Bodos Welt-Wörterbuch: Cheyenne-Pfeffer


Ist da auch Cheyennepfeffer drin?, fragt Hubi und will andeuten, dass das Essen reichlich scharf ist.
Hubi lebt wohl in dem Irrglauben, dass besagtes Gewürz aus zerriebenem Indianer besteht, der dem Stamme der Cheyenne angehört.
Er glaubt vielleicht, sein Essen sei jetzt angereichert mit dem Flair der wilden Prärie, wo die Cheyenne ihre schnellen Appaloosas ohne Sattel über die Ebene treiben, wehend das Haar, die Federn, die von getöteten Feinden zeugen, lustig im Wind wippend; ein frischer Skalp baumelt am Gürtel und sein Blut tropft in weiten Abständen - das Pferd ist schnell - auf den Boden und zollt der Mutter Erde Tribut.
Die kindliche Vorstellung vom roten Mann trifft hier auf kulinarische Ereignisse, und das führt zur Verwirrung.
Das Gewürz heißt eigentlich Cayennepfeffer und wird aus den Vordersitzen eines eher langweiligen Porsche-Modells für ältere Herren und Onkel gemacht. Über dessen Bestandteile sollte man sich lieber keine Gedanken machen.
Also, aufgepasst, liebe Indianerfreunde, wenn ihr scharf gewürzt esst!
Fragt doch einfach: Welches Gewürz ist da drin, oder ist das Gemüsebrühe?

Liebe


Liebe

Er liebte sie und zweifelt an ihrer gemeinsamen Zukunft.
Das ist doch keine Liebe, sagte sie.

Liebe 2

Meine Liebe an dich bindet mich, macht mich unfrei, sagte er.
Welche Liebe, fragte sie.

Liebe 3

Liebe macht frei, sagte er.
Liebe macht blind, sagte sie.

Blind und frei, geht das überhaupt.

Liebe 4

Der Blinde hört besser. Der Taube sieht besser.
Was fehlt dem, der besser liebt?

Liebe 5

Ich liebe dich, weil ich dich brauche, sagte sie.
Das heißt aber, dass du mich brauchst, weil du mich liebst, sagte er.
Dann liebe ich dich eben nicht, sagte sie.

Singen 4



Die Mutter sang ihrem Kind die Welt schön und weinte, wenn es eingeschlafen war.

Singen

Vassily Kannikski: Singender Mann (2013)

Singen
Singen solle die Seele befreien, hatte man ihr gesagt. Warum waren sie dann gekommen, hatten ihr die Arne nach hinten gebunden und sie weggeschleppt.? Jetzt war sie nicht bei Sinnen, hatte den Kopf voller Tabletten. Es war so schön gewesen, ganz oben auf der Brücke zu stehen, die Arme auszubreiten, um die ganze Welt zu umarmen und zu singen.

Singen 2
Wenn er als Kind singen musste, bekam er immer einen roten Kopf. Er schämte sich. Später stotterte er, wenn er sprach. Dann sang er, damit sie ihn verstehen konnten.

Singen 3
Sein Gesang hatte sie betört. Wenn er sprach, klang seine Stimme wie eine einzige Lüge.

Georg Krakl: Gedicht mit "häkeln" drin - Die Stadt (2013)

Der Weber verwebt sich,
wenn Tante ein Deckchen umhäkelt.
Und die Stadt erhebt sich,
wenn die Dame auf warmen Dächern rumräkelt.

Hut und so


Leben
Sie war so voller Leben, dass es ihr zum Halse raus hing.

Anders
Ich möchte mal anders sein, dachte sie, und kaufte sich ein neues Kleid. Nur das Kleid war neu.

Hut
Ein neuer Hut bringt einen neuen Kopf und neue Gedanken, ein neues Leben, dachte sie. Als sie ihn aufhatte, dachte sie: Sitz er richtig? Wie sehe ich aus? Hoffentlich weht der Wind ihn nicht fort.

Mittelpunkt 2-4


Mittelpunkt 2
Wenn er litt, sollten auch die anderen leiden. Das ist Mitleid. Für Mitgefühl fand er niemanden.

