Zeichen in der Blumenschale

Seit Wochen stand das Besteck in der Blumenschale, beharrlich, aufrecht und ohne jeglichen Humor. Achtlos waren die Menschen daran vorbeigegangen und hatten geplaudert oder geschwiegen, sich aber keine Gedanken gemacht, welche Bedeutung das Messer und die ungleichen Gabeln hätten haben können.
Eine Botschaft war es eventuell. Hatte organisiertes Verbrechen die Hand im Spiel, der Finanzberater vielleicht?
Was konnte das Ensemble bedeuten?
Die Messer werden gewetzt, und dann könnt ihr die Gabeln abgeben?.
Menschen aus einem anderen Kulturkreis mussten hier zu Werke gegangen sein. Denn eigentlich heißt es "die Löffel abgeben" oder "etwas hinter die Löffel bekommen". Immer noch gibt es in Ländern mit komischen Sprachen   Lücken in der Esskultur. Zwar können sich die Menschen "eine Suppe einbrocken", sind aber nicht in der Lage, sie auszulöffeln, weil es keine Löffel gibt. Da musste wieder das starke Europa eingreifen und den Schuldenschnitt machen, obwohl dazu gar kein Löffel gebraucht werden. Und die Botschaft?
Wenn du keinen Löffel hast, dann behalte wenigstens das Messer und die ungleichen Gabeln! Oder: Versteck das Besteck im Dreck!
Interessante Gedanken. Aber was konnten sie bedeuten?
Auch auf organisiertes Verbrechen und Finanzberater ist mittlerweile immer weniger Verlass.

Modetipp Pudelmütze

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Georg Krakl: Meister Lampe (2012)


Meister Lampe, Meister Lampe, wo ist deine Schlampe?
Ach Geselle Strahler,ach Geselle Strahler, wo ist dein Koala?

Ach, du Meister, falscher Reim und falsches Tier!
Und die Schlampe ist nicht hier!

Strahler, Strahler, Lohn für dich beträgt zwei Taler!
Kürz ich dir,
Würz ich mir,
das Tier,
wenn es tot.
Brat es dann und nimm's mit Brot.

Meister, Meister, das nicht gut,
wenn man einem Tier so tut.
Und Koalas sind geschützt. Behütet.
Deine Schlampe: Wohlbetütet.
Aber ist verschlampt und so verdreckt, ach Meister, wo hast du die nur versteckt?

Ach Geselle Strahler, bist ein großer Prahler,
bist entlassen.
Geh zur Schlampe! Kann's nicht fassen.

Meister, und das Tier?
Ach,das lass ich dir.
Bring's zur Tierkörperverwertungsanstalt.

Meister, darauf reimt sich nichts.
Höchstens dieser Genetiv: Des Wichts.

Wenn die Welt Kopf steht....

Baum,Baum, stichelte Snork, wie du wieder rumläufst.
Was willst du schon wieder, Snork? Die alte Buche blinzelte müde und brummte ihre Frage.
Du hast ja einen Moosgürtel, stichelte Snork weiter, der ist ja voll retro, also retro im Sinne von völlig unhip.
Red deutlich, dass ich es verstehe, Snork!, brummte die Buche weiter.
Und deine Hose, alte Buche, stichelt Snork immer weiter, die steht offen. Der Hosenstall ist nicht zu. Unzu praktisch.
Was willst du Snork? Die Buche wurde ungeduldig. Ich trage überhaupt keine Hose und einen Moosgürtel schon lange nicht. Aus Moos sind alle meine Schuhe.
Ich sehe aber, Buche, dass deine Hose aufsteht, da lässt sich nicht  dran rütteln. Snork war eine Nervensäge.
Snork, der Ton der Buche wurde jetzt ungeduldiger und eine Spur aggressiv, Snork, wenn du jetzt nicht aufhörst, nimmt das ein übles Ende.
Ach, Buche, du mit deinen Drohungen!
Snork, du hängst doch wieder mit dem Kopf nach unten an meinem Ast Nr.23 und redest deshalb wirres Zeug, brummte die Buche weiter.
Ok, ok, jetzt Snork, du hast mal wieder recht. Bist du eigentlich belesen, Buche?
Was soll das?
Ja, weil, Buche kommt doch von Buch, oder?
Was für eine Satzstellung!, wurde die Buche lauter.
Schwachkopf! Buch kommt von Buche, damit du es weißt! Fast brüllte die Buche, denn Snork geht ging gewaltig auf die Wurzeln.
Snork dreht noch ein letztes Mal auf: Kennst du diese Redensarten, wenn du so belesen bist? Weiden sollst du schneiden, Eichen sollst du farbig streichen,  Linden sollst du schinden, Pappeln lässt man zappeln? Und: Buchen schnell verfluchen?
Du Unhold, schrie die Buche, und holte zu einem gewaltigen Schlag mit Ast Nr.24 aus, verschwinde augenblicklich!
Verfluchte Buche!, zischte Snork grinsend, sprang auf die Beine und war verschwunden.
Linden schinden, das war jetzt angesagt.

Ernst G.Meint: Ein Kunstwerk sein


Er hatte den abgedunkelten Raum betreten und stand vor einem Kunstwerk.
Eine grüne Silhouette beschrieb seinen Umriss, und immer, wenn er sich bewegte, bewegte sich auch das Kunstwerk.
Irgendeine computergesteuerte Maschine projizierte seine Umrisse auf die Leinwand. Er war das Kunstwerk. Er war einmal kurz hinausgegangen und hatte festgestellt, dass sich nicht nur der Raum, sondern auch die Leinwand leerte.
Schnell war er zurückgekehrt.
Endlich hatte er die Bedeutung, die er immer gewollt hatte.
Grün und grau, ein Kunstwerk. Solange er im Raum blieb.
Wenn andere Besucher hereinkamen und sich zu dem grüngrauen Bild gesellen wollten, trieb er sie mit einem aggressiven Zischen aus der Projektion.
Er war das Kunstwerk.
Am Abend stand er noch immer dort und war irgendwie wacklig auf den Beinen.
Es strengte ihn an, ein Kunstwerk zu sein. Aber alles hat seinen Preis, beruhigte er sich.
Später bat man ihn, das Museum zu verlassen; er aber zischte nur laut und eindeutig.
Es würde sein Lebenswerk werden, endlich hatte er seinen Platz gefunden.
Der Wagen kommt gleich, sagte ein Angestellter dem Mann, dessen Aufgabe war, den Raum mit der Projektion zu bewachen. Ist unterwegs.

