Versöhnung mit dem inneren Schweinehund

Endlich hat dieses unglaubliche Schwein, dieser Schweinehund, einen Namen: Günter!
Günter ohne h, sodass sich alle Günthers dieser Welt, die ein h in ihrem Namen tragen, aus dem Schneider sind. Sie sind keine Schweinehunde, oder heißen wie einer.
Endlich kann Günter ansprechen, weil ich weiß, wie er heißt.
Und - auch wissenschaftlich festgestellt: Wenn man jemanden beim Namen nennt, fühlt er sich persönlich angesprochen.
Erst dachte ich, das Jokers-Online-Team macht einen Scherz. Wie der Name ja auch schon sagt. Aber das Team meinte es ernst.
Danke!
Endlich kann ich mit Günter über alles Mögliche sprechen:
Über die Steuererklärung zum Beispiel. Und das hilft doch.
Das hilft bei der Versöhnung. Immer und immer habe ich, ich nenne ihn jetzt Günter, habe ich Günter verantwortlich gemacht. Lieg nicht so rum, du innerer Schweinehund, hör auf zu rauchen,Günter, saug Staub, geh an deine Steuererklärung, räum dein Arbeitszimmer auf, wisch noch mal durch, mäh den Rasen, schneid die Kanten und feg den Hof.
Günter, lass uns mal einen trinken gehen; komm, vertragen wir uns! Wir bleiben wohl noch eine Weile zusammen. Und warum sich das Leben schwer machen? Mit dem Trinken können wir immer noch aufhören.


Wort und BIld in der regionalen Presse

Wie jede gute Zeitung arbeitet auch der Weserrandanzeiger mit der optimalen Verknüpfung von Bild und Wort, wobei das Bild die Textaussage immer unterstützen oder verstärken soll.
Ein gelungenes Beispiel ist in diesem Monat  auf der Titelseite erschienen; eine lange Liste der Verschwendung wird vorgestellt und direkt darüber ein Bild, das dem Leser die bildliche Vorstellung von Liste und Verschwendung erleichtern soll.
Verschwenderischer Herbst, der seinen Farbkasten ausleert über Bäumen und Sträuchern, steht in direkter Nachbarschaft zu einer Gondelbahn, die wie eine lange Liste aussieht, denn sie ist aus Metall und weist gleichmäßig verteilte Streben auf, eine List der Erfinder, die einen Absturz verhindern soll. Dass eine Gondelbahn lang ist, weiß jedes Kind, denn wenn sie es nicht wäre, ginge man selbstverständlich zu Fuß, das wäre erstens schneller und zweitens sicherer. Denn ab und zu, meist aus Schlampigkeit der Obrigkeit oder des Servicepersonals, stürzt so ein Ding doch ab, und schnell sind ein paar Menschenleben verschwendet.
Man erkennt - Stichwort Zahnradbahn - dass alles ineinander verzahnt ist, nichts ist ohne Bedeutung, aber häufig ohne Belang, etwa solche Titelseiten im Weserrandanzeiger.

Fatale Hörfehler: Heute Nacht sind die Ohren umgestellt worden...

Pawel Pikass: Rotabstehende Ohren (2013)
Ohren umgestellt?
Also, bei mir jedenfalls nicht....

Meine demütige Schreibtischlampe



Es erfreut immer mein Herz, wenn ich meine Schreibtischlampe sehe.
Es ist eine Lampe, die ihre Funktion, ihre Aufgabe und vielleicht sogar ihr Bestimmung zu kennen scheint, auch wenn man den „toten“ Objekten dieses nicht zuschreibt.
Ihre Haltung lässt mich aufatmen, denn meine Lampe zeigt Respekt vor ihrem Besitzer, Respekt vor seiner Arbeit und ordnet sich gleichzeitig auf die richtige Stufe der gesellschaftlichen Ordnung.
Meine Schreibtischlampe hat sich mit dem Kopf auf die Tischplatte gestützt und es wirkt, als verneige sie sich, als warte sie demütig auf einen Auftrag, darauf dass ich sie einschaltete.
Sie will nicht untätig herumstehen, sondern zollt mir Anerkennung; sie ermutigt mich, mit der Arbeit zu beginnen und ist mir in dieser eine treue Begleiterin.
Immer wenn ich frustriert den Kollegen und Kolleginnen, dem Vorgesetzten vielleicht sogar, den Rücken gekehrt habe, wenn der Tag verdorben zu seins scheint, dann reicht ein Blick auf meine Erhellerin der Arbeitsfläche und ich spüre, wie sie bereits in mir strahlt, wie sie das Dunkle vertreibt, das mich erfüllen will.
Was mehr kann eine Lampe sein?
Danke.