Mittelpunkt 3
Mensch, ich umarme dich, weil du mich umarmen sollst! Mensch, ich tröste dich, weil du mich trösten sollst. Mensch, ich liebe dich nicht, weil ich mich selbst zu sehr hasse.

Mittelpunkt 4
Er hatte sich nie geändert; er hatte immer nur die Menschen ausgetauscht. Wenn es Zeit war, sich den Dingen zu stellen, sich selbst ins Auge zu blicken, sich selbst als Ursache seines Schicksals zu begreifen, endlich Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, ging er.
Er hatte verlassen und verlassen, um verlassen zu sein.
Lange weinte er über sich und blickte auf, um jemanden zu finden, der ihn trösten wollte.

Mittelpunkt

Er setzte sich auf den Boden und schmollte. Die Welt drehte sich um ihn. Er hatte es wieder einmal geschafft. Die Welt drehte sich immer schneller, das hatte er gewollte; denn er war der Mittelpunkt.
Ihm wurde schwindelig. Die Welt drehte sich weiter. Er verlor die Kontrolle. Was er im Magen hatte, kotzte er aus.

Er hatte nicht verdaut, dass er erwachsen sein sollte.

Georg Krakl: Im Angesicht des Kotes (2013)


Vertrackt, vertrackt!,
so schrie ich laut in Not!
Mein Fensterbrett ist vollgekackt,
mit reichlich frischem Taubenkot.

Man sagt: Die Tauben können dich nicht hören!
Ich würde das auf keinen Fall beschwören.
Erst tun sie taub, doch dann beflissen.
Zum Schluss, da hab'n sie dich beschissen.

Wille


Ich tue, was ich will, vielleicht bin ich morgen schon tot, sagte sie, und sprang in den Abgrund.

Leben


Sie war so voller Leben, dass es ihr zum Halse raus hing.

Familie Bräsig macht FKK




Das sind Kurt und Elvira Bräsig mit Bernhard. Bernhard ist neun und wird Berni genannt. Die Bräsigs laufen Samstag immer nackt in der Wohnung herum, weil dann Badetag ist. Natürlich duschen die Bräsigs in der Woche, je nach dem, wie stark sie geschwitzt haben. Aber samstags wird gebadet.
Der Körper wird richtig eingeweicht, so dass sogar der letzte Dreck durch den Abfluss verschwindet.

Früher hat Berni mit seiner Mutter in einer Wanne gesessen, manchmal auch mit dem Vater. Diese Zeiten sind aber vorbei. Berni meint, er sei zu alt für solche Sachen. Obwohl das gemeinsame Baden immer Spaß gemacht hat. Gummienten wurden ertränkt oder Wasser aus Shampoo-Flaschen ohne Shampoo gequetscht . Das Badezimmer sah hinterher schlimm aus. Es war mehr Wasser auf dem Boden als in der Wanne.

Das gemeinsame Baden war auch umweltfreundlicher, denn Wasser wurde gespart und Energie, um das Wasser zu erhitzen. Gespartes Wasser muss nicht erhitzt werden, denn es ist eigentlich gar nicht da.

Berni wartet jetzt darauf, in die Wanne zu können. Die Mutter ist bald fertig, dann wird das Wasser gewechselt und er ist dran. Zum Schluss kommt der Vater. Während er badet wird die Mutter ihren Körper eincremen. Der Vater sitzt in der Zeit nackt auf einem Badezimmerstuhl und blättert in einer Illustrierten. Ab und zu grunzt er etwas Unverständliches, als ob er eine Stelle aus der Zeitung vorlese.
Im Sommer machen die Bräsigs immer FKK-Urlaub. FKK heißt Frei-Körper-Kultur. Frei-Körper sind wohl Körper ohne Kleidung. Kleiderfreie Körper nennt man nackt. Nacktkultur kling aber komisch. Abgekürzt NK. Na,ja.
Was das Ganze mit Kultur zu tun hat, weiß Bernie nicht. Er kennt nur Kulturbeutel, in denen man Duschgel, Zahnbürste, Zahnpasta und anderen Krimskrams zur Körperpflege aufgewahrt.
Vielleicht heißt es Frei-Körper-Kultur, weil man auf einem FKK-Campingplatz nur mit einem Kulturbeutel bekleidet zum Duschen gehen kann.

