"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Eiskugelmeditation


Mit Andacht essen ist gut; wie wenig hilft es der Welt, wenn Currywürste und Döner mit gierigen Bissen zerkleinert und hektisch heruntergeschluckt werden, nur um das profane Hungergefühl zu betäuben, um schneller zu sein als der Nachbarm, der vielleicht die minderwertige Nahrung vom Teller stiehlt, um sie sich selbst einzuverleiben. Schnelles Essen ist Egomanie. Bloß nichts abgeben, alles alleine haben wollen! So denkt und funktioniert der Alltagsmensch, dem der eigene Bauch näher ist, als die Hüftrolle des Nachbarn. Und dann in der Menge der Schlingenden: Der Pilger! Andächtig hält er seine Nahrung vor die Stirn. Er dankt dem Universum, er dankt allen Wesen, Tieren und Pflanzen, die ihm Nahrung sind; er hält inne, hat Zeit sich zu besinnen, er respektiert das Große und Ganze, in dem der kleine Mensch versinkt, in dem er wie ein Tropfen im Ozean ist. Das Profane wird bedeutungslos; die Nahrung wird geheiligt.
Immer tiefer versenkt er sich mit jedem Tropfen des geschmolzenen Schokoladeneises, der auf den Boden oder die Goretex-Wanderhose tropft. Der Pilger weiß um die Bedeutung seines Opfers für die Schwingungen der Welt, er weiß darum, dass er dem Guten hilft, dass er einen Teil seiner Nahrung opfert, symbolisch, um den Unfrieden, den die Schnellesser und Schlinger, die armen Schlucker eben, mit jedem Hamburger, mit jedem Schnitzel, mit jeder Bockwurst stiften, zu begegnen und in Harmonie zu verwandeln.
Wenn der Pilger zurückkehrt in das Hier und Jetzt bleibt ihm ein braunes Muster der süßen Tropfen auf dem Boden oder vielleicht sogar auf der Hose. Er weiß, dass es gut ist, so gehandelt zu haben, sich in der Masse zurückzuziehen in sich selbst und Kontakt aufzunehmen mit den Wesen einer höheren Welt, um unerkannt zu helfen. Wanderer hinterlässt keine Spuren, mag ein wahrer Leitsatz der Wissenden sein. Manchmal muss aber auch eine Ausnahme gemacht werden, wenn es der Sache dient.

Samstag, 27.9.08: Inkognito reisen


Wer will nicht unbehelligt bleiben, wenn er reist? Inkognito nennt man das. Vor allem der Prominente, der zwar immer sein Maul aufreißt und die Zähne zeigt, um zu lachen, seine Fans aber eher zum Kotzen findet, sie aber billigend in Kauf nehmen muss, weil sie seinen üppigen Lebenswandel finanzieren, so dass er sich ein Bahnticket leisten kann, um einmal einen Ausflug machen zu können, will unentdeckt bleiben. Am häufigsten werden Prominente am Gesicht erkannt. Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Charlie Chaplin, der an seinem Bambusstöckchen erkannt wurde und wie Winnetou, den man über die Silberbüchse und die Tatsache, dass er wie ein Althippie aussah, identifizieren konnte, ist der Kopf das Haupterkennungsgebiet an einem Prominenten. Den Kopf zu verhüllen ist eine einfallslose und nutzlose Methode, sich vor Übergriffen durch Fans zu schützen, die nicht davor zurückscheuen, mit ihren Fingern in der kopfverdeckenden Kleidung herumzuwühlen, bis sie einen warmen Körperteil zwischen Daumen und Zeigefinger halten und laut aufschreien können: Heino Ferch!, oder Heidi Klum! Anschließend wird mit Fanpostkarten im Gesicht des Gefundenen herumgestochert, was üble Schnittwunden nach sich ziehen kann, wohl aber dem Erheischen einer Unterschrift dienen soll.
Am schlimmsten aber ergeht es Reisenden, die ihren Kopf hinter einer Windbluse verstecken, weil sie ein Nickerchen machen wollen. Wenn der hoffende Fan, nachdem er gewühlt und gestochert hat, feststellt, dass es sich gar nicht um einen Prominenten handelt, nicht einmal um einen Schausteller aus einer täglichen Seifenoper, sondern um eine belanglose Person des Alltags, kann das Erwachen böse sein. Frustabbau heißt dann die Devise, und da weiß der Fan nicht wohin. Da bleibt nur noch, ihm die Bildzeitung hinzuhalten und zu hoffen, dass ihn das täglich wechselnde Bild einer Barbusigen ablenkt.
Tipp: Wenn schon Nickerchen, dann immer mit unbedecktem Kopf. Wenn schon nicht erkannt werden wollen, dann zu Hause bleiben!