Philosophie des Flachmanns

Ich hole Brötchen am Kiosk und einen Stadtanzeiger, der angenehm schlichte Lektüre zum Frühstück ist.
Der Kunde nach mir ordert einen Flachmann, murmelt irgendwas mir nicht Verständliches, die Dame hinter dem Tresen aber weiß Bescheid; der Mann ist nicht neu für sie, der wird seine Bestellung nicht zum ersten Mal aufgegeben haben.
Die Verkäuferin schiebt die kleine Flasche mit der klaren Flüssigkeit, vielleicht Wodka, über den Tisch, der Kunde zahlt.
Ich denke über das Phänomen nach.
Warum kauft ein Mensch an einem Kiosk, der teurer ist als ein Supermarkt, einen Flachmann, der - in der Menegenrelation -  teurer ist - auch im Supermarkt - als eine ganze Flasche?
Es sind wohl immer wieder die Botschaften, um die es dem Konsumenten geht:
1.Ich kaufe eine kleine Flasche, weil die kleiner ist, als eine große.
2.Ich trinke gern, aber in Maßen.
3.Ich frühstücke dafür nicht.
4.Ich habe alles unter Kontrolle, denn ich bin groß, die Flasche aber klein.
5.Ich bin keine Flasche.
6.Ich bin verdammt keine Flasche, auch wenn mein Chef das gesagt hat, meine Frau und meine Eltern. Und Günther auch.
7.Ich trinke nicht.
8.Ich habe alles unter Kontrolle, aber ich kann mir eine große Flasche nicht leisten.
9.Früher haben die Handwerker auch gesoffen. Und das während der Arbeitszeit.
10.Ich bin zu früh abgestillt worden.
11.Dafür rauche ich nicht viel.
12.Wenn ich trinke, dann nur in kleinen Mengen.
13.Wenn ich kleine Mengen Alkohol kaufe, denkt Elfi vom Kiosk, dass ich nur in kleinen Mengen Alkohol kaufe.
14.Ich trinke weniger, weil nicht mehr in der Flasche ist.
15.Morgens zu trinken, ist besser, als abends.
16.Ich frühstücke dafür nicht.
17.Ich bin kein Trinker.

Verstehen wir also die Botschaften! Zusammengefasst lässt sich sagen: Wer morgens einen Flachmann in einem Kiosk kauft, will letztlich in Ruhe gelassen werden. Denn was interessiert uns Brötchenkäufer, wie groß der Flachmann ist, was der Käufer frühstückt, wie es um seine Verwandten bestellt ist und warum er einen oral-rezeptiven Nachholbedarf hat.
Nichts!
Ich jedenfalls frühstücke. Auch wenn die Brötchen teuer geworden sind. Warum kaufe ich kein Brot? Das Brötchen ist der Flachmann des Bäckers.

Günter Oecker - Alles Palette, Chef!

Günter Oecker: Alles Palette, Chef (2013)
Oecker, der meistens mit Nägeln arbeitet, hat hier einmal mehr das Material, in das er künstlerisch hineinnagelt, gewählt: Holz,  in Form von Paletten. Europaletten.
Alles Palette, Chef! persifliert den lässigen Spruch "Alles paletti, Chef!", was so viel bedeutet wie "Alles Palette, Chef, alles Palette, so weit das Auge reicht."

Oecker erhebt hier mahnend seinen Finger, denn die Palette symbolisiert die Basis, auf ihr werden die Waren, die uns am Leben erhalten, herangekarrt.
Wer diese Basis missbraucht oder zerstört, gefährdet das eigene Leben und das der ganzen Weltbevölkerung, oder der von ganz Europa, denn es sind schließlich Europaletten, die Oecker gewählt hat.

Vielleicht kritisiert Oecker aber auch den Verlust der Sprache, den das Wanderphänomen der "Gastarbeiter", die später "Fremdarbeiter" genannt wurden, mitgeliefert hat. Anfangs sind die Menschen ihrer Sprache treu, hier dem Italienischen - "alles paletti,Chef!" was übersetzt bedeutet: "Voller Pailetten, Meister" - später verflacht die Sprache immer mehr, Wörter entstehen, die keiner außer dem Sprechenden versteht und die babylonische Sprachverwirrung läuft auf Hochtouren. Übrig bleibt vom Turmbau nur ein Scheiterhaufen, der traurig zeigt: Wir sind gescheitert. Wir haben es vergeigt.
Kann sein, dass Oecker das aber doch nicht meint.