Samstags ist für die Bräsigs immer ein kleiner Urlaub. Das ist wie Campingplatz in der Wohnung. Ohne Regen und immer die richtige Temperatur.
Witterungsunabhängig. Nur braun wird keiner bei dieser Art Kurzurlaub. Die FKK-Urlauber, die Berni im Sommer kennen gelernt hat, waren stolz auf ihrer nahtlose Bräune. Im Wohnzimmer wird keiner braun, auch wenn im Fernsehen ein Film aus der Karibik läuft.

Berni überlegt, was Nackturlauber  im Winter machen. Im Winter ist es kalt. arschkalt, wie Pauli, sein Banknachbar, sagt. Pauli weiß nicht, dass die Bräsigs samstags immer nackt in der Wohnung rumlaufen. Darüber ist Berni froh.
Er setzt sich vor den Fernseher in den dicken Frotteebademantel gehüllt und schaut eine  warme Sendung an.Die aus der Karibik nämlich. Dabei isst er Chips und denkt: „Pauli muss nicht alles wissen.“

verguckt

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Großschnabel


Der Großschnabel hat seinen Namen wegen seines großen Schnabels. Er kann nur schlecht fliegen, weil er kleine Flügel hat, die eher wie Hände aussehen. Er trompetet aber überall herum, dass er einer der besten Segler der Welt sei. Er habe schon acht Stunden über dem Mittellandkanal geschwebt, ohne auch nur eine einzige Bewegung seiner kräftigen Flugarme zu machen. Der Großschnabel ist eigentlich ganz klein, deshalb muss er immer der beste und schnellste und größte und stärkste und mutigste und schlauste von allen Vögeln sein. „Bist du auch der beste Freund der Welt?“, fragt  ihn die Zitterlerche. „Na, klar bin ich das auch!“, ruft der Großschnabel laut. „Wessen Freund bist du denn?“, will die Zitterlerche wissen. „Das ist doch egal. Ich bin der beste Freund von allen!“, fährt der Großschnabel fort. „Aber du musst doch einen Freund haben, sonst kannst du kein Freund sein“, hakt die Zitterlerche nach. „Ach, das ist nicht wichtig, Hauptsache, ich bin der beste Freund“, ruft der Großschnabel laut, damit die Zitterlerche keine neuen Fragen stellen kann. Dann geht er in großen ,schnellen Schritten weg, denn mit dem Fliegen klappt es wirklich nicht so gut.
„Ich könnte doch dein Freund sein“, sagt die Zitterlerche leise. Aber das hört der Großschnabel schon nicht mehr.

Abreißgesicht

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Pilger

„Ich habe Durst“, sagte Klaus, „wie weit ist es denn noch?“ Norbert zog die Stirn in Falten. Das nervte. Dieses ständige Genösel. „Bis wohin?“, fragte Norbert. „Na, bis wir da sind“, antwortete Klaus, „mir tun die Füße weh, das glaubst du gar nicht.“ „Stell dich nicht so an, das hier ist eine Pilgerreise, das ist kein Zuckerschlecken, also reiß dich mal zusammen!“ Norberts Ton wurde bestimmter, fast schon ärgerlich. Klaus trottete hinter Norbert her, der Kopf war leicht gesenkt, seine Beine wirkten noch krummer als sonst. Gut, er hatte kürzere Beine, krummere Beine, dickere Beine und Senkfüße, oder sogar Senkspreizknickfüße. Aber das war kein Grund, immerfort zu nöseln. Es ging ums Gehen, ums Durchhalten. Nicht ums Ankommen. Nicht ums Trinken oder Essen oder Schlafen. Klaus hatte immer nur das im Kopf. Sie waren jetzt 3 Tage unterwegs und schon morgens fing Klaus an zu fragen: Wie weit ist es noch? Oder Sätze in die Gegend zu stellen: Ich habe Durst! Ich muss pinkeln! Ich will nach Hause. Meine Füße tun weh. Mein Rücken auch. Ich habe Kopfschmerzen. Meine Beine sind schwer wie Kartoffelsäcke, ich habe eine Blase am Zeh. Ruhig bleiben, dachte Norbert bei sich. Das geht alles vorüber. Noch 20 Tage, dann mussten sie das Ziel erreicht haben. Wenn Klaus durchhielt und keine Pausentage brauchte. Eigentlich wollte Norbert auch nach Hause. Und Durst hatte er auch. Und die Beine, bloß nicht dran denken...

