Weisheiten aus dem Tierreich: Hut

Sei auf dem Hut, spricht die Fliege.

Sommerbegegnungen

My blue beetle
ist der Titel.
Blue eyes, blue back,
flieg nicht weg.
Stay on my arm
und halt ihn warm.

Günstige Gelegenheiten: Vorsicht ist geboten!

Fred wollte die Gelegenheit beim Schopfe packen, endlich einmal einen Zugewinn erwirtschaften, endlich einen Haupttreffer landen.
Der Gott der günstigen Gelegenheit hatte vorne eine dicke Locke, an der man ihn  fassen sollte, am Nacken war er kurzgeschoren, da war nichts zu machen , wenn er dich überholt hatte, war er weg, da konnte man nicht mal mehr einen Schwanz fassen. Er hatte immer gedacht, der Gott der günstigen Gelegenheit heiße ALDI; aber wo sollte da die laszive Locke sein, an der er sich festhalten könnte?
Dann fiel Fred auf, dass Elvis so ausgesehen haben musste wie dieser besagte Gott, oder schlimmer: Bill Haley. Pomadierte Locken nannte man Tollen. Davon leitete man wohl auch den Begriff Tollwut ab. Fred schüttelte sich, dachte an die Hände voller Brisk oder Wellaform, die zwischen seinen Fingern flutschten und sagte: Nein!
Diese Gelegenheit wollte er verstreichen lassen. Die Möglichkeit Elvis oder Bill Haley zu fassen zu kriegen, war fast schlimmer, als sie durch die Lappen gehen zu lassen.
Finger weg von günstigen Gelegenheiten! 

Schneiders Kopfschmerz

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Finde dein Paradies!

Near-Vana heißt nahebei
Manche suchen ewig und werden nichts  finden. Sie haben nicht die Augen eines Finders, nicht die Hände eines Fühlers, nicht die Lippen eines Schweigers. Schweigen und schauen und fühlen. Hören. Die Lauscher eines Hörers haben, oder die Ohren eines Lauschers.
Vernachlässigt und lässig in  der Hollywoodschaukel zu wankeln, das ist nicht das Ziel unseres Seins.
Die Sprachempfindsamen wissen worum es geht: Nirwana spricht und schreibt man vielleicht in der Gruppe der Unwissenden, der anlgophil Orientierte, vielleicht der native speaker, kann ergründen, wo der Schatz zu heben ist: Near Vana, auf deutsch das Nahebei, meint nichts anderes, als dass man sein Glück, sein Seelenheil vor den Füßen hat, vielleicht gerade frisch gemäht hat, vielleicht sich auf ihm gewälzt hat. Augen auf, heißt es, alle Sinne gespitzt, merken, wo es langgeht.
Das Paradies kann dein Vorgarten sein, du weißt es nur noch nicht. Nicht immer jammern, dass du nichts gefunden hast, schau erst mal richtig hin!
Viel Glück! Das Finden ist das Ziel, nicht das Suchen.

Georg Krakl:Horst (2000)

Horst kann  auch hart
Horst

Knecht Ruprecht um den Bart,
dem Osterhasen an die Ohren,
dem Hupferl an die Hupfe,
dem Geigenhansel an die Zupfe,
nicht sanft, nein, hart, sehr hart!
Das hat sich Horst geschworen.

Anmut in der Umgebung

Auch das Glitschig-Grüne kann sich seine Anmut bewahren, wenn es sich in einem Umfeld befindet, dass dieser Qualität völlig fern ist. Wie der Alte unter noch Älteren jung wirkt, so wirkt der Junge unter viel Jüngeren eher alt. Wer das beherzt, muss sich nicht eines selbstgetöpferten Kringels schämen, den man zu rein gar nichts gebrauchen kann. Nicht einmal auf einem Polterabend kommt der gut an, weil Selbstgebasteltes zu zerschlagen, sieben Jahre schlechte Bausparverträge bedeutet. Wer ihn aber anlächelt und zärtlich streichelt, schenkt ihm Anmut, von der die meisten Menschen nicht einmal wissen, dass sie existiert.

Unkaputtbar

Heile Fliesenwelt, Modell Garten Eden, 2. Platz beim Fliesen-Design-Award, Begründung: 1. Platz ging nicht, weil der Künstler darauf bestand, dass es sich um eine Bodenfliese handelt, den Garten Eden könne man nicht an die Wand kleben, der müsse horizontal verlegt werden, doch Zweckmäßigkeit wird bei der Preisverleihung nicht außer Acht gelassen. Und Stolperfallen auf Fliesen sind nicht zweckmäßig. Der passende Katzentrinknapf, Modell Psalm 23, erhielt einen Sonderpreis im Bereich Kombi-Design.

ohne Titel 9

Schweiz macht mobil

Die Schweiz macht mobil. Nicht länger als Schurkenstaat gelten, nur weil man mit Finanzkriminellen gute Gechäfte macht!
Weg vom auffälligen Rot zum tiefgründigen Blau, das nachdenklich und melancholisch wirkt. So hat die Schweiz noch keiner gesehen: Statt geldgieriger Raffzähne, nach denen man die Uhr stellen kann, jetzt blauäugige Hinterwäldler, die noch an das Gute in sich selbst glauben.
Dass das Kreuz etwas merkwürdig geraten ist, will darauf deuten, dass auch der Schweizer nicht immer mit dem Lineal lebt, sondern auch mal locker sein kann.
Gottseidank sind nicht alle Schweizer so.

Schweiz mit neuem Flaggenentwurf

Die Schweiz stellt jetzt Entwürfe für eine neue Flagge vor, die zwar den Wiedererkennungswert behalten sollen, aber nicht mehr so steif daherkommen dürfen.

