Vor der Wahl ist nach der Wahl

Das haben die großen Parteien gemeinsam: Sie sind ehrlich und stehen dazu, wenn sie mal wieder Mist gebaut haben, um es volksnah zu formulieren.
Dass Drohungen zur Drohnenaffäre am Kanzleramtschef abgeglitten sind, dass sich die Wahrheit nur schwer, wenn nicht schwerlich ermitteln ließ, lässt seine Partei nicht im Raum stehen, sondern geht in die Offensive, unbemannt natürlich.
Ein Auszug aus einer Wahlkampfrede beweist, worum es dem Politiker und der Partei geht:
"Lügen haben wenigstens kurze Beine, die Wahrheit aber hat aber gar keine.
Wie soll sie denn da stehenbleiben? Mag sein, dass die Wahrheit liegt, dann wäre sie den Lügen gegenüber gehandicappt. Die Wahrheit kann sich nicht einmal fortbewegen, auch wenn sich manche das manchmal wünschen. Die Wahrheit bleibt; der Kurzbeinige aber kann weggehen und anderswo sein Wesen treiben.
Wer christlich-demokratisch wählt, weiß sein Herz für Kurzbeinige und ähnlich Geartete gut untergebracht. Wer es aber der Wahrheit gleichtut und einfach liegenbleibt, so tut, als habe er keine Beine und könne sich nicht bewegen und arbeiten, der ist träge und faul und schmarotzt und nutzt aus und liegt dem Bürger mit den kurzen Beinen auf der Tasche. Und den Politikern natürlich auch.
Jeder sollte wissen, was er tut. Das ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, mit der man in der Regel nicht viel anfangen kann. Hauptsache das Kreuz auf dem rechten Fleck machen!
Danke für ihre Aufmerkel!"

Aus der Reihe "Reden und einfach weiterreden lassen" nächste Woche "Wo Phil Lipp, da viel  R wie Rösler".

Weisheit des Alltags

Liegen haben kurze Beine.

Vor der Wahl kommt die Qual

Jetzt mal Schluss mit den Doktorspielen, Silvana, jetzt komme ich!
Nachdem nun auch Politikerin Silvana K.-S. ihren Titel wegen Abschreibens abgeben musste, wirft sich ihr Schwesterles Erzfeind Brüderle an die Backe und raunt: Frauen ohne Doktortitel wirken irgendwie netter, nicht so abgehoben, nicht so unnahbar, offener und zugänglicher. Und überhaupt: Wozu brauchen die den überhaupt? Küsschen links, Küsschen rechts! Und jetzt zur Sache, Schätzchen!
Kindererziehung geht doch aus dem Bauch heraus! Hahahaha, lacht der Freidemokrat über seinen schlechten Scherz, denn einer muss es ja tun. Dass er nicht nur Frauen im Kopf hat, widerlegt er mit der Information, er übe abends Hindernislauf, damit er die 5-Prozent-Hürde  in den Bundestag schaffe. Sein Sportabzeichen wolle er demnächst auch ablegen, denn das wirke irgendwie lächerlich, es immer hinter dem Revers seines Sakkos zu tragen.


Weisheit des Alltags

Die Wahrheit hat keine Beine.

Günter Krass: Frau beim Vorbeischwimmen auf Schemel (3)