Akrobaten

Pawel Pikass: Akrobaten (2013)
„Sag mal hast du zugenommen ?“,fragt Bruno. „Wie kommst du denn darauf?“ Elvira klingt leicht entrüstet.
Wie kann Bruno es wagen, an ihrem Gewicht zu zweifeln? „Ich meine nur, du kommst mir irgendwie schwerer vor....“, fügt Bruno hinzu. Schweißperlen stehen auf seiner Stirn und werden vielleicht gleich zerfließen und sein Gesicht hinunterrinnen. Der blöde Plastikanzug, der fast nur sein Gesicht freilässt, ist eine Zumutung. Atmungsaktiv hatte auf der Verpackung gestanden, als wenn er durch einen Anzug atmen könnte. Aber es musste ja unbedingt der schwarzglänzende Kunststoffanzug sein wegen der Bühnenshow. Körperbetont. Elvira konnte sich in pludrigen Baumwollsäcken bewegen. Die sind atmungsaktiv! Von der Figur sieht man fast nichts, ahnen kann der Zuschauer nur, dass das Elvira und eine Frau ist. Bruno schwitzte. Elvira machte ihren elegantesten Gesichtsausdruck, den sie in der 20jährigen  Geschichte auf der Bühne gelernt hatte. Der Rest war Nebensache, den sah man ja kaum. „Booh“, ächzte Bruno, „ wie lange denn noch?“  „Ich glaube du hast Konditionsschwächen“, vermutete Elvira, „vielleicht solltest du mal wieder ein paar Eisen stemmen, so wie früher.“ Brunos Muskeln spannten sich unter dem schwarzglänzenden Plastikanzug. Das war die Höhe. Konditionsschwächen! „Zähl langsam bis 34, Bruno“, sagte Elvira, „ dann kannst du mich absetzen.“ Bruno zählte. Bei 21 entschied er, dass endlich eine Personenwaage ins Haus sollte. Dann würden sie ja sehen...

Georg Krakl: Mein Dudengedicht - Damedame

Dame, lahme
wunderSame
Lady, laylay
Lay down
Syndrom
Und Sally

leibliche Person,
weibliches Wesen
beschreibliches;

Sie (ersiees)
(umgangssprachlich, besonders süddeutsch und österreichisch) Weibsbild;
(umgangssprachlich scherzhaft) Eva;
Evaluation der Männlichkeit
(österreichisch salopp) Weiberl;
(landschaftlich, meist abwertend) Mensch; die Frau ist ein Mensch;
kein Mann (lustig);
(veraltend) Weib (veraltet);
(umgangssprachlich veralternd) Weibsperson;
(landschaftlich, sonst veraltet) Frauenzimmer, wo sind Fenster und Tür?

(veraltet) Frauensperson
(abwertend) Xanthippe;
(umgangssprachlich abwertend) Ehedrachen, Hausdrachen;
(landschaftlich salopp) Olle;
(landschaftlich scherzhaft) Madam;
(veraltet) Weib
mit Leib.

Elsie.
wie schnell sie
sich aufregt.


Ei

Eierbecher heißt jetzt iPott.

Einseitiges Buch


Was meinen wir, wenn wir sagen:
Das Buch ist mir zu einseitig?
Kann ein Buch denn einseitig sein, ist es vielleicht nur ein Blatt?

Brüderle und Schwesterle


Georg Krakl: Dudengedicht

Was bist Duden?


Du bist so echt ,
so einfach ,
so naturbelassen ,
naturhaft ,
natürlich ,
nicht imitiert/künstlich/nachgemacht,
(zwar limitiert, dich gibt’s nur einmal für mich)
original ,
rein ,
richtig ,
typisch ,
(typisch Elsi!)
unverfälscht ,
urig ,
urtümlich ,
urwüchsig ,
(bartwüchsig)
wahr ,
waschecht ;
(voll waschbar)
(schweizerisch) urchig ;
(amphibisch: lurchig)
(gehoben) erdhaft , erdverbunden ;
(falsch verbunden)
(bildungssprachlich) authentisch , genuin .

