Schulmikado

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Stoische Katze winkt

Du sagst, die Katze ist stoisch, sie winkt so unbewegt.
Aber sie bewegt sich doch, sage ich. Das ist nicht die Erde, sagst du und deutest auf die Katze. Eine Katze ist keine Erdkugel. Da hast du recht. Du warst immer rechthaberisch, aber hier muss dir jeder recht geben. Ein Hund ist kein Mond, und ein Affe kein Stern. Eine Möwe ist kein Trabant und der gemeine Borkenkäfer kein Kofferradio. Das passt nicht, sagst du, aber ich weiß nicht, warum das nicht passt. Das hat nichts mit Weltall zu tun. Doch, sage ich. Äther. Radio kommt aus dem Äther. Du sagst, du fühlst dich wie betäubt.
Ich muss dir recht geben. Du fühlst dich wie betäubt. An.
Die Katze winkt. Unbewegt das Gesicht. Nur der Arm, so, als sei er amputiert und wieder angenäht, vorher mit einem Motor versehen, schlägt von oben nach unten. So, als habe er nichts anderes zu tun. So, als sei er kein wesentlicher Bestandteil einer Erdkugel. Ein Arm ist nicht Teil einer Erdkugel.
Ich denke nach. Du magst recht haben. Ohne Arm wäre die Erdkugel immer noch eine Erdkugel.
Das Gespräch langweilt mich, genauso, wie es aufzuschreiben. Ich schau der Katze 20 Sekunden lang zu und fühle, wie ich meine Zeit verschwende.
Stoische Katze, ich will dich nie mehr sehen!
Mal genauer ansehen

Wegräumen kann teuer werden

Ist das Kunst oder kann das weg?, hört man nun immer öfter das McDonalds-Personal fragen. Denn immer häufiger entdecken die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Hinterlassenschaften von Gästen, die nicht eindeutig zuzuordnen sind. Vielleicht war es einfach zu voll und die Kunden mussten zwangsläufig ihr Einweggeschirr stapeln um überhaupt einen Platz zu ergattern. Dann kann das Ganze jetzt weg, denn dann war es reiner Zufall und keine Kunst. Aber vielleicht war es Absicht, eine schnelle Performance, vielleicht ein Test der Zentrale, ob das Personal Kunst von Müll unterscheiden kann, wer weiß denn, was für Schikanen die sich ausdenken, vielleicht wird vom Service-Personal erwartet, dass das Gebilde fotografiert und zu Werbezwecken eingereicht wird, könnte man doch toll verwerten, zu McDonalds gehen kreative, intelligente Menschen, die sich bewusst für diese Art der Ernährung entschieden haben und gar nicht finden, dass McDonalds klima- und gesundheitsschädigend ist. Ketchupmalereien auf dem Tisch bedeuten ähnliche Herausforderungen und sind viel komplizierter zu behandeln. Mütter lassen ihre Kinder unbeaufsichtigt an Tischen sitzen und essen und denken natürlich nicht daran, dass diese vielleicht gerade in einem Kunstwerk herumpatschen. Schon häufen sich Berichte über Geldforderungen für die Reinigung. Hier wird abgewogen, Schadensersatzforderungen von Künstlern sind meist um ein Vielfaches höher als von Müttern und so beantworten die Mitarbeiter die Kunst- oder Müllfrage für sich eindeutig mit Kunst.

Klappe zu, Mann!


Deine Fische, Mann, kann man mit einer Hand zeigen, so klein sind die, da könnte jeder Einarmige mithalten, obwohl dem der zweite Arm fehlt. Rollo ist in Rage, der müde Urs hat sich seinemTerritorium genähert, ohne die Demutsbezeigungen zu machen, ohne höflichst um Erlaubnis zu fragen. Und er hat gesprochen, nichts Notwendiges, nur so dahin, guten Tag oder so ähnlich hat es geklungen, die Fische sind erschrocken weggeschwommen, wenn sie da gewesen sind, der Tag ist gelaufen, Meister, geh in die Fischfabrik und kauf dir eine Dose. Hering in Tomatensauce ist mein Tipp. Jetzt hör auf zu schwafeln, dass du nur Guten Tag sagen wolltest, das glaubt dir hier keiner und ich weiß das, weil ich allein hier bin. Bis eben jedenfalls, bis du gekommen bist und die Fische zugequatscht hast mit deinem Guten Tag! als ob Fische sich begrüßen. Was, freundlich sein? Hier wird geangelt, freundlich sein kannst du zu Hause, aber da kriegst du wahrscheinlich kein Wort raus und deine Frau muss sich alles denken, warum du nach Fisch riechst und so. Komm lass stecken, nein, ich will gar nicht wissen, wie du heißt, was soll ich denn mit diesem Wissen anfangen, glaubst du ich schreibe dir ne Postkarte? Ich weiß ja noch nicht mal wo du wohnst.
Und jetzt lass mich hier in Ruhe, ich will angeln. Da ist Klappe zu.

Wertollt Bricht: Mein Spitz (2011)

Mein Spitz, der hat drei Ecken,
drei Ecken hat mein Spitz,
er soll nicht so verdrecken.
Beim Bürsten sag ich: Sitz!

Georg Krakl: Der Stolz (2011)

Ich lass an heißen Tagen
ohne wen zu fragen,
mich einfach treiben
wie ein totes Holz:
Bin der Gewässer Stolz.
Ich rühr nicht dran, das lass ich bleiben,
denn Flüsse, Bäche, Meere
sind so dumm
und obendrein noch stumm.
Auch ich schweig still
und habe, was ich will:
Der Stolz zu sein.
Ich bin kein Schwein.

große weite Welt

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Alles künstlich in der Stadt


