Das Jahr geht zu Ende - Halb und halb ist ganz

Ein weiser Mann geht in einen Laden und will eine Kiste Hefeweizen kaufen. Er wählt, ganz nach seinem guten Geschmack, eine Marke, deren Kisten sich in der Mitte teilen lassen, um sie besser tragen zu können. Mit den beiden gefüllten Kistenhälften geht er zur Kasse und stellt sie aufs Band.
Ah, meint der Kassierer, zwei halbe Kisten, soll ich daraus eine ganze machen?
Der weise Mann wundert sich und erwidert: Lass es, guter Freund, uns mathematisch sehen. Zwei Halbe sind ein Ganzes. Bruchrechnung.
Der Kassierer stutzt kurz und schweigt einen Moment.
Der weise Mann: Das kann man kürzen, zwei Zweitel sind ein Eintel.
Der Kassierer denkt und meint: Es wäre auch billiger.
Der weise Mann: Was ist billiger? Eine ganze Kiste oder zwei halbe?
Der Kassierer: Eine ganze Kiste eben, deswegen fragte ich, ob ich eine ganze draus machen soll? Der weise Mann: Die ist aber doch schon ganz, wenn wir gerade gekürzt haben. Oder soll ich den Bügel noch über die Kiste streifen, damit es ganzer aussieht?
Kassierer: Nein, nein, das geht schon.
Der weise Mann: Was habe ich jetzt gespart?
Kassierer: Einen Cent.
Der Weise schließt das Gespräch: Ich wünsche Ihnen ein frohes neues Jahr!
Der Kassierer mit dem letzten Wort: Gleichfalls.

Bruni und Sarko - am Nebentisch belauscht

Sarko: Warum nennt man dich eigentlich Bruni?
Bruni: Ich heiß' eigentlich Bruno.
Sarko:Seit wann?
Bruni: Keine Ahnung.
Sarko: Aha.
Bruni: Warum heißt du Sarko?
Sarko: Weiß nicht.
Bruni: Kommt das von Sarkophag?
Sarko: Was ist das denn?
Bruni: Sarkophag ist Sarkophag eben.
Sarko: Hab' ich ja noch nie gehört.
Bruni: Also nicht?
Sarko: Wohl nicht.
Bruni: Dann eben nicht.
Sarko: Aber Bruni klingt schön. Irgendwie weiblich.
Bruni: Find' ich auch.

Lyrik- und Literaturwettbewerb: Gib nicht auf!






Hier noch einmal (wie auch weiter unten) die auslösenden Bild-Reize für deinen Beitrag. Es ist nicht zu spät. Einsendeschluss am 31.1.09. Es gibt noch schöne zweite, dritte und achte Preise, Sponsorenpreise und Regionalpreise zu verdienen! Schreib, was du schon immer schreiben wolltest, aber deinem Füller nicht zutrauen konntest!







Frisch eingetroffen (Mittwoch, 31.12.08, 7 Uhr 51):


Luftsackmann (von Teddy aus H.)

Luftsackmann,
Wer musste pumpen,
Dass du drall und rund?
Hau dich in Klumpen-
Hier wird nicht geschleimt.
Und weil sich nichts auf pumpen reimt.


Jetzt neu: Ich bin aus Luft (Eingeschickt am 31.12.08, gegen 16 Uhr)

Ich bin aus Luft,
will in die Luftund in den blauen Himmel steigen,
wenn mich die Freiheit so laut ruft,
kann ich nicht auf der Erde bleiben.
Doch künstlich werde ich beatmet,
ein Riese bin ich nur für Stunden,
am Boden fest verankert und gehalten,
träum ich von blauen Himmelsrunden.

A. von Rostig-Willshoff

Supersonderpreis für Baldwin: Lyrik für Liebe

Lyrik für Liebe

Es war auf der Bank
im Park bei Nacht
Da hat er für sie
ein Gedicht gemacht
Von Liebe und Treue
bis in den Tod
Von Morgengrauen
und Abendrot
Von Palmen
und einsamen Inseln im Meer
Von täglichem Geschlechtsverkehr
Dann wusste er nichts mehr.