Das ist mir alles ein bisschen viel.
Mach's gut, Elsi.

Vorsicht vor Trickbetrügern

Jetzt geht es wieder los. Kurz vor Ostern streifen die Trickbetrüger durch die Städte und Dörfer und bieten Hasenköpfe feil.
Gegen teures Geld bieten sie ihre Ware an; leider handelt es sich nicht um die zur Haupteierfärbezeit begehrten Hasen, sondern um schlichte Kaninchen, die eigentlich keinen besonderen Wert darstellen. Nicht einmal als Handwärmer lassen sich die Objekte benutzen.
Den Hasenkopf erkennt man an den Ohren. Wenn diese bis vor die Schnauze gezogen werden können, handelt es sich um einen echten Feldhasen, wenn er keinen Laut abgibt, um ein Tier der Kategorie "Osterhase".
Den Trickbetrüger kann man auch an den Ohren erkennen.
Einfach die Lauscher bis vors Kinn ziehen. Wenn das klappt, ist der Miesling ertappt.
Nach der Prüfung sofort entfernen, denn der Gezogene gibt gern mal dem Ziehenden was an die Ohren. Und das will keiner.


Brüderle und Schwester "Mutti"


Entmarzipantionsbewegung auf dem Vormarsch

Gegen Füllungen aus Marzipan in Ostereiern, Weihnachtsmännern und anderen Süßobjekten wendet sich die Entmarzipantionsbewegung, die leicht mit der Emanzipationsbewegung verwechselt werden kann. Während letztere sich um Frauen und dazugehörige Freiheit von der Hausarbeit kümmert, kann der Motivationshintergrund der ersteren noch nicht ausgemacht werden.
Parolen wie "Free Santa Claus!" oder "Freiheit für die Osterinseln!" fehlen völlig; bislang ist nicht mal die Schädlichkeit des Marzipans nachgewiesen. Es gibt Menschen, die Marzipan lecker finden und vehement abraten, diese Substanz Feinschemckern vorzuenthalten.
Vielleicht hängt sich hier aber auch nur eine Thekenmannschaft aus Jux an eine ernstzunehmende Befreiungsbewegung, weil der Name so schön ähnlich klingt.

Kaffeeautomaten in Schulen haben Vorteile

Wer ist denn mit Kaffeekochen dran?, hallt es in den Raum. Keine Antwort. Betriebsames Schweigen, betretenes Ausdemfenstergucken.
Ich habe letzte Woche erst, ich bin nicht dran.
Die Anschaffung eines Automaten, der selbständig das braune Getränk aufbrüht, wird vorgeschlagen; entgegengehalten werden die Kosten und die Lieblosigkeit einer Maschine.

Dieser müßigen Diskussion kann man als Kollege oder Schulleiter, als Referendar oder Sozialpädagoge, Schulpfarrer oder befristet Angestellter  entgegenwirken. Es ist für alle etwas dabei, jeder wird über das Getränk hinaus profitieren:




Der Mathematiker überprüft aus dem Bereich Stochastik, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Automat das Bestellte auswirft, dass Wechselgeld gezahlt wird, dass überhaupt etwas ausgegeben wird?Er ist sinnvoll beschäftigt und kann keinen Unfug anstellen.

Der Biologe überprüft die Vermehrungsgeschwindigkeit einer Bakterienkultur, die sich spontan auf den Fliesen in einem Sabberfleck vor dem Gerät entfaltet;
der Sozialpädagoge  mit psychologischer Ausrichtung, der heimlich im Kaffeesatz liest, arbeitet hier am Neuansatz des Rohrschach-Tests und will Hinweise auf Psyche und pathologische Befunde der Automatennutzer.

Der Künstler  erfreut sich am Lichterspiel und interpretiert die aleatorischen Muster und expressionistischen Monotypien, die durch die Fugen der Bodenfliesen bereits gerahmt zu sein scheinen.