Neulich schwamm ich unter Wasser und traf auf eine Frau. die auf einem Schemel hockte und irgendwie ein rosa Ei gelegt hatte, oder man hatte es unter sie gelegt.
Sie saß eher verkrampft und schien auf einer Tastatur zu tippen, war an Schläuche verschlaucht und hatte eine Art Atemmaske im Mund und eine Taucherbrille, die ihr ein surrealistisches Aussehen gaben.
Sie war vollkommen unbekleidet und sich dessen wohl nicht bewusst, denn sie saß konzentriert und in sich versunken auf dem Schenkel, unter dem ein rosa Ei saß oder schwebte oder schwamm, das konnte ich nicht erkennen.
Ich dachte im ersten Moment, ich müsse ihr helfen, doch dann sah ich einige dünne Wesen in ihrer Nähe, so wie man sich Geister vorstellt, die man vor dem Eintüten die Luft abgesaugt hatte.
Ich beschloss, nicht weiter zu fragen, denn mir selbst ging gerade die Luft aus, und man soll ja anderen nicht helfen, wenn man selbst in Gefahr kommt dadurch eben.
Schade.
Die Frau mit den Kabeln sah eigentlich ganz gut aus und ich hätte sie gern auf einen Kaffee oder eine Latte eingeladen. Unter Wasser ist das aber schwierig, denn man bekommt kaum Luft und wenn man den Mund aufmacht ohne auszuatmen, dann strömt Wasser in den eigenen Körper und man wird vielleicht überflutet.
Trotzdem fand ich sie nett, obwohl sie mich gar nicht bemerkt hatte.
Die dünnen Wesen aber versuchten Kontakt mit ihr aufzunehmen durch Handzeichen, obwohl sie keine Hände hatten, aber irgendwie schafften sie es, mich aufmerksam zu machen. Sie formten Hände und zeigten mir den Mittelfinger, als wollten sie sagen: Des Rätsels Lösung liegt in der Mitte. Oder: Eine Hand wäscht den Mittelfinger der anderen Hand, was ja bekanntlich ein altes Sprichwort ist.
Ich schwamm dann doch weiter.

Deutschland vor der Wahl: Ich ess' einen Apfel für Sie

Da sitzt unser Steffen gekonnt lässig wie nie auf dem Wahlplakat, er, den wir nur in steifem Anzug kennen, der bis vor einiger Zeit noch Bartträger war und von der bedrohlichen Kugeligkeit des Kopfes ablenken wollte; er hat locker einen grünen Pullover um die Schultern drapiert, als wolle er sagen: Mich friert es nicht, aber wenn, dann wäre da was, was mich wärmte!, und hält in der Hand einen Apfel über einem Tablett, das seine Frau nicht schöner hätte dort hinstellen können. Ich ess auch Äpfel, scheint die Botschaft zu lauten, und das tue ich auch im Bundestag für Sie und Sie und ganz besonders Sie.
Die Brille wie immer korrekt vor den Augen und ein smartes Lächeln wollen uns mitteilen, dass es im Bundestag doch viel schöner ist, als mancher sich denkt, immerhin gibt es kostenloses Mittagessen, wenn man seine Marken sorgfältig einteilt. Neulich hatte eine Servicekraft den Teller noch mit einem Extraschlag versehen, denn sie hatte den Steffen wiedererkannt.
Alles zusammengefasst will uns unser Steffen mitteilen, dass er gewählt werden will, denn ein Job im Bundestag wird ganz gut bezahlt.
Der Pullover deutet an, dass er als Christlicher sich auch die Grünen aufbürden würde, wenn es mit den Pappkameraden der Freien nicht klappen sollte. Der Apfel dupliziert den runden Schädel und kündet von der frohen Botschaft für alle Kugelköpfigen: Macht es euch schön! Macht macht schön! Macht macht mächtig! Keine Macht für Oma!
Die Listen der Machtnix-Sätze ist unendlich und verstehen muss sie keiner.
Wählen, das ist wichtig.
Das Kreuz an die richtige Stelle machen, auch wenn man's in ihm hat.
Die Crux mit dem Kreuz .... aber damit hatte die Christen es ja immer.
Wer seinen Apfel für einen anderen Menschen isst, kann sich des Paradieses gewiss sein.
Blödsinn!, wird mancher denken und damit recht haben. Aber so ist es nunmal im Wahlkampf. Die Wahrheit kommt immer erst hinterher, weil Lügen zwar kurze Beine haben, die Wahrheit aber keine.


Fotos schöner machen

Es kann so einfach sein. Ein Foto muss nicht langweilig sein. Mit ein wenig Know-how, einer ruhigen Hand und einem Griff in die Asservatenkammer könnten uninteressante Lichtbilder einen neuen Glanz erhalten.
Ein Tipp: Lächeln zieht immer. Auch wenn es nicht das eigene ist.