Ab und zu war Toni mit Kunst in Berührung gekommen, das kam auf dem Lande nicht häufig vor. Künstler stellten Tische auf einen Acker und schlachteten öffentlich Hühner, sie hüllten eine vermüllte und fast nie benutzte Bushaltestelle in gelbe Säcke und künstlich fühlten sich auch manche Körperstellen von Biggi an, die ebenfalls aus der Stadt kam und auch bald wieder dorthin zurückging. Toni folgte ihr, weniger wegen der gummiartigen Stellen, die er manchmal berühren durfte, sondern wegen der Kunst, die es in der Stadt offenbar massenhaft gab, wegen der aufregenden Hinweise auf eine Welt, die er noch nicht kannte. Nach der ersten Busfahrt hätte Toni erkennen müssen, dass seine Entscheidung ein Fehler war, blind erkannte er die kulturelle Überlegenheit der Städter an, obwohl dort im Verkehrstrubel nüchtern auf einen Bannkreis hingewiesen wurde. Toni wusste noch, was ein Bannkreis war, er konnte erkennen, ob er drinnen oder draußen war, gebannt oder verbannt, er kannte die Sprache der Natur, der Bilder, er wusste, dass es Dinge gibt, die sich nicht auf Hinweisschilder bannen lassen, dass hier kulturelle Überlegenheit der Arroganz weichen musste, und trotzdem blieb er, überzeugt davon, dass ein städtischer Bannkreis aufregender und wertvoller sein muss als ein ländlicher und dass er bisher einfach viel zu wenig vom wirklichen Leben wusste. Er verlernte die mythische Sprache, schrieb lange Briefe an seine Eltern, schickte ihnen zu Weihnachten dicke Bildbände, klebte Collagen aus Silikonkissen und kehrte schließlich als anerkannter Künstler für demonstrative Kunst aufs Dorf zurück. Dort gründete er eine Künstlerkolonie mit dem Namen Bannkreis, doch er starb dumm und unerleuchtet.

Fahrbare Kunst wieder unterwegs


Da wo Wiesen und Felder die Landschaft bestimmen, wo vereinzelte Höfe die weiten Ebenen unterbrechen, wo gelegentliche Neubau-Ansiedlungen die Harmonie des Gewachsenen zerstören, ist das Kulturelle oft unterentwickelt, es beschränkt sich auf Holzschuhtanz und gemeinsames Brummeln zum Schifferklavier. Kulturbeflissene haben sich jetzt etwas einfallen lassen: Das transportable Kunstwerk, das mal hier, mal da zu sehen ist und dazu beiträgt, das Gefälle zwischen Stadt und Land zu nivellieren, dass dem Landesflüchtigen nicht der Kulturschock in die Glieder fährt, wenn er in die Stadt kommt, und er frustriert zurück zu Scholle kehrt.
Gern stellt man Objekte aus Metall aus, da sie Wind und Wetter zu trotzen vermögen und mit der Zeit nicht nur Ansehen des Künstler, sonder auch das eigene Aussehen zum Positiven hin verändern.
Hatten sich früher die Menschen mit dem Taschenmesser oder dem Hirschfänger Figuren aus Weide oder Pappel geschnitzt, so schaffen es heute bekannte und bedeutende Kunstschaffende in jedes Dorf und lösen Erstaunen aus. Das hatte man bisher nicht gesehen, das war neu, das schaffte Verwirrung. Aber Kunst kommt ja nicht nur von künstlich, sondern soll auch zum Nachdenken anregen, indem sie irritiert, indem sie verwirrt, indem sie Fragen aufwirft.
Winfried Hackeböller, Rostkünstler seines Zeichens, ist im Jahre 2011 mit dem Vierfachkreuz auf Tournee durch "die Hinterwälder, da wo die Hinterwäldler leben", und lacht täglich über sein kleines Wortspiel, wenn neugierige Menschen vor seinem Anhänger stehen bleiben und sich fragen: "Was soll der Scheiß?"
Kunst hat ja immer auch mit Toleranz zu tun, und das kommt nicht von toll.

Bank negativ besetzt

Da irgendwo auf dem Lande steht eine Bank, so als müsse sie die Sparkasse ergänzen, die jedes Dorf ihr eigen nennt, auf die die Leute ihr bitter erarbeitetes Geld bringen. Da steht eine Bank, so als müsse man das Vertrauen in diese Sparkasse neu gründen: Seht her! Das ist eine Bank! Vielleicht eine bad Band, eine schlechte, eine, wo die Managerratten euch den Käse aus der Tasche fressen und heimlich über euch lachen, weil ihr vom Lande seid. Der dörfliche Mensch ist mit Schläue beschenkt, er weiß, dass es nicht sinnvoll ist, sein Geld im Sparstrumpf zu horten, aber auch gefährlich ist, das, was am Monatsende übrig bleibt, auf eine Bank zu schleppen, wo es in windigen Kanälen verschwindet.
Die Bank ist eigentlich Ruhepunkt, um ein schönes Denkmal zu betrachten, oder Leute zu beobachten, die nicht auf einer Bank sitzen, sondern vor ihr auf und ab, bzw. hin und her schwadronieren, weil es Sonntag ist und sie nicht den Rasen mähen dürfen. Und es ist Mahnmal, um die Guten zu warnen, auf die falschen Pferde zu setzen, oder sich von Gewinnmaximierung leiten zu lassen, hinter der nur der Verfall der Sitten lauert. Bleibe daheim und nähre dich redlich, und lege dein Geld aufs Konto, immerhin bekommst du 1,75% Zinsen, wenn du mindesten 2.500 € einzahlst. Das ist doch lukrativ, wenn man die Kosten dazuschlägt, die entstehen, wenn man mit 1,75 Promille von der Polizei ausgebremst wird oder bereits an einem Baum zu halten gekommen ist und einem die Beamten das Blasrohr entgegenstrecken.
Eine Bank hat auch etwas Positives.

Wir Hamm den Kanal noch lange nicht voll

Den Kanal voll zu haben, ist auf Dauer nur für den Kanal nicht schädlich.