Baldwin

Anne gewinnt Lyrik: Ausgeschlossen

Ich fühle
mich
durch die Anrede
irgendwie
ausgeschlossen.

Anne hat als Erste geantwortete. Ein Gedicht, dieses Gedicht. So unverbraucht.
Marvin Reis-Verschicksie, Lyrik-Kritiker

Baldwin gewinnt den Sonderpreis: Zufallstreffen in Köln

Ein weiser Mann traf in Köln einen anderen Mann.
Der war wie er aus der kleinen Stadt.Er hatte eine junge, hübsche Frau bei sich.Es war nicht seine Frau, auch nicht seine Tochter.So stellte er die Frau auch nicht vor.Sondern ging über sie hinweg.Der weise Mann dachte sich seinen Teil. Er grüßte höflich, aber unbestimmt.

Das ist mein Beitrag zum Literaturwettbewerb.Falls ich den Preis gewinne, bitte ich um Benachrichtigung.Wenn ich nicht gewinne, ist mir das ganz egal.Baldwin

Noch ein Sieger: Trompeten-Peter mit seiner Kurzgeschichte

Die Geschichte vom Tapeten-Dieb
Als ich den Tapeten-Dieb erwischt hatte, war mir klar: der kommt in den Kasten!
Jetzt ist er schon ein paar Wochen drin und klopft nur noch ganz selten und ganz leise an die Außenwand.
Ich tue dann so, als hätte ich das nicht gemerkt.
Dann hört er auf und ich mache das, was ich immer mache.

Trompeten-Peter

Gundi ist Sieger des Leserkurzgeschichtenwettbewerbs: Konsomolzenangriff

Bernd mähte den Rasen. Netti, seine kleine Nachbarin, lief durch den Garten und rief ihn. Bernd hörte sie zunächst nicht, doch er bemerkte einen plötzlichen Schatten und sah auf. Da stand Netti und neben ihr ein Konsomolz. Bernd hatte Gerüchte gehört, dass Konsomolzen eine Invasion auf der Erde gestartet hätten, doch dass nun ausgerechnet auf einem noch ungemähten Stück Rasen in seinem Garten einer stand, erstaunte ihn nun doch. Er wollte Netti warnen, denn sie hatte den Konsomolzen offenbar noch nicht bemerkt, und auch wenn Netti manchmal nervte, wünschte er ihr nichts Böses. Doch es war zu spät; der Konsolmolz beugte sich etwas steif zur Seite und hatte mit einem Happs Netti verschlungen. Bernd war entsetzt. Der Rasenmäher lief immer noch. Die Sonne schien unbeeindruckt vom blauen Himmel. „Oh, nein“, rief Bernd und überlegte kurz, ob er mit seiner Harke auf den Konsomolzen losgehen sollte, aber er wusste, dass er keine Chance hatte und Netti konnte er auch nicht mehr retten. Wie sollte Bernd Anna, Nettis Mutter, das Verschwinden ihrer kleinen Tochter erklären? Anna sah es nicht gern, dass Netti ihn, den Junggesellen mit Erfindertrieb, so häufig besuchte. Bernd bemühte sich Netti nicht ins Haus zu lassen, damit er sich nicht allen möglichen Verdächtigungen aussetzte. Und nun wurde Netti auf seinem Grundstück von einem Konsomolzen verschlungen. „Töte mich“, flüsterte Bernd, denn ihm war klar, dass eine Katastrophe über ihn hereinbrechen würde. Doch der Konsomolz dachte gar nicht daran, sondern verschwand über die Eibenhecke. Da stand auch schon Anna im Garten. „War Netti hier?“, fragte sie leicht aggressiv und sah sich um. Bernd wagte einen schwachen Versuch, seine Haut zu retten. „Nein“, antwortete er matt. Im selben Augenblick fiel sein Blick auf eine rote Mädchensandale, die auf dem Rasen lag und vom Konsomolzenangriff übriggeblieben war. Jetzt hatte auch Anna die Sandale entdeckt. Fragend sah sie Bernd an.