Der Musiker  lauscht dem Rhythmus der Mechanik, der Maschinenmusik, die in seiner faszinierenden Monotonie tranceartige Zustände provoziert.

Der Ganzheitspädagoge, der mit allen Sinnen wahrnehmen will, prüft visuell, tastet das Exsudat ab, schnuppert und leckt an ihm und befindet: Kalter Kaffee. Macht nichts, er hat sowieso vergessen, auditiv wahrzunehmen.

Der Germanist  freut sich über kreative Erklärungsgestaltung, warum ein Pappbecher voll heißer Automatenausscheidung, die man unter dem Stichwort Kaffee erhält, nicht in der Pause und auch nicht vor dem Unterricht getrunken werden kann, sondern in diesen hineingeschleppt werden muss.
Erörterung und kontroverse Diskussion schließen sich an: Soll nur der Plastikbecher mit Inhalt oder auch der Halter den Raum verlassen? Wer kommt schließlich für die Reinigung des dabei besudelten Teppichbodens auf?
Hier wäre die Rechtsabteilung einer Bezirksregierung bzw. ein guter Vertreter einer führenden Haftpflichtversicherung bemüht.
Welcher Quell an Stoff für den GL-Lehrer: Wieso eigentlich fairen Kaffee trinken, wenn man den normalen genauso teuer kaufen kann?
Pappbecher erhalten den grünen Punkt! Das ist doch eine gute Sache!
Der Theologe erklärt: Das hier ist kein Goldenes Kalb, dem die Koffeinabhängigen huldigen und ihr sauer abgeschwatztes Taschengeld spenden: Hier wird nur mit Wasser gekocht!

Der Anglist freut sich, dass der
Automat in Englisch angesprochen werden kann und er trotzdem auf Deutsch serviert; das gleiche gilt für Französisch.
Das Transportieren der biegsamen Becher, wenn sie mit heißem Gebräu gefüllt sind, schult die Feinmotorik
Und wichtig: Gelassenheit, die wir alle anstreben, wird ausgebildet: Gelassen wird der Gong überhört, wenn man Heißes in den Händen hält, und Vergossenes wird auf dem Boden gelassen.
Und wichtig: Drüber sprechen. Drüber hinwegschauen und drübersprechen.
Wichtiges wir unwichtig. Das macht uns alle lockerer und ein Stückchen weit frei. Und wenn es das Stückechen Zucker ist, das wir dem Ausgeschiedenen zufügen.

Kaffeautomaten sind ein Muss für jede Schule, die funktionieren will, für jede Anstalt, die intakt wirken will.

Haar, Haar!


Das Haar war anders geworden. Schütter. War das die Steigerung zu schütt?
Ben wusste es nicht.
Das Haar hatte sich einmal wie Haar angefühlt: Haarig eben, seiden und manchmal fettig-klebrig, in Verbindung mit Staub auch unkämmbar.

Jetzt ging es aus.
Ben hatte damals nie ausgehen dürfen, fiel ihm ein, immer um 8 zu Hause, später um 10.
Er hatte sich heimlich fortschleichen müssen, um die Freunde an der Ecke zu treffen, einen Kognak zu stemmen und Retina zu besäuseln, auf die alle standen. 
Sie aber stand auf den Kleinen von den Monkees, dieser Affenband. Der konnte noch nicht mal ein Instrument spielen, nur einen Schellenring, und das war nichts.

Ben griff sich durchs Haar.
Das war irgendwie so plattig, so krustig, so narbig.

Die Zeiten der Monkees waren vorbei.
Retina hatte eine Netzhautablösung und konnte nur noch tasten, was damals vielleicht  schön gewesen wäre, heute aber der Horror wäre.
Vielleicht wäre es gut, wenn sie in eine Steckdose tastete, eine ohne die fürchterlichen Kindersicherungen,

Das Haar, das Haar, dachte Ben.
Damals lang, heute kurz, damals Hinz, heute Schnurz.
Ja, ja, dachte Ben, mit den Redensarten hatte er es damals auch nicht so gehabt.
Mit den Redensarten und mit Retina.
Jetzt war alles zu spät.

Nicht sein wollen, wie sein sollen.

