Georg Krakl - Dies eine Leben

Ich habe nur dies eine Leben,
Darum muss ich auch mal nehmen,
Nicht nur geben,
Den bequemen
Weg benutzen,
Nicht nur streben,
Leben,
Auch verdutzen
Nicht Erwartungen erfüllen,
Mich in feine  Roben hüllen,
Statt in abgetragene Klamotten.
Mit Marotten
Kokettieren,
Statt verlieren,
Statt bezahlen.
Lieber Erben
Statt zu sterben.
Lass die Qualen
Anderen, will selber quälen
Und an jedem Tag mein Geld durchzählen.

Hältst du mich deshalb für geistig arm,
So sag ich: In der Hölle ist es warm.

Denn da sitzen schon die Päpste, Kardinäle, Hasardeure
Und Finanzjongleure,
Katholiken, Protestanten,
Querulanten,
Falsche Tanten,
Böse Onkel, böse Neffen, böse Nichten,
Und auch jene, die nur reimlos dichten.
Oligarchen,
Und auch solche, die laut schnarchen,
Die, die schweigen,
Wenn sie schreien sollten,
Und die Feigen, die erst weggesehen, und dann schmollten.
Und zum Glück
die Politik.

Ach ich habe nur dies eine Leben,
Hab die Nase voll vom Geben,
Will genießen, zechen, prassen,
Will den Nächsten richtig hassen.
Will nicht einsam Harfe spielen,
Will auf Engel zielen.
Will nicht nach dem Himmel schielen,
Nicht nach Seligkeit und Heil'genschein.
Ich will lügen und betrügen.
In der Hölle bin ich nicht allein.

Georg Krakl - Metapher "Es schießt mir durch den Kopf" (Segen der Zeichensetzung)

Eine Pistole!,
schoss mir durch den Kopf.

Parabel zum Auswendiglernen: Talibahn und Bergibahn

Ganz früher hieß die Beförderungseinrichtung, die auf den Gipfel führte, in Südtiroler Schnalstal ganz einfach Gondel. Man fuhr mit der Gondel den Berg hinauf und mit der Gondel  ins Tal nach unten.
So lebten die Schnalstaler glücklich, weil sie den schweren Anstieg bis zum Gipfel nicht zu Fuß machen und den Rückweg ins Tal, wenn sie auf der Mittelstation ordentlich gebechert hatte, nicht ohne stützende Seitenwände antreten mussten.
Dann aber wurde das Duale System erfunden. Gelbe Säcke wanderten durch die Lande und predigten von Trennung und Zersplitterung. Sogar der Müll sollte getrennt werden.
Die Gondel, die Jahrhunderte mit sich eins gewesen war, hörte von diesen Predigern und ihrer Botschaft.
"Das ist doch auch etwas für mich", überlegte die Hängebahn und entschied, dass sie sich fortan in Bergibahn für die Fahrt aufwärts und Talibahn für den Weg abwärts nennen wollte. Vielleicht gab es sogar mehr Lohn und eine Tüte Schmieröl obendrauf, denn immerhin war sie ja jetzt zwei.
Das ging auch ein paar Jahre gut, bis neue Prediger kamen und laut herumschrien: "Talibahn! Vorsicht! Gefahr! Lebensgefahr! Rettet euch! Terrordrohungen! Schützt euch!"
Die Menschen, die bis dahin friedlich mit den beiden Bahnen, die eigentlich eine Gondel war, zusammengelebt hatten, nahmen die Warnung ernst, denn warum sollten Prediger sonst durch die Gegend laufen, wenn sie sich selbst nicht auch ernst nahmen? Sie engagierten südtiroliensische Fanatisten, die alle Schießgewehre besaßen.
Wir wissen, dass der Weg vom Infantismus zum Fanatismus nicht weit ist, man muss nur ein i verschieben und ein n wegwerfen, dann kam man loslegen.
Die Fanatisten luden ihre Waffen und schossen tagelang auf die Talibahn, bis sie schlaff in den Seilen hing und schließlich abstürzte. Mit ihr stürzte aber auch die Bergibahn und insgesamt auch die ganze Gondel ab.
Da bemerkten die Schnalstaler ihren Irrtum und weinten bitterlich.
Deutlich wurde aber auch, dass das Duale System mehr Schaden anrichtet, als es immer nutzen will.

