Neue Trends: Abdeckfolien für Tattoos

Endlich sind sie da: Für Leute, die ihre Tattoos nicht in der Öffentlichkeit zeigen wollen, damit man sie nicht in die Kategorie "Nachmittags-Talkshow" einstuft, für Leute, die ihre Tattoos endlich selber hässlich finden, für Menschen, deren Figur nicht mehr zum Körperbild passt, und für solche, die Tattoos insgesamt übel finden, aber zwölf davon auf ihrer Haut verteilt haben und unsichtbar machen wollen. Ein Klassiker ist das sogenannte Arschgeweih, das bei der Herstellung durch den Stichelzeichner die Form eines schlanken Hirschgeweihes hat, später mit zunehmender Körperveränderung, eher den Schaufeln eines kapitalen Elches entspricht.
Manchmal sogar erschlaffen die Schaufeln und hängen als lose Lappen über der Hose. Das wollen weder Betrachter noch Besitzerin der Hose. Die Industrie hat jetzt diverse Abdeckfolien aus Baumwolle und Synthetik auf den Markt gebracht, die vorgaukeln sollen, es handele sich um eine Art nützliches Kleidungsstück; in Wirklichkeit sollen aber nur unschöne Bildchen kaschiert und ein unversehrter Körper vorgetäuscht werden. Es ist eben mittlerweile wie mit privaten Fotoalben; die öffnet man auch nicht jeden Tag der Öffentlichkeit zur Einsichtnahme, sondern setzt sich an besonderen Tagen ins Sofa und blättert zu einer guten Tasse Kaffee oder einem Glas Wein in der Vergangenheit.

So doof können Mützen machen

Früher gab es Jockey-Mützen, die aus Stoff bestanden, einem Schirm und einem Kunststoffemblem, das einen Reiter mit Pferd darstellen sollte, und nicht aus den heutigen Hartschalen. Das war zu Zeiten, als Pferde noch langsam galoppierten und die Reiter nach einem Sturz nicht im Koma verharrten. Seitdem die Zeiten schneller geworden sind, seitdem alles globalisiert wird, die Pferde rennen, was das Zaumzeug hält, kann sich niemand mehr erlauben, ohne Schutzhelm seinem Sport nachzugehen. Der Radfahrer tut es, der Inline-Skater und der Skifahrer; bald wird es auch der Walker tun, der Mensch auf dem Heimtrainer und der Schachspieler ist bald in puncto Hartschale im Zugzwang, um die internationalen, nein, weltweiten Trends nicht zu verpassen. Der Stoffmütze mit Schirm bleibt nur noch eine Nische. Nicht einmal als Sonnenschutz dient sie den Augen, denn meistens findet man sie bei Personen, die ihren Kopf falsch herum auf dem Hals haben, deren Vorsicht eher Nachsicht ist, deren Vorausschauen ein Hinterhergucken werden muss, und die die Kappe tragen, um von dieser Indisponiertheit abzulenken. In Kombination mit weiten, zu tief hängenden Hosen macht die Mütze einen doofen Eindruck auf den Betrachter. Aber haben die nicht auch geschrien, als der Minirock auf die Straße kam, und haben sie nicht noch lauter geschrien, als er durch den Maxirock wieder abgelöst wurde, nachdem aus Moralisten Voyeure geworden waren, denen man quasi die Augen ausgestochen hatte, bzw. die Bildröhre gestohlen hatte? Wenn der Vergleich auch hinkt, bleibt die Frage: Wer guckt sich den wirklich gerne Mützen an, die auf verdrehten Köpfen sitzen?

Missverständnisse im Alltag



Ey komm, lass uns Mohn klatschen, sagt die Glatze zur anderen. Wie, klatschen?, fragt die zweite Glatze. Na, zack und drauf, dass es eben klatscht, erläutert die erste. Und was ist Mohn?, die zweite. Mohn, sind Mohn eben, kommt von Mohnköpfe, sagt die erste leicht genervt. Haben die denn auch Glatzen, damit es klatscht?, die zweite. Weiß ich nicht, kommst du jetzt mit oder nicht? Der erste Kahlkopf stampft mit seinem Springerstiefel auf den Boden.

Beide ab.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, seinen Wortschatz auf mindestens 150 Wörter zu erweitern und die paar Wörter auch richtig auszusprechen.

Andy (Das Gegengift) Doth: Serielle Kunst

Da haben wir es doch wieder mal: Wenn die Ideen ausgehen, dann reduziert man sich auf ein paar Teile, die irgendwo herumliegen oder -stehen. Wenn die dann noch gleich aussehen und irgendwie im rechten Winkel oder parallel sind, dann nennt man das seriell. Sogar die Fotografie bedient sich dieser Augenwischerei. Vier Gitterstäbe reichen schon, um ein Bild zu veröffentlichen. Das ist Hohn. Erfunden haben dieses spärliche Herumkünstlern die Musiker. Als ihnen Anfang des 20.Jahrhunderts die Töne ausgingen, haben sie einfach 2 bis 3 herausgegriffen, daraus minimalistische Melodien gebildet, das vorwärts, rückwärts, umgekehrt geklimpert, runtergewürgt und ausgwürgt , wiedergekäut, miteinander kombiniert und gehofft, sie hätten endlich eine neue Musik, die noch nicht dagewesen wäre. Der Zwölftöner setzte noch eins drauf und benutzte gleich alle 12 Töne, sodass möglischt schiefe Tonfolgen entstanden, die dem mitteleuropäischen Ohr Qualen bereiten sollten. Konstruktivismus. Wo bleibt die Emotion? Vergammelt in lauten und leisen Passagen, der einzigen Gestaltungsmöglichkeit in einem Tonmalkasten, in dem nur drei Farben sind; der Rest klingt schrill. Einfallslosigkeit mag ja Kunst erzeugen, das sieht man an der Volkstümlichen Hitparade, aber ob man das so nennen darf, ist fraglich. Immerhin gibt es CDs dieses Musikgenres, auf dem jedes Stück dem anderen gleicht.
Unglaublich, was diese einfallslosen Zeiten gebären!