Zum Dahinschmelzen

Das hat nur Peter Maffay geschafft: Mit Schlagern Schokolade zum Schmelzen gebracht, hier vier Stückchen Vollmichschokolade von Rittersport. Aber auch nur, weil sie im Juni in der Hosentasche steckten. Mit wie vielen Herzen er das geschafft hat, ist ungeklärt. Die rumänischen Angaben weichen wie üblich bei solchen Angelegenheiten deutlich von Dieter Thomas Hecks Aussagen ab. In den siebziger Jahren hat Peter noch Herzen gebrochen, doch in den achtziger Jahren entdeckte er seine spirituelle Ader, als er Blutsbrüderschaft mit Katja Ebstein schloss, und seitdem hat er Herzen nur noch zum Schmelzen gebracht, sein eigenes dazugetan und daraus einen schönen neuen Klumpen geformt, ganz der Ganzheitlichkeit verpflichtet. Was dann musikalisch folgt, ist eigentlich wirklich schön: Mit Noa "Savior", LP Begegnungen. Klingt, als ob er da was einschmelzen konnte, über Sprachbarrieren hinweg.

Verwirrende Schlagerwelt: Isch bin eine Muräne

Wer fleischige Muttermale an der Oberlippe hat,
sollte sich vorsichtig rasieren oder einen Brat tragen.

Du, ja wer sonst?
Ich bin eine Muräne, knödelte Peter Maffay im Jahre 1970, und nachdem er als Mann aus dem Kornfeld  zurückgekommen war, das er mit einer reifen Frau  im Jünglingsstatus betreten hatte, mit einer reifen Frau über dreißig, die alles über Liebes wusste, während er selbst hingegen nichts, als dieser Reifungsprozess in einem Weizenfeld beendet war, konnte sich der Sänger einem Mädchen zuwenden.
Jetzt war er Mann und auf der Suche nach einer mannbaren Frau.
Du bist alles, was ich habe auf der Welt, schallert der kleine Mann, und vergisst vollkommen, dass er die Erinnerungen an die reife Frau im August und den Entjünglichungsakt sein eigen nennen kann, denn niemand will ihm die abnehmen, damit er nichts hat außer des Mädchens, das er "Du" nennt.
Du bist die einzige, die mich versteht, du darfst nie mehr gehen! Das sind Verpflichtungen, die ein junges Mädchen ernst nehmen möchte, aber Schwerenöter Maffay weiß doch bereits im Absingen der Zeilen, dass es hohle Worte sind, denn wenn die reife Frau mal wieder den Weg kreuzt und es ist vielleicht nicht gerade Sommer, dann sind die beiden ganz schnell auf der Wohnzimmercouch in Peters Ein-Zimmer-Apartment zu liegen gekommen. So ist der Lauf der Welt, da muss man die angestrebte Partnerin nicht erst mit einem deutschen Schlager ansingen und vielleicht erschrecken, denn die reife Frau hört lieber In-a-gadda-da-vida von Iron Butterfly, bereits seit 1968 summt sie das Riff und kann es nicht loswerden. 
Der kleine Rumäne besinnt sich dann im selben Jahr 1970 noch anders und gibt einen neuen Schlager heraus: Du bist anders.
Ist klar, denkt das jungen Mädchen, wer dem Schleimer nicht gleich auf die Matte hechtet, ist anders. 
Und dann kam er: Thomas Anders, der war, wie er hieß: Anders.

Anmerkung der Redaktion: Die reife Frau kam 1976. 1970 war sie erst 25, für heutige Verhältnisse aber auch schon relativ reif. Bedenkt man, dass manche Schlager zeitlos sind, hat das aber kaum Bedeutung.

Du bist anders - Leider von Plattenfirma gesperrt. Ist klar.

Sommerblues


Etwas großes Blaues,
nichts Genaues,
steht vor den Augen, liegt in dem Sinn,
vielleicht ist es außen, vielleicht ist es drin,
ich fühlte den Sommer so gern,
doch etwas großes Blaues,
nichts Genaues,
hält mich von ihm heute fern.

Sommer in der Flasche

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Georg Krakl: Wundheilung+ (2011)

Vladimir Kannikski: Borke+ (2011)
Aufgrund von Leserbeschwerden hier das Kannikski-Bild "Borke" mit Blut.

Borken soll man nie zu früh anheben,
denn sie bleiben oft an Resthaut kleben,
und dann bricht die Wunde auf und blutet.
Meistens wie bereits vermutet.

Georg Krakl: Wundheilung (2011)

Vladimir Kannikski: Borke (2011)
Meine Borke ist wohl gut.
Ich hab sie angehoben.
Schon floss Blut.

Wo schneiden bei der Blutsbrüderschaft?

Wo schneiden bei der Blutsbrüderschaft?

Bodo und Piete waren Kusengs. Sie wären gerne Freunde gewesen, aber leider waren sie schon Kusengs.Sie waren nicht Vettern, das hörte sich zu dick an, und sie waren nicht Cousins, das war französisch und überkandidelt. Das eine schloss das andere aus: Entweder Kuseng oder Freund. Beides ging nicht. Das war Gesetz, auch wenn es nirgendwo niedergeschrieben war.

An Tagen, wenn sie nicht gestritten hatten, dachten sie darüber nach, wie sie ihr Zwangsverhältnis, das durch die Verwandtschaft ihrer Väter bestimmt wurde, selbstbestimmt intensivieren konnten. Auch wenn ihnen das Vokabular fremd war, ahnten sie, worum es ging. Kuseng war man, da konnte man nichts machen. Freunde werden war freiwillig.
Sie beschlossen Blutsbrüder zu werden. Das hatten Old Shatterhand und Winnetou in Winnetou 1 vorgemacht.

Blut ist dicker als Wasser, sagte die Oma in der Kittelschürze, wenn sie ein geschlachtetes Huhn rupfte. Das Blut des Huhnes hing draußen am Hauklotz, das Beil steckte oben im Holz.

Hier ahnten die Kusengs, um was es im Leben wirklich ging. Blut. Der Saft, aus dem Leben gemacht ist. Der Saft, der verbindet bis in den Tod und darüber hinaus. Wer mehr als ein Kuseng sein wollte, der musste sich einem schmerzhaften Männerritual unterwerfen. Von Blutsschwestern hatte man noch nie gehört, von Blutsgeschwisterschaft schon lange nicht. Blutsbrüderschaft war etwas für Männer, denn nur die konnten Brüder werden.

