Wer bin ich?

Irgendwann bist du geboren worden; du weißt nicht, als was. Jahrelang hast du dich inm Spiegel betrachtet und kennst niemanden, der so aussieht, wie du. Du fragst dich, was du auf dieser Welt sollst, was ist deine Aufgabe, zu was sollst du nütze sein? Aus deiner Stirn ragt eine Art Stock, dessen Funktion du nicht ergründen konntest. Nicht einmal in der Nase bohren kannst du mit dem Ding. Du ähnelst vielleicht einem Trauerkloß, wenn man dein Gesicht betrachtet, du bist aber keiner, denn Klöße werden bei Hitz fest, du aber verlierst die Form und fließt sogar aus dem Rahmen. Dabei möchtest du so dahinschmelzen, oder heißt es schmilzen?, gut, im Deutschen hast du auch deine Grenzen, aber du möchtest dahinschmilzen, weil du so voller Liebe bist. Du bist ein Romantiker, hat Benno zu dir gesagt. Und Romantiker sind nicht von dieser Welt, Romantiker sind letzte Einhörner, deren Hörner wegen ihrer aphrodisierenden Wirkung kleingeraspelt und ins Müsli gemischt werden. Das ist jedenfalls völlig unromantisch, da geht es nur um das Eine, um das Ganze.
Du überlegst, ob der Stiel in deiner Stirn ein Horn ist; du schaust dich ängstlich um, ob sich ein triebgesteuertes Wesen dir in mörderischer Absicht nähert. Vielleicht bist du das letzte Einhorn, fragst du dich.
Vielleicht aber auch nicht.