An der Grenze wohnen

Überflieger Akademikersohn

Möllenhoff, Dr. Möllenhoff, stand immer mit verschnupfter Nase, rot und spitz, vor der Klasse und versuchte uns Latein oder Französisch beizubringen. Welche Sprache es damals war, verblasst heute hinter seiner sich immer wiederholenden Frage: Wohnst du an der Grenze? Du sprichst, als kämst du von der Grenze.

Was war ihm widerfahren, dass er diese Frage stellen musste, die Kritik an unserer Sprechfähigeit versteckte, die eigentlich keine Frage, sondern eine Antwort war: Du sprichst komisch, du bist dumm, wenigstens aber ungebildet, mit deinen Eltern kann es auch nicht weit her sein.

Wir beobachteten seine spitze, rote Nase und lauschten dem näselnd-verschnupften Ton seiner Stimme, ohne uns um den Inhalt zu kümmern. Allein die Frage nach dem Lebensort „Grenze“ blieb in uns haften und kehrte,  weil unbeantwortet, immer wieder in unserem Leben zurück. Da stand Dr.Möllenhoff in seinem grauen Anzug, unter dem er ein steif gebügeltes Oberhemd trug und einen unscheinbaren Schlips.

Sein  Sohn tauchte eines Tages auf, in der Klasse unter uns als Schüler der Lehranstalt. Er flog in den Pausen über den Schulhof, in einem imaginären Flugzeug, vielleicht einem Bomber. Wir lachten über ihn, denn wir hatten sonst nichts zu lachen. Wir freuten uns so, dass der möllenhoffsche Sohn sich verhielt, als lebte er schon lange an der Grenze. Er brummte und summte, so wie er sich das Motorengeräusch eines Bombers oder eines Transportflugzeugs vorstellte, manchmal imitierte er Geräusche von schwerem Geschütz, und irgendwann lachten wir nicht mehr, denn der Sohn flog und flog und flog.
Nicht einmal einen  Absturz simulierte er, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten.
Was musste er erlebt haben, dieser Überflieger eines Akademikervaters? Vielleicht stellte Dr.Möllenhoff auch zu Hause die immergleichen Fragen und dem Sohn blieb nichts anderes übrig, als davonzufliegen, sprachlos und unermüdlich.
Der Sohn half uns entspannt zu lächeln, wenn Dr.Möllenhoff uns seine Fragen stellte.
Doktor, Doktor, dachten wir, schau auf deinen Sohn!

Badekappen in Abhängigkeit

Selten treffen wir in Hallenbädern formschöne Damen, die mit hässlichen Badekappen ihre Bahnen ziehen.
Wäre dies häufiger der Fall, könnte man mit der Gummikopfbedeckung auch etwas Schönes verbinden, sehr zum Wohle der Badekappenindustrie.
Trifft ein Schwimmer auf eine dieser Damen, so würde er wohl urplötzlich mit einem "Was für eine wunderbare Badekappe, voll retro!" einen ersten Kontakt herstellen, um anschließend im angegliederten Restaurant bei einer Schale Pommes und einem Amselfelder den Feierabend zu starten, der natürlich irgendwie gemütlich werden soll.
Da jedoch Badekappen häufiger von Frauen getragen werden, die Angst um die Dauerwelle haben und somit einer Generation angehören, die den eben genannten Personen fern stehen, verbindet der Freizeitsportler die Badekappe mit den Attributen unschön, stinkt nach Gummi und hat Falten auf der Oberfläche. Damit hat es sich erledigt für für Ästhetik der Badekappe, denn sie ist wie kein anderes Produkt abhängig von der Trägerin.
Bitter, aber wahr. Vielleicht sollte im Zuge der Loslösung aller Abhängigkeiten, wie vom EU-Parlament schon länger ins Auge gefasst, das Tragen von Badekappen gänzlich untersagt werden. Aber wohin dann mit Berufen wie Badekappendesigner, Badekappenformer, Badekappendekorateur und Badekappenprüfer? Die Sozialkassen werden aufjaulen, und das ist schlimmer als nach 1000m Brustschwimmen eine Badekappe zischen den Fingern zu halten, in der ein Mann steckt.

Themenwoche Tod: Einmalige Events

Den Tod kann man nur einmal erleben.

Ernst G.Meint: Heidrich

Du musst ihm vergeben. Verzeihen.
Benno hasste es, etwas zu müssen. Müssen, müssen, müssen. Benno wollte selber entscheiden.
Wir haben das doch besprochen. Sonst wirst du das nie los.
Vergeben, das war schön gesagt. So einfach, so überschaubar.
Nach dreißig Jahren vergeben.
Ja, Heidrich ist schon tot.
Nein, ich kann nicht mit ihm darüber sprechen. Nicht wirklich.

Die Klasse war laut gewesen. Benno war nicht laut gewesen.
Er war auf dem Weg aus dem Klassenraum zur Toilette. In der Wechselpause.
Er hatte fast die Tür zum Flur erreicht, als Heidrich hereinstürmte.
Heidrich hatte gar keinen Unterricht in der Klasse, Benno kannte ihn nur vom Sehen. Heidrich kannte Benno nicht einmal vom Sehen. Dr.Heidrich.
Er schrie irgendwas von Ruhe und Aufhören und schlimmster Klasse der Schule, holte aus und schlug Benno auf die linke Wange.
Die Klasse zuckte zusammen. Benno war erstarrt. Heidrich schon wieder draußen.
Bennos Wange brannte. Tränen schossen ihm in die Augen, aber er würde nicht weinen.
Die Scham kroch heiß in Benno hoch, von den Füßen bis unter die Schädeldecke und breitete sich im ganzen Körper aus. Nadelstiche auf der Haut. Nur nicht weinen. Wegstecken. Hart sein. Bloß nicht Opfer sein. Benno war Opfer. Er war der Sündenbock. Er war bestraft worden. Ohne Schuld. Stellvertretend für die Klasse.