Winnetou und Old Shatterhand hatten es vorgemacht. Mit ihren riesigen Bowiemesser, die auch BOWInesser ausgesprochen wurden und nicht etwa Bowie oder Baui, schnitten sie sich mutig in die Handflächen. Sie zuckten nicht, sie schauten sich fest in die Augen, vielleicht um nicht das Blut sehen zu müssen. Ein Indianer, der kein Blut sehen kionnte, war kein guter Indianer.
Indianer kannten keinen Schmerz, aber Lex Barker, bzw. Old Shatterhand bzw. Charly, wie er auch genannt wurde, Karl war doch ein Weißer, der musste doch etwas spüren?
Und -  warum schnitten sie sich gerade in die Handflächen, das konnte doch leicht entzünden? Welche alltäglichen Handlungen durch einen entzündeten Schnitt in der Handfläche, glücklicherweise links, behindert wurden!  
Ein anderes Mal oder in einem anderen Film oder gar im Buch schnitten sie die Stelle am Unterarm, wo jeder sofort dachte, die treffen da eine Ader, dann spritzt es nur so heraus! Gibt es denn keine Stellen, wo es a) nicht wehtut und b) nicht spritzt?

Mein weißer Bruder! Mein roter Bruder! Diese Anreden waren der Lohn für den Schmerz, für die Entzündung, für drei Wochen Wundversorgung, drei Wochen Einschränkung beim Niederschmettern von Feinden, drei Wochen Einschränkungen bei allen möglichen Gelegenheiten! 

Blutsbrüder. Das war schon was. Da wusste jeder sofort, dass hier keine Softies sich einem Ritual hingegeben hatten. Die hatten über den blutigen Schmerz dem anderen gezeigt, wie gut sie ihn fanden. Da kam kein Kuseng mit. Vetter und Cousin schon gar nicht.

Bodo und Piete dachten noch einmal über die Blutsbrüderschaft nach. Wo sollten sie den Schnitt machen, das war keine unwesentliche Frage. Welches Messer wollte man nehmen? Ein scharfes oder eher ein stumpfes, damit es nicht so schnitt?
Konnte man nicht Nasenbluten durch verstärktes Popeln erzeugen. Aber wie sah das aus? Nase an Nase? 
Vielleicht sollten sie warten, bis beide eine Borke hatten, etwa auf dem Knie, da floss doch schon mal Blut, wenn man die Borke zu früh anhob, um zu gucken, ob die Haut darunter schon heil war.
Meistens hatte aber immer nur einer ein Borke. Sollte dann der andere schneiden? Eigentlich war es gar nicht der Schmerz, der hinderlich war, sondern die Angst vor dem Schmerz.

Borken. Das war die Lösung. Das Warten auf Borken. Das Warten auf Borken an beiden Kusengs,  und dann Blutsbrüderschaft.

Das gerupfte Huhn stand am Sonntag als bleiches Frikassee auf dem Tisch, als sei es nie von Blut durchflossen worden. 
Die Kusengs waren immer noch nur Kusengs.
Die Schnittwunden an Winnetous und Charlys Unterarmen waren längst verheilt. Sie waren Blutsbrüder. Das war schon was. Zur Erinnerung fassten sie sich beim Begrüßen immer an den Unterarmen, statt sich die Hände zu schütteln. Dann legten sie jeder die Hand aufs Herz und deuteten mit verklärtem Blick in die Weite. Sie waren stolz auf sich.

Bodo und Piete wussten, dass ihre Stunde kommen würde, dass ihre Borken für die Blutsbrüderschaft kommen würden. Es war nur eine Frage der Zeit. Dann würden auch sie stolz sein.

Auf dem Weg in die Unendlichkeit

Nie hatte das Huhn an das doofe Gerede vom Fegefeuer geglaubt, es war evangelisch groß geworden und von Protestanten gefüttert, gestutzt und schließlich geschlachtet worden. Da ist jedes gelegte Ei ein Bekenntnis zur gnadenvollen Erlösung durch den Glauben. Seine Mutter hatte in der kurzen Erziehungsphase darauf verzichtet, jenseitige Strafgerichte zu Disziplinierungszwecken anzudrohen und aufrichtig versucht, den kleinen Hennen und Hähnen Freiheit inmitten der Unfreiheit zu vermitteln. Die einzige vorhandene Obrigkeit waren die Instandsetzer des Maschendrahtes und Hüter des Beiles, aber keine transzendente Kraft, die irgendwann einmal für jedes nicht gelegte Ei und jeden Zickenterror im Hühnerhof unendlich viele fürchterliche Strafen verhängt. Warum habe ich nie an das Gerede von Fegefeuer und Hölle geglaubt, fragte sich das Huhn, als sein Eiweiß langsam denaturierte. Weil mir dann jeglicher Spaß zwischen Würmer picken und Körnern picken schon zu Lebzeiten abhanden gekommen war, antwortete es sich selbst. Jetzt fiel ihm auch wieder das Reden vom Opfertod ein, vielleicht ist da ja auch was dran, dachte es noch, doch voller Stolz verfluchte es inmitten des flüssigen Fegefeuers jedes vergangene und zukünftige Suppenhuhnopfer und deren Priester.

Georg Krakl: Zorniger Dichter (2011)

Pawel Pikass: Frau im Wald (2011)




Frau im Wald
bist so schön
Kubismus lässt kalt
von der Frau ist nicht viel zu sehn
warst so sanft so weich
an Erfahrung so reich
so wissend so intuitiv
die Nase ein wenig zu schief
ein Auge das wanderte gerne nach außen
ach, Frau, du im Wald, du bist immer noch draußen
und warst da so zart 
und auch so apart
gelegentlich allerdings platt und zu lässig
zweimal auch reichlich gehässig
und dreimal nur doof
neulich beim Schwof
in der Dorfkneipe hinten im Saal
das Bier war auch schal
du bist mit Tischlern verschwunden 
ich hab das noch lang nicht verwunden
bleib du bloß im Wald
bin froh dass Kubismus erfunden
ich bin noch geschunden
von deinem Betrug
ist genug
Kubismus ist kalt
bleib im Wald
man kann nichts von dir da  erkennen
ich werde nicht flennen
das Bild zeigt rein gar nichts von dir
und das ist so gut
so saugut so supersaugut
da ist mir sogar der Endreim so was von egal
völlig egal, das ist jetzt kein Reim, weil es dasselbe Wort ist, nur damit du Bescheid weißt, du bist ja ein bisschen flach, hahaha, Kubismus, was denkst du denn, was das ist? Kommst du doch nicht im Leben drauf. Im Wald gibt es keinen Kubismus. Und ich, ich sage dir nicht, was das ist. Kannst ja googlen, aber du hast ja nicht mal Internet.