Verwirrung auf dem Lande

Längst hat das Land seine Beschaulichkeit verloren. Der Radfahrer, der der Erholung bedarf, strampelt gedankenverloren durch die flache und bequem zu erfahrende Gegend, nicht darauf vorbereitet, mehr zu tun, als sich treiben zu lassen und  Leib und Seele zu erfrischen.
Und dann erwischt ihn die rustikale Realität: Hatte er gehofft seiner Sinnkrise durch eine Fahrradtour ein Ende zu machen, trifft er jetzt auf einen Scheideweg, wenn nicht den Scheideweg, an dem ihm Schilder Zeichen geben wollen, aber eher der Verwirrung einer verirrten Seele dienen.
Weißt du, wohin?, fragt der Wanderer eines der Blechsymbole, das "nach links" raunt, wispert, flüstert. "Nach links!",wiederholen sechs weitere Hinweisgeber. "Nach rechts!", zischt ein anderes, "Geradeaus!", empfiehlt ein neuntes, und dort auf blauem Grund die weiße Spaziergängerin mit ihrem Kind! Sie lockt mit niegelnagelneuem weißem Fahrrad unter sich ins Grüne.
Der Radfahrer und Erholungssuchende ist verzweifelt. Nicht einmal in einem dörflichen Schilderwald findet er sich zurecht. Ist es denn schon so weit mit mir gekommen?, fragt sich der benommene Biker und sieht sich fast gezwungen niederzuknien und um Beistand von oben zu bitten.
Dann erkennt er die Eisbude hinter den Bäumen und  weiß plötzlich ganz genau, wohin er will. Mal aus dem Bauch heraus entscheiden!, seufzt er zufrieden und leckt an seinen Kugeln in den Geschmacksrichtungen "Zucker mit rotem Farbstoff" und "After shave". Komisch, denkt er, After shave schmeckt eher nach Pefferminz mit dunkler Schokolade. Ach egal, Hauptsache, ich weiß, wo's langgeht.
Im Unterbewusstsein hat er aber heute gespeichert: Auf dem Land herrscht ein Linksruck. Das hat es ja noch nie gegeben.
Mal "Weißt du, wohin?" hören

Dialog

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Vladimir Kannikski: Akrobaten (2011)

Früher genossen die Akrobaten hohes Ansehen; viele kannten das Wort nicht und folgerten, dass es sich um ein Fremdwort handeln müsse. Akademiker begannen mit den selben Buchstaben, und das Volk verneigte sich in Ehrfurcht. Dass es oft simple Kunststückchen waren, wurde wegen des Glanzes des fremden Wortes übersehen.
Auf Pümpeln herumzustaken ist ja erst mal nicht so schwer. Das hat Kannikski erkannt und in Pastellfarben umgesetzt: Die Angst des Akrobaten vor dem Umkippen. Der Eleve starrt ängstlich auf die Gehhilfen des Meisters, der aber durch seine ausgebreiteten Arme zeigt, dass er auch auf wackligem Terrain steht. Künstlerisch eher eine Kritzelarbeit, gesellschaftskritisch durchaus im Rahmen des Tolerablen.

Mr. Castle

Rolf und Dieter: Urlaub in Irland

Dieter: Bist du eigentlich schwindelfrei?
Rolf: Das hast du vor Jahren schon mal gefragt.
Dieter: Und was hast du damals geantwortet?
Rolf: Das weiß ich doch heute nicht mehr.
Dieter: Aber du musst doch wissen, ob du schwindelfrei bist.
Rolf: Ich muss gar nichts.
Dieter: Doch schon. Verdauung zum Beispiel ist ein Muss. Man sagt ja auch "müssen". Ich muss mal eben.
Rolf: Du polemisierst.
Dieter: Fremdwörter helfen dir auch nicht weiter.
Rolf: In der Savanne muss man nicht schwindelfrei sein, da ist alles flach.
Dieter: Wir sind aber nicht in der Savanne.
Rolf: Und? Wo sind wir denn?
Dieter: Irland.
Rolf: Aha, auch so ein flaches Land.
Dieter: Irland, Steilküste.
Rolf: Ach du Scheiße.
Dieter: Sag ich doch.
Rolf: Was hast du gesagt?
Dieter: Wir sind hier nicht in der Savanne.
Rolf: Ich will nach Hause.
Dieter: Wir haben drei Wochen gebucht.
Rolf: Da ist es ja im Zoo schöner.
Dieter: Hast du was gegen Irland?
Rolf: Immer schon. Wegen der Steilküsten.

Der Mythos "Zunge"

In den 60ern lebte der Mythos der langen Haare, der Mähne, noch einmal auf. Alle Welt glaubte, dass mit dem Haar auch Kraft und Macht und Kreditwürdigkeit einhergingen und man diese Attribute deshalb vernachlässigen könne, weshalb man Langhaarige als schlappe, ohnmächtige Gammler bezeichnete, denen man keine Mark leihen werde.
Dann ließen sich die Langhaarigen bis auf ein paar Unverbesserliche die Haare abschneiden, kleideten sich adrett und wurden Bankangestellte.
Der Mythos Zunge wurde plötzlich, so, wie der der Haare wieder verschwand, belebt, und es galt als beeindruckend, wenn jemand die Marmelade ohne Hilfsmittel aus dem Glas lecken konnte und sich dabei nicht einmal nach vorn beugen musste. Der Satz "Der hat den Mund ziemlich voll genommen" bekam eine völlig neue Bedeutung, denn solche Könner hatten den Mund immer voll. Wenn die Männer  diese von der Natur Beschenkten als krötenhaft bezeichneten, so zeigte sich die Damenwelt interessiert, denn sie hatte es dieses ewige Löffelimmarmeladentopfgeschabe satt. Anfang der 8oer entstand der Punk und alle fanden die 70er ekelerregend. Der stille Betrachter aber fragt sich, was denn wirklich von Dauer ist? Spätestens in den 90ern wären die langen Haare ja sowieso von selbst ausgegangen.

Georg Krakl: Trixie (2011)

Viele lieben Trixie,
ist nicht dick, sie
ist sehr chic, sie
fährt auch Trickski,
doch ich ffind sie süß.

Kopffüßler!