Tennis - Ein Sport verkommt

Wenn man das dumpfe Pocken hört, das der Filzball auf der Schlägerbespannung hinterlässt, denkt manch einer mit Wehmut daran, was aus Tennis geworden ist. Früher nannte man es den "weißen" Sport, Männer wie Frauen spielten in blütenfrischer Sportkleidung. Die Damen trugen strahlendweiße Röckchen, die Herren elegante, häufig lange, Hosen. Niemand sah den Menschen an, dass sie Sport trieben, niemand stellte sich vor, dass Schweiß in den Achselhöhlen für Flecken im Hemd und üble Gerüche sorgen würde. Der weiße Sport war Hygiene par excellence. Nichts konnte sauberer sein. Keine marodierenden Fans, die dem Unparteiischen Schläge androhen oder dessen Auto zerstören wollen. Das Bemühen um Eleganz und Rhythmus war erstes Anliegen; verpönt waren orgasmusartiges Gestöhne oder die übereifrige Judorolle, um den Ball noch zu ergattern, weil die Füßen nicht pünktlich aus dem Quark gekommen sind.
Heute kann sich jeder Lackel in Schlabberhose und entsprechendem Sweatshirt auf den roten Platz bewegen; heute kann jeder laut johlen, grunzen, ächzen oder in Tränen ausbrechen. Es kümmert niemanden mehr. Tennis ist Volkssport geworden und passt sich auch optisch der Volksvorliebe in puncto Mode an. Schön ist, was bequem ist. Plastikwäsche und übergroße Baumwollteile, die schnell ausleiern, wirft man sich eilig über den nicht immer durchtrainierten Körper und kaschiert unelegante Bereiche. Die Farbe spielt überhaupt keine Rolle mehr. Ob das T-Shirt zum Rot des Platzes oder zum Gelb des Balles passt - völlig uninteressant. Ästhetik wird ignoriert. Der gestärkte Kragen des Herrentennishemdes und der lenorgespülte, kurze Rock der Dame sind verschwunden. Dazu fehlt die Zeit und die Liebe zum Detail. Jeder drischt seine Bälle übers Netz, Hauptsache der Gegner muss laufen, um den Ball zu holen; die Eleganz einer Sportart für den betuchten Individualisten mutiert zum belanglosen "Ballüberdieleine" für Menschen, die Spaß am Schweißgeruch haben und sich gerne aus der Altkleidersammlung bedienen. Das hat diese Sportart nicht verdient.

Europäische Einheit

Wie schön, wenn Ost und West sich gut verstehen. Welche Symbolkraft haben einfache Gegenstände; in ihrer Kombination sind sie mehr als die Summe ihrer Inhalte oder lediglich ihrer Behälter. Eine Wodkaflasche, gestern Abend an einer Autowaschanlage mit den Kollegen geleert, treibt zusammen mit einer Dose, die wohl einmal ein stark zuckerhaltiges Getränk aufbewahrt hat und als Energy-Drink dem Konsumenten Kraft und Durchhaltevermögen versprochen hat. Östliche Autohygiene und westliches Durchhaltevermögen dümpeln vetraut nebeneinander im morastigen Wasser eines Nebenarmes der Weser, der Elbe oder der Oder.
Wer immer noch glaubt, dass Ost und West nicht zusammenwachsen können, weil sie nicht zusammengehören, weil sie charakterlich zu unterschiedlich seien, hier die Strebsamen, Kräftigen,Beständigen, dort die versoffenen Diebe und Faulpelze, die nicht ohne Anweisung einen Finger krumm machen, nährt nur die jahrhundertealten Vorurteile und stellt sich damit ins Aus. Das hat der Europäer, wenn es ihn denn gibt, nicht nötig. Und irgendwie sind wir doch alle ein bisschen Europäer, zumindest geographisch.

Vincent van Eijnoor: Kopfdruck

Anlehnen kann zur Qual werden für den, der die Anlehnung ertragen muss. Den Kopf auf seinen Nächsten stützen ist eine Respektlosigkeit dem Stützenden gegegnüber, dessen Bedürfnisse und Interessen werden nicht berücksichtigt, nur der Eigennutz regiert und diktiert das Verhalten. Das muss nicht sein.
Ein lautes NEIN! kann eine Grenze ziehen, nein!, ich will nicht, dass du dein Kinn auf meine Fontanelle legst. Das empfinde ich nicht nur als peinlich, sondern auch als höchst unangenehm. Die meisten Leute können nicht nein sagen. So passiert es immer wieder im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, wenn die Sitzplätze vergeben sind, dass Reisende den Mitreisenden als Ablagefläche für ihr müdes Haupt suchen; vollkommen belanglos bleibt, ob das dem Mitreisenden passt. Der hat plötzlich so einen Druck auf dem Kopf und spürt die nächste Migränewelle anrollen, schluckt vorsichtshalber ein paar Pillen. Völlig zu unrecht belastet er Leber und Nieren, ist abgedröhnt und bekommt von der schönen Reise kaum noch etwas mit. Wenn der Zugbegleiter kommt, kann er kaum seine Fahrkarte hochhalten und lallt etwas von "Die ssweite von links dassis meinefrau...."
Der Kontrolleur presst seinen Stempel auf die Karte und wendet sich dem Kopfaufstützer zu. Der stellt sich schlafend und macht auf siamesischen Zwilling, worauf der Kartenmann stirnrunzelnd weitergeht, weil er nicht genau weiß, ob die als eine oder zwei Personen durchgehen. Hätte er nachgehakt, dann wäre ihm ein Schwarzfahrer in die Lappen gegangen. So aber ist dem unentgetlichen Zugfahren und dem Vortäuschen einer Behinderung wieder einmal Vorschub geleistet worden. Darum ein klares NEIN! zum Kopfaufstützen durch wildfremde Personen.