Freitag, 26.9.08: Weltstadt Berlin - Sicherheit geht vor


Der deutsche BIG APPLE Berlin krankt doch am Detail. Klar, man will dem Ausländer, der vielleicht englisch spricht, das Leben etwas einfacher machen und teilt ihm mit: Meister, nicht mit der Tür in die Hotellobby fallen, sondern den Türgriff benutzen. Im Ausland sind Türgriffe, manchmal sogar Türen, weitgehend unbekannt. Da denkt jeder sofort an die Fliegengittertüren in der Fernsehserie Lassie, die sich sogar mit dem Butterbrotsbeutel von Timmy öffnen ließen, oder an die praktischen Wigwams, die gar keine Türen besaßen, sondern nur einen Schlitz, durch die der Häuptling seinen Federkopfschmuck pressen musste. Das Ein- und Ausgehen glich einer Geburt. In Deutschland ist das anders, besonders in Berlin, dort hat sich die Türklinke seit den wilden Zwanzigern durchgesetzt, als nämlich die Mode überhand nahm, einfach hereinzuplatzen. Egal wo herein oder hinein, man platzte in den Raum, als ob es zum guten Ton gehöre. Der Türgriff schob dem im wahrsten Sinne einen Riegel vor, einen versteckten nämlich. Der ausländische Mensch läuft immer noch auf eine Tür zu und hofft, dass sie sich, vielleicht wie in der Heimatstadt New York, von selber öffnet, oder, vielleicht in seiner Heimatstadt Rejkjavik, einfach wegtaut durch die Körperwärme des Heraneilenden. Berlin ist eine Weltstadt und da denkt man an die Verletzungsgefahr, die Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund droht. Ein praktisches Schild mit dem Hinweis auf einen DOOR HANDLE verhindert das Schlimmste; übersetzt heißt das TÜRGRIFF und warnt den auch den deutschen Mann, der gern einmal durch die Wand geht und glaubt, Türen seien für ihn kein Problem. Denkste, Meister! Hauptstadtkorrespondent Peter Henne

Donnerstag, 25.9.08: v. Eijnoor - Einsam wegen schlechter Zähne


Häufigste Ursache seit Erfindung der Parodentose.

Mittwoch, 24.9.08: v.Eijnoor - Beäugt.


Iss so, ganz ehrlich.

Dienstag, 23.9.08: v. Eijnoor - Auf andere zeigen


Zeigt man eigentlich nicht.

Montag, 22.9.08: v.Eijnoor - Karneval in Rio...

...aber total schlecht sitzende Masken.

Sonntag, 21.9.08: v.Eijnoor - Blödes Huhn findet drei Körner


Drei Körner nur, zu blöd.

Hämorrhoiden oder Hämorriden?

Vor der Reform der Rechtschreibung waren Hämorrhoiden tabu. Die Leute konnten das Wort nicht schreiben, also wurde es auch nicht geschrieben. Darüberhinaus befanden sich die Objekte in einem Bereich, der nur hinter vorgehaltener Hand besprochen wurde, in einer Tabuzone, die seit der Erfindung der Unterhose unter dem Oberbegriff "unaussprechlich" zu finden war. Wenn dann doch gesprochen wurde, so sagte man Hämoritte, vielleicht assoziierte der Hörer die freundliche Margaritte und konnte dem Sprecher den Tabubruch verzeihen. Dadurch dass niemand die Krankheit bzw. die Protagonisten dieser aufschreiben konnte, erhielt das Ganze eine Art Glorienschein, eine Form der Mystifikation lief ab, es erhielt etwas "Unbeschreibliches". Dann kamen die forschen 90er-Jahre und das noch forschere 2.Jahrtausend. Erst die Rechtschreibreform: Die Hämorrhoide wurde ganz legal zur Hämorride, immerhin noch rechtschreibtechnisch schwierig, weil mit zwei r, und entledigte sich ihrer Heiligkeit, wurde quasi profan, bürgerlich, nein, trivial, und schließlich entblödete sich eine schreibende Frau nicht, darüber ein Buch zu verfassen, in Romanform auch noch, und nötigte die Bürger, dieses zu kaufen, in einer Menge, dass es auf die ersten Plätze der Bestsellerliste schnellte, und nötigte sie weiterhin, die vorgehaltenen Hände herunter zu nehmen und zu schreien, einfach weil niemand hinter dem Trend herhinken wollte, zu schreien, wenn der Beflüsterte nach dem Wo fragte: Am Arsch! Mit dieser Ausdruckweise lag der oder die Schreiende natürlich im Trend, spätestens seit der Hobbythek zum Thema Bauch, Darm und Hintern, und bewertete gleichzeitig das Gelesene, um weiteres Interesse zu wecken und den Kaufanreiz für das Pamphlet zu steigern. Alles nur wegen der Rechtschreibreform.