Schön wohnen

Ist es nicht schön, in einem Haus zu wohnen, wo ein Stromanschluss in der Nähe ist?
Obwohl: Müsste da nicht eine Steckdose sein und nicht ein Stecker?

Leserbrief an Olli Dallilahmer

Lieber Olli D.,
manche Menschen fühlen sich zerhackt und zerteilt und zweifeln am Traum von der Ganzheit, nur weil der Spiegel einen Sprung hat. Das ist traurig und unnötig und falsch und nichts gegen meine Sorgen, die das Ausstülpen betreffen. Sichtbar ist nur mein ausgestülptes Sein, die Form, die nach außen drängt, andere Materie verdrängt und Kontakt zum Erdboden sucht, um nicht umzukippen, um Raum für sich zu beanspruchen. Mir viel vertrauter ist mein eingestülptes Sein, das Negativ, der Rückzug in die Materie, der dadurch entstehende Sog, der nicht verdrängt, sondern andere Materie aufsaugen und verinnerlichen kann. Eingestülpt erlebe ich im passiven Empfangen und Aufsaugen und Umarmen unendliche Energieschübe, lieber Olli, wie kann man das bloß alles in einer einzigen Existenz vereinbaren, oben eingestülpt, unten ausgestülpt, unten Bodenhaftung, Beine mit festem Stand und Schritt nach vorn, oben das Nichts. Das ist schwer zu verkraften für ein einziges kleines Menschenleben und ich würde mich freuen, wenn du mich verstehen würdest, vielleicht schickst du mir eine kleine passende Meditation mit Schlürfgeräuschen, irgendwas Schmatzendes, Einstülpen und Ausstülpen.

Spiegel-Affären

Trügerisches Bild im Spiegel, wie leicht lassen wir uns in die Irre führen, denken, ja, meine Güte, wer hat mich denn da so zerhackt, bin ich das denn überhaupt, und: Wieso fließt gar kein Blut? Bin ich schon so ausgedörrt, so ausgemergelt, so ausgebrannt, dass da nichts mehr geht? Hier ein Arm, da ein Bein, ich weiß nicht wo ich wirklich bin. Und gar kein Blut. So geht das nicht. Ich nehme ein Messer und schneide vorsichtig in eine unproblematische Stelle, da, wo es keiner sieht und ich nicht als Borderliner identifiziert werden könnte.
Doch, es kommt ein wenig, eher kriechend, sickernd, höchstens quillend, vielleicht war die Stelle auch nicht gut. Aber es kommt was, das ist gut, es gibt mich noch, auch wenn ich mich so zerschlagen, so zerhackt, so desorganisiert fühle, als sei ein Teil hier, der andere dort, so, als schaute ich in einen Spiegel, der die Wirklichkeit verzerrt. Oder aber abbildet wie sie ist, und ich habe nur in einem Traum von Ganzheit gelebt, einer Illusion von Harmonie verfallen, den Trugbildern der Politik auf den Leim gegangen. Schrecklich.

Schuschie, Babschie und Schimone

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Fairdammnis - Ja,geht denn das?

Van Eijnoor springt mal wieder auf den Zug auf: Fair, fair, fair!
Der Sport hatte doch diesen Spruch in geistiger Umnachtung nach einem verlorenen Länderspiel generiert und glaubte sich damit in die Fairhandel-Gruppe der Gutmenschen integrieren zu können.
Leider wurde aber bei vielen Wörtern ihre negative Konnotation  übersehen.
Fairdammnis, ja was soll denn das sein?
Entweder Verdammnis oder nichts?
Die Leute sollen leiden, das ist doch fairbürgt. Wer sich ich  fairbeugt hat vor den Schergen der Betrugsgesellschaft, wer die Werte des ausklingenden 20. und des einklingenden 21. Jahrhunderts verraten hat, der gehört gefedert, geteert, gerädert. Ach, ich fühle mich heute so gerädert. Kytta! Wer weiß denn noch, was gerädert bedeutet?
Vielleicht der Radfahrer, wenn er unter die Räder kommt, auf denen er nicht gesessen hat.
Weltspartag springt uns in den Kopf! Da war die Welt noch heil. Heute ist sie unheil. Heute ist sie Unheil!
Eijnoor, spar dir deinen Appell an die wanzige Schnarchgesellschaft, die sich ein orangefarbenes Hemd kauft, weil sie glaubt, das sei schick, und nicht, weil das Revolution ist! Ist es auch gar nicht. T-Shirts sind konterrevolutionär.
Das hat schon Mao gewusst. Und der der ist gottseidank  tot.
Aber auch die Revolution ist tot, denn wer Farbe hat, muss noch lange nicht Farbe bekennen.

Alles zu seiner Zeit

Chrissy war 15 und hatte sich anders als das tobende Mädchen in der IKEA-Werbung bei den Eltern durchgesetzt und war mit Lisa und Lotta zum Rockfestival gefahren, zu ihrem ersten. Sie kannte keine der Bands und war viel zu klein, um von ihrem Platz ganz weit hinten etwas zu erkennen, sie mochte keinen Alkohol und keine Drogen und hatte eigentlich gar keinen Grund, ein Rockfestival zu besuchen außer sich gegen ihre Eltern durchzusetzen und zu beweisen, dass sie stärker war als ein hübsches Mädchen mit einer coolen Familie in einer IKEA-Werbung. Das Rockfestival wurde endgültig zum Flop, als der Veranstaltungspraktikant mit Absperrband losgeschickt wurde, um die Besuchermassen vom nahegelegenen Biotop fernzuhalten. Irgendwas hatte er falsch verstanden und das Band nicht an Pfählen und Baumstämmen festgebunden, sondern jedem Festivalbesucher 70 cm Absperrband um die Füße gewickelt. Er hatte schon ein paar Drogen konsumiert, seine Augen glänzten, und wenn er den mit Absperrband behandelten eindringlich befahl, den zugewiesenen Platz nicht zu verlassen, hatte das Wirkung. Chrissy musste mal dringend, aber sie traute sich nicht, eines der Dixi-Klos aufzusuchen. Rockfestivals ohne Musikbegeisterung, Alkohol, Drogen und mit voller Blase sind zum Abgewöhnen, fand Chrissy und dachte selbstmitleidig, dass es einem im Leben oft schlecht geht, wenn Eltern sich nicht durchsetzen können.