Die Eltern zu Hause zuckten mit den Schultern. Du musst doch was getan haben. Ohne Grund schlägt man doch nicht. Mehr konnten sie nicht für ihn tun.
Auch mit Grund schlägt man nicht, dachte Benno.

Jetzt sollte er Heidrich vergeben. Der hatte den Vorfall damals wahrscheinlich schon nach ein paar Tagen vergessen.
Heidrich war tot, die Sau, die miese Ratte. Wie viele Male hatte er auf Heidrich eingeschlagen und dabei geschrieen: Du Sau! Du Drecksau!
Aber Heidrich war kein Kissen, kein Boxsack.
Heidrich war tot, hatte sich verpisst, war seiner Strafe entgangen.
Du musst ihm vergeben, damit du die Sache los wirst. Versuch es einfach. Geh ein Eis mit ihm essen, oder lad ihn zum Italiener ein.

Benno bestellte zwei Portionen Eis in der Waffel. Er saß mit Heidrich am Tisch und Heidrich nickte, als er ihm die Geschichte erzählte. Heidrich nickte und räumte ein, dass er sich falsch verhalten habe. Ein Erklärung, keine Entschuldigung. Das waren die Zeiten damals. So war das eben. Unterricht war eine Frage der Macht.
Vergeben. Heidrich vergeben.
Benno stand auf und drückte Heidrich das Eis ins Gesicht.
Weniger ist nicht drin, du Ratte.
Benno atmete auf. Das war ein Anfang.
Nächste Woche sehen wir uns wieder, hörte Benno im Hinausgehen.

Neulich bei Königspudels

Schatz, weißt du, wo ich meine Krone hingelegt habe?

Jetzt entdeckt: Des Pudels Kern

Vladimir Kanniksky: Mephisto (2012)
Jahrhundertelang überbewertet, weil nie gefunden: Des Pudels Kern.
Jetzt haben Wssenschaftler festgestellt, dass es sich um einen schlichten Kern handelt, der sich noch nicht einmal spalten lässt.
Mal  wieder viel Lärm um nichts!

Totemkopf

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Bei Tods zu Hause

Vatter Tod: Wo habe ich nur meinen Stachel hingelegt?
Mutter Tod: Hattest du denn einen?

Themenwoche Leben mit dem Tod

Pudelfell, ganz nah
Der Tod hatte Rückenschmerzen. Den ganzen Tag war er in Gestalt eines schwarzen Pudels unterwegs gewesen. Ohne Sense, versteht sich. Trotzdem hatten viele Menschen ihn erkannt, hatten vor ihm gekniet, geweint und ihn angefleht, sie noch eine Weile zu verschonen. Er hatte gekläfft, geknurrt und gefletscht und sie dann laufen gelassen. Ich werde alt, dachte der Tod. Die Arbeit ist eintönig. Ich werde nachgiebig. Die Menschen werden immer älter. Die Erde immer voller. Er wünschte sich eine Leine und jemanden, der mit ihm Gassi geht. Ein kleines bisschen wünschte er sich sogar zu sterben. Ich wär noch ein ganz guter Handwärmer, dachte er.

Georg Krakl: November (2012)

Auf November
reimt sich Dezember
September
Oktember

Nicht Januar
Nicht Februar

Auf März
reimt sich auch nicht ein Schärz

Nicht April
Nicht: Macht was er will

Juni und Juli, auch nicht August.
Frust.

Der Mai
ist mir just im Moment einerlai.

Wer in der Glasflasche steht ...

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Vater und Kind und Laufrad

Der Vater schiebt das Kind, das auf einem Laufrad sitzt.
Schneller, ruft der Vater.
Ich gehe vorbei und will Brötchen kaufen.
Hinter mir höre ich den Vater: Ja, schneller.
Plötzlich ein dumpfes Geräusch. Das Kind ruft: Oammmmä!
Ich wende mich um.
Der Vater hat das Kind vor eine Mauer geschoben.
Lenken, du musst auch lenken!, ruft der Vater.
Das Kind heult still.
Lenken!Junge, lenken!
Der Vater beteuert immer wieder, wie wichtig es sei zu lenken.
Wenn du nicht lenkst, fährst du vor die Mauer.
Das Kind schluckt.
Wer nicht lenkt, fährt vor die Mauer.
Der Vater ist nicht schuld.
Ich denke: Angeschoben ist nicht aufgehoben.
Und weiter: Vier normale Brötchen und vier Vollkorn plus eine Müslistange.