Leichtfertig gesagt: Du hasten Schuss

Leute, die an der Schießbude stehen, fühlen sich wohl, wenn der von Markt zu Markt ziehende Anbieter privater Showdowns sagt: Du hast einen Schuss! Immerhin haben sie Geld bezahlt und machen auch gern ein paar Schüsse mehr, weil sie Geld sparen.
Wenn dann die Schießwütigen statt auf die Plastikblumen oder Synthetikbären in den Keramikröhrchen aus Versehen auf die Angestellten schießen, weil sie keinen Jagdschein besitzen, kommt es schon mal zu unliebsamen Äußerungen wie: Du hasten Schuss, Meister, pass bloß auf! Damit haben sie an diesem Stand praktische auch einen Jagdschein erworben, der zwar nicht zum Erwerb einer Waffe berechtigt, wohl aber eine Art Freischein ist, die das unstrukturierte Herumschießen in der Gegend verstehbar macht. Ein Makel bleibt trotzdem, denn niemand bekommt dieses Dokument wirklich ausgehändigt. Menschen mit solchen Attributen müssen jeden Tag aufs Neue beweisen, dass sie berechtigte Träger des Qualitätsmerkmals sind. Nicht einfach und manchmal nervend. Da geht auch schon mal ein Schuss nach hinten los.

Gastbeitrag: Leser und Leserinnen stellen sich vor – heute: April aus Norwegen


Ich lese gern in Bodos Welt – natürlich nur dann, wenn ich in meiner kleinen Hütte in der Nähe des Polarkreises Strom habe. Wenn nicht, muss ich selbst schreiben. Ich glaube ja immer noch, dass Bodo in Wirklichkeit eine Frau ist. Viele seiner Ansichten sind sehr weiblich, und wenn man so wie ich inmitten der Natur ganz allein ist, entwickelt man ein Gespür für so etwas. Am besten gefallen mir die Gespräche der Aliens. Bodo, ich finde, du solltest wieder mehr Science Fiction schreiben. Olli Dallilahmer kann ich nicht so gut ertragen. Er erinnert mich zu sehr an den Aussteiger in der Hütte unten am See, der leider gerade deutsch lernt, um mit mir seine Ansichten zu teilen bzw. damit ich seine Ansichten teilen kann. Und es nervt mich, dass Bodo so pingelig ist, was den Fleischverzehr betrifft. Ich würde hier im Winter gar nichts zu essen haben, wenn ich nicht meine Fallen im Wald hätte und mir ab und zu etwas braten könnte. Manchmal wünsche ich mir hier Menschen, die mir z.B. einfach nur etwas von ihrem letzten Urlaub erzählen, ob es auf dem Campingplatz laut war oder ob es zu viele Hunde gab. Tja, und weil das hier nicht geht, lese ich in Bodos Welt.

Menschen im Freiland

Ein neuer Wellnessbereich hat sich heimlich entwickelt und will Trendsetter in 2009 werden. Freiland-Sport ist den Salatköpfen nachempfunden, die nicht in der brütend-feuchten Hitze von Glashäusern in ihrer Nährtunke dümpeln, sondern die sich der Sonne und des Sauerstoffs erfreuen und dem Gaumen des Gourmets eine Freude bereiten wollen. Wenngleich der Vertilger von Freilandeiern darüber klagt, die Eigelbe würden zu sehr nach Regenwurm und nicht mehr nach Fischmehl schmecken, so glaubt der sportive Mensch, der Entspannung und körperliche Betätigung sucht, dass ein längerer und regelmäßiger Aufenthalt im Freien den Geschmack nicht trüben kann. Vielmehr könnten geschmacklose Menschen endlich etwas kerniger im Biss, etwas herzhafter im Abgang auftreten, was das Selbstbewusstsein erweitern und das Selbstwertgefühl steigern würde. Zurzeit werden verschiedene Sportarten angeboten, die den genannten Effekt erzielen sollen: Herumzeigen in der Gegend, Stabtragen auf Rasen, Händervormbauchverschränken und Beifallnicken vor dem Metallzaun. Alle Sportarten erfordern lediglich normale Freizeitkleidung, und das macht das Ganze so preiswert. Teuer kann sich die Anschaffung eines Metallgitters erweisen, vielleicht kann das Herumlungern in Buswartehäuschen da eine Alternative sein. Auf jeden Fall eine begrüßenswerte Idee, die auch bewegungsgehemmten Menschen das Gefühl vermitteln kann, etwas Sinnvolles für ihren Körper getan zu haben.