Bob fühlte sich mulmig, oder besser, bzw. schlechter: mullmig. So, als habe man ihn mit einem Mullverband umwickelt, habe ihm den Kopf umschnürt, ihn eingewickelt, umgarnt. Es war aber kein Garn, das Bob am Kopf spürte. Das waren harte Bandagen.
Ein Stützstrumpf für das Gesicht.
Das Leben war hart.
Er hatte ein Autoverkäuferimage. Was auch immer das sein mochte. Labern, bis die Karre verkauft war. Lässig den Riesendaimler vermitteln, die Schlüssel rüberwerfen, hahaha, das fährt meine Frau als Zweitwagen! Viel Spaß damit.
Bob hatte keine Frau. Und diese Nichtvorhandenefrau hatte weder einen Erst- noch Zweitwagen.
Ein Scheißjob.
Zu sein, was andere gern wären. Bob wollte nicht so sein.
Aber sein Chef erwartete, dass Bob wünschte, so zu sein, wie er es den Kunden als Wunschbild deklamierte.
Bob lehnte sich zurück und drückte mit dem Hintern eine Beule in die Beifahrertür der Jaguar-Limousine des Chefs.
Haftpflicht. Vollkasko.
Bob hatte es satt.
Zwei Jahr Haft. Haftpflicht. Jobverlust. Tütenkleben.
Das Leben war ein Eintopf. Oder: Durcheinander. Heute gab es Durcheinander. Mit Rauchenden.
Bob steckte sich eine Zigarette in den Mund und schraubte am Zippo. Am lässigen Zippo.
Eigentlich rauchte Bob gar nicht.

Parabeln - Günter Krass:Bitte (2002)


Morgens versuchte er immer, seinem Gegenüber im Spiegel eine Bitte vorzutragen. Aber es klang jedes Mal wie ein Befehl. „Heute wirst du Nein sagen!“ Mit Befehlen hatte sein Spiegelbild Schwierigkeiten. So blieb es bei Ja, auch wenn ein Nein die richtige Antwort gewesen wäre. Eines Morgens sagte sein Spiegelbild zu ihm, als er sich die Zähne putzte und sich wieder etwas für den heutigen Tag überlegte: „Warum kannst du nicht bitte sagen?“

Gedichte mit Lebensqualitätsgewinn" drin: Georg Krakl - Körperschreck

Vor dem Körper zu erschrecken,
einem Finger, einem Ohr,
heißt, ich muss ihn gut verstecken,
hinterm Schrank, vielleicht davor.
Dass ich ihn nicht sehen muss,
dass ich ihn nur ahne, das ist Lebensqualitätsgewinn
Und verhindert mir Verdruss.

Weiß nur oft nicht, wo ich bin.



Jetzt Casting

Das Casting in der Branche "Sandalenfilme (Ben Hur, Der Schuh des Manitou, Hannibal antipasti, et al.) läuft jetzt auf Hochtouren. Wer mitmachen will, schneidet seine Schuhe entsprechend zu.

Georg Krakl: Korn (2013)


Er kippte den Korn
vorn
und kippte in es nach hinten.

Lachen im Alltag


Frau im Bikini am Küchentisch: Hund, wie findest du meinen neuen Bikini?
Hund (kann kein J aussprechen): A toll.

Heute lacht man über die Kombination Bikini und Atoll, und keiner weiß genau warum.
Dass sich die Amerikaner hier in den Fünfzigern an Mensch und Natur vergangen haben, indem sie eine Atombombe zündeten, bleibt weitgehend unbekannt.
Fazit: Politisch nicht korrekt.

Die Alternative:
Frau im Bikini am Küchentisch: Hund, wie findest du meinen neuen Bikini?
Hund(kann kein J aussprechen): Ohne fänd ich besser
Frau: Ohne was.
Hund: Ohne dich.

Auch wenn dieser Witz eine frauenfeindliche Tendenz aufweist, kann man nicht wirklich lachen. Der Hund kann zwar kein J aussprechen, das bleibt aber unbemerkt, weil in dem Dialog kein J vorkommt.
Insgesamt lässt sich feststellen: Es ist nicht einfach im Alltag problemlos zu lachen. Selbst mit Hunden zu lachen wird zunehmend schwerer.