Aufschneider

Dass man in einem Kaffeeladen nicht nur Kaffee bekommt, erkennt man sehr schnell , wenn man blind ins Regal greift und statt der wilden Milden Damen-Skifunktionsunterwäsche, eine Plastikfrischhaltedose oder ein Ohrhärchenrasierapparat für den gereiften Herrn in Händen hält. Der Uninteressierte wendet sich an die möglicherweise vorhandene Verkäuferin ( in Supermärkten wird meistens auf einen Kollegen verwiesen, der anfangs unauffindbar und wahrscheinlich erscheint, wenn man selbst gegangen ist), um die braune Bohne ganz oder gemahlen zu erwerben. Der an haushaltstechnischen Neuerungen Interessierte, - meist auch gleichzeitig Leser des amüsanten Werbeblattes „Die moderne Hausfrau“- , wittert ein reiches Ereignisfeld und studiert erst einmal in aller Ruhe das Angebot, hält es der mehr oder weniger gefüllten Geldbörse entgegen, und kauft, wenn der Beutel es zulässt.

Alle paar Woche, so weiß der Sachkundige, wechselt das Angebot, und es sorgt immer wieder für Spannung, auf die Neuigkeiten neben dem Kaffeeregal zu warten. Multifunktionsscheren neben Rollstöcken für altergeschwächte Einkäufer, Toilettenbürstensets neben Geschirrtüchern, Trimmgeräte neben saisonbedingtem Weihnachtsschmuck, und endlich nach vielen Jahren der Mozzarella-Schneider! Behaupten zwar böse Zungen, Mozzarella gleiche im Geschmack eher einer feuchten Portion Fensterkitt (Geschmacksrichtung weiß/diffus/neutral) und verzichten angewidert auf den Genuss des Käsekloßes, so muss es doch etliche Liebhaber dieser italienischen Sättigungsbeilage geben; denn wozu sollte irgendjemand den Bedarf erkannt haben, diesen geschmacklosen aber festen Marshmallow nicht nur zu essen, sondern auch noch vorher in Scheiben zu schneiden? Die Frage stellt sich: Warum genügt dazu nicht ein einfaches, scharfes Messer? Anfangs hielt der Autor dieses neue Gerät für einen zu groß dimensionierten Eierschneider; vielleicht zum Schneiden zweier Eier? Einlegmulde und Schneiddrahtabstand sprachen dagegen. Gänseeier werden selten gegessen und noch seltener geschnitten. Also: Welchem Zweck sollte das Instrument dienen? Und: Wer sollte es kaufen? Vor allen Dingen die wichtigste aller Fragen: Warum sollte jemand dieses Gerät kaufen?

Beim Studieren der Verpackung wurde die Sinnfrage weder gestellt noch beantwortet. Der Ratsuchende fand nicht einmal Hilfe bei einer Kaffeebegleitartikelfachverkäuferin. Anstatt verkaufsfördernde Gesten zu präsentieren, sagte mir ihre Köpersprache: Ich will nach Hause, ich habe keine Ahnung, ich weiß auch nicht, was dieser Schwachsinn hier soll. Wenn Sie wollen, kaufen Sie! Wenn nicht, auch egal... Enttäuscht von dieser Lustlosigkeit hätte ich mir gern den Geschäftsführer holen lassen; ich überlegte jedoch, ob ihre Körpersprache etwas anderes ausdrückte: Ich habe mir das Teil auch gekauft, und jetzt weiß ich nicht, was ich damit soll. Ich entschied, dass die Frau genug bestraft sei und entfernte mich leise. Demnächst werde ich einen weiteren Versuch unternehmen, diesem Warenangebot einen für mich erschließbaren Sinn abzuringen. Bis dahin werde ich meinen Mozzarella-Konsum drastisch reduzieren und auf gekochte Eier umstellen, die geschnitten besonders gut schmecken.

http://www.ciao.de/TCM_Mozzarella_Schneider__Test_3128150