Farben im Wandel der Zeit

Die Zeiten ändern sich und mit ihnen Modefarben. Waren in der Steinzeit besonders erdige Töne beliebt, wie etwa Bärenfellbraun, Karnickelgraubraun und Umbra, so liebte man im Mittelalter besonders Polierteseisensilber und Rüstungsrostbraun. Im 21.Jahrhundert ändert sich der Geschmack fast halbjährlich, die Modebranche diktiert, was gefallen muss, weil sonst ein Kaufverbot droht. Der verstörte Kunde glaubt treuherzig die Drohung und kauft alles Mögliche in den hässlichsten Farben, weil er Angst hat, die Industrie und der Einzelhandel würden ihm demnächst den Zugang zu ihren Waren verbieten. Weit gefehlt! Natürlich muss der Kunde kaufen, damit die Industrie weiterhin hässliche Farben und noch hässlichere Mode produzieren kann. Und mal ehrlich - mit Aussperrung droht der Kapitalist doch erst, wenn der Lohnabhängige streikt. Im Einzelhandel heißt der Kaufstreik allerdings Boykott, und da das kaum jemand schreiben kann, verzichtet man auf dieses Kampfmittel und kauft weiter, mit schlechtem Gewissen zwar, aber auch mit dem Gefühl der Hilflosigkeit.
Die Lebensmittelindustrie hat sich umorientiert: Sie produziert nicht am Käufer vorbei gemäß dem Motto "Der Hunger treibt's schon rein", sondern bereitet ihre Speisen mit den natürlichsten Lebensmittelfarben zu, so dass ein kurzer Seitenblick auf die dargebotenen Köstlichkeiten das Wasser im Munde versammelt. Sahnehaltige Süßspeisen wie Torte und Biskuitrollen werden in dezentem Braun gehalten, damit der hohe Kaloriengehalt nicht auf das Gemüt schlägt, dazu weiße Tischdecken und das passende Porzellan, quasi als Sahneersatz, den man nicht verzehren kann, was wiederum das Gewissen beruhigt (Von dem Weißen habe ich überhaupt nichts gegessen!). Umrahmt wird die Tafel von einer Garnitur rot-grüner PET-Flaschen mit Limonade, die durch die Farbkombination ROT-GRÜN dem Trinker mitteilt, er handele nach sozialdemokratischer Ausrichtung in Verbindung mit einem Umweltbewusstsein, das sich die Grünen an die Brust geheftet haben. Vielleicht genügt diese Farbzusammenstellung nicht der Ästhetik eines Kunstmalers, wohl aber macht sie den Kampf mit dem Körpergewicht erträglicher und hält die Hoffnung aufrecht, diesen Kampf eines Tages zu gewinnen.

Tod eines Kritikers


Martin Walser hat eine Art Krimi geschrieben, er hat seinen Hass auf Leute kompensiert, die seine Bücher verrissen haben, die ihn einen echten Langeweiler genannt haben, und ihm ist hier ein Husarenstückchen gelungen: Genau so ein Buch, wie es die Kritiker immer wieder bekrittelt haben, ist ihm gelungen. Es ist kein Krimi, sondern eine Art Enthüllungsgeschichte. Der Literaturbetrieb wird kritisch betrachtet und beschrieben, wir erfahren endlich, was hinter den Kulissen passiert und warum die größten Langeweiler echte Bestseller schreiben können. Unter diversen Pseudonymen werden die unterschiedlichsten Charaktere vorgeführt, wir vermuten diesen und jenen, aber beweisen können wir nichts, alles ist Fiktion. Vielleicht wollte sich Walser an Elke Heidenreich rächen, die das Buch "Die Wand" so hochgelobt hat, dass es massenhaft verkauft wurde. Jeder, der es sah, las es, nur um rauszufinden, ob es wirklich so stinklangweilig ist, wie man munkelte, und jeder konnte erleben, wie der Betrieb funktioniert: Da muss nur eine Vielleserin ein paar kryptische Kommentare abliefern und schon steigt ein Stern auf am Nachthimmel der Schreiberlinge. Literaturpapst Reich-Anwitzki bekommt sein Fett ab und irgendwie hat der Leser am Ende das Gefühl, dass überhaupt keiner tot ist und dass auch gar keine Spannung in dem Buch war, wie sich das für einen Krimi eigentlich gehört. Das Buch hat eher etwas Meditatives. Nach einer halben Seite senken sich die Lider und der Kopf sackt zur Seite. Der Leser ist eingeschlafen und träumt vom langweiligsten Tatort aller Zeiten. Noch mal: Tot ist keiner, was ja auch schön ist, spannend ist auch nichts, was immerhin langweilig ist, und da freut es den Verbraucher, wenn er das Buch als Remittendenexemplar für € 2,95 gekauft hat; das sind immerhin satte 6 €, die dem Sparbuch oder einem gemeinnützigen Zweck zufließen können.