Beschaulichkeit beim Tee: Steinenachmittag

Tee verbreitet Gemütlichkeit, und Gemütlichkeit mit genügend Zeit entwickelt sich zu Beschaulichkeit. Man will sich nicht nur an die warme Tasse schmiegen, sondern der Szene auch einen Sinn geben. Ältere Menschen treffen sich gern bei einer Tasse Orange Pekoe oder Ostfriesenbrocken, um sich über gemeinsame und unterscheidende Krankheiten auszutauschen. Themennachmittage sind immer öfter zu beobachten. Jeder bringt ein Objekt mit und es wird erzählt, es werden Erfahrungen ausgetauscht und heißdampfender Tee, vielleicht mit einem Spritzer Rum, getrunken. Nieren- und Gallensteine liegen auf den nett dekorierten Tischen, blankpoliert oder rau und unbehandelt, erzählen sie von leidvollen Krankenhausaufenthalten mit arroganten Schwestern und unbeholfenen Ärzten, laut schnarchenden Mitpatienten und aufdringlichen Krankenbesuchern, die sich in die Gespräch wildfremder Menschen einmischen und alles besser wissen. Ein Nachmittag mit dem Thema Steine geht herum wie im Fluge, am Ende steckt jeder seine Erinnerungsstücke in die Tasche und fährt zufrieden nach Hause, wohlwissend, dass er doch am meisten von allen Anwesenden gelitten hat.

Sinnvolle Mathematik: Limes gegen O

Endlich kann ich der Mathematik einen Sinn geben. Damals, es war Ende der Sechziger und wir zweifelten an allem, was die Lehrer sagten, stellte sich auch mir die Frage: Was soll der Scheiß? Wenn etwas gegen 0 geht, entfleucht der Rest im Unendlichen. Wann braucht man das? Und was ist eigentlich mit dem Tatbestand, dass man diese Null nie erreicht, sich immer nur nähert? Das ist doch frustrierend. Ein Fall für den Therapeuten; nichts, was in Mathebücher gehört. Jetzt, im gereiften Alter, kann ich dem Ganzen einen Sinn geben: Ein Gespräch ergab, dass Regenwürmer nicht in die Wechseljahre kommen. Zu dieser These gesellte sich die Erkenntnis, dass man Regenwürmer mit dem Spaten teilen kann, woraufhin sie als zwei unabhängige Individuen weiterleben können. Sie leben zwei Leben, ihre Lebenszeit hat sich verdoppelt. Nun stelle man sich vor, man führte diesen Teilungsvorgang immer wieder durch, immer und immer wieder, so dass die Länge der neu entstehenden Regenwürmer gegen Null geht. Die Gesamtlebensdauer der Würmer, wenn man dann noch von Würmer sprechen kann, da ihre Breite ja länger als ihre Länge bzw. breiter ist, geht bei diesem Vorgang gegen Unendlich. So hat die Mathematik endlich die Ewigkeit erfunden. Endlich! Haha! Unendlich eigentlich. Viel wichtiger aber ist die Antwort auf meine damals gestellte Frage: Was soll der Scheiß? Schöner Nebeneffekt: Wechseljahre und Regenwürmer haben auch eine Daseinsberechtigung in der Sinnfindung der Mathematik bekommen.

Leute von heute

Nehmen wir mal nur diesen Schnappschuss, aufgenommen auf jeder x-beliebigen Frühjahrsmesse, in einem Einkaufscenter oder im Gedränge einer Prozession für einen unbekannten Heiligen in Altötting. Die Menschen, egal in welcher Umgebung sie sich aufhalten, sind, wie sie sind: Leute von heute. Sie stecken die Nase in fremder Leute Angelegenheiten, gehen auf Tuchfühlung, wo Abstand gefordert wäre,schweigen sich an, wo man Gespräche dringend führen müsste, und zerreißen sich das Maul über ihr gemeinsames Kind, weil das zu kleine Ohren hat und deshalb nicht hören will. Vor allem: Sie schreiben oder reden über völlig belanglose Dinge, als ginge es darum, Sprechblasen oder Seiten zu füllen. Immer mehr Menschen stutzen deshalb, obwohl Zweidrittel der Bevölkerung nicht mehr weiß, was das Wort überhaupt heißt. Auf Nachfragen kamen Antworten wie: Doof gucken, Haare schneiden und Gewehr mit abgesägtem Lauf. Die Genforschung widmet sich derweil der Produktion und Aufzucht von Chimären, also monsterartigen Mischwesen aus Tier und Mensch. Welche skurrilen Formen da möglich sind, kann sich der kreative Denker wohl vorstellen. Völlig übersehen wird aber, dass es auch ohne Gentechnologie schon jede Menge Chimären gibt. Die wissen es nur nicht und fahren lieber betrunken Zug, um dem Auswärtsspiel ihrer Mannschaft beizuwohnen.

Gepflegter Garten?

Sattes Grün. Der Rasen wirkt gesund, gedüngt und strapazierbar, auch wenn ihn niemand betreten darf. Rechts der ausgemergelte Rasen, der das Auge des Betrachters beleidigt, nein, traurig stimmt. Wer will sich hier hinlegen, draufsetzen oder ein Frühstück platzieren?
Farbe teilt dem Auge mit: Hier ist alles ok.Das ist gesund, das ist reich. So wie der bleiche Mensch eher Krankheit symbolisiert, hat der Rotgesichtige den Bonus "Der sieht aber gesund aus!". Das braune Ei wird lieber gekauft als das weiße. In der Gesellschaft ist es oft anders, wenn es um Menschen geht. Da haben braune Menschen eher die schlechten Karten. Aber: Menschen werden nicht gegessen, werden nicht besetzt, niemand will auf ihnen ein Frühstück platzieren. Braune Menschen sind nur in der Gewinnerposition, wenn sie sich die Bräune im Sonnenstudio oder einem kostspieligen Mallorca-Urlaub erworben haben, nicht aber, wenn sie von Natur aus braun sind. Das ist zu billig. Was nichts kostet, ist nichts wert.