Gedichte mit Konjunktiv III drin: Georg Krakl - Rosamünde (2013)

David Hämelton - Rosamünder (2013)
Oh, Rosamünde,
oh, dass ich dich fünde!
Entschwünde
nicht!

Es tut sich was: Mutti im Holzfällerlook

Nach einigen Anläufen der CDU zum Gruppenkuscheln mit SPD und Grünen, von dem sich Angela Merkel gerne dezent zurückhielt und an der Perfektionierung der "Raute der Macht" arbeitete, sowie der Erkenntnis, dass auch Horst Seehofer Rote und Grüne gar nicht so schwarz oder weiß findet, will sie einen Imagewechsel. Weg vom Drei - und Vierknopfkostüm und hin zum volkstümlichen Holzfällerhemd, das Gehorsam, Naturverbundenheit und Arbeitswillen symbolisiert.
Zwar hat ihr das ganze Wahlgetue den Nerv geraubt, aber wer an der Macht bleiben will, macht was. Man muss nicht die Cornflakes ändern,sagt sie, es reicht, die Verpackung knuspriger zu machen, damit der Konsument die Scheine locker macht.
Angela "Mutti" Merkel gilt schon lange nicht mehr als "Ihre Knusprigkeit", sodass ein feines Holzfällerhemd, zu dem die Furchen und Runzeln passen, die das Leben geschlagen haben, den geplanten Imagewechsel unterstützen kann.
Die Frisur aber soll weiterhin wetterunabhängig bleiben; egal welches Wetter herrscht, die Frisur sitzt sowieso nicht, da kann auch Udo mit seiner Haar-Walze nichts machen.
Die Politik der CDU bleibt denn doch, was sie war, und das weiß keiner so genau.

Georg Krakl - Sommer. Herbst und Winter (2012)

Pawel Pikass: Bevor du dich vererbst, ist Herbst (2013)
Der Herbst ist da, die Blätter bunt,
wo früher still ein Meiler stunt.
Die Meiler heißen heute Kilometer.
Der Sommer schied.Im Off hört man Gezeter.
Er wollt' nicht gehen.
Die Winde wehen.
Und dann der Winter?
Hinter
Hecken
tut er sich verstecken.

(Aus "Georg Krakl - Gedichte mit 'tun' drin. 2010/2012)

Das nackte Knie in der Kunst - Andy Werwohl: Hackepetra (2013)

Andy Werwohl: Hackepetra (2013)
Leipzig hat es vorgemacht. Die Wörter müssen geändert werden; die Busfahrerin und die Oberamtsrätin können auch Männer sein; die werden sich wohl an die Endsilbe gewöhnen müssen, auch wenn das Mehrarbeit bedeutet, wenn man seinen Beruf aufschreiben muss.
Fotokünstler Andy Werwohl wehrt sich dagegen, als Fotografin bezeichnet zu werden, da er sexuelle Diffamierung fürchtet - für einen Künstler zwar eher untypisch, denn als Sexuelle ist bekannterweise verkaufsfördernd und bringt den größten Quatsch über den Ladentisch - , aber er kann und will nicht als Frau geoutet werden und beharrt auf seiner maskulinen Disposition.
Protestiert im Kleinen, damit es groß werden kann!, schreit er seit ein paar Tagen in die Welt, und meint damit, man solle sich nicht die großen Dinge vornehmen, sondern den Kehricht vor der eigenen Haustür.
Lange schon hatte ihn der Begriff Hackepeter gestört, der verniedlichend ein feingeraspeltes Schwein meint, das man bequem in die Pfanne drücken und braten kann, um daraus Frikadellen oder eine Melange à la Bolonaise zu erzeugen, die dann auch ohne Zähne konsumiert werden kann.
Gleichberechtigung auch im Wortschatz!, schreit er weiter.
Warum werden die hässlichen und unappetitlichen Dinge des Lebens immer im Maskulinum gebildet? Der Hackepeter!
Mit seinem Foto Hackepetra will er ein Zeichen setzen, ein Zeichen für die Männer, die es jahrtausendelang aushalten mussten, das Männliche für das Widerliche herzugeben, damit es sich in einem Wort manifestieren konnte.
Schluss damit, ist seine Parole, 2000 Jahre waren die Männer dran, jetzt sind die Frauen mal an der Reihe.
Der künstlerisch Interessierte wird sich freuen auf das, was demnächst noch kommen wird.