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Aluliebe rostet nicht

Es war Samstag gewesen. Berni und Kalle waren zur Fete mit ihren Rädern gefahren und wollten später nicht zu Fuß gehen. Dann waren sie zu betrunken, um das Schloss, mit dem sie die beiden Räder zusammengeschlossen hatten, zu knacken, denn Bernie hatte den Schlüssel über der Schüssel verloren und konnte nur noch lallen. Er wiederholte irgendwelche Zahlen, vielleicht erinnerte er sich an ein altes Zahlenschloss, hier jedoch war der Schlüssel gefordert. Der war aber weg.
Die beiden Räder hatten jetzt vier Nächte miteinander verbracht und fünf Tage, hatten 14 Regenschauer erlebt, einen Hund, der an die Hinterreifen gepinkelt hatte und wären fast umgekippt, als der Postbote seinen Paketkarren herangeschleppt hatte. Sie waren sich näher gekommen. Sie hatten sich aneinander geschmiegt, wenn es kalt war und gemeinsam geschwitzt, wenn die Sonne gelegentlich auf sie niedergeschienen hatte. Sie hatten sich in einander verliebt. Zwei Herrenfahrräder hatten sich gefunden und wollten ein Leben lang zusammenbleiben, das war ihnen in den letzten Tagen klar geworden; anfangs hatten sie aus Verlegenheiten ein paar läppische Fragen aus Trivial Pursuit gestellt und meistens richtig beantwortet. Schließlich hatten sie über den Sinn von Feten und Alkohol, über die Jugend von heute, über den Sinn des Lebens und rostfreien Stahl gesprochen, sie hatten die Vorteile von Scheibenbremsen diskutiert und dann festgestellt, dass beide lieber rot wären. Rot ist eine Mädchenfarbe, hatte der eine noch gesagt. Na und?, hatte der andere gefragt, und dann war es um sie geschehen.
Und sie konnten genießen, dass sie Aluräder waren. Egal, wie alt ihre Liebe werden würde, ihre würde nie rosten.

Pessimistenhäuser

werden gar nicht erst fertig gestellt, das ist auch nicht vorgesehen, die einzige Mauer, die errichtet wird, endet auf unterschiedlichen Höhen, soll aber nicht unvollendet wirken, sondern eher verfallen oder zerstört. Pessimisten gehen davon aus, dass das Haus sowieso nicht lange stehen bleibt, dass es durch ein Feuer zerstört wird oder durch einen Orkan, ein Flugzeug könnte abstürzen und genau dieses Haus treffen, Schimmelpilz könnte den inneren Verfall herbeiführen, Marder könnten sich mit Bibern verbünden und Isolierung, Latten und anderes verwertbares Material für den Damm- oder Nestbau holen und so das Gebäude nach und nach zersetzen. Auch plötzliche Armut, Spielsucht, Trennung und ganz allgemein die Vergänglichkeit lassen einen Hausbau als Risiko erscheinen, als lächerliches Unterfangen, das Leben, vor allem das eigene, irgendwie zu verankern, etwas Handfestes zu hinterlassen. Also lieber gleich das Geld sparen, die unvollendete Variante wählen, die wegen der bisher sehr wenigen Anbieter nicht billig, aber trotzdem weitaus weniger kostspielig ist. Grüne Hecken sichern die Grundstücksgrenze, empfehlenswert sind hier allerdings Brombeer- und Himbeerhecken, um die Vitaminversorgung in Notzeiten zu gewährleisten, geschlafen werden sollte in Zelten des UN-Flüchtlingswerkes, so spart man sich im Katastrophenfall den Kampf um ein solches und hat es auch schon mal aufgebaut. Durch die ansprechende Fassadengestaltung wirkt der Wohnort trotzdem nicht schäbig, sondern britisch elegant und romantisch, und er flüstert jedem zukunftsgläubigen Passanten mit der Bauzeichnung für ein Einfamilienhaus im Kopf zu, was für ein dummer, ignoranter, naiver Optimist er doch ist, der irgendwann nur noch mit dem Notwendigsten am Leibe vor der Scheintür stehen und um einen heißen Tee betteln wird.

Gedichte mit Frust drin: Ulli G. Flügel - Jubel reimt sich auf Rubel

Ulli G. Flügel: Jubel reimt sich auf Rubel

Dann gibt es Tage der Jubel
ist unbeschreiblich in meiner Brust
dann rollt gleich der Rubel
ich zertrink meinen Frust meine Lust
ist zerstören
nicht richtig zu hören
zu schreien zu fluchen zu brüllen
die Gläser aufs Neue zu füllen

Und dann ist es aus mit dem Jubel
zu Ende die Rubel 
es wird sehr beschreiblich in meiner Brust:
Blackout Gedächtnisverlust.

gewidmet Ulla Hahn

Warum ist das Wochenende schon wieder rum?

Der Sonntag ist nicht der schönste Tag der Woche, vielleicht
der Freitag zwischen halb fünf und zehn vor.
Sonntag. Und morgen ist schon wieder Montag. Wo ist das Wochenende nur geblieben? Samstagmorgen habe ich schon gedacht, der Freitagnachmittag ist schon weg. Wo ist der nur so schnell hin? Ich habe gar nicht richtig was davon gehabt. Wie die Zeit vergeht, der Wecker tickt unaufhaltsam, ich schaffe es nicht, die Zeit anzuhalten, sie läuft und läuft und läuft, ich stehe daneben und denke, meine Güte, jetzt sind schon wieder 70 Sekunden weg und heute ist schon Sonntag. Gute Erholung und schönes Wochenende, ja, wie denn, wenn die Zeit dauernd weiterrinnt, wenn das Wochenende immer kürzer wird, und du stehst daneben und kannst nichts tun, und dann ist wieder Montag und es bleibt nichts anderes, als  zu warten, dass wieder Sonntag ist, damit ich mich endlich erholen kann, aber der Montag klebt irgendwie, da geht die Zeit nicht rum, und wenn sie dann rumgegangen ist, dann ist erst Dienstag und der klebt auch, genau wie der Mittwoch und der Donnerstag, ab Freitag geht es dann einigermaßen schneller, so ab Nachmittag, aber der Freitag ist dann ganz schnell rum, bloß kein Schläfchen machen, damit man nichts verpasst, denn bald ist schon wieder Samstag und dann der Sonntag, die Uhr tickt und tickt und ich kann nichts tun. Nur daneben stehen und zugucken, wie die Zeit immer weiter läuft.
Hier mal klicken und hingucken.

ohne titel 7

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Ulla Huhn: Wenn Enten denken

Als Mittlere im Entenmarsch
Blick ich auf einen Erpelarsch.
Wir sind die Damen, er der Herr,
Er watschelt vor, wir hinterher.
Warum - hab ich mich nie gefragt,
Wohin - hat er noch nie gesagt.
Als Mittlere im Entenmarsch
Blick ich auf einen Erpelarsch.