Tonnes Tagebuch: Mann in Doppelripp

Liebes Tagebuch!
Ich hatte den Schlüssel von der Wohungsbewohnerin bekommen und versuchte ihn nun in das Schloss zu stecken. Irgendwie ging das gar nicht. Ich drehte ihn, dachte der Bart müsse nach oben. Auch nichts. Und wofür war der zweite Schlüssel? Vielleicht passte der?
Nichts als Schaben und Kratzen und kein Treffer, der die Tür geöffnet hätte.
Dann ging die Tür wie von selbst auf.
Ein Männlein stand in hellblauen Boxershorts und einem Doppelripphemd nachmittags um vier vor mir und fragte in aggressivem Ton: Was soll das denn hier werden?
Ich stutzte und dachte: Falsche Tür! Falscher Mensch! Falsches Stockwerk?
Falsche Frau! Die war ja noch in der Stadt und kaufte ein, deswegen hatte ich den Schlüssel doch, damit ich die Wohnung betreten konnte. Auch ohne sie.
Wieso stand ein Männlein in der Tür?
Äh, sagte ich, damit kann man nichts falsch machen, hier wohnt nicht Frau B.?
Also, was soll das werden?, jetzt das Männlein und die Boxershorts zittern.
Nein, also nicht, Frau B., vielleicht ein Stockwerk höher? Ich lächelte verlegen, was wohl eher einem Grinsen ähnelte.
Ja, oben, jetzt das Männlein in den Boxershorts und dem Doppelripphemd. An den Füßen trug es beige Socke und Sandalen oder Riemchenschlappen.
Na, dann will ich mal wieder, sagte ich, gehe ich mal einen Stock höher.
Hm, sagte der Unterwäscheträger.
Männlein, denke ich, du bist 160 cm groß und halb so breit. Ich trage einen Moltoprendoppelsteppmantel, der mich noch breiter macht, Männlein, das ist doch der Klassiker: Das Opfer muss seinen Täter gekannt haben; es hat ihn reingelassen.
Ich denke:  Was soll das werden, was soll das werden? Wie kann sich ein Knirps in insuffizienter Kleidung einen solchen Ton erlauben? Wo bleibt der Respekt vor der Gefahr? Nur weil die Kleidung sowieso in die Wäsche muss, heißt das nicht, dass man eine Kopfverletzung provoziert, die blutet immer stark.
Bevor ich einen Satz herausbrachte, der dem Kleinen das Risiko erläuterte, hatte der die Tür bereits zugedrückt und sich wieder seinem Fernsehprogramm zugewandt.
Meine Gedanken mussten unausgesprochen bleiben.
Fummel nicht an fremden Haustüren herum!, formulierte ich als Merksatz. Und wenn kleine Kerle etwas fragen, dann antworte schnell, wie aus der Pistole geschossen, damit die wissen, wer der Täter ist.

Vorsicht! Erdnüsse können Spuren von Nüssen enthalten

Es ist eigentlich verantwortungsvoll gegenüber dem Verbraucher. Im Einzelfall kommt man allerdings ins Grübeln: Auf einer Dose Erdnüsse - leider aus dem Bio-Laden, womit wieder alle Vorurteile bestätigt werden- steht der Hinweis für Allergiker. "Produktionsbedingt können Spuren von Nüssen enthalten sein."
Woraus bitte, liebe Firma Rapunzel, besteht denn dann der Rest der Ware? Aus Erde? Voll synthetisch alles? Milcheiweiß?
Bitte hilf, liebe Rapunzel, und lass dein fettiges Haar herunter, damit wir verstehen, was wir da essen!

Damenwahl und Demokratie




Wenn Damenwahl ist, schreit die Dame nicht, wenn sie gewählt wird, flüstert der Eintänzer und fasst ein wenig fester zu, denn er weiß, dass Frauen gerne geführt werden. Und vor dem Verführen kommt erst mal das Führen, das ist alte Eintänzerweisheit, und überhaupt, wenn Frauen nein sagen, meinen sie ja. Sie trauen sich nur nicht, das zuzugeben. Da braucht es einen Mann, der anpacken kann, der die Dame dahin führt, wohin das Ganze führen soll.
Jetzt ein Tänzchen, nichts überstürzen, das verdirbt die Stimmung, auch das weiß der Eintänzer.
Neinnein, sagt der Eintänzer, bei Damenwahl darf die Dame eben nicht den Herren wählen, höchsten wenn sie selbst eine andere Dame zum Tanz wählt, das sei aber, wenn genügend Männer anwesend seien, eher unüblich.
Was denn Herrenwahl sei, fragte die Dame, die durch das Drehen für den Tanz schon fast schwindlig war.
Eine Herrenwahl beim Tanzen gebe es nicht, sagte der Eintänzer und machte ein Gesicht, als nehme er die Dame ernst. Bei der Herrenwahl würden Parlamente gewählt, auch wenn das seit 1918 ein wenig verwässert worden sei, als man das Frauenwahlrecht eingeführt habe.
Der Dame wurde jetzt wirlich schwindlig, diesmal aber von dem Blödsinn, den der Eintänzer von sich gab, um sie wohl zu betören.
Aber schön ist es, gedreht zu werden, immer im Kreis, gedreht zu werden, bis man von Sinnen ist, dachte die Dame und jauchzte.
Es war doch völlig egal, wer wo wann und wie Palamente wählte, tanzen, das sei reines Vergnügen und davon gebe es zu wenig.

In dieser Haltung aber liegt wohl die Crux der Demokratie und dass sie nie wirklich wirken könne und nicht die Menschen an die Spitze brächte, die wir in unserem Land bräuchten, sondern die, die es  nur um ihrer selbst willen wollten, und nicht das Gemeinwohl im Sinn hätten. Das hat ein Land nicht verdient. Und das Frauenwahlrecht und die Damenwahl haben daran nichts geändert.

Weisheit des Alltag: Was wir von den Raffgierigen lernen können

Warum was andern gönnen,
was wir selber haben können?

REDENSARTEN - Mit gleicher Mütze heimzahlen



Jemandem etwas mit gleicher Mütze heimzahlen - Woher kommt diese Redensart? Als die Häuser noch zugig waren und Höhlen glichen, war die wärmende Mütze ein Standardkleidungsstück. Fast lebensgefährlich war es damals, ohne Mütze herumzulaufen. Das Verlieren der Mütze war ein Desaster, denn diese Kopfbedeckungen waren Handarbeit. Für eine neue Mütze mussten erst einmal zwei bis drei Tiere erlegt werden, z.B. ein paar Haubentaucher. Die Mütze hatte hohen Wert. Wenn nun jemand sich über einen anderen erbost hatte, dann war es eine üble Gewohnheit, die Mütze vom eigenen Kopf zu ziehen und mit dieser die Mütze des Kontrahenten von dessen Schädel zu schlagen, möglichst so, dass diese weit weg flog, etwa hinter die Ligusterhecke des Nachbarn, der keine fremden Mützen in seinem Garten duldete. Der Aggressor setzte seine wärmende Kopfbedeckung wieder auf und ließ sein Gegenüber im Regen stehen.Der Kopfbedeckte schritt davon und wartete darauf, dass der Entblößte sich eine Mütze, die der seinen gleich war, besorgte und versuchte, es ihm nachzutun, es ihm heimzuzahlen. Das war zu damaligen Zeiten fast unmöglich, weil kein Tier dem anderen glich, der Haubentaucher sah anders aus als das Kapuzenäffchen. Aber zur Wiederherstellung der Ehre war der Vorgang unabdingbar. Um dem Dilemma der fehlenden "gleichen" Mütze zu entrinnen, änderte man die Redensart einfach ab und sagte: Das zahle ich dir mit gleicher Mieze heim! Du Schuft!, nahm seine alte Siamkatze beim Schwanz und schmetterte mit ihr den Schädel des Widersachers leer. Später wurde aus dem Worte Mieze das Wort Münze und das Ganze verlor seinen eigentlichen Sinn. Heute weiß niemand mehr, was die Redensart eigentlich bedeutet.