Alma säht: endlich Bikinifrisur

www.gemuesegrafik.blogspot.de

Klein-Künstler auf dem Weg: Textmarker sind etwas für Eierköpfe - von JapO (2013)

JapO - Textmarker sind für Eierköpfe (2013)
Dass ganz junge Künstler, wie hier die knapp zweijährige JapO, oft mehr kritische Distanz zur Welt haben, als der gemeine Erwachsene, zeigen künstlerische Ergebnisse
Locker hingeworfene Striche und drei kräftig geführte Textmarker zeigen dem Betrachter die eindeutige Botschaft:
Textmarker sind etwa für Eierköpfe.
Früher reichte es, das Wichtige zu unterstreichen. Manchmal war alles wichtig, dann wurde auch alles unterstrichen. Heute genügt das nicht mehr: Fette farbige Streifen braucht der reizüberflutete Mensch, um überhaupt noch ein Minimum an Struktur in einem Text festzulegen oder zu erkennen. Wünschenswert wäre ihm, wenn die zu markierenden wichtigen Wörter bereits fettgedruckt wären, vorgekaut eben, so wie das Essen, das er in Fast-Foof-Ketten konsumiert auch Vorverdautem ähnelt. Alles muss bunt sein, alles muss einfach sein. Lesen ist nicht mehr drin, aber verstehen wollen alle alles. Ohne Eigenleistung, versteht sich.
Wunderbar, welche sensible und filigrane Kritik ein Geniestreich mit dem Bleistift an der Ellbogengesellschaft übt, die sich selber auffrisst.

Tonnes Tagebuch: Was ist los im Gastro-Gewerbe? (Haarwasser)

Liebes Tagebuch!
Ich hatte um einen Espresso mit einem Glas Wasser gebeten.
Es hatte gedauert, bis die Bestellung in Handlung umgesetzt wurde. Paderborn. Quell der Pader. Quell des Lebens. Katholisch eben.
Irgendwann kam die Bedienung, oder nennen wir sie Service-Kraft, und lancierte ihr Tablette an unseren Tisch. Wir saßen dort mit sieben Personen herum. Um einen Tisch.
Der Zopf der Servicekraft war in mein Wasser getunkt.
Ich hatte das nicht bemerkt.
Ich hörte ein Plätschern neben mir. Ein Fleck auf dem Pflaster. Wir saßen draußen.
Die Servicekraft habe ihren Zopf ausgedrückt, teilten mir die Mitsitzenden mit.
Gelächter.
Gelächter. Ich hatte schon einen Schluck vom kontaminierten Wasser genommen.
Hast du das  nicht gesehen?, fragte der Rest der Gruppe.
Nein, hatte ich nicht.
Der Zopf war in deinen Beistellwasser zum Espresso getunkt.
Die Servicekraft hatte den Zopf ausgedrückt, vielleicht auch ausgewrungen.
Neben mir war dieses Plätschern gewesen. Ein ausgedrückter Zopf. Espresso eben.
Die Servicekraft war schon verschwunden.
Haarwasser.
Kann man das trinken?
Ich war irritiert.
Soll man sich wegen servicekraftbedingter Mängel beschweren?
Was würde der Chef sagen?
Vielleicht würde die Servicekraft entlassen werden, nur weil ich ihr Haarwasser nicht trinken mochte.
Ein Mitglied der Gruppe opferte sich.
Es hatte ein Glas Wasser aus der Leitung extra bestellt, das nicht gekommen war.
Es schluckte die Tabletten, die es  schlucken musste.
Ich war erleichtert. Sein Wasser war nicht gekommen, das Haarwasser war weggespült.
Legionellen drohten doch wohl nicht, dachte ich.
Paderborn. Was war los im Katholikenland? Einem Protestanten wäre das nicht passiert, der hätte protestiert.
Aber: Ich  bin doch Protestant!

Neues Angebot der Post

Die POST hat ein neues Angebot im Programm, um den Konkurrenten in der Zustellung von Briefen davonzueilen und sinkenden Umsatzzahlen entgegenzuwirken:
Briefbomben können jetzt mit gesonderter Post zugestellt werden und kosten trotzdem nicht mehr als der herkömmliche Brief zu 58 Cent.
Der Brief kann - optional und gegen einen Zuschlag von 15 Cent - mit einem Aufkleber "TNT" versehen werden, damit der Zusteller  den Brief mit Vorsicht behandelt und so eine vorzeitige, unbeabsichtigte Detonation vermeidet.
Wer sicher sein will, dass der oder die Richtige den Brief "erhält", schickt den explosiven Text als Einschreiben, das persönlich gegengezeichnet werden muss.
Wer an Briefbomben nicht interessiert ist, sollte sich auch nicht in der Nähe der roten Fahrräder aufhalten; alle Fahrzeuge sind mit dem Aufkleber "TNT" versehen und werden von Mitarbeitern mit einer Zusatzausbildung gelenkt.
Der Verfassungschutz und der Bundesnachrichtendienst haben sich allerdings an die auffallenden Drahtesel gehängt, um Terroristen und Verfassungsgegner aufzuspüren. Wer sich dieser Schnüffelei entziehen will, sollte weiter konventionell verschicken.
Auf jeden Fall: Liebe Post, das Angebot ist der Kracher!