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Tage, an denen ich mich wie eine Fliese fühle

Wir kennen sie alle: Die Tage, an denen wir uns wie eine Fliesen in einem Mosaik in der Waschküche unserer Eltern oder von Tante Thea fühlen. Wir sind am Boden, man tritt auf uns herum, sind einbetoniert in die Zwänge unseres Umfeldes, können nicht raus und nicht um Hilfe schreien, denn die  alte Waschmaschine läuft, die mit ihrem lauten Rattern des mittlerweile unrunden Getriebes alles in die Ecke brüllt. Hoffnungslosigkeit lutscht uns den letzten Deut Energie aus dem Mark und würgt uns ins Gesicht: Du bist am Ende! Hier geht nichts mehr. Füg dich endlich in deine Fugen, pass die ich an und kämpfe nicht mehr, denn die Säge, die dich in dieses Muster geschnitten hat, liegt längst auf dem Schutt! Schweiß könnte dir vor der Stirn stehen, wärst du nicht eine Fliese. Und dann im tiefsten Tal deiner Gefühle kommt Agata, Agata aus Polen mit ihrem feuchten Lappen, kommt wie eine Samariterin, die sich um die Ärmsten der Armen kümmert und wischt dir mit ihrem Microfasertuch über das bleiche Gesicht, wischt dir den Schweiß ab, den nur du fühlen kannst, und du spürst das Kühle, das Erfrischende, spürst, dass Agata voller Liebe ist und dass sie dich heilt, dass sie deine Wunden kühlt, dass sie dir Kraft gibt. Agata. Es ist Mittwoch, 13 Uhr. Du strahlst von neuem Glanz und bist bereits, eine Woche auszuharren in Geduld und Demut. Als Agata den Inhalt ihres Eimer in den Abguss gespült hat, versuchst du lächeln. Agata schaut noch einmal liebevoll auf die getane Arbeit und spürt dein Strahlen, dein Strahlen voller Reinheit, das man nicht einfach so wegwischen könnte.
Du zählst schon jetzt die Minuten und Stunden bis zum nächsten Mittwoch; du hast die Kraft dazu. Und die Kraft, da zu bleiben, wo du bist.

Vladimir Kannikski: Nur Fliesen ist schöner (2011)

Nur Fliesen ist schöner, singt der Fliesenleger....
Das Lied der Fliesenleger hier als schönes Ornament, vielleicht ein wenig zu schief die Kanten, aber insgesamt nicht schon wieder der langweilige Goldene Schnitt. Eher ein Hammerschlag.

Wer hat meine Hose gesehen?

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Eine Minute der Erkenntnis: Peaceful Valley

Der Garten um 15 Uhr: Laut, hektisch und unnatürlich grün.
Ich stehe auf dem Balkon in der Frühe und schaue in das Grün der Gärten unter mir. Eine friedliche Ruhe hat sich über diesem ausgebreitet, nichts ist zu hören, ein Flügelschlag, ein Rascheln vielleicht. Es hat geregnet und es scheint, als sei alle Hektik, alles Üble abgewaschen und jedes Haus, jeder Baum, jeder Quadratzentimeter Garten wirkt wie neugeboren. Unschuldig. Dann ein Geräusch, als schneide sich jemand die Fußnägel. Als schneide jemand ziemlich dicke Fußnägel. Ich denke, welches Tier solche Geräusche machen könnte? Vielleicht ein Erdmännchen, das in seiner Putzigkeit diese Idylle potenzieren würde. Mir fällt Neil Youngs Titel ein: Peaceful Valley. Und ich weiß, was er meinte, ich weiß, welches Gefühl in durchströmt haben muss, als er diesen Song schrieb:
Die unschuldige Natur in einem Tal, zweidrei Häuser vielleicht, die Menschen schlafen, es sind gute Menschen, die nur arbeiten und abends vor dem Fernseher hocken und eine Dose Bier trinken.
Ruhe. Frieden. Unschuld. Weite. Nässe. Und das Schnappen eines Nagelclippers, der Berts viel zu lange Fußnägel wieder in die richtige Form bringt.
Neil Young anhören

Serviceleistung des Weserstadtboten

Da prügeln 4 Tatverdächtige auf Zeltfestfeierer ein, einer sogar mit einem Totschläger. Die Tatverdächtigen stehen unter Alkoholeinfluss, die Opfer wahrscheinlich auch. Da berichtet der Weserstadtbote sachlich und ohne Emotionen, wie es sich für korrekte Berichterstattung gehört.
Ein Karte wird beigefügt für diejenigen, die sich den Ort des Geschehens mal genauer ansehen wollen, oder vielleicht ein schönes Wochenende im Grünen verbringen wollen; es muss ja nicht gerade ein Zeltfest in der Gemeinde stattfinden, wenn, dann sollte das maximal die Zeltmission sein, da wird nicht getrunken, da geht es friedlich zu.
Der Weserstadtbote sorgt sich um die Opfer und vielleicht sogar die Täter, denn alle könnten Abonnenten sein: Aspirin effect wird in den Text geschoben; wer seine Prellungen nicht einfach so auskurieren lassen will, nimmt ein paar Tabletten und macht sich das Leiden schöner. Auch gegen Kopfschmerzen aufgrund Alkoholkonsums wirkt das Medikament. Danke, Weserstadtbote, müssten die Geschädigten sagen, danke, dass du auch daran gedacht hast.
Wie es dem Totschläger geht, ist bislang nicht bekannt, möglicherweise erholt er sich von den Nachwirkungen des Einsatzes in der Asservatenkammer.

Original und Fälschung

Wenn dir alles zu groß ist, wenn du das alles nicht mehr fassen und begreifen kannst, mach's dir klein, mach dir die Welt, die Sonne so, wie sie dir gefällt, schrumpf alles ein, auf Handtaschenformat, gib es auf, das Unendliche zu verstehen. Gieß das Ungefähre in klare Formen. Mach aus dem Original eine Fälschung. Nicht das Universum, sondern dein Weltbild, deine Version alleine zählt, bieg es dir zurecht, stampf es klein, versag dir Größe und Ganzheit, wähle deinen kleinen überschaubaren, bescheidenen Teil, sei bescheiden und überschaubar, renn nicht gegen Mauern, fall nicht über den Tellerrand, bleib bei deinen Leisten.

Vladimir Kannikski: Original und Fälschung (2011)

Über 200 Fehler haben sich versteckt. Wer sie findet und an Bodos Welt sendet, darf auch erfahren, welches das Original und welches die Fälschung ist.