3 Weisheiten zum Verbeugen

Pawel Pikass: Verbeugung vor Frau Machulski (2010)
Wenn du dich schon verbeugst, dann tu es in die richtige Richtung.

Verbeugen und Verbiegen liegen eng beieinander.

Auf Verbeugen
reimt sich Günter Verheugen.

Den Stein ins Rollen bringen


Los, bring den Stein ins Rollen!, schreit Neppo, das kann doch nicht so schwer sein.
Warum denn ich, fragt Feifel, und denkt, wieso soll ich den Stein ins Rollen bringen, dann bin ich es hinterher gewesen.
Nun, mach schon!, brüllt Neppo, jetzt stell dich nicht so an.
Ich weiß nicht, zögert Feifel und Neppo setzt gleich nach: Einer muss es doch tun!
Und warum machst du es nicht?, hakt Feifel nach.
Neppo zögert einen kurzen Moment: Du bist näher dran! Und überhaupt: Ich bin überhaupt nicht dran! Ich war gestern dran.
Da war aber auch kein Stein da! Feifel ist verzweifelt.
Er will nicht, soll aber.
Muss er denn, nur weil Neppo ihn sonst für einen Feigling hält?
Und was ist, wenn ich den Stein ins Rollen gebracht habe?, fragt Feifel nach.
Dann rollt er , dann rollt er, mehr nicht, versichert Neppo.
Und was soll das Ganze? Feifel traut dem Braten nicht.
Steine müssen rollen, das ist schon immer so gewesen, erklärt Neppo, so als würde er ein ewig gültiges Axiom vorsingen.
Feifel gibt dem Stein einen leichten Stoß und der Stein beginnt zu rollen.
Irgendwas ist da unlogisch, irgendwas stimmt da nicht, nur was? Feifel blickte dem Stein hinter, der schwerfällig den Hügel hinabrollt.
Nach 10 Metern bleibt der Stein liegen und rührt sich nicht mehr.
Neppo, hast du gesehen? Ich hab’s getan! Feifel hüpft vor Freude und ist froh, dass der Stein wieder zur Ruhe gekommen ist. Was hätte passieren können!
Ich hab’s gesehen!, brüllt Neppo, du hast es getan! Du bist der Held!
Typisch Feifel, zischt Neppo. Typisch. Der Loser.
Der Stein denkt: Menschen. Völlig bekloppt.

Tonnes Tagebuch: Freitag

Liebes Tagebuch!
Und wie war's auf der Fortbildung?
Anstrengend.
Habe heute festgestellt, dass man nicht abweichen darf von erwarteten Antworten, denn die Leute wollen eigentlich gar nicht wissen, wie es war.
Es ist ihnen nur peinlich, nichts zu sagen, also zu schweigen und vor die Wand oder auf den Boden zu gucken. Irgendwas muss man ja fragen. Ja, ist jetzt wehleidig. Ja, ich bin ein Weichei. Ja, vielleicht wollte ja doch jemand mal was wissen. Hättest du selber hinfahren müssen, hätte ich am liebsten gesagt.
Gut, klasse, beeindruckend.
Das wären richtige Antworten gewesen.
Anstrengend. Da müsste man nachfragen. Ja, wieso das denn? Da müsste man sich mit dem Mitmenschen beschäftigen, warum für den eine super Veranstaltung, bei der es kostenloses Mittagessen mit zwei Nachtischspeisen, Kaffee satt und die gute dänische Keksmischung gab, wo er nur zuhören musste, nicht mal aufschreiben sollte, was der Referent referierte, weil es alles bereits auf CD geschrieben gab, wo er nur sitzen musste, viele Pause machen durfte, weil der Referent Raucher war, wo er umringt von netten Leuten war, ja, bitteschön, wo das denn anstrengend sein konnte? Andere mussten arbeiten. Ob das am Altern läge?
In der Zeit hätten Kinder in Drittweltländern an der Schwelle zum Zweitweltland achtzig Jeans genäht. Ohne sich zu beklagen.
 Da gäbe es jetzt ein Heft: Altern leicht gemacht. Fortbildung mit selbstgesteuerten Wellnessfaktoren.
Es ist zum Verzweifeln. Immer müssen wir alles gut finden, alles unanstregend finden, nur weil es kostenlos ist und andere in zur gleichen Zeit arbeiten müssen.
Mein Tipp zum Nichtbefolgen: Antworte mal auf die Frage "Na, wie geht's, alter Schwede!" mit "schlecht".
Genau. Dem Frager wird schlecht und er wird sich abwenden von dir.