Zugvogel, wohin?

Es wird Herbst. Die Zugvögel sammeln sich, du stehst unter der Hochspannungsleitung und schreist hoch: Wohin, wohin wollt ihr? Keine Antwort. Wildes Geschnatter und Gepiepe, keiner versteht einen Ton, niemand weiß wahrscheinlich, wohin die Reise gehen soll, einige treten sie zum ersten Mal an.
Dann triffst du auf einen Zugvogel, der einsam auf dem Andreaskreuz vor dem unbeschrankten Bahnübergang sitzt, verlassen von den Kollegen, die in der Ferne schnattern. Du fragst ein weiteres Mal: Zugvogel, wohin? Du betrachtest den kleinen Kerl, wie er zittrig auf dünnen, wackligen Beinen auf dem weiß-roten Blech kauert, eingehüllt in ein schlecht sitzendes Federkleid, das vielleicht vorher seinem älteren Bruder gehört hat. Zugvogel, wohin? Flüsterst du, um den kleinen Flieger nicht zu erschrecken. Auf den nächsten Zug, fiept es zaghaft zurück. Verdammt, denkst du, Vögel haben oft Probleme mit der Sprache! Zugvogel, ZUGvogel, was für ein Quatsch, der hat das total misstverstanden, das musst du klären, bevor die Kollegen auf der Hochspannung abrauschen! Du, Zugvogel, du hast da was falsch verstanden....Bevor du den Irrtum aufklären kannst, piept es: Ich komme sowieso aus Afrika und spreche kein Deutsch. Du nickst, weil du nicht verstehst. In diesem Moment kommt auch schon die E-Lok der Weserstadt-Kreisbahnen, der Vogel stemmt sich vom Andreasblech und fliegt kurzerhand hastenichgesehen auf den vorderen Tender, und weg ist er. Du denkst, dass Vögel auch nicht mehr so sind wie früher. Wobei .... wie waren die früher eigentlich?

Kleine Menschen

Mittlerweile neigen immer mehr kleine Menschen dazu, sich über große Menschen lustig zu machen. Oft reicht ein schlecht sitzender Hut und eine Körperlänge von 1Meter neunzig gegenüber einsfünzig und schon wird gelästert: Guck mal da! Über einsfünzig groß, aber einen schlechtsitzenden Hut tragen. Wie lustig! Selbst wenn keiner der Zwerge in der Nähe lacht, so ist das für den Riesen doch demütigend. Am liebsten würde er dem Wicht eins mit dem schlecht sitzenden Hut über die Rübe ziehen, dass dem Burschen Hören und Sehen vergeht, aber das Grundgesetz verbietet dies: Niemand darf, weil er zu klein ist, um über die Tischkante zu gucken, diskriminiert werden. Das lange Menschen mit schlecht sitzenden Hüten ebenfalls nicht diskriminiert werden dürfen, steht dort allerdings nicht. Da die Kleinen immer mehr werden, stellt sich die Frage: Ist eine Minderheit, wenn sie zahlenmäßig mehr ist als die Mehrheit, überhaupt noch eine Minderheit? Und wenn nein, kann man die dann nicht endlich mal so diskriminieren, dass sie ihr loses Mundwerk halten? Ja, da schweigt das Grundgesetz im Moment lieber.

Da lacht der Bäcker: Teilchenbeschleuniger

Haha, hört man aus deutschen Backstuben. Teilchenbeschleuniger, murmelt Oma, wat soll dattan? Muss denn alles hektischer werden? Was der schlecht Informierte für eine bombastische Anlage zur Akkzeleration von Kuchstücken hält, ist in Wirklichkeit der Versuch aus schwarzen Löchern, die beim Beschleunigen entstehen könnten, die Herkunft des Menschen herauszulesen. Wer hat uns gemacht? Wo kommen wir her? Da schmunzelt der liebe Gott, denn er weiß das schon lange, sagt aber nichts. Viel interessanter wäre aber die Antwort auf die Frage: Wo werden wir enden, wenn wir so weiter machen wie bisher? Naja, die Wissenschaft hat ja immer mal ein paar Fragen von vorgestern auf Lager, deren Antworten nicht so wichtig sind; aber wenn sie dann mal da sind, sollten sie auch geglaubt werden. Auf jeden Fall könnte der liebe Gott endlich mal sagen, was er weiß. Das wäre nämlich die einfachste und billigste Lösung...