Montag 29.12.08: Leserkurzgeschichtenwettbewerb


Lieber Leser!
Schreib eine schöne Geschichte! Dann bekommst du einen Preis.
Du kannst das unter Kommentare tun oder an Bodos Welt per mail schicken. Adresse im Impressum.

Sonntag, 28.12.08: Leserlyrikwettbewerb

Schreib ein Gedicht, lieber Leser!
Der Gewinner wird in Bodos Welt veröffentlicht.
Mögliche Titel:
Kopf ab vor Sonnenuntergang?
Ich stand völlig neben mir.
Blick ins Innere.
Halsschmerzen oder Kopfschmerzen, man muss sich entscheiden.
Zum Henker mit der neuen Frisur.

Samstag, der 27.12.08: Die Parabel vom "Arsch mit dem Fuß auf dem Hocker"

Ein armer Mann kam zum reichen Mann und bat diesen um einen Hocker, weil er lange Zeit gestanden hatte und des Stehens nun müde war. Der reiche Mann saß bei Tisch mit einem Gast und die beiden tafelten vorzüglich. Den rechten Fuß hatte der reiche Mann, weil es ihm wohl bequemer war, auf einen zweiten Hocker gestellt.
"Reicher Mann", sprach der arme Mann, "ich bin des Stehens müde und bitte dich um diesen Hocker, um mich auszuruhen."
"Verpiss dich, armer Mann", gab der reiche Mann grob zurück, und sogar sein Gast stutzte ob dieses rauen Tones. "Ich brauche den Hocker, um meinen Fuß draufzustellen!"
Da war der arme Mann sehr traurig, obwohl er wusste, dass Reiche nur ganz selten Hocker geben, auch wenn sie diese leicht entbehren könnten.
Der arme Mann ging also zum weisen Mann und fragte den um Rat: "Weiser Mann", sagte er, "ein reicher Mann hat mir seinen Hocker verweigert, obwohl ich seiner bedarf."
"Des reichen Mannes?", fragte der weise Mann.
"Nein", sprach der arme Mann, "des Hockers."
"Ach", nun der weise Mann, "dann gräme dich nicht. Das ist nur ein Arsch, der seinen Fuß auf einen Hocker stellt. Hinter seinem Rücken sagt man aber zu einem solch hartherzigen Mann "Arsch mit einem Fuß auf dem Hocker". Bedenke nun, ob du so genannt werden willst, oder ob lieber in Armmut weiterlebst und niemand zu dir "Arsch mit dem Fuß auf dem Hocker" sagt!"
"Wohl gesprochen!", bedankte sich der arme Mann.
Der weise Mann fuhr fort: "Schieß lieber mit Erdnüssen auf das Volk. Da tust du etwas Sinnvolles!"
Der arme Mann griff sofort in seinen Vesperbeutel und begann eifrig auf das Volk mit Erdnüssen zu schießen. Das Volk freute sich derart, dass es sofort zurückschoss und der arme Mann nie mehr an den Hocker denken musste.

Freitag, 26.12.08: Pinguine füttern in Cuxhaven

Pinguine, die sich in Hauptsache von Eisbären ernähren, sind bereits bis nach Cuxhaven vorgedrungen. Ihr natürlicher Lebensraum bietet nicht mehr die Möglichkeit, sich ausreichend zu ernähren. Allerdings gibt es in Cuxhaven noch weniger Eisbären als in der Antarktis, da den Zotteltieren die Scholle unter den Pranken schmilzt. Um den Pinguinen das Überleben zu erleichtern füttern Tierfreunde die Hungerleider. Erschütternde Szenen sind in diesem Zusammenhang zu beobachten.
Tuppi: Was gibt’s denn heute zur Pinguinfütterung?
Muppi: Schnittchen.
Tuppi: Nicht schon wieder.
Muppi: Machste nichts dran.
Tuppi: Ist noch was von der Teewurst da?
Muppi: Hab ich heute Nacht aufgegessen.
Tuppi: Du Sau!
Muppi : Du sagst es.