Nomen est omen: Dior-Feige

Niedliches Tattoo am Oberarm
Frührentner, Ehrensoldbezieher und Ex-Präsident von Dötschland, Christian Dior-Feige darf alles behalten: Neben Ehrensold inklusive saftiger Erhöhung auch seinen Chauffeur, seinen Dienstwagen, sein Büro mit den dazugehörigen Menschen, und sogar seine Frau. Die Regierungskoalition Schwatz-Geld lehnte den Antrag einiger hier nicht zu Nennender ab, ihm alles wegzunehmen, was er nicht mehr bräuchte.
Dior-Feige bestätigte, dass der Chauffeur im Dienstwagen morgens die Brötchen holen und ihn chauffiere, wenn es einmal spät und allzu feucht geworden sei. Das Büro sei klasse wegen des Kaffees und der hübschen Damen. Eigentlich frage er sich, wozu er seine Frau noch brauche, eventuell sei sie entbehrbar, allerdings habe sie ein feines Tattoo am Oberarm, das er gern auch von Nahem bestaune.
Endlich könne er weiterhin seine Karten auf den Tisch knallen: Mein Wagen, mein Chauffeur, mein Büro, mein Kaffee, meine Brötchen, meine Damen und Herren, sehr verehrte Gäste! Ups, da hatte sich der Ex wieder einmal verplaudert und wähnte sich auf einem Staatsempfang. Aber alles kostnix!
Was er denn so den ganzen Tag mache?
Im Dienstwagen herumfahren, im Büro Kaffee trinken, mit den netten Damen plaudern, das Tattoo seiner Frau betrachten, das sei ja auf dem Cover ihres Hörbuches drauf.
Für Dötschland ist Dior-Feige ein Schlag ins Gesicht.
Die Rentner werden sich demnächst abstrampeln, um zur Tafel zu kommen oder vor dem Sensemann zu flüchten.
Mit Made verband man früher "Made in Germany"; lässt man das Made in der dötschen Version stehen, als Tier quasi, dann verbindet man es heute mit  Sozialschmarotzern der oben genannten Art.

Ach, da ist mir jetzt aber der moralische Zeigefinger durchgegangen. Ups, da klopft mir gerade die Metaphernpolizei auf die Finger!

Bildbetrachtung: Edwin Hoppel - NASA-Rakete draußen

Edward Hoppel: NASA-Rakete draußen (1974)


Die Stimmung hat etwas von einem ICE mit mehr Beinfreiheit. Das Licht diffus, die Menschen niedergeschlagen, so als warteten sie auf den Zugbegleiter ohne im Besitz einer Fahrkarte zu sein.
Eine lesende Frau mit herbem Gesicht hat sich dem Durchgang  zugewandt, als käme jetzt der zollfreie Verkauf von Parfüm und Spirituosen. Sie ist in Schwarz gekleidet, schaut ernst in ihr Sparkassenbuch, das rote Zahlen aufweist.
Gegenüber beobachtet diese eine nicht minder herbe Frau in rotem Kleid, als wolle sie in ihrem blutfarbenem Gewand eine Todgeweihte fixieren.
Wahrscheinlich aber ist der Blick auf die Nasa-Rakete im Hintergrund gerichtet, die jeden Moment abheben will, wie die Frau in Rot glaubt.
Eine Frau mit Hut sitzt teilnahmslos ein paar Reihen weiter vorne, als habe man sie dort hingesetzt und festgeschnallt, und glaubt, dass sie nach Mallorca fliegt, nur weil draußen eine Rakete steht, die es nicht geschafft hat, zum Mond zu fliegen.
Ein Mann schaut nach rechts und tut das einzig Richtige. Er interessiert sich einen Dreck um das, was seine Mitfahrerinnen tun oder nicht tun. Sein Ziel sind die Malediven. Leider weiß er nicht, dass er sich weder in einem ICE, der gar nicht übers Meer fahren kann, befindet, noch in einem Flugzeug, denn wie sonst könnte er eine NASA-Rakete sehen, die nicht einmal den Boden verlassen hat oder wenigstens umgekippt ist. Er befindet sich in einer Art Lounge, was bedeutet, dass er in einer Mehrzweckhalle wartet, die er für ein Fortbewegungsmittel hält. Die NASA-Rakete vermittelt ihm den Eindruck von Geschwindigkeit, obwohl sich nichts bewegt. Alles ist Illusion, scheint die fromme Botschaft von Hoppel zu sein, dem die NASA-Rakete am wenigsten geglückt ist. Auch die Nylonstrümpfe der Frau in Schwarz wirken wie ausgezogen, so häuten, zu fleischig, zu wenig synthetisch.
Das kann man bei Rembrandt und anderen Experten ganz anders sehen.
Schade um die schöne Leinwand untendrunter.

Fatale Irrtümer: Füße unterm Tisch

Solange Füße unter meinem Tisch sind, wird gemacht, was ich sage.

Wer sich nach dieser Alltagsregel richtet, hat vielleicht unter Spätfolgen zu leiden.
Ein Tisch hat in der Regel Beine, und ohne diese wäre er lediglich eine Tischplatte. Also müsste es richtig heißen: So lange noch Beine unter meiner Tischplatte sind, wird gemacht, was ich säge.
Das ist aber dem Sprichwortgläubigen häufig zu lang, zu kompliziert, zu umständlich auszusprechen.
Wer will sich denn wirklich die Zeit nehmen, mit einer Tischplatte zu argumentieren, nur damit einmal gemacht wird, was der Betreffende sagt? Die Verknüpfung von Beinen unter dem Tisch mit der Macht, anderen durch Ansagen den Willen aufzuzwingen, ist völlig unlogisch.
Wenn dem Tisch zwar Füße zugewiesen sind, die Beine aber fehlen, kann es sich nur um einen Futon handeln und es wird im Sitzen gegessen und Tee getrunken. Die Schuhe stehen dabei vor der Haustür. Und da geht es doch schon los.
Die Sprichwortverwirrung nimmt zu: Schuster, bleib bei deinem Rappen!, grunzt Willi und meint, dem Japaner mit dem Futon seinen Willen aufzuzwingen. Wo ein Willi isst, ist auch ein Weg. Der Japaner bleibt davon unbeeindruckt und Willi ist aufgeschmissen, wenn es nichts zu essen gibt, oder kein Besteck und nur Stäbchen.
Die Füße bekommt Willi sowieso nicht unter den Futon, womit wir wieder bei Null anfangen können:
Solange du die Füße nicht unter meinen Tisch bekommst, hast du gar nichts zu sagen. Das ist verständlich. Sogar selbstverständlich.