Krake

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Stilmittelberatung: Georg Krakl - Die Meise (2011)

Vladimir Kannikski - Meise (2011)
Die Meise
die mit dem Kopf durch die Wand will
die mit dem Topf durch das Land, still,
jetzt ist sie still.
Sie hofft auf Trill.


Krakl bringt auch in kurzen und vielleicht unscheinbar wirkenden Gedichten eine Haufen Stilmittel unter, die auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen sind, und wo jeder glaubt, Krakl habe mal eben was in sein Notizbuch gekrickelt.
Stilmittel:
Die Meise, Personifikation für Blötschkopfigkeit.
Mit dem Kopf durch die Wand - Metapher, was bedeuten soll: Mit dem Schädel durch die Mauer.
Mit dem Topf durch das Land - Metapher, was bedeuten soll, dass man für einen Wanderzirkus Geld sammelt.
Still - Ellipse. Was bedeuten soll: Sei still! Halt's Maul! oder lyrischer: Die Meise stellt sich tot.
Jetzt ist sie still - Eine Wiederholung. Verstärkt die emotionale Wirkung, verdoppelt die Aussage!
Sie hofft auf Trill. Die Quintessenz. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Meise vor der Hoffnung, es sei denn, da kommt jetzt ein Napf Trill daher. Dann kann die Meise auch wieder loslegen mit dem Geschnatter. Schluss mit still dann.





Henri-Pannen-Preis aberkannt

Einen Eklat gab es bei der Verleihung des diesjährigen Henri-Pannen-Preises, den Juni Weh für ihren Bericht über neue Erkenntnisse zum Singvögelsterben erhalten sollte (12. 6.). Befragt nach dem persönlichen Einsatz des Fotografen, der mit dem Abtragen einer Mauer das Leben einer verzweifelten kleinen Meise gerettet haben soll, brach Juni Weh in Tränen aus und gestand, dass sie sich diesen Teil ihrer Reportage nur ausgedacht habe. Der Vogel sei in Wirklichkeit gestorben, aber sie habe es nicht geschafft, das zu schreiben, ja, sie wisse, dass man das nicht darf, aber es war einfach zu grausam, sie habe die Bilder gesehen, stundenlang habe der Fotograf draufgehalten und die immer schwächer werdende Meise bei ihren immer verzweifelteren Versuchen mit dem Kopf durch die Wand zu fliegen fotografiert. Er habe gar nicht darüber nachgedacht einzugreifen, habe er ihr gesagt, als sie fassungslos die Fotos zum ersten Mal gesehen habe, schließlich sei er nur der Fotograf und kein WWF-Mitarbeiter, sie habe ihn einmal geliebt, sie konnte es nicht glauben, dass sie sich so getäuscht habe, aus der Lebenslüge sei dann eine journalistische Lüge geworden, weil sie die Wahrheit nicht verkraftet habe, sie wolle auch gar nicht mehr journalistisch tätig werden, sondern im fiktiven Bereich bleiben, da könne sie sich die Wirklichkeit so hinbiegen, wie sie will, nein, soll doch Georg Krakl den Preis haben, ja, der sei Lyriker, das wisse sie, aber in seinem poetischen Werk gäbe es nur Fakten, Fakten, Fakten, auch beherrsche er nicht mal die einfachsten lyrischen Stilmittel, ab und zu gelänge ihm ein Endreim, er sei auf jeden Fall ein besserer Kandidat für den H.-P.-Preis als sie. Die Jury war peinlich berührt von diesem emotionalen Ausbruch und sprach sich für die Veröffentlichung aller Meisenfotos aus, das muss die Welt doch sehen und verkraften, war die einhellige Meinung. Ob Juni Weh aus diesem Tiefpunkt der Peinlichkeit noch einmal herauskommen wird, ist fraglich, Insider vermuten, dass sie ins Kinderbuchgenre wechseln wird.

Vladimir Kannikski: Queen (2011)

Erst dachte ich, das kann doch nur die Rockgruppe Queen sein, we will rock you und so weiter, aber dann, gerade als ich das vor mich hinsummte, dachte ich, nein, nicht Queen, nein, die Queen, praktisch Diequeen geschrieben, weil das zusammengehört, weil das ein feststehender Begriff ist. Dass Kannikski nicht so malt, dass man was erkennen kann, schon gar nicht Gesichter, ist ja allmählich bewiesen, aber den neuen Hut der alten Lady habe ich sofort erkannt, eine Mischung aus Segelschiff und Hühnerkäfig, der das Royale voll zum Tragen bringt. Man kann von Kannikski sagen was will, aber das Royale hat er drauf: Der muss nur was andeuten und schon steht die Boulevardpresse Spalier, weil sie glaubt, es hätte sich wer wieder getrennt oder Prinz Phillip hätte vielleicht ein paar rassistische Randbemerkungen gemacht; der Leser drückt sich die Nase platt und versucht dann, im Hobbykeller den Hut nachzubasteln.

Gedichte mit Werbung drin:Georg Krakl - Kessel Buntes(2011)



Paella (2011)

Nutella
schmeckt nur auf dem Butterbrot
und nicht auf der Paella


Haare (2011)
Über viele Jahre
nahm ich Alpecin für meine Haare
mit dem Zusatz  "forte"
die Haare nahmen diesen Saft beim Wort
jetzt sind sie fort
und weilen wohl an and'rem Orte.
Kessel Buntes (2011)

Dato, Dash und Ariel
waschen deine Wäsche schnell.
Altöl, Fettzeug und auch Jauchen
sind dafür nicht zu gebrauchen.