Schlagertexte ohne Melodie: Georg Krakl - Sex (ist das nicht)

Männer denken an das Eine
denken immer an das Eine
Sex
Sex
Sex
ist es nicht

nur ein Fußball
und die klitzekleine Märklineisenbahn
nach der sich einst ihr Hals verrenkt
und die die Eltern nie geschenkt
und an den Ball, der billig war,
der willig war,
und auch zu haben war


die Frauen denken an das Eine
denken immer an das Eine
Sex
Sex
Sex
ist das nicht

sind die schön enthaarten Beine
die sie zeigen allen Männerblicken

alle Männer wollen nur das Eine:
Kicken, kicken, kicken, kicken.

Schön ist das nicht.


Günter Krass: Kuss

So hatte er sich den Kuss nicht vorgestellt.
Als würden sich zwei Regenwürmer übereinander stülpen und nicht mehr von einander loslassen.
Und überhaupt: So feucht.
War das jetzt Wilma, die an seinen Lippen hing und ständig versuchte mit ihrer mausartigen Zungen, oder was es auch immer war, seine Frontzähne zu kontrollieren? Ja, das musste Wilma sein. Wer sonst war denn in seiner Nähe gewesen, als er eigentlich lieber allein sein wollte?
Aber: Was gingen Wilma seine Frontzähne an?
Natürlich, sie kannten  sich schon mehrere Jahre. Aber geküsst hatten sie sich noch nie. Und überhaupt zweitens, was fiel Wilma eigentlich ein, einfach ihre Lippen über seine zu stülpen und mit diesem sinnlosen Zungengefummel an seiner Frontzahnkrone zu beginnen?
Aus Verlegenheit und um nichts falsch zu machen, fasste er an Wilmas rechte Brustwarze. Und überhaupt drittens: Warum war Wilma unbekleidet?
Immerhin war das hier keine Sauna.
Tommo war ratlos.
Immer und immer wieder hatten ihm die Kumpels an der Theke erzählt, dass Küssen schön und  der Anfang einer noch größeren Sache sei.
Tommo würde jetzt gern eine Salzstange essen, aber Wilma verstopfte mit ihren Lippen den Weg in seinen Mund.
Es war einfach schrecklich.
Und überhaupt viertens: Wer hatte denn die Frauen erfunden?
Warum konnte ein Mann nicht einfach mal in Ruhe eine Salzstange essen?

Kunst oder Könst?

Andi Goldwerti: Schlitz im Freien (2013)
Kunst kommt von Können, lamentierte der Kunstlehrer damals und fühlte sich selber natürlich als Könnenlehrer.
Wenn man es könnte, aber nicht kann, dann ist das wohl eher Könst.
Das Wort Könst drückt aus, was es ist.
Keine Kunst nicht, aber auch keine Kunst. Verwirrend.
Könst ist die Möglichkeitsform des Objektes. Es hätte sein können, tut es aber nicht.
So bleibt es im Trivialen, verharrt dort unter anderen Sachen, die weg können.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Zufällig liegt ein dünner Ast neben einem Blatt an ein paar Mooswucherung auf einem schieferfarbenen Stein. Zufall, sagt der Normalbürger und geht weiter seines langweiligen Weges.
Kunst!, schreit der Künstler im Inneren und denkt natürlich auch an den leeren Geldbeutel, der sich schnell und ohne großen Aufwand füllen ließe, wenn man willige Idioten fände (Möglichkeitsform!), die das Objekt für einen künstlerischen Erguss hielten.
Kunst muss nicht schön sein; dafür hat man ja den Begriff geprägt, dass auch Hässliches wahrgenommen wird. Entscheidend ist, dass ein Teil der Bevölkerung - der, der das Sagen hat - sagt, es sei Kunst und man könne das kaufen und in ein paar Jahren sei das richtig was wert. Könnte man meinen.
Das Blatt des beschriebenen Kunstwerkes ist bis dahin zerbröckelt, das Moos hat alles überwuchert und der Stein war schlicht eine PVC-Platte, die sich jetzt merkwürdig verbiegt.
Wahre Könst ist ehrlich. Die eigentliche Kunst degeneriert mehr und mehr zum Trugbild und zur Geschäftemacherei.