Nasennachrichtensprecher

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Vladimir Kannikski: Hund mit schwarzem Schwanz (2011)

Hat Kannikski mal wieder seinen Hasso, das alte Stinktier bei Regen, abgemalt. Die fette Rolle ist ja schnell aufs Papier gebracht. Aber, was das soll, diese Frage bleibt ohne Antwort. Hässliches wird nicht schöner, nur weil man es rahmt, das kann man ja auch an Fotos erkennen.
Immerhin hat Kannikski seinen eigen Stil. Da geht man nicht davon aus, dass das Bild schön wird. Aber richtig hässlich ist es auch nicht. Hasso ist hässlich. Folglich gewinnt Hasso durch so ein Kunstobjekt.
Lassen wir dem Hund die Freude.

Aufhören mit Herumliegen

Meini war aufgewacht. Sein  Schädel brummte. Das musste das letzte Pils gewesen sein. Irgendwo stand die Sonne über dem Horizont. Meini kannte die Gegend nicht, sechs oder acht Bäume hatten noch nie auf seinem Rasen gestanden; er hatte gar keinen Rasen und das hier war Acker. Meini war kühl, er hatte wohl schon länger da gelegen. Wenn er nur wüsste, wo dieses "da" nun war. Es muss "hier" heißen, schoss es ihm durch den Kopf, den gleichzeitig ein Schmerzensblitz traf. Das war Land hier, das war nicht Stadt, das war nicht Kneipe. Wo war Reini, wo war Bello und wo die Mädels mit den roten Hauben, den kurzen Röcken und den gerüschten Blusen? War es Morgen? War es Abend? Worauf hatte er Hunger? Auf Frühstück? Oder auf Abendbrot? Auf einen Kaffee? Meini unterdrückt einen kurzen Würgereflex, Speichel sammelte sich in ungewöhnlicher Menge im Mund. Er spuckte aus. Die Jacke roch säuerlich. Nach kalter Asche und billigem Rotwein. Billigem Parfüm. Das war sein Rasierwasser. Meini war wie betäubt.
Er konnte sich an nichts erinnern. Sei  Name war Meini. Wie schrecklich! Aber wie weiter? Ackermann. Ackermann ohne Rasen, das war ein Witz. Aber der Rest? Weg.
Das war vielleicht ein Zeichen.  Er sollte aufhören. Aufhören, herumzuliegen und nicht zu wissen, wo er herumlag, wo er gewesen war und wo er jetzt hinwollte. Oder hinsollte. Hinkonnte.
Aber es war ein Anfang: Aufhören.

Nähe schafft Assimilation

Schon als Grundschülerin wollte Linda nicht einsehen, dass eine Möhre eine Möhre und eine Plastiktüte eine Plastiktüte ist. Sie vertrat die These, dass manche Dinge nur lange genug zusammen sein müssten, um etwas vom anderen anzunehmen. Ihre Frühstückspausenüberlegungen verlagerte sie bald in den zwischenmenschlichen Bereich und sie engagierte sich für Integrationsprojekte aller Art. Beruflich setzte sie sich später vor allem mit der Auswirkung von Gerüchen auf das Verhältnis von Menschen unterschiedlicher Herkunft. Sie entwickelte Duftcocktails, die die Gerüche aller Kontinente enthielten und - einmal als Spray großflächig auf dem Körper verteilt - ein Zusammengehörigkeitsgefühl wie nie zuvor erzielen konnten. Aufsehenerregend war ihr Erfolg bei der Beilegung einiger regionaler Konflikte im Kaukasus. Im Seniorenheim fand Linda wieder zu ihrer Grundlagenforschung aus der Grundschulzeit zurück und konnte sich über nichts mehr freuen als über ein zwei Tage altes Brot, das rot wurde und Erdbeeren, die nach Käse schmeckten.

Alu! Kein Alu!

Butterbrot in Alu-Folie? Das geht doch gar nicht. Hör mal, das ist Vergangenheit. Ja, komm, damals, als die Alufolie erschwinglich wurde, hatte alle Welt irgendwas eingepackt, Hauptsache Alu, Zukunftstechnologie irgendwie, Nachkriegswohlstand, dass die kein Geschenkpapier geworden ist, wundert doch jeden, und jetzt, ja gut, deine Mutter packt immer doppelt und dreifach, ja, verstehe ich, ja, die denkt, das sind eingeschmolzene Panzer aus dem zweiten Weltkrieg, ist klar, ist ja auch in Ordnung, aber du, du bist doch öko, da kannst du doch nicht Alufolie nehmen, ja, meine Güte, dein Butterbrot nässt durch, was ist denn da drauf, klar, nicht das Trockenfutter vom Borderlinecollie, Border, nur Border, nein, das war kein Scherz, echt, die Ökos haben keinen Humor, trotzdem sage ich noch mal, die haben 1995 gegen Shell protestiert, dass die ihre Ölplattform nicht im Meer versenken, und du, du benutzt Alufolie! Natürlich weiß ich, was Trinkwasser kostet, und Abwasser auch. Ja, wenn  man den Tisch wischt, weil das Butterbrot nässt, dann ist das gleichwertig? Ok, das muss ich noch mal durchrechnen, aber trotzdem, gefühlt ist Alufolie der Horror. Und dann die Biomöhren in Plastik. Auch daneben. Voll daneben, sozusagen. Nein, ich wähle FDP!