Barbiehirn

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Gib mir Tiernamen

Eine neu entdeckte mögliche Ursache des Singvogelsterbens: Vögelexperten nennen es das Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Syndrom. Tief erschüttert berichten die Experten von den offenbar verzweifelten Versuchen kleiner Meisen, ihren Kopf in eine Mauer zu bohren oder sie umzuschmeißen. Ein weiteres Indiz für eine Vermenschlichung unserer kleinen Gartenfreunde, vielleicht eine Gegenbewegung zum menschlichen Drang, Tiere und Tiernamen für die Versprachlichung des Alltagslebens zu missbrauchen. Du hast wohl eine Meise, bei dir piepts wohl sind da noch harmlose Beispiele, Hamsterrad und Hamsterkäufe schließen sich nahtlos an und um deftigere Belege zu liefern, müssten wieder die unschuldigen Vögel herhalten. Ich bin kein Star, aber eine Meise, holt mich hier raus, könnte der Kleine zwitschern, niemand würde ihn verstehen, niemand könnte dem schrecklichen Treiben der Menschen etwas entgegenhalten. Zur Beruhigung für alle Tierfreunde, die dieses Foto sehen: Natürlich hat der Fotograf die Mauer eigenhändig abgetragen, damit diese kleine Meise gerettet wird und nicht nach stundenlangen vergeblichen Versuchen einen sinnlosen Tod stirbt. Ihr Menschen, wenn ihr von Schweinereien, fiesen Ratten und Platzhirschen sprecht, denkt an die Verzweiflung der Tiere.

Die Parabel vom Hamsterrad und dem Mühlstein

Mühlstein hatte die Schnauze voll
Hamsterrad und Mühlstein hatten es satt, diskriminiert zu werden. Immer wieder wurden sie angeführt, wenn man eine Metapher bilden wollte, um zum Ausdruck zu bringen, wie schwer Menschen schuften mussten, wie oft sie in die tägliche Tretmühle, das Hamsterrad nämlich, mussten, und wie sie von den Zudringlichkeiten des Vorgesetzten förmlich, einem Weizenkorn zwischen Mühlsteinen ähnlich, zerrieben wurden.
Hamsterrad und Mühlstein hatten es satt.
Sie hielten Ausschau nach alternativen Betätigungsfeldern. Beim Arbeitsamt war irgendwie nichts zu holen. Ja, hallo, dann können Sie in den Museumshof nach Wasweißich gehen, die brauchen Sie aber auch einen zweiten Stein, sonst wäre das ja nur eine Art Steintisch, um Bratwürste abzulegen.

Ja, Hamsterrad, gar nicht schlecht, naja, also, nicht gut, wer soll das denn noch anstellen, also so ein Rad?  Oder, wie soll man das anstellen?
Was soll das heißen, da läuft doch ein Hamster drin, dann dreht das von alleine? Wer ist denn hier der Hamster? Ja, gut, den haben wir nicht da, also eher Abteilung Gerümpel. Weg damit, oder in die Kunsthalle. Das ginge unter Umständen auch noch. Wenn man einen Namen hat.

Gut, im Endeffekt kann man sagen, dass Mühlsteine und Hamsterräder eher was für den Sperrmüll sind.

Hamsterrad und Mühlstein schauten sich an und runzelten die Stirne.
Armer Mann, dachten sie und flüsterten leisen: Der steigt doch täglich in sein Hamsterrad....
Hamsterrad wisperte: Scheißescheiße, und ich dachte, ich werde diskriminiert.
Mühlstein leise: Von wegen. Der weiß doch gar nicht, was er tut. Und dann wird er zwischen den Mühlsteinen zerrieben.
Hamsterrad seufzte: Da geht es uns ja noch gold.
Mühlstein ergänze: Im Grunde habe ich doch Recht.
Hamsterrad: Wenn du es sagst.
Mühlstein: Sag ich doch.
Hamsterrad und Mühlstein besannen sich danach auf ihre Existenzberechtigung und alles war wieder gut.

Georg Krakl: Meerschweinchen (2011)


Meerschwein
kann es sein
dass du sehr gern und oft
in deinem Loft
dich Schweinchen nennen lässt?

Denk auch mal an die Schweinepest!

Dr."Wish" Mob: What's the matter, Meerschweinchenfreund?

Im Englischen kann man nicht alles finden, was die Welt begeistert. Der Kindergarten und die Gemütlichkeit, typisch deutsche Erfindungen, haben den Inselbewohnern und den Menschen jenseits des Atlantiks einiges Kopfzerbrechen bereitet, sodass man einfach Gemutlichkeit und Kindergarden ins Wörtbuch kritzelte und glaubte, der Rest ergebe sich so. Wenn man erst das Wort kenne, stelle sich dieses Heizdeckenkuschelgefühl von selber ein, und wer ein Kind hat, schickt es auch in den Kindergarden, wenn es einen vor Ort gibt.
Ein neues Suchwort ist Meerschweinchenfreund. Bisher hat sich, vor allem mangels Interesse der Bevölkerung, noch keine adäquate Vokabel gefunden, und so lässt man es einfach bei Meerschweinchenfreund, in der Hoffnung, dass es in den Tiefen des Wörterbuchs verschwindet und sich einen festen Platz erobert.
In der postromantischen und pränasalen Hiphopszene hat das Wort allerdings erste Spuren hinterlassen.

Dr. "Wish" Mob: What's the matter, Meerschweinchenfreund?

Wer bin ich?

Irgendwann bist du geboren worden; du weißt nicht, als was. Jahrelang hast du dich inm Spiegel betrachtet und kennst niemanden, der so aussieht, wie du. Du fragst dich, was du auf dieser Welt sollst, was ist deine Aufgabe, zu was sollst du nütze sein? Aus deiner Stirn ragt eine Art Stock, dessen Funktion du nicht ergründen konntest. Nicht einmal in der Nase bohren kannst du mit dem Ding. Du ähnelst vielleicht einem Trauerkloß, wenn man dein Gesicht betrachtet, du bist aber keiner, denn Klöße werden bei Hitz fest, du aber verlierst die Form und fließt sogar aus dem Rahmen. Dabei möchtest du so dahinschmelzen, oder heißt es schmilzen?, gut, im Deutschen hast du auch deine Grenzen, aber du möchtest dahinschmilzen, weil du so voller Liebe bist. Du bist ein Romantiker, hat Benno zu dir gesagt. Und Romantiker sind nicht von dieser Welt, Romantiker sind letzte Einhörner, deren Hörner wegen ihrer aphrodisierenden Wirkung kleingeraspelt und ins Müsli gemischt werden. Das ist jedenfalls völlig unromantisch, da geht es nur um das Eine, um das Ganze.
Du überlegst, ob der Stiel in deiner Stirn ein Horn ist; du schaust dich ängstlich um, ob sich ein triebgesteuertes Wesen dir in mörderischer Absicht nähert. Vielleicht bist du das letzte Einhorn, fragst du dich.
Vielleicht aber auch nicht.