Siehe auch: http://www.cuxhaven.de/cuxhaven_4230.php

Georg Krakl: Fragen an die Konsomolzen zur Weihnachtszeit

Konsomolzen, muss gemäht
der Rasen werden?
Und das Bolzenschussgerät
liegt gelangweilt bei den Pferden?
Konsomolzen, muss noch spät
mit dem Bolzenschussgerät
doch ein Pferd erschossen werden?
Nein, schrei'n laut die Konsomolzen,
wir hab'n keine Bolzen!

Dann sollt ihr, o Konsomolzen, Rasen mähen
und nach Bolzen spähen.

(Nach fünfjähriger Arbeit habe ich endlich einen Reim auf Bolzenschussgerät gefunden, schreibt uns Georg Krakl, und wenn ich auch Konsomolzen aufs Tiefste verachte, bin ich ihnen an dieser Stelle unendlich dankbar, dass es sie gibt.)

Georg Krakl: Gans/z (Weihnachten 2008)

Zum Glück
isst man die Gans
nicht ganz
sondern im Stück

Fehlgeleitete Heranwachsende bauen unverschämte Schneemänner


In Windeseile muss man heute den Schnee zusammenkratzen, wenn man einen Schneemann bauen will; der KLimawandel, der an allem Schuld hat, lässt einem keine Zeit. Nur noch Waldorfschüler wissen in unseren Breitengraden, was ein Schneemann überhaupt ist: Ein dreikugeliges Gebilde, das mit Kohlen, einer Mohrrübe und einem ausgedienten Hut oder einem undichten Kochtopf dekoriert wird, so dass man meint, Onkel Werner stünde vor einem, denn der war auch immer so kalt.
Was aber machen missratene Zöglinge, häufig mit Hilfe ihrer Eltern, die in einem antiautoritären Kinderladen groß geworden sind? Sie persiflieren Brauchtum und Traditionen, auch wenn sie nicht wissen, was das überhaupt bedeutet. Wie kann man seinen Schneekugeln eine großfüßige Albinohenne an die Seite kleben? Wo bleibt die Achtung vor dem Mitwesen? Sind qualvolle Jahre in der Legebatterie nicht genug, um schweigend den toten Hühner, denen man ihre Eier abgepresst hat, zu gedenken? Muss denn alles in den Matsch getreten werden?
Statt eines Hutes missbraucht man heutzutage Vogelnester als Kopfbedeckung und Blumentöpfe, um der unförmigen Masse aus gefrorenem, flockigem Wasser ein Gesicht zu geben. Vielleicht eine Anspielung auf verbockte Schönheitsoperationen und eine stumme Kritik am Schnitter, dem das Messer ausgerutscht ist, und der trotzdem abkassiert hat. Aber- schön ist das nicht.
Einem Schneemann, der immer für den Weltfrieden gestanden hat und genauso schnell wie dieser weggeschmolzen ist, eine Rakete in die Brust zu drücken, das lässt verzweifeln. Was gibt es hier noch zu retten: Fehlgeleitete Heranwachsende drücken ihre unbekümmerte Zerstörungsbereitschaft aus. Da ist Schule gefordert! Bis dahin ist aber erst mal der Klimawandel verantwortlich. Und wir können hoffen, dass solche optischen Beleidigungen schnell wieder zu Wasser und Restmüll werden.

Vorsicht vor chinesischen Produkten

Aus China drängen wieder unzählige Plagiate auf den Markt, unter anderem Nationalflaggen, die man an ungeschicktem Farbauftrag erkennen kann. Vor allem aber: Sie sind mit einem hohen Anteil Bleiststift gefertigt und damit für den Hausbegrauch eher nicht zu empfehlen, weil kontaminiert. Immanent wird hier auch der Wunsch nach Grenzüberschreitung und Kriegshandlung ausgedrückt, in dem die vorgeschriebenen Linien einfach übermalt wurden. Kinder nennen so etwas Krikelkrakel und schmeißen es sofort weg, oder schenken es der Mutter, die sich über alles Selbstgemachte freut.
Dem nationalbewussten Menschen kann aber eine so schlampig gearbeitete Fahne bei der Wahrung seines Vaterlandsstolzes nicht weiterhelfen, zumal auf billigem 80mg-Papier gearbeitet wurde, das einem Einsatz bei Regen oder in der Dusche nicht standhalten würde. Mittlerweile ist die Moral des Marktes: Es muss billig und massenhaft sein, ein Spritzer Gift kann nicht schaden, und es muss richtig Geld einbringen. Während wir enttäuscht in unserem Batikkoffer wühlen, schuftet der Chinese zwangsverpflichtet in den Bleiminen, um Material für neues Gekritzel abzubauen. Arme Welt!