Aufschneider

Dass man in einem Kaffeeladen nicht nur Kaffee bekommt, erkennt man sehr schnell , wenn man blind ins Regal greift und statt der wilden Milden Damen-Skifunktionsunterwäsche, eine Plastikfrischhaltedose oder ein Ohrhärchenrasierapparat für den gereiften Herrn in Händen hält. Der Uninteressierte wendet sich an die möglicherweise vorhandene Verkäuferin ( in Supermärkten wird meistens auf einen Kollegen verwiesen, der anfangs unauffindbar und wahrscheinlich erscheint, wenn man selbst gegangen ist), um die braune Bohne ganz oder gemahlen zu erwerben. Der an haushaltstechnischen Neuerungen Interessierte, - meist auch gleichzeitig Leser des amüsanten Werbeblattes „Die moderne Hausfrau“- , wittert ein reiches Ereignisfeld und studiert erst einmal in aller Ruhe das Angebot, hält es der mehr oder weniger gefüllten Geldbörse entgegen, und kauft, wenn der Beutel es zulässt.

Alle paar Woche, so weiß der Sachkundige, wechselt das Angebot, und es sorgt immer wieder für Spannung, auf die Neuigkeiten neben dem Kaffeeregal zu warten. Multifunktionsscheren neben Rollstöcken für altergeschwächte Einkäufer, Toilettenbürstensets neben Geschirrtüchern, Trimmgeräte neben saisonbedingtem Weihnachtsschmuck, und endlich nach vielen Jahren der Mozzarella-Schneider! Behaupten zwar böse Zungen, Mozzarella gleiche im Geschmack eher einer feuchten Portion Fensterkitt (Geschmacksrichtung weiß/diffus/neutral) und verzichten angewidert auf den Genuss des Käsekloßes, so muss es doch etliche Liebhaber dieser italienischen Sättigungsbeilage geben; denn wozu sollte irgendjemand den Bedarf erkannt haben, diesen geschmacklosen aber festen Marshmallow nicht nur zu essen, sondern auch noch vorher in Scheiben zu schneiden? Die Frage stellt sich: Warum genügt dazu nicht ein einfaches, scharfes Messer? Anfangs hielt der Autor dieses neue Gerät für einen zu groß dimensionierten Eierschneider; vielleicht zum Schneiden zweier Eier? Einlegmulde und Schneiddrahtabstand sprachen dagegen. Gänseeier werden selten gegessen und noch seltener geschnitten. Also: Welchem Zweck sollte das Instrument dienen? Und: Wer sollte es kaufen? Vor allen Dingen die wichtigste aller Fragen: Warum sollte jemand dieses Gerät kaufen?

Beim Studieren der Verpackung wurde die Sinnfrage weder gestellt noch beantwortet. Der Ratsuchende fand nicht einmal Hilfe bei einer Kaffeebegleitartikelfachverkäuferin. Anstatt verkaufsfördernde Gesten zu präsentieren, sagte mir ihre Köpersprache: Ich will nach Hause, ich habe keine Ahnung, ich weiß auch nicht, was dieser Schwachsinn hier soll. Wenn Sie wollen, kaufen Sie! Wenn nicht, auch egal... Enttäuscht von dieser Lustlosigkeit hätte ich mir gern den Geschäftsführer holen lassen; ich überlegte jedoch, ob ihre Körpersprache etwas anderes ausdrückte: Ich habe mir das Teil auch gekauft, und jetzt weiß ich nicht, was ich damit soll. Ich entschied, dass die Frau genug bestraft sei und entfernte mich leise. Demnächst werde ich einen weiteren Versuch unternehmen, diesem Warenangebot einen für mich erschließbaren Sinn abzuringen. Bis dahin werde ich meinen Mozzarella-Konsum drastisch reduzieren und auf gekochte Eier umstellen, die geschnitten besonders gut schmecken.

http://www.ciao.de/TCM_Mozzarella_Schneider__Test_3128150

Andy ("Das Gegengift") Doth: Nicht täuschen lassen


Überall Illusion. Selbst die Natur entblödet sich nicht, den Menschen, der meisten vor der Mattscheibe klebt, zu täuschen. Nehmen wir den Fliegenpilz. An sich ist der Name schon hässlich: Fliegen verbinden wir sofort mit Exkrementen, auf denen sie surrend und summend herumschwirren, um sich anschließend auf unser liebevoll geschmiertes Butterbrot zu setzen. Leuchtendes Rot will auf sich aufmerksam machen; wie Frauen ihre Lippen schminken, um den Mann anzulocken, so versucht der Fliegenpilz den entfremdeten Menschen des Medienzeitalters anzulocken und zu betören. Schlichte Bewunderung ist dem Pilz genug; manch mittelloser Alkoholiker greift jedoch tief und pflückt den am Wegesrand, manchmal in Hexenringen angesiedelten, angeblichen Schönling, um ihn als Ersatzdroge einzuverleiben. Aber ist es wirklich die sogenannte Schönheit, die das bewirkt, oder die Wahrnehmungsstörung des Delirium tremens? Ist nicht jeder in einer Art Delirium, wenn er sich von roter Farbe anziehen lässt?
Der Fliegenpilz ist im Grunde hässlich: Er sitzt im Dreck und hat weiße Pickel auf der Kappe. Was soll schön sein daran? Man muss schon Fliege sein, die sich den Verdauungsresten von Mensch und Tier hingibt, um auf solche Illusion reinzufallen. Was sind das für Männer, die sich von roten Lippen, vielleicht völlig überschminkten und aufgespritzten, vom geraden Weg abbringen lassen?