Vincent van Eijnoor: Küssen

Eijnoor hebt hier auf die alte Rassendiskriminierung ab: Dunkelhäutige küsst man nicht so gern, wie man sieht. Der weiße Mensch schaut, weil dem Bildungsbürgertum entstammend, indigniert. Welche Gefühlslage er damit wirklich verbindet, bleibt verborgen. Fatal nur: Negerküsse werden nach wie vor massenweise einverleibt. Diese paradoxe Situation in Wohlgefallen aufzulösen, bleibt mal wieder dem Ernährungsminister vorbehalten, der sich derweil mit der Süßwarenindustrie herumschlagen muss, wiel sie gegen die Wörter "Schokohubbel" und "Eineweltküsse" opponiert.
Malerei kann gesellschaftskritisch sein. Muss aber nicht.

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Durcharbeiten (Meditation)

(Foto: Sonntags um drei. Mal wieder nichts passiert. Selbst die Wachhäuschen stehen leer.)
Sonntags um drei in deutschen Wohnstuben: Depression. Morgen ist Montag, das Wochenende neigt sich dem Ende(!) zu, ein flaues Gefühl macht sich im Magen breit. Shit, denkt mancher Beamte, morgen geht der Zirkus wieder los, Shit, denkt der Fließbandarbeiter, morgen wieder ins Hamsterrad. Schnell wird noch ein Bier gekippt, um den Niedergang der Stimmung zu kompensieren. Was passiert da? Schlechtes Gewissen stellt sich ein, weil am Wochenende außer Fernsehen nichts passiert ist, weil die Erholung nicht geglückt ist, weil alles so ist wie immer, nur dass die Arbeit fehlte.

Da sind wir auch schon an der Wurzel des Unheils angelangt. Fünf Tage haben wir durchgearbeitet, plötzlich, zwar erwartet, aber doch plötzlich, als ob ein japanisches Gemüsemesser eine Gurke zerteilt, ist die Trennlinie da: Hier die Arbeit, da das Wochenende ohne Perspektive. Anfangs euphorische Gemütsbewegung, ah, jetzt ist das Wochenende am längsten, jetzt haben wir noch alles vor uns, aber.....eine dunkle Stimmung kriecht vom Bodenbelag an den Baumwollstrümpfen über die Kniescheibe durch die Unterhose zum Solar Plexus, dahin, wo unsere Mitte sein sollte, unser Ruhepol. Die Uhr tickt, mit jedem Zeitzählgeräusch schrumpft die Freizeit und damit die Chance, sich zu erholen, zu regenerieren, aufzutanken, Lebensmut zu schöpfen für die nächste Arbeitswoche. Die Depression ist da: Freizeitschmelze, Leere und fehlende Ideen, etwas mit der Zeit anzufangen, außer darüber nachzudenken, dass sie abläuft, sind ihre Zutaten.
Die Lösung ist einfach: Wie eine ständig wiederkehrende Bewegung einen Menschen in Trance versetzen kann, in der er sich vom Alltag entfernen und Kontakt mit seinem höheren Selbst aufnehmen kann, so geht das auch in der täglichen Arbeit. Das Stampfen der Maschinen kann Mantra sein, der Korrekturstift wird zur Gebetsmühle, wenn er in ewigem Gleichmut und immerwiederkehrenden Bewegungen über den fehlerhaften Text gleitet, das Glockenhelle der Kinderstimmen in der 6a ist die Klangschale des Alltags, die fein in uns resonieren kann. Das Übliche, das Gewöhnliche, das Normale einmal anders sehen, hören, fühlen, spüren; aus jedem Wort, das an uns gerichtet wird, ein Mantra machen, und uns dann tief versenken, in unserem innersten Brunnen Ruhe schöpfen, sie in uns vergießen, strömen lassen und weiter machen, unaufhörlich, ohne Pause, immer und immer weiter, bis die Ruhe uns überwältigt hat, bis die Ruhe die Herrschaft übernommen hat, bis wir selbst Ruhe sind. Wir sind Ruhe. Ich bin Ruhe. Vollkommene Ruhe. Dann wird es Zeit für einen kleinen Urlaub. Aber bis dahin heißt es: Durcharbeiten.

