem Schlendrianschen Unsinn nicht anschließen. Die Frage ist allerdings, ob man solche Logos überhaupt braucht.

Ted Willjems: Im Land der Plastikfrauen(8)

Kutttrine war glücklich. Die neue Uniform saß wie angegossen und brachte ihre Formen wunderbar zur Geltung. Ihr glatter Körper aus unzerstörbarem Kunststoff wurde durch das neue Outfit geadelt. Sogar der Fleischling Frepp hatte heute Morgen sein Wohlgefallen bekundet, und obgleich das ein eher minderwertiges Lob war, hatte es Kutttrine gut getan.
Befehlen und gehorchen, herrschen und dienen, das war ihre Welt.
Und Lufthans, der gute alte Lufthans, einer der wenigen Plastikmänner, die eigentlich nur der Erheiterung und dem Wohlgefühl der Damen dienten, hatte ihr eine Tasche geschenkt. Lufthansa stand darauf und Lufthans hatte fröhlich gesagt: Wenn du mich heiraten tätest, könntest du meinen Namen annehmen. Lufthansa! Ist das nicht schön? Viel gefälliger als Kutttrine! Nur weil die Kutte, die Uniform, die Tarnkleidung mit im Namen steckten, ist das ja nicht gleich schön! Kutttrine könnte ja auch von Kutteln kommen, und die waren definitiv unlecker!
Kuttrine fand die Tasche schön. Den Namen könnte man vielleicht überkleben oder überpinsel, Camouflage, das wär's. Tarnfarben. Aber einen Mann heiraten? Nie im Leben! Und schon gar nicht einen, der den Konjunktiv 2 mit tun bildete. Unter aller Kanone.
Das war das Stichwort: Kanone. Es war zum Schießen! Wie konnte ein einfacher und schlecht gegossener Plastikmann so etwas überhaupt in Erwägung ziehen?
Dann doch lieber den Fleischling Frepp. Obwohl - wer wusste schon, wie lange ein Flesichling in Form blieb?

Selektive Wahrnehmung im Tumorcentrum

Wenn man vier Stunden warten muss auf hartem Stuhl mit Kranken zusammen und fühlt sich selbst nicht krank, nicht wirklich dazu gehörig, dann kommt man auf Gedanken.
Die Gedanken aber werden durch die Qualität des Wartens und die Umgebung geprägt.
Wenn man in einem Zentrum für Hauttumore sitzt, um sich die läppische, wenn auch lebensbedrohliche Bienengiftgroteinsensibilisierung vom Halse zu schaffen, fühlt man sich unkrank, nicht gesund, aber unbedroht durch einen schleichenden, zerstörerischen Feind, den man nicht mit den Fingern zerquetschen kann.
Dei Wahrnehmung schwankt zwischen Eingelulltsein und Schärfung, das monotone Umblättern des Krankenhausprospektes der Dame in Grau und das Herumtippeln eines Patienten um den Tresen, der wohl Bewegung verordnet bekommen hat, und die Erwartung, Menschen mit ausgestanzten Löchern im Kopf, mit zugeklebten Nasen zu begegnen bestimmen das Thema, diktieren den Augen, was sie sehen sollen.
Dann plötzlich ein Mann im Anzug - nicht die typische Patientenkleidung - der einen Handkoffer - vielleicht sein Beauty-Case - mit sich trägt, und eilig über den Flur geht, den Kopf dem Körper etwas voraus, als sei er schon geistig im nächsten Raum.
An der Wange und über einem Teil des rechten Ohres ein schwarzer Balken, ein dunkelstes Muttermal, vielleicht sogar pelzig, mit schwarzen kurzen Borsten bewachsen, eine üble Hautveränderung, die eiligst- deshalb der schnelle Schritt des Mannes, der in direktem Gegensatz zum hilflosen Getapse des Tippelbruders steht- entfernt werden muss, damit sie nicht den ganzen Körper erfasse.
Vielleicht ist es die Schläfrigkeit des Wartens, die Trance oder Betäubtheit, von Krankenhausluft und stresshormonell geschwängerten Aerosolen erzeugt, die den Betrachter zu solcher Vermutung veranlassen und ihn nicht erkennen lassen, dass der Mann mit sich selbst spricht, so es sogar so aussieht, als spräche er in sein riesiges borstenbesetztes Muttermal, das sich bereits in seinem Ohr ausgebreitet hat. Vielleicht ist es Medienfeindlichkeit, denn das Objekt wird nicht dem Skalpell des Ausschneiders zum Opfer fallen, es handelt sich um eine Art Telefonclip, in den man zu seinem Gesprächspartner reden kann und dabei die Hände frei behält, z.B. um gleichzeitig eine SMS auf einem anderen Handy an seine Geliebte zu tippen.
So bleibt dem Wartenden nur die Chance, seine Erkenntnis zu revidieren.
Statt einen Tumor sehen seine Augen ein technisches Gerät, das das Leben erleichtern soll, wie es alle technischen Geräte tun sollen.
Aber: Krank ist das schon.
Dem Krankenhaus sei geraten, die Wartezeiten umgehenden zu kürzen, denn niemand weiß, welche Auswirkungen eine veränderte Wahrnehmung auf das Leben und die Welt insgesamt haben kann.


Diskriminierung in der Sprache

Friteuse
heißt jetzt Friteurin.




Ted Willjems: Im Land der Plastikfrauen(7)

Frepp, altes Glupschauge, du glaubst es nicht! Gondos Hand zitterte, als er den neuesten Bericht aus dem Hygieneland der Plastikfrauen tippte.
Frepp, weißt du noch, als wir damals mit den Mädels am Platsch lagen, als wir tranken und und lachten und krumme Sachen machten, und alle fanden das gut? Sogar die Mädels. Damals.
Hier sind die Bedürfnisse anders.
Die Damen so sauber, so adrett, so gekämmt, nicht gebürstet, glatt, nicht strubbelig, und sauber, sauber, sauber. Eine Sepsis hat da keine Chance. Die Bakterien treten die Flucht an.
Aber Geschenke machen!
Das geht an den Bedürfnissen schon mal vorbei. Geruchloses Parfüm in keimfreien Geschenktüten!
Schweißspray hatte ich als Idee.Damit von den Damen überhaupt etwas bleibt. Aber die riechen nach nichts. Meine Bedürfnisse sind anders. Ich will riechen. Ich will stinken. Ich will strubbelige Haare.
Frepp, da sehne ich mich an den Platsch zurück. Was haben wir den Booten zugewunken, oder heißt es gewinkt? Was haben wir gestunken. Nach Mensch und allem. Kannst du dich an den Geruch von Hartplastik erinnern?
Das müffelte doch irgendwie.
Aber hier riecht nicht mal Plastik.
Wozu haben die ihre Nasen? Wahrscheinlich nur, um sie in was reinzustecken, was sie nichts angeht.
Frepp, ich will nach Hause, ich will an den Platsch, ich will die Mädels treffen, auch wenn sie zwei Wochen nicht geduscht haben. Oder drei.
Gonda lehnte sich zurück und seufzte.
Was musste er mit dem verdammten Zeitschikker machen, um zurückzukehren? Und wäre Frepp dann noch da? Man hatte doch schon Filme gedreht, in denen die ganze Verwandtschaft schließlich aus Affen bestand.
Gut, Frepp, hatte ja immer etwas Affiges an sich gehabt, die langen Arme, dieser Hang zur Banane. Trotzdem.
Ich will nach Hause!, schrie Frepp in das Getippte.