Plattentektonik und Erkenntnis

WIlfried Hackeböller: Kachel 3/126
 "Hund, Katze, Großohrhamster und liegendes Huhn neben Belgischem Rammler"
(2013)
Wir sehen, was wir sehen wollen.
Aber manchmal ist das, was wir sehen, auch zwingend; wir entscheiden nicht über das, was sich uns entgegenstellt.
Wer die Hackeböllersche Plattentektonik auf dessen Minibalkon besichtigt hat, wer diese Ausstellung des Minimalismus bei größtmöglicher Gewinnerwartung und kleinstmöglichem Arbeitseinsatz gesehen hat, wer weiß, dass hier dem Künstler "Zufall" die Kreativität überlassen worden ist,  der kann nur noch losschauen und einen Sinn hinter dem Gesprenkel suchen.
Eine Anordnung von Flecken und Linien drängt förmlich dahin, Kritik an Haustierhaltung und vor allem dem Haustier "an sich" zu üben.
Die Katze als Obertier, weil angeblich mit dem schärfsten Verstand beschenkt, will herrschen, schaut auf den tumben Hund herab, der sich duckt, weil er Angst vor Schmerzen hat, weil er in der Hundeschule in der selben Ecke stehen musste, in die er seine stinkende Hinterlassenschaft abgelegt hatte und weil er einfach ein Herrchen braucht, das ihm sagt, wann es losgeht und wohin.

Oben und unten sind klar geregelt; der Mensch merkt nichts und hält sich raus; am Elend der Tierhierarchie kann er nichts ändern. Der Großohrhamster unterlässt Hilfeleistung und macht sich zum verachteten Tier, das nur dem Eigennutz huldigt.Er bleibt unauffällig und karikiert damit den Massenmenschen, der sein Geld in Depots und Fonds hortet und den die Raffgier auffressen möchte, wenn er nicht einen  Nachgeschmack hinterlassen würde.

Ein erstauntes Kaninchen sitzt zwischen allen Stühlen und kann sich nicht entscheiden. Die Katze fräße es, wäre es nicht ein Belgischer Rammler, der ihr problemlos ein Schleudertrauma verpassen könnte. Kaninchen sind in der Regel recht schlicht gestrickt, das Belgische Rassetier ist da keine Ausnahme.

Ein blindes Huhn hat sich auf die Seite gelegt und den Schnabel gegen ein Maul getauscht, um noch erstaunter auszusehen. Dass es wirkt, als wolle es mit dem Hund kuscheln, scheint niemanden zu befremden, denn Hühner sind devot und haben nach dem Eierlegen nur das Bequeme im Sinn.
Das alles, das allesallesalles und noch viel mehr kann man auf einer einzigen Fliese entdecken. Wer die Augen öffnet, kann mit dem Sehen beginnen.
Man mag von Hackeböller als Künstler halten was man will, oder auch nicht.

Die Tierwelt dankt es mit einem "mmmmmmrrrrrrrrruuuaaaaaaaaahhuööööörwuff!" und hofft, dass sie nicht unentdeckt bleibt.

Aus der Tierwelt: Die Bremer Stadtsimulanten

Chrrrr: Wenn wir berühmt werden wollen, brauchen wir einen Namen, das ist wie ein Markenzeichen.
Mau: Ich hab es doch gesagt: Die Bremer Stadtsimulanten.
Wau: Gibt es die nicht schon?
Mau: Du meinst die "Bremer Stadtmusikanten".
Wau: Aber wir können doch gar kein Instrument spielen.
Chrrrr: Doch.
Mau: Was denn?
Chrrrr: Nasenflöten. Zwei auf einmal, in jedes Loch stecke ich eine.
Wau: Und wie holst du Luft?
Chrrr: Durch die Haut.
Wau: Donnerwetter.
Chrrrr: Scherz.
Mau: Leute, zur Sache!
Wau: Jawohl.
Chrrrr: Also, was jetzt.
Mau: Bremer Stadtsimulanten. Wer ist dafür?
Wau: Ich.
Chrrrr: Ich.
Mau: Ich auch. Einstimmig.
Wau: Was sind eigentlich Stadtsimulanten?
Mau. Die Frage kommt jetzt zu spät.
Chrrrr: Aber hundertpro.
Wau: Man kann ja mal fragen.
Mau: Eben.

Anmerkung der Redaktion: Der Name "Chrrr" wird durch Einsaugen der Luft durch die Nase erzeugt, indem man die Nasenflügel flattern lässt.
Der Autor wünscht von Herzen, dass der Name auch in der Menschenwelt sowohl als männlicher als auch als weiblicher Vorname Einzug hält. Wie schön wäre es, wenn Menschen nachts im Schlaf den Namen ihres Kindes unablässig an die Zimmerdecke intonierten.