Neulich im Stall

Neulich abends, im Hühnerhof, da kam die Erleuchtung. Greta ging ein Licht auf, ja, das war es! Das war so wichtig, diesen einen Gedanken musste sie ihren Schwestern vor dem Einschlafen unbedingt noch mitteilen! Also, hört mal alle her, aber da war der Gedanke schon wieder weg, die Erleuchtung schwebte noch gut sichtbar über Gretas Kopf, da war doch was, sie hatte doch gerade eine wichtige Erkenntnis gehabt, aber ... es war wohl nur ein Gedankenblitz, schwups, war er wieder weg. Gretas Hühnerhirn war zu klein. Seit sie Eier legen konnte, bemühte sie sich Zusammenhänge zu erfassen, einen Überblick zu bekommen, das Leben zu begreifen und in Worte zu fassen. Greta wollte sich mitteilen, in ihren gackernden und zuckenden Kolleginnen Schwestern finden. Schwestern im Geiste, aber Gretas Geist war so schwach und so klein, dass sie immer gerade dann, wenn sie meinte, sie hätte es, alles wieder weg war. Und wieder von vorn. Ich komm noch dahinter, dachte Greta, eigentlich dachte sie nur: Ich komm noch dahi, denn ihre Denkkapazität reichte nur so weit, dann musste sie wieder von vorn anfangen. Mut machte ihr einzig und allein die sichtbare Erleuchtung, die über ihrem Kopf baumelte und die Greta deutlich machte, dass sie kein Huhn wie jedes andere war. Gut, dass Greta die Erleuchtung nicht von einer Glühbirne unterscheiden konnte.

Redensarten: Ich fühle mich heute so....

Ich fühle mich heute so Stumpf, flüstert Beppo und meint, dass er sich mal wieder wie abgesägt fühlt, wie gefällt und weggetragen, wie kleingehackt und in den Ofen geschoben, so wie die Hexe die Kinder in den Ofen schiebt, so wie es im Märchen steht. Und er fühlt sich wie stehen gelassen, aber trotzdem verwurzelt, aber auch wie ein Stehimweg, der zu nichts nutze ist, wie überflüssig, wenn er nicht Stumpf wäre, sonder ein Getränk.
Wer genau hinlauscht und -spürt, merkt, dass der Winter Reif auf diesen Stumpf gehaucht hat und erkennt welche Tragik hier mitschwebt, welcher Antagonismus sich nicht auflösen kann: Ich fühle mich reif und Stumpf, flüstert Beppo, und erst jetzt fragen wir hilflos: Was will Beppo eigentlich damit sagen?

Gott spielen


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Linien am Himmel

Die Bundesregierung versucht nun, der allgemeinen Orientierungslosigkeit Herr zu werden und spannt Linien am Himmel, einem der letzten Räume, in denen heilloses Durcheinander herrscht. Wolken ziehen herum, es regnet, der Wind weht, manchmal guckt der Mond hervor und dann ist es sogar dunkel. Alles ohne staatliche Kontrolle und das heißt es nun zu ändern: Damit der Bürger an staatliche Stellen konkrete Hinweise über Himmelsphänomene geben kann, soll ein Karomuster in Form von Gitternetzlinien aus Drahtseilen gespannt werden. So kann der aufmerksame Bürger mitteilen, wo sich gerade eine Mondfinsternis befindet, weil der Mond mal wieder nicht zu sehen ist. A 447 wäre sein Hinweis, und der Staat weiß, dass das über dem Dorf Heimsen in der Nähe von Petershagen ist.
Die Drähte sollen allerdings unter Strom gesetzt werden, damit sie von dreisten Kabelräubern nicht entwendet und an Schrotthändler veräußert werden. Eine schöne Idee, die die Welt übersichtlicher macht, die allerdings auch ein Schweinegeld kostet. Bevor jemand Kritik übt, sollte er aber schnell nach Italien und in den berlusconischen Saustall blicken, dem die Schulden über die Gitter schwappen.

Tieftraurige Teddys

Traurige Teddys helfen aus der sportlichen Depression. Da hat man mal wieder verloren und darf seine Trauer nicht zeigen, weil man  eine Frau ist, denn das gilt als unmännlich. Die Männer heulen sich mittlerweile die Augen aus, weil sie Therapien hinter sich haben, in denen sie gelernt haben, auch ihre weiblichen Anteile auszuspielen. Und sei es nur, um dem Gegner ein schlechtes Gewissen zu bereiten.
Nur die Frauen müssen hart sein.
Verloren ist verloren, das wird runtergeschluckt, hochgewürgt und als Depression wiedergekäut.
Da lobt sich der Teddy als gutes Projektionsobjekt. Dem geht es noch schlechter. Der hat nicht nur verloren, der hat überhaupt nicht mitgespielt!

Huhn mit Herz

Natürlich haben Hühner ein Herz, sie können das nur nicht immer so zeigen, haben sie halt nie gelernt. Da sind die vielen Federn, die dicke Haut, die Fettschicht - es fällt dem Huhn nicht schwer, sein Herz zu verbergen. Aber manchmal, in ganz besonderen Blicken, da kann auch das Huhn nicht anders. Da öffnet es sich ganz weit, da macht es sich nackt und schutzlos und zeigt sein Innerstes. Es kehrt sozusagen sein Innerstes nach außen. Ist nicht jedermanns Sache, wenn Hühner plötzlich Herz zeigen. Wer gar nicht wissen möchte, was das Huhn auf dem Herzen hat, schmeißt es einfach wieder in die Suppe und das Herz hinterher. Und wer dieses Sonntagmittag im Teller hat, bekommt komische Gefühle und weiß nicht warum.

Der König und sein Huhn: Majestätsbeleidigung

Huhn: Majestät...
König: Eure Majestät! So viel Zeit muss sein.
Huhn: Wollen wir uns nicht duzen?
König: Wie kommst du denn darauf?
Huhn: Wo wir uns doch schon so lange kennen.
König: Das geht nicht.
Huhn: Ach.
König: Kannst du im Buch der Könige nachlesen.
Huhn: Oder darf ich wenigstens König sagen?
König: Die korrekte Anrede ist Majestät.
Huhn: Wie wäre es mit Herr König? Das ist doch etwas eleganter.
König: So kann doch jeder heißen.
Huhn: Nicht Herr Kaiser von nebenan.
König: Wer ist das denn?
Huhn: Der von der Versicherung.
König: Die Anrede "Herr König" grenzt an Majestätsbeleidigung.
Huhn: Aber in Verbindung mit einem Du doch ganz niedlich. So von Mensch zu Tier.
König: Tier zu Mensch. Ein Huhn duze ich immer. Ein Huhn duzt aber niemals den König.
Huhn: Da war es ja!
König: Was?
Huhn: Ihr habt "König" gesagt!
König: Na, und? Das ist mein gutes Recht!
Huhn: Wenn ich es nur einmal sage? Herr König,du....
König: Schweig! Jetzt hast du  es schon gesagt!
Huhn: War doch nur ein Beispiel.
König: Das will ich aber hoffen.
(Beide schweigen für etwa 30 Sekunden)
Huhn: Majestät?
König: Eure Majestät!
Huhn: Was steht auf Majestätsbeleidigung?
König: Enthauptung.
Huhn: Typische Todesart für Hühner.
König: Eben.
Huhn: Ok, ich habe verstanden.
König: Hoffentlich.