Georg Krakl: Fremdland (Aus: Prosarote Brille)

Mit Hackbrett und Rührtrommel hämmern die Jungen, die ich nicht kenne, monoton auf ihren Saiteninstrumenten herum und glauben, es sei Musik, die Berge, die Berge, alles um mich herum ist Fremdland, wo Musik sei, solle ich mich niederlassen, unbetrübt sein, doch dahin wollte ich nie, in das Land, wo sie Lederhosen tragen, die Männer mit den wüsten Gesichtern, Ödnis und grüne Wiesen wechseln sich ab, Kühe glotzen irre und geben schwarze Milch, da lacht Celan, der Himmel droht, die Sau ferkelt, wo bin ich gelandet, schrille Schreie im Hinterwald, Holzbuden als Häuser, handgeschnittenes Brot und Wurst aus Tieren, die eben noch auf dem Gelände gesungen haben, Lieder ihrer Heimat, Wehmut im matten Glanz ihrer Augen. Was hat meinen Fuß hierhin geführt, dass ich diesen Alpentraum erleben muss, schöne Berge, hohe Berge, Steinwüste, öde Blicke aus dem Unterholz, Dräuen und Wiederkäuen, nichts will mich halten, Brotzeit im Grün genossen kann nicht entschädigen für das Warten auf ein Lebenszeichen, ich bin im Fremdland, ich bin ein Nordling und jetzt im Süden, wo der Gamsbart den Hut ziert, wo der Bursch sich an die Träger der Krachledernen fasst, auf die Leiter steigt, um durchs Fenster zur Geliebten vorzudringen, ich bin im Fremdland und ich bin der Fremde, der beäugt wird, den man belauert, den Nordling, der anders spricht, der anders denkt, der anders isst, der anders ist. Fremder im Fremdland. Dann lieber Vater im Vaterland.

Überflögelt (Tonnes Tagebuch)

Liebes Tagebuch!
Heute saß ich im Auto und dachte so vor mich hin, dass ein Automobil, wenn es nicht fährt Immobil heißen müsste, und ob es wirklich kaputt sein muss, um so zu heißen, oder ob es reicht, dass es nur geparkt wird. Immobilienmakler vermitteln aber keine kaputten Autos, das sind Schrotthändler - was für ein guter deutscher Begriff für das, was es ist: Schrott! - , sondern Häuser und Grundstücke, weil die sich nicht bewegen. Wenn sie sich bewegen würden, hießen sie Wohnwagen. Ein Wohnwagen wiederum müsste zu den Mobilien gehören, also beweglich Geräten, die aber nicht eigenständig beweglich sind, sondern gezogen oder geschoben werden. Die Definition hinkt allerdings, dachte ich, denn ein Rollstuhlfahrer wird auch schon mal geschoben, deswegen ist er aber nicht mobil.
Plötzlich hörte ich den halben Satz im Autoradio "...hat sogar den Trainer Hennes Weisweiler übervögelt.", was mir absurd vorkam. Ich konnte mit dem Satz, der ja eine extrem erotische Komponente aufweist, nichts anfangen. Hennes Weisweiler war ein Fußballtrainer, und im Fußball hat Erotik nichts zu suchen, sonst müsste man die ständigen Umarmungen der Sportler nach geglücktem Schuss anders einordnen. Zu Fußball gehören eher Bier und Bengalische Feuer. Vielleicht war es ein Hörfehler, der mich dazu gebracht hat "... Hennes Weisweiler übervögelt" zu verstehen. Es musste wahrscheinlich überflügelt heißen, und dann wurde mir der Zusammenhang klar, dass nämlich Vögel auch Flügel haben. Was das mit Fußball zu tun hat, blieb mir trotzdem  unklar, hier wäre besser ein Taubenzucht- und Flugverein vorgestellt worden.
Der Satz eines Eu-Grünenpolitikers riss mich aus dem Vogel-Gedanken: Da werden wir Unterhaltungen führen, die sich gewaschen haben. Auch hier fehlte mir das passende Bild, obwohl es darum ging, dem neuen EU-Präsidenten Juncker bezüglich seiner Billigung oder sogar Veranlassung von Steuertricks für ausländische Unternehmen in Luxemburg gehörig die Meinung zu sagen. Der muss jetzt nämlich den eigenen Skandal selber untersuchen. Makaber. Ich stellte mir vor, wie die Grünen und Juncker sich unterhalten und dabei mit Waschlappen, die Grünen mit grünen, und Juncker mit einem schwarzen, ihr Gesicht abrieben. Ich musste fast lachen, wenn nicht der Kommentator gesagt hätte, dass dadurch 1000 Milliarden € Steuergelder unterschlagen würden. Ich erklärt in der letzten Linkskurve Luxemburg für einen Schurkenstaat und dachte noch kurz an Hennes Weisweiler.
Das kann ein spannender Tag werden, schoss mir durch den Kopf.

Genuss

Der weise Mann sagt:
Genuss haben, die es tun, nicht die es wünschen.