Tonnes Tagebuch: Freitag

Liebes Tagebuch!
Und wie war's auf der Fortbildung?
Anstrengend.
Habe heute festgestellt, dass man nicht abweichen darf von erwarteten Antworten, denn die Leute wollen eigentlich gar nicht wissen, wie es war.
Es ist ihnen nur peinlich, nichts zu sagen, also zu schweigen und vor die Wand oder auf den Boden zu gucken. Irgendwas muss man ja fragen. Ja, ist jetzt wehleidig. Ja, ich bin ein Weichei. Ja, vielleicht wollte ja doch jemand mal was wissen. Hättest du selber hinfahren müssen, hätte ich am liebsten gesagt.
Gut, klasse, beeindruckend.
Das wären richtige Antworten gewesen.
Anstrengend. Da müsste man nachfragen. Ja, wieso das denn? Da müsste man sich mit dem Mitmenschen beschäftigen, warum für den eine super Veranstaltung, bei der es kostenloses Mittagessen mit zwei Nachtischspeisen, Kaffee satt und die gute dänische Keksmischung gab, wo er nur zuhören musste, nicht mal aufschreiben sollte, was der Referent referierte, weil es alles bereits auf CD geschrieben gab, wo er nur sitzen musste, viele Pause machen durfte, weil der Referent Raucher war, wo er umringt von netten Leuten war, ja, bitteschön, wo das denn anstrengend sein konnte? Andere mussten arbeiten. Ob das am Altern läge?
In der Zeit hätten Kinder in Drittweltländern an der Schwelle zum Zweitweltland achtzig Jeans genäht. Ohne sich zu beklagen.
 Da gäbe es jetzt ein Heft: Altern leicht gemacht. Fortbildung mit selbstgesteuerten Wellnessfaktoren.
Es ist zum Verzweifeln. Immer müssen wir alles gut finden, alles unanstregend finden, nur weil es kostenlos ist und andere in zur gleichen Zeit arbeiten müssen.
Mein Tipp zum Nichtbefolgen: Antworte mal auf die Frage "Na, wie geht's, alter Schwede!" mit "schlecht".
Genau. Dem Frager wird schlecht und er wird sich abwenden von dir.