Dunkle Jahreszeit: Depressives Schuhwerk

Immer häufiger sieht man vor allem Wanderschuhe, die an einer Hochspannungsleitung baumeln, weil sie ihr Dasein, das ihnen in dieser dunklen Jahreszeit nutzlos und überflüssig vorkommt, vorzeitig beenden wollen. Wir Menschen, die wir unsere treuen Diener, die uns vielleicht kilometerweit über Stock und Stein getragen haben, die durch Pfützen und durch Hundekot mit uns gestiefelt sind, mit herabwürdigen Worten ansprechen, wie etwa "Alte Latschen", "Treter" oder "Galloschen", wir Nutznießer einer Dienstleistung sollten bedenken, dass gerade in der Zeit, wo es an Licht mangelt, auch ein paar Schuhe etwas Freundliches hören möchte. Vielleicht quält sich das Paar schon geraume Zeit mit der schwarzen Schuhcreme oder möchte veilleicht den Dreck der vergangenen Tage loswerden? Ein paar sanfte Worte und eine Pflegecreme, die das Leder so schön gesschmeidig macht, wären hilfreich.
Dem couragierten Helfer, der womöglich ein paar Basketball-Schuhe vor dem Tod retten und von der Hochspannung holen möchte, sei geraten: Niemals vom Strommast, an dem man hochgeklettert ist, direkt an das stromführende Kabel fassen, um sich zum Suizidgefährdeten zu hangeln. Immer springen. Die Füße dürfen keinen Kontakt mit dem Eisen haben, sonst wäre der Rettungsversuch augenblicklich gescheitert.

Welttag des Hühnerschlachtens

Günter Krass: Erinnerungen - Hühnerschlachten
Die Hühner hatten ausgelegt. Es gab zwar immer wieder ein oder zwei Eier, aber es hatte sich ausgelegt. Es war Zeit zum Schlachten. Das tote Huhn war sowieso nur noch für die Suppe und ein anschließendes Frikassee, von dem wir nicht wussten, wie es geschrieben wurde, zu gebrauchen; für andere Gerichte war es zu zäh. Es hatte seine Pflicht getan und musste abtreten. Am 4. Dezember sollten die im Laufe des Jahres Liebgewonnenen auf dem Hauklotz am Komposthaufen ihr Leben aushauchen, nachdem Kopf und Rumpf mittels eines Beiles voneinander getrennt worden waren. Aus sicherer Distanz hatte ich in den letzten Jahren immer zugesehen und eine Mischung aus Trauer, Angst und leichter Erregung durchzog meinen Körper.
"Ach", der Vater nun, als wir gemeinsam die Verurteilten betrachteten," es ist ja noch Futter da." Ich stutzte. "Dann warten wir noch ein paar Tage." So als hätten sie verstanden, hörten die Hühner auf zu picken, so als ekelten sie die Körner und anderen Ingredienzen des Nagut-Hühnerfutters an, das wir immer an der Mühle bei Thiemeier bezogen und das ich bisweilen in der 5-Kilo-Tüte auf meinem Fahrrad holte, so als wollten sie ihren Tod hinauszögern, das Futter strecken, indem sie nichts mehr zu sich nahmen. Arme Hühner, dachte ich, welcher Illusion gebt ihr euch hin? Der Hunger wird es hineintreiben, und jedes Korn wird euch dem kalten Stahl näherbringen, unentrinnbar werdet ihr Opfer eurer eigenen Bedürfnisse.

