Günther Krass: Erinnerungen - 1959 - Snorki

Ich kann mich nicht an Snorki erinnern, nur an Hilde Nocker. Tante Anni hatte den ersten Fernseher, und endlich wusste ich, dass zu bestimmten Geräuschen auch passende Bilder gehörten. Bis dahin hatte ich nur dem guten Grundig-Radio gelauscht und an dem Stoffbezug über der Lautsprechermembrane gefummelt, weil ich die kleine Blaskapelle ertasten wollte, die im Inneren einen schönen Marsch spielte. Endlich wusste ich, dass die Welt schwarz-weiß war. Hilde Nocker verband ich mit der Mocca-Torte, über die immer Maxwell-Kaffee-Pluver aus den kleinen Alutüten gestreut wurde.Hilde Nockers Stimme war so sahning, ihr Gesicht hatte die gleiche Konsistenz wie der Sahnekuchen, sie war so süß, dass ich sie Tante hätte nennen können. Leider war Klaus Havenstein nicht mein Onkel. Eine verwandtschaftliche Beziehung unterstellte ich den beiden damals, denn sie traten immerhin nebeneinander im Fernsehen auf, was eine gewisse Intimität darstellt. Aber Hilde war viel enger mit Snorki; den hatte sie auf dem Schoß, auf dem Arm, den drückte sie an ihren sahnigen Busen. Heute weiß ich nichts mehr über Snorki; ich habe seinen Namen vor kurzem in Verbindung mit Hilde Nocker gelesen, er sei ein Mumin gewesen, sei der Augsburger Puppenkiste entlaufen, und Hilde habe ihn geliebt und quasi adoptiert. Ich hasste ihn damals dafür und sperrte ihn aus meinem Kopf. Nie mehr wollte ich mich an ihn erinnern. Bis heute. Nein, bis gestern. Oder war es vorgestern?