Wenn am Montag die Motoren wieder knattern, steht uns der Frust vor der Unterlippe und will sich rauskotzen. Das Wochenende war mal wieder voll daneben, ohne Effekt, ohne Erfolg

Schulexpertin Barbara "Barbie" Turat: Chancengleichheit

"Als ob die soziale Herkunft etwas mit Chancengleichheit zu tun hätte! Jeder hat die Chance. Jeder hat die Chance Abitur zu machen. Dann sind die Leute 19! 19 Jahre, da haben andere früher schon eine Familie ernährt. Auf eigenen Füßen haben die Menschen gelebt, nicht auf Kosten der Eltern. Hotel Mama, genau, abstillen, wenn das Kind dreißig ist. Mit 19 muss man wissen, was man will, da muss man seine Chance nutzen, da sind alle Unterschiede herausgewachsen aus den Kindern, die jetzt Erwachsene heißen. Wer das nicht kapiert, sollte auch kein Abitur machen. Chance nutzen heißt auch, dass man sich einen passenden Beruf sucht. Es muss nicht jeder studieren. Wir brauchen in unserem Staat auch gute Handwerker und auch Menschen, die Arbeiten machen, die wir früher den Ausländern überlassen haben. Da muss die oft verschrieene Hauptschule wieder ihren Beitrag leisten. Was sollen Hauptschulen, wenn alle Abitur machen wollen? So geht das nicht. Es gibt Begabungstypen, da kann man jetzt herumdeuteln, mal ehrlich, es gibt Schüler, die kann man durch 100 Fördermaßnahmen drehen, die bleiben, wie sie sind. Die müssten dann im Studium auch noch Fördermaßnahmen in Anspruch nehmen, und das geht nicht. Da soll selbständig gearbeitet werden. Noch mal von vorn: Es gibt die Chancengleichheit. Man muss sie nur ergreifen. Wie gesagt: Abitur - Muss man nicht unbedingt haben. Man kann auch anders glücklich werden. Sogar im Landtag hat nicht jeder Abitur. Jedenfalls hört es sich manchmal so an."

Irreführung durch die Presse

Auf den ersten Blick denkt der Leser: Aha, die EU...na was, solche Leute haben die jetzt im Parlament? Vielleicht sogar als Kommissare? Und dann erhöhen die auch noch den Druck auf Russland. Halt! Das ist vielleicht Russland, was ich da sehe, oder ein paar Vertreter aus Novosibirsk. Ach, nein, Russen sehen irgendwie anders aus. Mit Kopftuch und Kittelschürze, oder wenigstens einem Haufen Goldschmuck, da, wo Platz ist am Körper. Der Mann, falls es einer ist, trägt gar keine Pelzmütze Modell Breschnjew, der schaut vielmehr aus dem Kopf wie ein Kaninchen angesichts seines Schlächters, so als dächte es: Ob es weh tun wird? Quintessenz: Da sind weder EU noch Russland zu sehen noch scheint jemand unter Druck zu stehen.
Der Blick schweift weiter und findet die nächste Überschrift: Der Trend geht zum kurzen Pony. Interessant. Das Foto zeigt fünf Menschen, die den Trend zum kurzen Pony darstellen sollen. Zwei Blondinen haben etwas Fummeliges vor der Stirn, das nicht wie ein Pony aussieht; der männlich wirkenden Person hat man die Haare nach oben gestylt, für eine Frisur in Form einer Pelzmütze hat es wohl nicht gereicht, für einen Pony hat man die falsche Kämmrichtung gewählt. Zwei Damen tragen einen Pony, der ihnen gerade noch erlaubt, einen Blick ins Handtäschchen zu werfen, um nach dem Lippenstift zu wühlen. Das sind dann wohl kurze Ponys. Die langen sollen früher, als die noch im Trend waren, bis zum Kinn und noch tiefer gereicht haben. Man hat sie dann in der Mitte zerteilt und die Frisurhälften hinter die Ohren geschoben, was zur Erfindung des Mittelscheitels führte. Oder gehört der Text vielleicht zu einem anderen Bild, einem Pferdesportbild, auf dem neue Zuchterfolge präsentiert werden. Kurze Ponys, halb so lang wie die alten. Der dazugehörige Text erscheint vielleicht morgen. Oder ist gestern schon erschienen. Wir wissen alle: Zeitunglesen ist eine spannende Sache, und wenn man Glück hat, erfährt man sogar etwas Neues.