Das Leben ist komisch

Racker:Du hast einen Hund auf dem Kopf!
Möckel: Wo?
Racker: Na, da!
Möckel: Na und ?
Racker: Nicht na und! Na, Hund!
Tappert: Ich seh nix.
Möckel: Du stehst ja auch mit dem Rücken dazu.
Tappert: Ich steh dazu.
Therapeut: Sollst du auch.
Tappert: Genau. Und da steh ich auch zu.
Möckel: Und der Hund?
Tappert: Welcher Hund?
Racker: Genau! Welcher Hund?

Weißt du, wo lang?


Karel Gott sang damals mit tschechischem Tremolo "Weiß du, wo lang?" und gab dem Dr.-Schiwago-Geschrammel eine Stimme. Erwartet hätte der Hörer eher ein paar Don-Kasachen, die in ihrer Landessprache, das dem Russischen in der Unverständlichkeit und phonetischen Grobheit in nichts nachsteht, die Oktoberrevolution ansingen. Beim Jubeltschechen sind aber nur ein paar Floskeln über Menschen herausgekommen, die vom Weg abgekommen sind und nun zurückfinden wollen. Seinerzeit war schon klar: Der deutsche Schlager ist keine Hilfe, sondern eher eine Strafe Gottes, im doppelten Sinne an dieser Stelle. Früher konnte man die Vinylplatte noch als Blumenuntersetzer missbrauchen oder im Backofen bei 220° zur Chipsschale formen, um seinem Musikgeschmack Ausdruck zu verleihen. Im Zeitalter der Nullen und Einsen hat man nichts in der Richtung: Es bleibt nur das profane Löschen einer Datei. Die Beschaulichkeit der Rache fehlt; Zeichen der Zeit, die andere zu deuten haben.

Schwarz-Weiß-Denken

Den Menschen, die in den Sechzigern sozialisiert wurden, sagt man ein schlichtes Weltbild nach. Sie leiden an Dichotomie, ihr Leben wird bestimmt von Schwarz und Weiß, und sie werden sich hüten, diese beiden sich ausschließenden Mengen zu vermischen, denn sie fürchten, im tristen Grau zu ertrinken. Schuld an der Misere ist das Schwarzweißfernsehen, das damals gerade aufblühte, auch wenn es erst nachmittags begann und nur am Wochenende gegen halb zwölf endete. In dieser für die Gegenwart sehr beschränkten Zeit gelang es doch, die Zuschauer, die begierig die neue Reiznahrung verschlangen, so zu prägen, dass sie schließlich oben von unten, rechts von links und hinten von vorn unterscheiden konnten, was das Leben erst lebenswert machte. So ganz nebenbei lernten sie wesentlich Elemente des amerikanischen Lebens kennen; bislang war ihr Wissen auf Kaugummi und Donald Duck beschränkt. Es gesellten sich Fury und Lassie dazu; Slim und Jesse gaben sich ein Stelldichein und überhaupt wurde der aufmerksame Zuschauer an den Kühlschrank und die Fliegengittertür herangeführt. Es wurde aufgeräumt mit der Lüge, Indianer seien rot, sie zeigten sich nämlich lediglich in Grau. Nur die Weißen waren und sind weiß. Und Weiß steht für gut und sauber, für gerecht und schwer in Ordnung. Der Amerikaner hat mit unendlicher Geduld dafür gesorgt, dass seine Welt weißer wurde und das kommt heute allen zugute.
Der heute 50- bis 60-Jahre alte Mensch krankt noch immer an der Dichotomie und das Farbfernsehen kann ihm da nicht weiterhelfen, denn es fällt ihm schwer mehr als zwei Informationen auf einmal aufzunehmen, was aber schon der Fall wäre, wenn ein Gelb und ein Ocker dazukämen. Gesellschaftlich oder individualpsychologisch ist dieses Problem nicht mehr zu lösen, aber die Zeit heilt ja bekanntlich alle Wunden.
(Foto: Nervige Typen lassen sich auch in Schwarzweiß nur schlecht ertragen.)