Klimawandel und Rechtschreibung

Mit dem Klimawandel vollziehen sich auch Veränderungen in der Sprache; das Vokabular wird den Erfordernissen angepasst. So schreibt das MT am 15.5.08 etwas über „die vom menschengemachte Erderwärmung“. Was man auf den ersten Blick für einen astreinen Rechtschreibfehler halten möchte, ist aber nichts anderes , als die Unterstützung sich durchsetzender Erkenntnis durch veränderte Rechtschreibung: George Bush als weltgrößter Ignorant muss sich jetzt gezwungenermaßen überzeugen lassen, nachdem er Studie um Studie in Auftrag gegeben und Termine immer wieder hinausgezögert hat, dass der Eisbär ausstirbt. Das Eis schmilzt an den Polkappen, und das muss ja irgendwoher kommen, Hauptsache nicht aus Amerika. Der Artenschutz soll auf jeden Fall nicht dafür herhalten, den CO2-Ausstoß in Amerika zu verringern, so Bush. Aber auch der wiedergewählten Dumpfbacke, den man gleichzeitig als mächtigsten Mann der Welt bezeichnet, kann nicht ganz entgangen sein, dass der Mensch Schuld an der Veränderung des Klimas und der dramatischen Folgen hat. Der Mensch allgemein. Aber, wer ist das genau? Es ist wie auf einem maroden Gymnasium, das um jeden Schüler kämpft, damit es seine Existenzberechtigung behält: Die nächste Seite wird erst aufgeschlagen, wenn auch der Dümmste es kapiert. Gehandelt wird, wenn alle es verstanden haben. Ob es George Trabbelju Bush verstanden hat, entzieht sich jeder Überprüfung; wir können lediglich hoffen. Die eigennützigen Interessen verhindern häufig das Denken in eine gemeinnützige Richtung. Erstmal die anderen, denkt das Bleichgesicht in Washington. Wir machen derweil weiter mit neuer Rechtschreibung: „vom menschengemachte Erderwärmung“ hebt endlich die Trennung zwischen Mensch und Machen auf. Jahrzehnte des penetranten Herunterbetens, wir seien nicht Schuld, das müsse einen natürlichen Ursprung haben, es sei ja noch gar nichts passiert und dass ein paar Grad mehr gerade dem kalten Deutschland entgegenkämen, sind vorbei. Die Verknüpfung der beiden Wörter, eines Nomens und eines Partizips, kann, gerade weil so falsch und daher so aufrüttelnd, nicht deutlicher den Zusammenhang darstellen. Mensch und Erderwärmung stehen in kausalem Zusammenhang. Da muss Schluss sein mit dem vom busherzählten Blödsinn.
(Zum Bild: Die Polkappen schmilzen. Bald werden wir den Kindern erzählen: So sah damals Eis aus!, und deuten auf einen Haufen Glasscherben. )

Die Rolle der Frau: Intelligent sein

Die Männer hielten sich jahrtausendelang für schlauer als die Frauen und glaubten, weil sie das sogenannte schwache Geschlecht unterdrücken konnten, also von entlohnter Arbeit abhalten, um das eigene Haus in Schuss halten zu lassen und die Kinder nach Feierabend zu beschäftigen, damit der Patriarch seine Ruhe hatte.
Das war ein Irrglaube, und jetzt sind die Frauen überzeugt, dass sie mal dran wären und 2000 Jahre unterdrücken und schlauer sein könnten.
Selbst in der Kunst hat dieser Irrglaube seinen Niederschlag gefunden: Männer haben plötzlich auf Gemälden kleine Köpfe und spreizen ungeschickt die Arme ab, als wollten sie sagen: Ich bin dumm und habe abgespreizte Arme; ich kann da nichts machen! Die Frauen tragen Brillen, was ihnen ein intellektuelles Aussehen gibt und haben große Köpfe und häufig eine hohe Stirn, was die Denkerin verrät.
Ob das einer Gesellschaft hilft, die von virtuellen Weltern durchdrungen und besetzt wird, ist äußerst fraglich. Der Geschlechterkrieg lenkt von den eigentlichen Bedrohungen von Heim und Welt ab: Von der Erhöhung der Bezinpreise und dem immer schlechter werdenden Fersehprogramm bei gleichzeitiger Verbesserung der Bildschirmqualität der Unterhaltungsboxen. Nebenbei verseucht der Chinese mit bleihaltigem Spielzeug die Kinderzimmer. Da verschwindet doch die Frage, warum Männer kleine Köpfe auf Gemälden haben in der Bedeutungslosigkeit. Die Frauen sollten sich auf das besinnen, was sie sind: Frauen nämlich.

Georg Krakl: Fahrradanhänger (Vatertag 2008)


Ach, Fahrradanhänger
du trägst mein Bier am Vatertag.
Und werden Schatten langsam länger
trägst du mich, weil ich nicht fahren mag.
Beziehungsweise kann.
Du trägst mich mit Geduld.
Der Alkohol ist schuld.
Ich bin ein Mann.

Diskriminierung: Schlechte Zähne

Der spricht bayrisch, der kriegt maximal den Mindestlohn!, spricht der Arbeitgeber und hat damit eine Todsünde im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes gegangen. Niemand darf wegen seines Dialekts, seiner Lederhose oder seines Gamsbartes am Filzhut benachteiligt, sprich diskriminiert werden. Wenn der Bayrischsprechende auch noch eine Frau ist, über 40 Jahre alt und übergewichtige Muslimin, dann droht dem Übeltäter, der nur 5 € 50 zahlen will, soziale Vorhölle.
Alle sollen gleich sein, alle sollen gleich behandelt werden. Hat schon irgendwer darüber nachgedacht, welchen Einfluss schiefe oder fehlende Zähne haben? Wie soll denn ein Vorstellungsgespräch für alle gleiche Chancen bieten, wenn der Bewerber seinen Mund aufmacht und eine Reihe Bruchsteine vorweist, wenn sein Lächeln eher dem Hilfeschrei eines Steinbruchs ähnelt, wenn jedes Wort mit schmatzenden Nebengeräuschen belastet wird, weil diverse Molaren, ein Incisivus und 2 Prämolaren fehlen? Und was heißt Gleichbehandlung? Hier wäre gleich Behandlung fällig, beim Zahnarzt um die Ecke zu günstigen Tarifen, zu Kosten, die sich jeder leisten kann, damit die Gleichstellung der Zähne und ihrer Besitzer gewährleistet ist. Wer fühlt sich nicht bedroht, wenn sich die Hundezähne hinter wulstigen Lippen entblößen und das gewinnende Lächeln in eine schaurige Maske verzerren, was sofort die Frage aufwirft: Hat die oder der Tollwut? Der Zahnarzt bleibt kalt. Er hat seine Gewinnmarge durchstrukturiert und handelt erst, wenn ein bisschen Zubehör fürs Sportflugzeug abfällt. Gleichstellung interessiert ihn nicht, noch weniger Gleichbehandlung, solange er für das Gleiche das 2,3fache und auf Nachfrage das 3,5fache verlangen kann. Dabei hätte er eine Schlüsselfunktion in einer Gesellschaft, die den Abstand zwischen Arm und Reich immer mehr vergrößert und das, was in der Mitte liegt, allein lässt, allein mit ihren schiefen Zähnen, mit ihrem Alter über 40, mit ihren Lederhosen und Gamsbärten und ihrem ungeschickten Glauben.