Made in Germany


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Summertime

Die Sonne schien und wärmte und Lotte und Karl hatten extra ihre geschliffenen Taucherbrillen aufgelassen, damit sie den blauen Himmel auch scharf sehen konnten, sie lagen auf ihren Handtüchern und ruhten von ihrer täglichen Schwimmeinheit im städtischen Schwimmbad aus. Karl hielt seinen Bauch in die Sonne, den Lotte wie immer verschämt bedeckt hielt, beide hätten sich mit Sonnenmilch eincremen müssen, aber das war ihnen egal, sie waren erschöpft vom Schwimmen und auch ein bisschen ermattet vom Streiten, das mochten sie gar nicht, und trotzdem kam es manchmal vor. Beide dachten noch ein bisschen darüber nach, wie empfindlich sie doch waren und dass sie eigentlich zu alt für Empfindlichkeiten waren. Karl sprach von Empfindlichkeit, Lotte nannte es lieber Empfindsamkeit. Doch sie hatte wohl wirklich überempfindlich reagiert, als Karl der netten Bademeisterin gesagt hatte, dass sie ein sehr schönes Oberschenkelinnenseitentattoo trage. Lotte war nicht eifersüchtig geworden, nein, sie mochte die Bademeisterin sehr gerne, doch sie, Lotte war es gewesen, die Karl darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die Bademeisterin so traurige Augen habe und dass sie ihr gern mal eine Freude machen würde. Doch bevor sie ihren Plan noch in die Tat umsetzen konnte, hatte Karl sein Kompliment ausgesprochen und er war es gewesen, dem die Bademeisterin einen warmen, dankbaren Blick zugeworfen hatte. Lotte war unfair geworden, Charmeur, Wichtigtuer hatte sie ihn genannt, du Blindschleiche hättest doch von allein nicht mal bemerkt, dass die Frau immer so traurig aussieht, du hast doch nie einen Blick für die Gefühle anderer. Karl verteidigte sich natürlich, wie immer, nannte sie schnippisch und zickig, und dann fiel zum Glück noch beiden ein, dass die Sonne schien und der Himmel so blau war und dass sie gemeinsam eine traurige Bademeisterin mit deplatziertem Tattoo zum Lächeln gebracht hatten und dass sie nur ein Handtuch dabei hatten und keine Sonnenmilch und dass ein gemeinsam durchstandener Sonnenbrand schöner ist als ein einsamer.

Torso mit Wurzeln

Liebe Mutter,
es hat mich erwischt, der letzte Januarsturm hat mich umgehauen, noch weiß ich nicht, ob ich abtransportiert und zersägt werde oder ob ich als Totholz wertvoller bin und den Borkenkäfern überlassen werde. Da war schon immer diese Ahnung, dass das dicke Ende noch kommen wird, dieses Gefühl der Haltlosigkeit, hab ich gern kompensiert mit Maßlosigkeit, wollte der größte und schönste Baum sein, aber tief in meinem Innern war diese Leere und irgendwo in dieser Leere das Wissen, dass ich schneller auf dem weichen Waldboden liegen könnte als mir lieb sein würde. Und daraus entstand die Angst, die Angst vor dem weichen Waldboden, den Käfern und Pilzen und der Zersetzung und ihrem Geruch. Ganz schlimm wurde es nach der Bemerkung dieses Wanderers, der mit seiner kleinen Tochter durch den Wald stiefelte. Sieh mal, Papa, was für ein schöner, großer Baum!, rief das Mädchen und versuchte meinen Stamm zu umarmen, was ihr nicht gelang und mich mit Stolz erfüllte. Scheiß Flachwurzler, murmelte der Vater nur und stapfte weiter. Armer Baum!, seufzte das kleine Mädchen, küsste meinen Stamm und hopste fröhlich hinter ihrem Vater her. Seit diesem Tag bin ich eigentlich schon wie tot, Mutter, und jetzt ist es wirklich passiert. Solltest du mich nicht stark machen, mir Halt geben, tiefe Wurzeln? Ja, ich weiß, das war nicht leicht damals mit mir, als junger Baum, machmal war ich frech zu dir, habe nachgeplappert, was ich von anderen jugendlichen Bäumen aufgeschnappt habe, aber deswegen hättest du mir doch trotzdem Liebe zum Leben und auch die Liebe zum weichen Waldboden vermitteln sollen. Sicher war das Geld damals knapp und es gab noch keine Erziehungsratgeber und ihr seit noch viel schlimmer erzogen worden, aber bei wem soll ich mich denn sonst beschweren. Ach, ich will mich ja gar nicht beschweren. Einmal noch mit freiem Blick in den blauen Himmel sehen, aufrecht und stark und unbekümmert, und dann umfallen.
Dein Waldemar

Georg Krakl: 5 mit 4 (2011)

Es saß
auf grünem Gras
die Fünf mit Vier.
Wie damals wir.