Nahrhafter Popel

Kurz vor acht vor einer Ampel, mein Rückscheinwerfer beleuchtet das Gesicht im nachfolgenden Fahrzeug. Ein Frau Ende dreißig, kurzes, dunkles Haar, Brille im Retro-Look, zuverlässiges, vielleicht ein wenig langweiliges Gesicht. Ihr kleiner Finger gräbt im rechten Nasenloch, ein kurzer Ruck, dann wird der Finger an den Mund geführt, Mund und Kiefer bewegen sich unmerklich, der Zeigefinger gleitet zum linken Nasenloch. Die Ampel springt auf Grün, ich gebe Gas. Eine Popelfresserin, so haben wir, die sich vor diesen Menschen als Schulkinder schon ekelten, sie genannt, auch um uns abzugrenzen und zu bezeugen: Das tun wir nicht!
Aber was ist daran verwerflich?
Der Chinese isst Hunde, wir regen uns auf, weil wir uns von Hunden lieber das Gesicht abschlecken lassen, als sie auf dem Teller zu sehen. Der Deutsche verzehrt Popel. Vielleicht tut das der Chinese auch. Vielleicht essen auch nicht alle Chinesen Hunde, wie nicht alle Deutschen Popel essen. Trotzdem: Angesichts der kritischen Welternährungslage muss dieses Tun gefördert werden, denn gerade die Fürdenkleinenungerzwischendurchesser und die Langeweileesser verschwenden wertvolle Nahrung, die hier von körpereigenen Stoffen ersetzt wird. Der Popel ist zwar arm an Vitaminen, hat aber reichlich Mineralstoffe anzubieten, die weit über ein Nahrungsergänzungspräparat hinausgehen. Warum verdammen, was allen zugute kommt? Der Zweck heiligte immer schon die Mittel. Vielleicht sollte man den Popelesser am Steuer ermutigen, indem man kurz hupt und seinen gestreckten Zeigefinger zeigt? Oft sagen Gesten mehr als tausend Worte...

Der blaue Montag

Ist doch klar, lallt Fred an der Theke, das kommt vom Restalkohol, da bin ich ja oft am Montag noch blau, was ich da so konsumiert habe, oft weiß ich gar nicht, dass schon Montag ist, und dann soll ich sofort um halb neun Steuererklärungen durchgucken, nehm ich doch erst mal ein Alka Seltzer, wo ich denke, das hat früher auch mal besser gewirkt, früher war ja, wie ich immer sage, alles anders, früher war sogar alles früher, da hat das Alka Seltzer einfach früher gewirkt, oft schon bevor ich es eingenommen habe, kleiner Scherz, und wenn..... Man kann sich nur verstohlen davonschleichen, wenn man einen Restalkoholiker angestochen hat und er einen Redeschwall über die Theke gießt, den kein Putztuch stoppen kann, und widmet sich einer ernsthaften Beantwortung der Frage: Woher kommt der Blaue Montag? Ist doch klar. Von der Wetterkarte. Da wird einem suggeriert, es werde schon werden, also bisschen Sonne hier, da mal ein Schäuerchen und überhaupt, das Wetter von gestern sei irgendwie sicherer vorhersagbar, also eher nachhersagbar, und gestern habe auch die Sonne geschienen, jedenfalls stellenweise, wenn nicht hier, dann auf jeden Fall dort, etwa in der Türkei, die seien ja mit Sonnenschein gesegnet, auch wenn das im Osten liegt, und dann wird alles blauäugig: Der Zuschauer soll glauben, was die Dame von der Wetterkarte oder die alte Bartagame Jörg Kachelmann daherschwafelt.
Morgen wird's mal wieder blau! Ein eindeutiger Satz! Das will der verunsicherte Fernseher hören, einen Satz, mit dem er etwas anfangen kann! Morgen wird's mal wieder blau, und morgen ist Montag! Wer genau hinsieht, kann das auf der Karte auch erkennen. Von Norden her zieht Blau auf. So einfach ist. Da muss sich kein Meteorologe herausreden und Unsinn erzählen. Morgen ist mal wieder blauer Montag, denn es zieht Blau auf. Na also! Ist doch ganz einfach.

Wieder da: Das hässliche Oberhemd!