Günther Krass: Erinnerungen (3) - 1959 - Am Fuß der blauen Berge

James, sattel die Hühner, wir reiten nach Laramie! Laramie, das war das Schlagwort für den Wilden Westen, für Abenteuer, für ganze Männer. Hier ging niemand ohne Colt im Holster aus, denn jederzeit konnte es nötig sein, diesen zu ziehen und einen der meistgesuchtesten Verbrecher oder einen Schergen des übelsten Großranchers zu erschießen. Aus Notwehr, versteht sich von selbst; ein komisches Greinen an der Theke vor einem Glas Whisky reichte damals schon, um Übeltäter zu identifizieren und anschließend, weil jener sich erkannt fühlte und nervös mit der Hand zum Waffengurt zuckte, mit einem gezielten Schuss wenigstens kampfunfähig zu machen.
Im Dezember 1959 startete die Serie und ich hatte als Fünfjähriger große Schwierigkeiten, Ausschnitte aus dem Film zu sehen. Meistens saß ich unter dem Wohnzimmertisch, wo ich eine geraume Zeit unentdeckt bleiben konnte, und wo ich mich im Notfall, wenn es brenzlig wurde, abwenden konnte. Jesse Harper war der Held, ein ehemaliger berüchtigter Revolvermann, der schon eine ganze Latte an Kerben im Holz hatte, und lebte mit Slim Sherman in einer Männer-WG in einem Haus, das aus Holzplanken zusammengezimmert war. Das Dach des schlichten Domizils war immer reparaturbedürftig, denn Slim war eigentlich ständig auf diesem und nagelt Dachpappe oder andere Materialien an, um den Regen am Eindringen zu hindern. Dabei regnete es überhaupt nicht in Laramie. Nebenbei betrieb Slim eine Pferdewechselstation für die regelmäßig eintreffenden Kutschen der Laramie-Post. Das Fernsehen war schwarzweiß und die Welt, vor allem die amerikanische, war überschaubar. Es gab Gut und Böse, niemand musste sich für Zwischentöne interessieren, und auf die Idee, dass Slim und Jesse eine Beziehung hatten, kam niemand. Der amerikanische Cowboy oder Revolverheld war geschlechtslos, will heißen, er hatte kein Sexualleben: Frauen waren Mangelware, und so musste man sich anderen Aufgaben widmen, die insgesamt hochwertiger waren, etwa das Gute vor dem Bösen zu retten. Die Helden waren immer die Schnellsten, zogen rasant und trafen Stellen, die ein Scharfschütze nicht getroffen hätte; alles aus der Hüfte. Das wirkte elegant, lässig und unglaublich verantwortungsbewusst. Jesse und Slim überlebten immer, sie bleiben sogar unverletzt, sodass Slim weiter Dachpappe nageln und Jesse durch die Gegend reiten konnte, um bei Bedarf zum Haus zu galoppieren und Slim zuzurufen, er möge vom Dach steigen, es sei Not am Mann.
Ich habe viel gelernt damals: Die amerikanische Welt besteht aus Schwarz und Weiß. Der Gute ist der Sieger. Der Sieger ist der Gute. Es geht auch ohne Frauen. Dachpappenageln kann ein Lebensinhalt sein. Das Gute retten auch. Später stellte ich fest, das Amerika aus Schwarzen und Weißen bestand, also aus Bösen und Guten.

Kampfhundbesitzer? ( Freitag 9.5.08)
Hasso, sitz...aus jetzt...sei brav....Platz...nein, der Mann ist nicht aggressiv...nein, ich fühle mich nicht bedroht...Hasso...sitz...Platz...der will nur...hören Sie...nicht bewegen...hören Sie, bleiben Sie ruhig...Hasso, aus!....Brav!....Sei brav!....Aus!....Au!....Lässt du los!?.....Hasso, lässt du den Arm los!Der Mann...nein...aus jetzt!....Hasso!....Bleiben Sie ruhig!...Der will nur spielen....Hasso, spielen, aus!Aus jetzt! Hasso, will nur spielen...Hasso, der Mann will nur spielen!...Schluss!Sitz!Aus!Platz! Hierher!... Gut, dann lauf!....Hasso, fünf Minuten, dann bist du wieder hier!...Hasso!...Hallo, hören Sie mich?...Hallo, was ist los?...Der Hund wollte nur spielen!...Hallo!...Hallo!!...Das Handy!...Hasso! Sitz! Komm zurück, nein, nicht die Frau mit dem Kinderwagen!...Bleiben Sie ruhig! Ganz ruhig liegen bleiben, nicht bewegen! Ich rufe einen Krankenwagen!...Hasso!...Wo ist jetzt mein Handy?...Hasso!...Nein, nicht die Frau, nein, aus, nicht den Kinderwagen!...Hasso, aus!!!...Hasso!...Wo ist jetzt mein Handy....Scheiße...