Hackeböller: Mein Ostbalkon Kachel 2/126 "Spiegelei"

Wilfried Hackeböller: "Spiegelei" aus "Mein Ostbalkon"
(2013)
Material: Geplatzte Fliese, Fugenzement, Wasser, Dreck
Hackeböller schneidet immer wieder Lebensthemen an. Das Spiegelei spielt besonders im Leben einsamer Menschen eine Rolle, insoweit, dass es suggeriert, man könne sich in ihm sehen.
Hach, sehe ich heute wieder gelb aus, es wird doch wohl nicht die Leber sein; vielleicht ist es aber auch nur der schlecht ausgeheilte Sonnenbrand von letzter Woche.
So oder ähnlich können Gespräche sein, die beim Anblick des Objektes initiiert werden.
Nebenbei stellt sich heraus, dass das Weiße eher selten Ansprechpartner ist, das Gelbe dominiert in dieser Rolle unbedingt.
Kulturkritisch gesehen, scheint für die weiße Rasse  der Spätherbst eingeläutet zu sein, das Gelbe und damit der gelbe Mensch deutet auf die dynamische Progression aus Asien hin, die die Weißen ins Abseits drängt, wenn er dem nicht Einhalt gebieten kann.
Noch am Rande, aber in die Mitte drängend, kann sich der Billiglandgroßproduzent von Plastikspielzeug und anderem Unnützen unaufhaltsam in das Terrain der Weißen schieben und Zentimeter um Zentimeter Land gewinnen.
Wer in den Spiegel sieht, sollte sich nicht wundern, wenn er etwas sieht.
Ein Spiegelei allerdings ist nur ein Trugbild, dem man nicht verfallen sollte.
China ist weit.
Das Weiße ist groß.
Der rote Mann ist der tote Mann; dafür haben die hellhäutigen Usurpatoren gesorgt.
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Das ist doch ein Kinderspiel.
Auch wenn viele Fragen offen bleiben, so fehlen uns doch die Antworten.
Hackeböller verwirrt wie immer.

Neue Ausstellung mit Exponaten von Wilfried Hackeböller : Mein Ostbalkon (2013)

Wilfried Hackeböller: Kachel 1/126 "Arm zum Gruße"
(2013)
Heute Ausstellungseröffnung. 126 Exponate des Rostkünstlers Wilfried Hackeböller werden auf einer Fläche von 1 Meter 30 mal 4 Metern gezeigt und sind sogar begehbar. Wer barfüßig kommt, muss vorher nicht die Schuhe ausziehen. Haptisch-taktile Erfahrungen sind garantiert.
Hackeböller hat sich diesmal dem Thema "Frostschäden/Wenn die Balkonverfliesung wegplatzt " gewidmet und hofft, mit dem Reinerlös den Neubau eines dreimal so großen Objektes zu finanzieren.
"Eine so kleine Ausstellung mit so vielen Exponaten, das hat es ja wohl noch nicht gegeben!", so Hackeböller. "Da wundert sich ja sogar der Flohzirkus."
Auch wenn man den gedanklichen Sprung in die Schaustellerwelt nicht nachvollziehen kann, die Exponate überzeugen mit radikaler Zerstörungskraft, ohne aber gewalttätig zu wirken. Neo-Destruktivismus will Hackeböller die Kunstrichtung benannt wissen und hofft, dass nicht schon wieder ein Kunstbanause zugeschlagen hat, um sich den Namen schützen zu lassen.
Was, wenn es noch gar keinen Destruktivismus gibt? Was soll dann die Vorsilbe Neo? Ach, wahrscheinlich gibt es den.
Hackeböller beschreibt das Neue an seiner Kunst: Nicht er selbst haut drauf, sondern er lässt draufhauen, diesmal durch den Frost.
Und der kann nichts dafür. Also auch ein bisschen Neo-Paziifismus.