Selig sind, die glauben, was sie sehen

Ein Mann stand am Strand. Er wollte eigentlich aufs Meer schauen, sich vergewissern, dass der Horizont noch gerade war, und der Brandung lauschen, aber dazu kam er nicht. Heute nicht. Denn ein halbes gelbes Auto lugte aus dem Sand. Der Mann war zum ersten Mal in seinem Leben am Meer. Andere hatten ihm gesagt, dass er unbedingt mal aufs Meer schauen und der Brandung lauschen müsse. Das mit dem Horizont war ihm ein eigenes Bedürfnis. Aber weil er zum ersten Mal am Meer war, wusste er nicht, dass im Strand außer Hafer eigentlich nicht viel wächst. Und weil er das nicht wusste, fiel es ihm leicht zu glauben, was er sah. Ein Auto, das aus dem Sand emporwuchs. Das schon ein reifes, sattes Gelb hatte. Das nicht gepflückt, aber nach dem Lockern mit der Forke den Kartoffeln ähnlich bald geerntet werden konnte. Der Mann empfand tiefe Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung. Er hatte nicht geahnt, dass sein Ausflug ans Meer so belohnt werden würde. Und wenn er den Kopf ein wenig schief legte, war der Horizont tatsächlich gerade.

Parabel: Der Verkehrsteilnehmer und sein Altfahrzeug

Warum steckst du den Kopf in den Sand?, fragte der Verkehrsteilnehmer sein Altfahrzeug, das neben dessen Liegestuhl das komplette Vorderteil in den feinen Sand gesteckt hatte.
Ich suche nach Öl für meinen Motor, antwortete das Altfahrzeug, denn mein Motor verliert in meinem Alter täglich etwas von dem wichtigen Schmiermittel.
Weißt du nicht, dass das Kopf-in-den-Sand-Stecken den Sträußen vorbehalten ist?, sagte der Verkehrsteilnehmer und wunderte sich, dass ein Altfahrzeug sprechen konnte.
Dies ist ein freies Land, gab das Altfahrzeug zurück.
Aber du verfremdest hier eine Metapher, ein Wortbild.
Ich weiß, was eine Metapher ist, zischte das Altfahrzeug.
Trotzdem, ließ der Verkehrsteilnehmer nicht locker.
Wisse denn, Verkehrsteilnehmer, - und es klang dumpf, weil das Altfahrzeug die Schnauze nicht aus dem  Sand nahm, wisse denn, nicht der Sprecher ist für die Metapher da, sondern die Metapher für den Sprecher.
Und es klang wie "Nmpffdnnnndrnndmmmtffffrrrfrrrdrümpfr".
Wie du meinst, fügte sich der Verkehrsteilnehmer, und wunderte sich, dass sein Altfahrzeug denken und kluge Sprüche machen konnte, ich geh dann mal einen Kanister Öl holen. Wäre 10W- 40 ok?
Das Altfahrzeug schwieg. Es hatte seinen Blick auf die Welt erklärt.
Das sollte für heute genügen. Hauptsache der Verkehrsteilnehmer kam endlich mit dem Öl rüber, denn die Nockenwelle knirschte doch erheblich.


Was uns unsere Träume verraten können

Ich war festgeschnallt und Schmerzmittel waren mal wieder aus; die Assistentinnen des Arztes hatten mich fixiert und hantierten mit den schärfsten und spitzesten Dingen herum, die eine Praxis bieten kann, mit Skalpellen, Spritzen und anderen Werkzeugen zum Stechen, Öffnen und Wehtun. Irrwitzig hüpften die Weiber wie Hexen um mich herum und nahmen alles unter die Lupe, in das man Spitzen hineindrücken oder hineinschneiden konnte. Das ist aber in Deutschland dem Arzt vorbehalten, die Assistentinnen dürfen nur den Kopf halten oder den Schweiß von der Stirn wischen. Mir schien aber, dass sich hier kein Herr im Haus befand, sodass die Mitarbeiterinnen ein Eigenleben entwickeln wollten, unter dem ich als Kassenpatientin zu leiden hätte.  Oder war ich Patient? Im Traum fiel mir dann ein, dass ich privat versichert war und sofort kam Farbe ins Spiel, aus dem verwaschenen Schwarzweißfilm war ein echter Cinemascope-Volltonfarbfilm mit hohem Sättigungsgrad geworden, die kalte Atmosphäre wich einem überhitztem Horroszenario, wofür sofort der mindestens 2,3fache Satz berechnet wurde. Ich schrie auf, weil mir einfiel, dass ich zu Hause die Kerzen nicht ausgeblasen hatte und die Gasleitung undicht war. Von meinem Schrei wurde ich schweißgebadet wach.

Soweit der Bericht eines Träumers aus dem Traumlabor. Was aber will uns der Traum verraten?
Hat hier jemand Angst vorm Arzt? Oder vor seinen Assistentinnen? Angst vor Schwarzweißfilmen, oder vor Wärmebildkameras? Angst vor Farben mit hohem Sättigungsgrad? Vor spitzen Gegenständen? Vor Lupen oder dem Roten Kreuz? Vor dem Angebundensein? Vor dem Schmerz und seiner langsam nachlassenden Wirkung?
Wer weiß. Vielleicht erteilt der Traum heute Nacht darauf Auskunft.

Vladimir Malenich: Klotür (2012)

Vladimir Malenich: Klotür (2013)

Wer was vom Namenskollegen Vladimir Malevich kaufen will, hier drücken.