Georg Krakl: Würfel (Frühlingslyrik, 2001) (Donnerstag, 8.5.08)

werfen kannst du
den würfel
dürfen darfst du
den dürfel
müssen muss
der müssel
rüssen
will der rüssel
schießen schuss
der schussel
düssen dass
das dussel

Die neuen Frühlingsfarben (Montag, 5.5.2008)

Die neuen Frühlingsfarben...
Mal ehrlich, wie viele sind es denn wirklich? Da haben wir uns beschwert über eine Welt, die nur Schwarz und Weiß kennt, und jetzt wird sie ausgetauscht durch eine, die nur Grün und Blau vorweist. Vielleicht ist noch etwas Gelb dabei. Und ein Straßenbegrenzungspfahl, aber das ist keine Farbe. Wo leben wir denn, dass wir uns täuschen lassen? Was ist denn besser an Grün und Blau als an Schwarz und Weiß? Das ist Farbe, brüllt Otto Nochmalverbraucher. Wie die Einführunge des Farbfernsehens zu der irrigen Annahme führte, die Welt sei jetzt richtig dargestellt, also, das Fernsehen würde die Wahrheit flimmern, weil in Originalfarbe, so ist auch dies ein Trugschluss: Dadurch, dass man Lügen anstreicht, wird das noch lange keine Wahrheit. Also, aufgepasst, vielleicht ist im Augenblick Herbst, und wir lassen uns nur vorgaukeln, es sei Frühling...

Mutter und Tochter (Sonntag, 4.5.2008)

Mutter, warum lässt du mich nicht los? Du erdrückst mich!
Ich will nicht, dass du fällst.
Aber ich liege doch schon am Boden.

Geburtstagskarte: Wusstest du schon... (Samstag, 3.5.08)

..., dass du ein charmanter, liebenswerter und dufter Typ bist? Komisch, dass das keiner unterschreiben wollte. Aber die Karte ist jetzt da, gekauft und bereit, dem Geburtstagskind übermittelt zu werden. Da ist es nötig, einen Kommentar zu schrieben, damit der Geburtstagsfeiernde nicht einem Missverständnis erliegt.

Geburtstagsgrüße sind ja immer positiv. Affirmativ eben. Sie bestätigen das Gewünschte. Hach, so bin ich also, denkt der Gegrüßte. Charmant. Super.
Aber mal ehrlich, wie sind die Leute, die charmant sind? Schmieren sie den Leuten nicht Honig ums Maul? Und wo ist die Grenze? Sind die Charmanten nicht die, die nie nein sagen können? Die lieber zuvorkommend, türaufhaltend und rechnungzahlend dem Konflikt aus dem Weg gehen? Und- charmant natürlich nur zu Frauen. Wie ist das dann Männern gegenüber? Charmant = kumpelhaft? So im Sinne einer an der Theke geschmiedeten Männerfreundschaft? Das ist doch etwas ganz anderes. Und überhaupt: Im Rahmen der Gleichstellung der Frau hat Charmantsein oder Charme einen faden Beigeschmack. Das sind doch diese alten Machos, die immer noch die gleiche Masche stricken. Wobei sie gar nicht stricken können, denn das widerspricht dem Macho. Das durchschauen Frauen mittlerweile, wenn sie umgarnt werden. Die anderen nehmen es immer noch billigend, also genüsslich, in Kauf. Ehrlich gesagt, der Begriff charmant ist fragwürdig und einseitig. Und welche versteckten Vorwürfe da mitschwingen!

Liebenswert. Das klingt so weinerlich. Keiner hat mich lieb.Alle denken nur an sich. Da hat doch jeder das Bild vom verheulten Jungen vor dem inneren Auge, der rotznäsig auf die Mutti wartet, dass sie ihm die Nase putze und mal kräftig an den Busen lege. Klar, dass da in den Damen die Mütterherzen schlagen, praktisch Domglocken gleich, dass da Instinkte freigeschüttelt werden! Die Antwort für den Verheulten: Du bist es auch wert, geliebt zu werden. Du bist nicht allein, um es mit Roy Black zu sagen. Heul doch, wir haben dich trotzdem lieb. Dagegen kann man gar nichts machen. Wer will mit diesem Bild als Mann leben? Liebenswert. Das klingt schon wieder nach Fehlern. Wir nehmen dich wie du bist. Und du bist eben so. Kann man nichts machen. Wer von liebenswert spricht, ist doch nur jemand, der seine antrainierte Herzensgüte präsentieren möchte. Motto: Hallo, hier komme ich, ich habe ein großes Herz! Wer muss getröstet werden? Ach, selbstverliebte Egomanen sind das, die ein neues Opfer suchen.

Dufter Typ. Da zieht sich die Nase zusammen und wir schnuppern angestrengt. Vielleicht, um Witterung aufzunehmen. Wonach duftet ein dufter Typ? Versteckter Hinweis, gut gemeint natürlich: Hat dein Deo versagt? Obwohl angemerkt werden muss: Wenn mir etwas stinkt, dann finde ich das nicht dufte. Aber: Wenn jemand verduftet ist? Ist er dann doch dufte, oder stinkt es dem oder der? Schwierige Frage.
Mit der umgangssprachlichen Wendung "dufte" ist vorsichtig umzugehen. Schnell wird daraus: Ich kann dich nicht riechen. Vielleicht, weil das Deo neutral ist und mit dem Körpergeruch gemischt ein Nichts ergibt. Oder, weil es einfach stinkt, also, der Typ.

Manchmal greift die Hand, die Gutes will, daneben. Die Welt ist voller Fußangeln und Kopfnüsse. Wer will schon immer die möglicherweise tragische Reichweite seiner Handlungen voraussehen? Eine gutgemeinte Karte kann den Gegrüßten in ein tiefes Loch stürzen, aus dem er sich nicht selbständig herausarbeiten kann. Das Unbewusste schwingt mit. Das wollte ich dir schon immer mal sagen, habe es aber nie gewagt. Du bist ein Honigumsmaulschmierer, du bist eine Heulsuse und du stinktst mir gewaltig! Auf der Karte heißt das: Wusstest du schon, dass du ein charmanter, liebenswerter und dufter Typ bist?
Da bleibt nur die Karte, mit der man fast nichts falsch machen kann: Geburtstag, Alter! Wann gibt's die Getränke?

Apothekenbesuch: Weiß gar nicht, wie die Kollegin darauf kommt...

