Zugvogel, wohin?

Es wird Herbst. Die Zugvögel sammeln sich, du stehst unter der Hochspannungsleitung und schreist hoch: Wohin, wohin wollt ihr? Keine Antwort. Wildes Geschnatter und Gepiepe, keiner versteht einen Ton, niemand weiß wahrscheinlich, wohin die Reise gehen soll, einige treten sie zum ersten Mal an.
Dann triffst du auf einen Zugvogel, der einsam auf dem Andreaskreuz vor dem unbeschrankten Bahnübergang sitzt, verlassen von den Kollegen, die in der Ferne schnattern. Du fragst ein weiteres Mal: Zugvogel, wohin? Du betrachtest den kleinen Kerl, wie er zittrig auf dünnen, wackligen Beinen auf dem weiß-roten Blech kauert, eingehüllt in ein schlecht sitzendes Federkleid, das vielleicht vorher seinem älteren Bruder gehört hat. Zugvogel, wohin? Flüsterst du, um den kleinen Flieger nicht zu erschrecken. Auf den nächsten Zug, fiept es zaghaft zurück. Verdammt, denkst du, Vögel haben oft Probleme mit der Sprache! Zugvogel, ZUGvogel, was für ein Quatsch, der hat das total misstverstanden, das musst du klären, bevor die Kollegen auf der Hochspannung abrauschen! Du, Zugvogel, du hast da was falsch verstanden....Bevor du den Irrtum aufklären kannst, piept es: Ich komme sowieso aus Afrika und spreche kein Deutsch. Du nickst, weil du nicht verstehst. In diesem Moment kommt auch schon die E-Lok der Weserstadt-Kreisbahnen, der Vogel stemmt sich vom Andreasblech und fliegt kurzerhand hastenichgesehen auf den vorderen Tender, und weg ist er. Du denkst, dass Vögel auch nicht mehr so sind wie früher. Wobei .... wie waren die früher eigentlich?