Tonnes Tagebuch: Samstag


Liebes Tagebuch!
Es gibt kaum noch Toiletten, die man kostenlos benutzen kann. Immer sitzen Personen hinter Geldtellern herum, die einem ein schlechtes Gewissen machen, wenn man nicht den erwarteten Betrag hinlegt.
Ich muss hier arbeiten und du gibst nichts?, scheint auf der Stirn geschrieben, das ist Scheiße, steht in Zeile zwei.
Die Steigerung sozial Gebeutelter, die vor Toiletten herumsitzen, ist eine dunkelhäutige Person, die mit großen Augen schaut, was nach Verrichtung des Geschäfts -wobei überhaupt nicht zwischen Größe und Qualität des Abschlusses differenziert wird- auf dem Teller liegenbleibt. Du Rassist!, schreit es förmlich aus ihnen heraus. Wir machen hier die Sklavenarbeit und du lässt den Teller leer! Ja, Massa, weiter so, Massa, erstick doch an deinem Geld, das du nicht geben willst, obwohl ich deine Geschäftsbeziehung pflege.
Jetzt aber sitze ich hinter meinem Teller und ruhe mich aus!
Man zahlt und hat seine Ruhe. Ein dunkles Danke tönt aus der Klomannkehle - die bei gleicher Qualifikation eine Frau sein kann - und man ist frei.

Aber dann die unbetreuten Klos! Herrlich! Allerdings sind die Benutzer dieser nicht immer sofort einzuordnen, weil sie sich so verhalten, als könnten sie sich verhalten, wie sie wollten. 
Neulich erst: Kommt ein Mann mit dünnem, gefärbtem Haar und einem ebenso dünnen Schnäuzer, der wie angeklebt wirkt, in die Urinalabteilung gestürmt, tritt an die Keramik und stößt ein "Oh, mein Gott" aus. Man wundert sich natürlich, was das soll, mit wem er spricht oder zu wem? Vielleicht empfindet er es als einen Akt der Gnade, hier zu stehen. Vielleicht ist er nur selbstverliebt und neigt zur Blasphemie. Blasphemie erhält hier natürlich eine skurrile Bedeutung.
Jener Mann ist dann schnell im Händewaschraum und spricht einen anderen Mann an, dieser habe aber eine wunderbare Krawatte umgebunden und ein schönes Hemd dazu. Der Angesprochene grunzt etwas, was nicht zu verstehen ist. Verständlich, denn er hat weder eine Krawatte am Hals, lediglich einen rötlichen Schal, und einen Pullover an, der auch einen merkwürdig gemischten Rotton aufweist. Beide verschwinden auf der Rolltreppe, in gehörigem Abstand; der gefärbte Mann  schüttelt sich das Haar aus der Stirn, das aber dafür zu kurz ist, vielleicht als Folge des häufigen Färbens, und murmelt jetzt seinerseits Unverständliches.
In diesen Momenten der Verwirrtheit und der Wirrnis wünscht man sich einen kräftigen Schwarzen an die Tür, der die kleine Toilettenwelt wieder ins rechte Lot rückt, der die Ordnung wieder herstellt: Rein, raus, zahlen! Und zwischendurch wird nicht gequatscht!

Am Strand des Lebens


Am Strand in der Abendsonne überkam uns immer der Wunsch, zurück ins Meer zu gehen, zurück in die Ursuppe, zurück in die große Blase voller Nährflüssigkeit, wo wir schwerelos und unbekümmert herumschwebten, sorgenfrei und voller Ursuppenvertrauen, warm und gehalten, aufgehoben und geschützt.
Damals wussten wir nicht, dass dieser Wunsch, dieser Traum eine Illusion war. Auch in der Ursuppe wimmelt es von Haien, denen ein weicher Mensch eine Art geschmacklose Bratwurst war, eine Weißwurst, wenn er bayrisch war, nicht so fischig im Nachschmecken wie die üblichen Mahlzeiten, aber willkommene und immer gesuchte Abwechslung.
Damals am Strand saßen wir mit glühenden Augen und wollte weinen vor Glück, weil wir nicht erkannt hatten, dass das ersehnte Paradies nur eine weitere Hölle ist.

Gerade, Ihr Flaschenköpfe!

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Frage an den König

Huhn: Na, heut schon regiert?
König: Halt den Schnabel.
Huhn: So spricht man nicht mit einem Huhn.
König: Schnauze kann ich ja wohl schlecht sagen, du bist ja kein Schäferhund.
Huhn: Ein Huhn hat auch Gefühle.
König: Da ist mir doch Suppe.
Huhn: Schnuppe, heißt das.
König: Ein Huhn darf den König  nicht korrigieren.
Huhn: Seit wann das denn?
König: Ab jetzt.
Huhn: Stimmt doch gar nicht.
König: Ab in die Suppe!
Huhn: Wenn der König nicht weiter weiß, dann kommt so was.
König: Henker!
Huhn: Ok, du hast recht.
König: Na also.

Ernst G. Meint: Kind und Mütze


In einem Moment der Leichtfertigkeit dachte der Vater einen Scherz zu machen, über den alle lachen konnten. Er zog seiner Tochter die Mütze nicht nur über die Augen, sondern auch über die Ohren, die Nase und den Mund.
Die Tochter war aber ganz neu auf der Welt und wusste nichts darüber, wenn einem eine Mütze über die Augen, Ohren und über den Mund gestülpt wird.
Die Tochter wusste auch nichts zu tun, denn sie kannte ihre Hände nicht als Instrumente, gegen so einen Scherz vorzugehen.
Das Kind war verwirrt.
Es konnte plötzlich nicht sehen, konnte plötzlich nur wenig hören und vor ihrem Mund war Stoff, sodass das Atmen schwieriger war.
Das Kind fühlte sich allein. Was war los? 
Das Kind hatte keine Antwort.
Es bekam für fünf Sekunden Angst, dass seine Eltern es verlassen würden.
Vielleicht war es ein böses Kind.
Aber woher sollte es wissen, was Gut und Böse waren…
Der Vater aber, nachdem er über seinen Scherz gelacht hatte, zog die Mütze wieder hoch, denn er hatte gemerkt, dass das Kind mit den Armen ruderte, so, als könnte es nicht sehen und nicht hören und schlechter atmen und als ob es Angst hätte.
Das Kind lachte, als die Mütze wieder oben war, denn es liebte den Vater und freute sich immer, wenn es ihn sah. 
In diesem Augenblick voller Freude dachte der Vater, dass das Lachen eines Kindes viel heller und reiner und schöner ist, als das Lachen eines Erwachsenen über eine heruntergezogene Mütze.