Guten Tag, ich hätte gern so ein Wärme-Pack (Ist das überhaupt richtig? Pack ist doch im Deutschen so etwas wie Bagage, übles Gesindel?) für die Schulter. Die Apothekerin weiß Bescheid und führt mich direkt an ein Regal, in dem drei Schachteln Wärmepacks (Wärmepacken?) stehen. Für die Schulter eins, für die Handgelenke und eins für großflächige Körperteile, wo immer die auch sein mögen. Sie will mir das Objekt in die Hand drücken, aber ich frage doch noch mal nach, sparsam wie ich gern wäre: Haben sich auch wiederaufladbare im Angebot? (Das Wort Angebot ist in Apotheken nicht angebracht, da gibt es keine Angebote, es sei denn Medikamente vom Vorjahr, die aber eher unter dem Ladentisch angeboten werden oder in Drittweltländer verbracht werden, als Spende, weil die Wirkung ja länger währt, als auf der Packung gedruckt. Mindesthaltbarkeit. Wahrscheinlich hält das alles viel länger; darüber kann man aber dann Ergebnisse aus den belieferten Ländern erhalten, wenn die verfallsdatierten Pillen konsumiert worden sind. Jedenfalls: Angebote gibt es nicht, auch wenn der Preis auf orangefarbenem Papier gedruckt ist, was in anderen Läden anzeigt, dass die Ware reduziert ist.) Wiederaufladbare?, fragt die Apothekerin, ja, die gibt's (Weiß ich auch.), aber die haben wir nicht. War klar. Das würde ja den Umsatz schmälern. Ich nehme dann mal drei Pakete von denen da im Regal. Ich brauch das für eine ganze Woche (Da wären wiederaufladbare nicht schlecht gewesen.), ich bin dann in Polen, und da ist es kalt, und überhaupt gibt es da nicht alles.
Also, wir kriegen jeden Moment Ware, da werden auch weitere Schachteln dabei sein. Gut, ich habe noch zu tun, beantworte ich die noch nicht gestellt Frage, ich komme auf dem Rückweg wieder rein und hol die Sachen ab. Ich leg das dann für Sie zurück!, ruft die Medikamentendame hinter mir her, und ich fühle mich sofort verpflichtet auch wirklich zurückzukehren. Sie hat ja extra für mich die Schachtel aus dem Regal unter den Ladentisch gelegt, um meinen Bedürfnissen gerecht zu werden, um mich zu heilen, den ein Schmerz in der Schulter plagt.

Ein Stunde später ist die Dame in der Apotheke ausgetauscht. Tag, sage ich, sie hatten einige Schachteln Wärmepacks (Oder Packen?) zurückgelegt, bzw. ihre Kollegin.
Die neue Dame schreitet zügig zum Regal. Es ist aber nur noch eines da. Jaja, sage ich, das war es vorhin auch nur. Es sollte doch neue Ware kommen, sagte mir ihre Kollegin. Weiß gar nicht, wie meine Kollegin darauf kommt. Das macht doch der Computer. Wenn die Ware aus ist, also auf null, dann wird neue bestellt. Aha, das klingt jetzt aber ganz anders. Ich nehme dann mal diese Schachtel. Morgen, also, morgen kommt wieder neues Material, weil, jetzt ist der Bestand ja, weil sie gekauft haben, auf null. Hm, sage ich, ich muss also erst den Laden leerkaufen, damit sie beliefert werden. Haha, ja nicht ganz, aber im Grunde schon. Nicht mal zurückgelegt hat die verräterische und unwissende Kollegin der Bedienung mein Wärmepack. Ich bin enttäuscht.

Ich zahle den stolzen Preis, denn in Apotheken gibt es nur stolze Preise. Aber hier wird einem ja auch auf Wunsch die Packungbeilage vorgelesen und bei Verständnisproblemen erklärt. Das kostet.
Ich beschließe, demnächst skrupelloser zu sein, zu sagen, ich käme wieder und bleibe einfach weg und kaufe da, wo ich das bekomme, was ich haben will. Vor allem: Wie viel ich haben will.
Ich weiß auch nicht, wie die Kollegin der Kollegin darauf gekommen ist, dass sich die Regale den Wünschen der Kunden entsprechend füllen. Vielleicht steht das in der Packungsbeilage, die ich mir nicht habe vorlesen lassen.

Günther Krass: Erinnerungen - 1959 - Snorki

Ich kann mich nicht an Snorki erinnern, nur an Hilde Nocker. Tante Anni hatte den ersten Fernseher, und endlich wusste ich, dass zu bestimmten Geräuschen auch passende Bilder gehörten. Bis dahin hatte ich nur dem guten Grundig-Radio gelauscht und an dem Stoffbezug über der Lautsprechermembrane gefummelt, weil ich die kleine Blaskapelle ertasten wollte, die im Inneren einen schönen Marsch spielte. Endlich wusste ich, dass die Welt schwarz-weiß war. Hilde Nocker verband ich mit der Mocca-Torte, über die immer Maxwell-Kaffee-Pluver aus den kleinen Alutüten gestreut wurde.Hilde Nockers Stimme war so sahning, ihr Gesicht hatte die gleiche Konsistenz wie der Sahnekuchen, sie war so süß, dass ich sie Tante hätte nennen können. Leider war Klaus Havenstein nicht mein Onkel. Eine verwandtschaftliche Beziehung unterstellte ich den beiden damals, denn sie traten immerhin nebeneinander im Fernsehen auf, was eine gewisse Intimität darstellt. Aber Hilde war viel enger mit Snorki; den hatte sie auf dem Schoß, auf dem Arm, den drückte sie an ihren sahnigen Busen. Heute weiß ich nichts mehr über Snorki; ich habe seinen Namen vor kurzem in Verbindung mit Hilde Nocker gelesen, er sei ein Mumin gewesen, sei der Augsburger Puppenkiste entlaufen, und Hilde habe ihn geliebt und quasi adoptiert. Ich hasste ihn damals dafür und sperrte ihn aus meinem Kopf. Nie mehr wollte ich mich an ihn erinnern. Bis heute. Nein, bis gestern. Oder war es vorgestern?

Ohnereim-Gedicht: Georg Krakl - Stuhl (2008)


Stuhl.
Das ist dein Los:
Musst immer stehen,
kannst niemals sitzen.