Parabel: Das Gras und die Ameisen

Das Gras beugte sich tief unter der Mittagsglast. Die Hitze drückte es nieder und es ächzte, dass es wohl sterben würde. Jeden Tag der Hitzeperiode stöhnte und jammerte es, es gehe ein, verende, es sei verdammt.
"Halt endlich die Fresse!", schrien die Ameisen, die die Bestandteile einer toten Libelle in die Katakomben ihre Hügels schleppen mussten.
"Halt endlich die Fresse, beklopptes Gras! Wir schleppen uns bei dieser Hitze die Ärsche wund und du liegst nur rum!"
Dann kam ein Mensch des Weges und trampelte das Jammergras weiter nieder, sodass es sich am Boden zerstört glaubte.
"Oh, wie anmutig diese Ameisen trotz dieser Hitzeperiode doch arbeiten. Nichts geht verloren, nicht einmal diese tote Libelle", flüsterte der Mensch sich selber ins Ohr.
"Noch so ein Idiot!", schrien die Ameisen. "Anmut, Anmut, was soll das denn sein?"
"Almut! Almut!", rief der Mann seine Frau herbei. "Schau dir das auch an!"
Seine Frau trampelte über das Jammergras herbei und staunte über die Anmut der Ameisen.
Dein beiden Menschen fielen zwei Schweißtropfen von der Stirn und trafen zwei Ameisen, die gerade den Libellenunterschenkel rechts wegschleppten.
"Scheiße, auch das noch!", schrien die beiden, doch niemand konnte sie hören, weil so doch so klein waren, ausgenommen die anderen Ameisen, die in der Nähe waren.
Das Gras stöhnte und ächzte; die Menschen setzten ihren Weg fort und dachten: "Schön ist es auf der Welt zu sein."
"Du Helmut", sagte Almut, "ist das nicht ein Schlager von Roy Black und Annika? Oder Annemarie?
Oder Anita? Ja, genau, Anita! Wie alt die jetzt wohl sein mag?"
"Das ist von Roberto Blanco. Der ist doch auch schwarz", sagte Helmut.
Das Gras wollte immer noch sterben, die Ameisen kreischten fast ihr "Fresse halten!" raus und die Menschen waren betrübt, dass ein schöner Schlager nicht von Roy Black und Anita war.
Nur die Hitzeperiode störte das alles nicht. Sie dauerte an.
"Roy Black heißt übrigens König der Neger", klugscheißerte Helmut.
"So was sagt man nicht", korrigierte Almut.
"Hört doch keiner", murmelte Helmut.


Mit der Lochkamera unterwegs (1)

Zermatt.
Skiurlaub 2013.

Nietzsche: Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein

Abgrund: Kuck nicht so.
Bruno: Wieso? Ist doch nicht verboten.
Abgrund: Wenn du meinst.
Bruno: Ja, meine ich.
Abgrund: Wenn du weiter in mich reinkuckst, dann kucke ich auch in dich.
Bruno: Denkst du.
Abgrund: Nee, weiß ich. Das ist verbürgt.
Bruno: Von wem? Wer's glaubt...
Abgrund: Nietzsche.
Bruno: Na und? Kenn ich nicht.
Abgrund: Das war ein ganz Schlauer.
Bruno: Blödsinn.
Abgrund: Gar nicht.
Bruno: Und was siehst du?
Abgrund: Hab noch gar nicht angefangen.
Bruno: Dann fang doch mal an.
Abgrund: Ganz ruhig, ja? Das Tempo bestimmt immer noch ich. Du hast mit dem Kucken angefangen.
Bruno: Und, was siehst du?
Abgrund: Nichts.
Bruno: Wie, nichts?
Abgrund: Da ist nichts.
Bruno: Aber da muss doch was sein.
Abgrund: Nee, ist nichts.
Bruno: Dann wär ich ja hohl.
Abgrund: Höchstwahrscheinlich.
Bruno: Aber da müssen doch Innenwände sein, wenn ich hohl wäre.
Abgrund: Da ist nichts.
Bruno: Aber so hohl kann ich doch gar nicht sein, dass nicht mal Innenwände da sind.
Abgrund: Scheinbar doch.
Bruno: Du Arsch!
Abgrund: Völlig hohl.
Bruno:Ich komm da gleich hin!
Abgrund: Nicht mein Problem.
Bruno: Du denkst, ich trau mich nicht.
Abgrund: Wahrscheinlich bist du so hohl.
Bruno: Sag das nach mal und ich komme.
Abgrund: Wahrscheinlich bist du so hohl.
Bruno: Ich habe dich gewarnt.
Abgrund: Komm doch.
Bruno: Ok. Einmal lass ich dir das durchgehen.
Abgrund: Völlig hohl...