Datenleck

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Neologismen frisch auf dem Markt: Rentnitenz

Lange Jahre mussten die Menschen die Phänomene gewalttätiger Greise, polternder Pensionäre und randalierender Rentner mit vielen Worten umständlich umschreiben, weil es nichts Passendes gab. Jetzt wurde dem Duden das Wort "Rentnitenz" angeboten, der auch schon darüber nachgrübelt, es aufzunehmen, vor allem, weil er dann sofort eine aktualisierte Ausgabe herausbringen kann. Was natürlich Kasse macht. Den Menschen geht es darum nicht so sehr, vielmehr darum, endlich ein treffendes Wort, das die ausreichende Schärfe hat, zu besitzen, welches sie gegebenenfalls gegen Altenattacken anwenden können. Seichte, sabbernde Senioren sind schon lange nicht mehr diejenigen, die einem nach ein paar Plaudereien das Erbe übertragen. Die Kriegsgeneration erinnert sich immer mehr an detonierende Bomben und explodierende Hochhäuser. Das will kanalisiert sein.
Das zweitgrößte Säugetier, der Elefant, lässt sich nicht so leicht umhauen. Aufpassen muss er trotzdem, wenn es im Zoo mal wieder heißt: Rentnitenz an Käfig 4.

Kontrolle erhalten oder verlieren

Ein Mann öffnet seinen Mantel. Vielleicht ist ihm warm und er will den Wärmestau unterm Trenchcoat beseitigen. Das ginge mit zwei Händen schneller. Wäre ihm zu warm, könnte er den Mantel auch einfach ausziehen. Vielleicht hat er nur noch diesen Mantel und hat Angst, sein letztes Hab und Gut zu verlieren, also lässt er ihn an, Tag und Nacht, Sommer und Winter. Der Mantel stinkt, der Mann stinkt, aber er hat einen letzten Rest Kontrolle über sein Leben behalten, der Mantel ist nur zufällig ein Symbol für diesen Kontrollerhalt, blöd im Sommer, nützlich im Winter. Vielleicht hat er aber ganz viel Kontrolle, er ist Kontrolleur, bei der Bahn, fern oder nah. Er öffnet seinen Mantel, um seinen Dienstausweis zu zeigen. Und lässt sich dann die Fahrkarte zeigen, oder auch nicht. Vielleicht tut er auch nur so, als ob er Kontrolleur sei, geht wichtigtuerisch durch die Bahn, bleibt vor der Vierergruppe junger Frauen mit Sektgläsern in der Hand stehen, bittet um die Fahrausweise, die jungen Frauen halten ihm nicht mehr ganz nüchtern, aber respektvoll die Fahrkarten entgegen und sehen zu ihm hoch, er öffnet seinen Mantel, sie sehen an ihm herunter, bekommen große Augen, unter dem Mantel trägt der Mann nichts, es scheint ihm selbst gar nicht aufgefallen zu sein, denn er knöpft den Mantel wieder zu, beißt kleine Löcher in die Fahrausweise der jungen Frauen, wünscht ihnen noch einen schönen Tag und geht weiter, ohne die Fahrkarten des älteren Herren auf der anderen Seite des Ganges zu kontrollieren.
Ein Kontrolleur mit Kontrollverlust oder ein Traumatisierter mit einem letzten Versuch die Kontrolle zu behalten. So lange Trenchcoats in sind, erkennt man sie zum Glück schon von Weitem.

Gestern vor was weiß ich, wie lange her....

Meine Cordhose, wenn ich die nicht hätte! Klar würde ich ohne Cordhose dastehen, ich trüge Jeans oder eine Popelinehose oder noch schlimmer, eine Trevirahose. Alles Hosen, über die heute keiner mehr spricht, weil sie verdrängt werden, obwohl jeder weiß, wie viel Schaden sie damals angerichtet haben, wie viel eingerissene Fingernägel sie in eine Gänsehaut umgewandelt haben. Vielleicht nicht die Jeans, denn die hieß damals Nietenhose. Aber das Nyltesthemd! Nyltest. Hast du schon den Nyltest gemacht? Ja, was ist das denn? Bin ich jetzt infiziert? Gut, dass ich meine Cordhose habe.

Bescheiden sein

Warum zürnt dich die Fliege auf dem Kopf, ohne dass du deinen Kopf betrachtet hast?

Kurze Störung im Alltag: Entfremdung

Manchmal sehen wir uns an und sind uns plötzlich fremd. Fast schon unheimlich. Da ist so viel Distanz. Wir versuchen in unseren Gesichtern zu lesen, aber da steht nichts. Nur Bruchstücke, Fragen, wer, wie, was, wieso, weshalb. Keine Antworten. Keine Ahnung, keine Hoffnung, dass der Mann mit der Antwort in der Mantelinnenseite schon hinter uns steht. Nur fratzenhaftes Alltagsgetue, gummiartige Maskerade, die uns den Schweiß auf die Stirn treibt. Ich kenn dich nicht, du kennst mich nicht, doch irgendwie war da was, du liebst doch Quietscheentchen, und du das Nörgeln, achja, war das alles? Manchmal sind wir uns plötzlich fremd.

Sei nicht traurig, verwunschenes Tier!

Verwunschenes Tier, das du mich traurig anschaust, hast dir die Lippen geschminkt, damit du fröhlich aussiehst? Warum bist du traurig? Weil dir Kinder die hölzernen Ohren ausgerissen haben? Wie sie dich verlacht haben, weil du hölzernen Ohren hattest?
So sind die Kinder von heute: Kleine ungezogenen Strolche, die vor nichts Respekt haben, nicht einmal vor einem verwunschenen Tier, das auf einem Kinderspielplatz seinen Dienst tun muss und Kinder unfreiwillig zum Lachen bringt. Kinder, die nichts wissen, weil sie ungebildet bleiben wollen! Du könntest nämlich das Trojanische Pferd sein, und aus dir könnten Soldaten kriechen, die sich nächtens über diese Brut hermachen!
Daran haben sie nicht gedacht, als sie dich verlacht haben, weil sie nicht wissen was ein Trojanisches Pferd überhaupt ist!
Darum sei nicht traurig! Ich finde, du hast wunderschöne Lippen, vielleicht etwas zu grellrot, vielleicht etwas zu hart, aber wunderschön.