Die Mode treibt ihre Blüten. Sagte man den Männern nach, sie hätten doch vorm Kleiderschrank kein Rätselraten wie die Frauen zu veranstalten, weil sie lediglich einen dunklen Anzug und einen Rollkragenpullover wählen müssten, so werden solche Gesetzmäßigkeiten jetzt erschüttert. Das hässliche Oberhemd kehrt zurück. Ein Beispiel ist das Modell "Selbst-vermalte-Taubenscheiße". Das Fernsehen scheut sich nicht, Moderatoren mit dieser Augenfolter zu bekleiden, die fröhliche grinsend zwei Knöpfe öffnen, um einen Blick auf die fahle Brust werfen zu lassen, um von den Vogelexkrementen abzulenken. Hatte man früher den selben Moderator als Klugscheißer diffamiert, weiß der Fernseher heute natürlich, warum das so ist. Sein Hemd könnte ganze Lebensgeschichten vergifteter Tauben erzählen, die im letzten Moment ihres Daseins noch etwas ausdrücken wollten, um der Welt ein wenig von ihrem Schicksal zu hinterlassen. Dass Tierschützer noch nicht auf den Plan gerufen wurden, mag verwundern. Viele Ex-68er hatten lange gehofft, dass das Klassengesellschaftsbekleidungsstück OBERHEMD das Zeitlich gesegnet habe, bzw. als Arbeitsbekleidung im Gastronomiebereich der werktätigen Klasse diene, und hatte lediglich den ungewaschenen Kragen des Rollis in den Blick genommen; jetzt werden sie eines Besseren, will sagen Schlechteren, belehrt: Es ist wieder da, und es nervt fast so stark wie damals die Nyltesthemden: Das hässliche OBERhemd. Unterhemden aller Länder vereinigt euch!

Günter Krass: Erinnerungen - Durch die Wüste

Hach, war das schön, wie die Herren da durch die Wüste ritten, Kara Ben Nemsi und sein treuer Freund Hadschi! Mir lief dieSpucke im Munde zusammen, wenn ich daran dachte, wie lecker das Wasser aus der Wasserleitung schmeckte; eigentlich trank ich dieses Wasser nicht, es schmeckte immer etwas nach Eisenrohr und zerquetschten Mücken, aber angesichts der Notlage der Protagonisten, die irgendeinen Schurken verfolgten oder auf der Flucht vor diesem waren, und die mit einer gewissen Bauernschläue immer Sieger blieben,und angesichts ihres unsäglichen Durstes, gewann dieses Wasser einen Wert, der ins Unermessliche reichte. Danziger Goldwasser schießt mir durch den Kopf, was hier aber ein unpassender Vergleich ist. Ich ließ ein Glas Leitungswasser die Kehle hinabrinnen, die vom Lesen des Karl-May-Wälzers trocken geworden war.Ich vergaß den Geschmack nach Eisenrohr und zerdrückten Mücken, dachte an den wahren Wert des Wasser und versuchte die 24 oder 36 Vornamen von Hadschi auswendig runterzurattern. Damit würde ich morgen glänzen können. Alle Vornamen in weniger als 10 Sekunden.

Kauderwelsch?

Man hätte sich gewünscht, Bundestagsfritze Kauder hätte eine Frau geheiratet, die Welsch heißt; die hätte dann den wunderbaren Doppelnamen Kauder-Welsch angenommen und den hätte sie dem Gatten zueignet, sodass dieser fürderhin in großem Stolz auf seine Frau diesen Namen in der Welt bekannt gemacht hätte. Was wie ein schönes Märchen klingt, ist schon Realität; die Frau gibt es zwar nicht, dafür einen Begriff, Kauderwelsch, der Synonym für Unsinn, Unfug, unverständliches Zeug steht und wenigstens deutschlandweit bekannt ist. Endlich wissen die aufmerksamen Redenverfolger in Deutschland, was es mit Politik und seinen Schwätzern auf sich hat. Schade nur, dass es diesen Begriff schon vor der Existenz jenes Bundestagsfritzen gegeben hat. Welch schönen Schluss hätte man ziehen können.