Rasenzeichen in Hilphe

Nachdem eine ganze Zeit lang Kringel und Kreise gemischt mit Schnörkeln und anderen Merkwürdigkeiten in Kornfeldern die Menschen bewegten, konnte man jetzt das erste Rasenphänomen  untersuchen. In der größten Flächengemeinde des Weserlandes, in Hilphe, entdeckten Kinder eine unheimliche Verfärbung des heimischen Großrasens. Experten stehen ratlos vor der hellgrünen Fläche, die die Form eines Rechtecks aufweist, also nichts mit Schnörkeln am Hut hat, will sagen, das hat wer anders gemacht!
Die Kornkreise wurden ja immer und gerne in Verbindung mit Aliens oder anderem außerirdischem Personal gebracht, und gern hätte man sich mal auf eine Tasse Malzkaffee zusammengesetzt und über das Weltall und darüber, wo alles herkommt, unterhalten; dazu war es nie gekommen. Jetzt scheint wieder eine Chance verpasst worden zu sein.
Nach der Feier des letzten Sportfestes wollen einige Spätheimkehrer ein Raumschiff in der Form eines riesigen Festzeltes gesehen haben, deren Besatzung jedoch schwankte und unverständliches Zeug erzählte. Die fremden Besucher aus dem All hätten Menschen geähnelt, wenngleich eher diesen, wenn sie betrunken sind. Nachdem die Spätheimkehrer ihren eigenen nicht unerheblichen  Rausch ausgeschlafen hätten, sei das Raumschiff aber verschwunden gewesen und habe nur einen hellgrünen Fleck in der Größe der Basis des Schiffes hinterlassen.
Spontan hat sich jetzt eine Interessengemeinschaft gegründet, die zum Gedenken an die Besucher aus dem All zweimal die Woche versucht, sich in den oben beschriebenen Zustand zu trinken. Wenn dieser erreicht sei, versuche man ins All hineinzurufen und Kontakt aufzunehmen.
Demnächst berichten wir hier mehr über die Entwicklung in Hilphe.

Vergängliche Wegweisung

Ich wollt so gern was kaufen
und hab mich bald verlaufen.
Doch dann, so wie im Traum,
half mir ein großer Baum.
Zum Dank nahm ich ihn in den Arm,
die Freudentränen flossen warm
an seinem Stamm hinab.
Da war die Kreide leider ab.

Sommerparty


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Häuptlinge


Bodo war Häuptling, das war klar; Eddi der etwas kleiner war als Bodo, hatte auch eine Anwartschaft angemeldet und Bodo hatte ihm notgedrungen eine Häuptlingschaft übertragen müssen. Die war natürlich etwas kleiner als die von Bodo, denn Eddi war, wie gesagt, auch etwas kleiner.
Jetzt fehlten nur noch Krieger und ganz normale Indianer, denn was nützte einem der Titel Häuptling, wenn es nichts gab, dessen Haupt man sein konnte?
Robert war etwas größer als Bodo, aber eher ein Weichei, eigentlich kein richtiger Indianer, denn er weinte schnell, wenn er sich das Knie aufgeschlagen hatte oder wenn es gewitterte.
Robert hatten die beiden Häuptlinge an einen Baum gebunden. Da zu wenig eigene Krieger da waren, die man befehligen konnte, hatten sie beschlossen, als Häuptlinge mit Vorbildcharakter für den Stamm auf Beutezug zu gehen und einen fremden Krieger gefangen zu nehmen. Das war Robert gewesen, er hatte sich nicht besonders gewehrt und schnell war er am Birnbaum festgezurrt. Jetzt ging es darum, ihn zu martern, denn prinzipiell wurden Gefangene gemartert und konnten dann ihren Mut zeigen und beweisen, dass Indianer keinen Schmerz spüren. Robert war allerdings kein gutes Marteropfer. Bereits bei dem Hinweis, dieser Birnbaum, an dem er stünde und festgezurrt sei, sei ein Marterpfahl, ließ ihn in Tränen ausbrechen. Bodo und Eddi wurden unruhig. Ein heulender fremder Krieger konnte schnell die erziehungsberechtigten Bleichgesichter anlocken und die besaßen Feuerwaffen und andere unangenehme Mittel, dem Geschehen einen anderen Verlauf zu geben.
Eine Friedenspfeife war mit Robert auch nicht zu rauchen, er hatte Probleme mit der Atmung, irgendwie asthmatisch, was bei Indianer normalerweise nie vorkam.
Robert beruhigte sich nicht einmal, als die Häuptlinge ihn vom Marterpfahl befreit hatten, vielmehr  brach es aus ihm heraus, dass er es satt habe, immer zu tun, was die Häuptlinge von ihm verlangten, er wolle endlich auch einmal Häuptling sein, auch Befehle geben, auch etwas zu sagen haben.
Obwohl es Bodo und Eddi höchst absurd vorkam, dass drei Häuptlinge herumstanden, aber nicht ein einziger Krieger da war, deren Häuptlinge sie hätten sein können, ernannten sie Robert schnell zum Unterhäuptling, bevor die Bleichgesichter, die sie auch Kalkleisten nannten, herbeieilten und sich am Geschehen zu beteiligen. Robert beruhigte sich nach seiner Beförderung und versuchte auch einen Zug an der Friedenspfeife.
Später wurde Robert Mediziner und konnten anderen Menschen nicht nur beruflich Schmerzen zufügen, sondern auch noch Geld dafür kassieren.

Trendy Kuchen

Früher aßen wir nicht alles. Blauer Kuchen war uns verdächtig. Es gab keinen blauen Kuchen, wenn, dann war der von Blaubeeren blau, und das war eher ein Ultramarin oder Preußischblau oder eben Bickbeerblau. Das war gesund.
Gegen ein helleres Blau hatten wir eine Abneigung. Das erinnerte an die ersten Glasreiniger.
Rosa. Die erste rosafarbene Torte schmeckte lecker, besonders in dem Wissen, dass die Farbe aus Himbeersaft bestand und nicht aus E 124. E bedeutete immer Gift. E 605 war blau. Giftig. Daran konnte man qualvoll sterben.
Kuchen war lecker.
Blauer Kuchen war ein Alptraum. Heute essen Kinder alles, weil sie nicht verwöhnt sind. Hauptsache es ist Zucker drin oder es kommt von MacDonald. Blauer Kuchen ist trendy. Hip.
Marmorkuchen mit Glasreinigergeschmack. Das isst nicht jeder. Wenn es süß ist, geht es schon runter.
Allergiker rümpfen die Nase und sind traurig, dass sie nicht mitessen können.
Der Hunger auf der Welt kostet Menschenleben und wir denken darüber nach, welche Farbe unser Kuchen hat.
Absurd.