Weiser Mann und noch weiserer Mann nach dem Erkenntnisbrabbeln



Der weise Mann schwafelte mal wieder rum, denn er hatte von seinem Meister gelernt: Schwafel rum, wenn du ein weiser Mann werden willst, irgendwas Gutes ist schon dabei. 
Das kannst du dann dem Volk erzählen und alle werden an deinen Lippen hängen und dich für einen weisen Mann halten.
Der weise Mann legte los, er hatte sein Frühstück, das aus einem hartgekochten Ei, Schinken und einer guten Portion Cornflakes mit Schoko bestanden hatte, beendet, rülpste laut und murmelte: Hätte auch ein Furz werden können.
Das ist nicht neu, dachte er, das hat mein Oppa auch schon gesagt, wenn ihm einer rausgeknallt war. 
Zieh mal, hatte sein Onkel immer gesagt, und seinen kleinen Finger hingehalten. Wenn er dran gezogen hatte, entfuhr dem Onkel ein gewaltiges Darmgeräusch, was ihn, den kleinen Jungen, entsprechend erschreckte. Der Onkel lachte dann immer.
Nicht abschweifen, weiser Mann, sagte der werise Mann zu sich, und fing mit einer Brabbelübung an, einer Art Zungensprechen, was ja auch die sogenannten Erleuchteten als Hauptbeschäftigung vorführen und die Leute mit sinnlosen Silben in religiöse Verzückung bringen.
Aus einem Gewühl von hmmmmkrrrrbrrrabrrrabbbel schälte sich plötzlich das Wort Heimkehr heraus.
Wer nicht weggeht, kann nicht heimkehren.
Wer nicht reingeht, kann nicht rauskommen, es sei denn, er war schon draußen.
Heimweh hat nur der, der ein Heim hat, wie das Bauchweh nur dem Bauchbesitzer zusteht.
Alleim im Heim im Keim ersticken.
Das war grammatikalisch falsch und ergab keinen Sinn.
Es muss keinen Sinn ergeben, beruhigte sich der weise Mann, es muss gut klingen und über eine kryptische Weisheit können sich die Leute den Kopf zerbrechen und zu vielleicht eigenen Erkenntnissen kommen. Wahrscheinlich aber nicht, denn wozu sollte ein weiser Mann sonst gut sein, wenn die Leute immer auf alles selber kämen?
So brabbelte der weise Mann bis in den Nachmittag. Dann bekam er Besuch vom noch weiseren Mann, der ihn überraschen wollte:
Weiser Mann! Der noch weisere Mann hatte eine Erleuchtung! Wisse: Wer nicht weggeht, kann nicht heimkehren.
Verdammt!, dachte der weise Mann, blieb aber äußerlich vollkommen unberührt und ruhig.
Wahrlich, ergänzte der weise Mann, ein guter Satz.
Den werde ich sofort den Menschen vorstellen und dann veröffentlichen, sagte der noch weisere Mann.
Gut, gut!, bestätigte der weise Mann und zischte bei sich weiter: Ohne Krempe ist dein Hut! Und deine Tröte ohne Tut!
Das sagte er aber leise, weil er es sich mit dem noch weiseren Mann nicht verderben wollte.
Schreibt man „heimkehren“ eigentlich zusammen?, fragte der noch weisere Mann.
Getrennt!, antwortete der weise Mann und grinste innerlich, getrennt und heim schreibt man groß!
Das wär ja noch schöner, dachte er weiter, den größten und banalsten Blödsinn als Erleuchtung und Erkenntnis verkaufen, damit Kasse machen wollen und nicht mal ein paar Grundlagen der Orthographie beherrschen!
Hoffentlich war sein Lektor genauso bescheuert.
Der noch weisere Mann verabschiedete sich fröhlich. 
Der weise Mann fragte: War's das?
Jupp, sagte der noch weisere Mann, ich bin denn mal weg, will den Satz gleich mal testen....
Das kannst du, verabschiedete der weise Mann seinen Gast, und dachte: Du kannst mich mal.
Dann beschloss er sofort, noch zweidrei Stunden zu brabbeln. Vielleicht würde ja noch etwas richtig Gutes dabei rauskommen.