Witze über Hunde und China: Erniedrigend

Diskriminierender Witz gegen China: Das Essen im olympischen Dorf war so frisch, dass es manchmal noch bellte. Hahah! gröhlt der Vegetarier, den das nicht berührt. Schluchz!, hört man von der Hundebesitzerin, die an ihren treuen Begleiter denkt, der sie nicht wie Gustav wegen einer 10 Jahre jüngeren Schlampe verlassen hat. Warum aber lachen wir über solch einen Witz? Aus Verlegenheit, um den Erzähler nicht zu brüskieren, oder um nicht den Eindruck zu erwecken, wir hätten den Witz nicht verstanden? Auch Hunde werden in diesem Witz diskriminiert. Man bescheinigt ihnen, dass sie eigentlich nutzlos sind, wohl aber in China in einem sorgfältig zusammengestellten Menu ihren Platz haben können. Hundeschaschlik steht auch auf dem Speiseplan in Kasachstan, wie der ausgesiedelte Viktor zu berichten weiß. Man müsse ja nicht den Hund des Nachbarn nehmen, wenn sich bellende Alternativen böten, aber lecker sei es allemal. Wir lachen gedankenlos über Witze und uns fällt nicht ein, welche Schicksale dahinter stecken. Der Chinese, der jetzt wieder zensiert und drangsaliert wird und die olympischen Reste beseitigen muss, um zu seinem kargen Alltag zurückzukehren; der Kasache, der in Deutschland noch vorsichtiger bei der Wahl seiner Nahrung vorgehen muss, will er nicht aufgebrachte Tierschützer am Hals haben; der Hund selber, der natürlich lieber der älteren Dame zu Diensten ist und zaghaft herumbellt, als auf dem Pappteller eines Menschen aus dem Osten zu liegen.

Durch die Wand gehen

Im Mittelalter war alles viel schwieriger. Man hatte zwar seit dreitausend Jahren die Wände erfunden, nicht aber dazugehörige Türen, mittels derer man durch eine Wand gehen konnte. Kopfverletzungen stammten von dem Versuch, über eine Mauer zu springen; den Erstickungstod erlitten Verzweifelte, die versucht hatten, sich unter einer Mauer hindurchzugraben und deren Baugrube schließlich einstürzte. Ein einfaches Durchrennen des Bauwerkes zog zahlreiche Knochebrüche nach sich, Splitterfrakturen waren keine Seltenheit. Daraufhin wurde die Eisenrüstung erfunden, die den Stürmenden schützen sollte. Leider ertranken viele, nachdem sie mit Schwung die Mauer durchwandert hatten, im Burggraben, der seit dem letzten Unwetter mal wieder randvoll war. Eisen schwimmt bekanntlich nicht oben, vor allen nicht, wenn es mit einem Ritter gefüllt ist. Da so viele im Graben ertrunken waren, erfand man schließlich das Fenster, durch das man gucken konnte, ob der Burggraben voll war und ob es empfehlenswert war, durch die Wand zu gehen. Die Chinesen, die schon lange in Besitz einer riesigen Mauer waren, erfanden schließlich erst das Schwarzpulver, dann die Ess-Stäbchen und zu guter Letzt die Tür. Ein Aufatmen ging durch ganz Europa und bis 1848 war die Rüstung fast vollständig verschwunden. Lediglich aus Erinnerungsgründen und weil sie so schön glänzen kann, wird sie noch heute von Liebhabern getragen. Zweckmäßig ist sie schon lange nicht mehr. Die Tür aber ist geblieben und erfreut die Menschheit, die gar nicht mehr weiß, wie das Leben ohne Tür mal gewesen ist.

Praktisch: Haustiere in der Dose

Das ist doch immer lästig: Wohin mit Fifi, wenn der Urlaub kommt? Einfach aussetzen klappt häufig nicht, denn das lebensortgewohnte Tier kehrt dickfellig zurück, vielleicht sogar voll mit Zecken und Flöhen. Jetzt bietet der Tierhandel die Alternative an: Das Haustier in der Dose. Bisher werden in erster Linie Fische auf den Markt gebracht, häufig in unterschiedlichen Saucen, die nicht nur das Auge verwöhnen, sondern im Notfall auch den Gaumen. Hering in Tomaten- oder Meerettichsauce sind bisher die Verkaufsschlager, wer es etwa größer möchte, kann auf Thunfisch in Erbsentunke ausweichen. Schildkröten sind in ebenfalls im Supermarkt zu erwerben; wer es exotischer will kann sich im KaDeWe in Berlin oder dem versierten Fachhandel mit Krokodilschwanzspitzen in Kapernsauce profilieren. Das Dosentier bietet immense Vorteile: Man kann es immer mit sich herumtragen; wenn Kuschelbedarf besteht, sind die Dosen elegante Wangenschmeichler. Dosentiere bellen nicht, geben keine unangenehmen Gerüche von sich und können in jedem Urlaub in der Handtasche mitreisen. Der Tierarztbesuch erübrigt sich, denn Dosen stärken scheinbar das Immunsystem. Selbst der Tierschutzverband hebt lediglich auf die Frage hin ab, ob das Tier vor der Eindosung artgerecht gehalten wurde, was dann aber zulasten des Produzenten und nicht des Tierhalters geht. Wer Tiere mag und Wert auf eine problemlose Haltung legt, dem sei die Anschaffung einiger Dosen ans Herz gelegt.