Heute: Die Welt geht unter

Ringo schluckte. Heute würde sein guter alter und zuverlässiger und auf sicheren Quellen basierender Küchenkalender enden.
Das bedeutete Weltuntergang.
Nirgends hing ein neuer Kalender.
Die Zeit war abgelaufen.
Alle hatten gelacht, als den Mayas nicht geglückt war, die Kugel zu versenken, aber das waren greise Gesellen, die verknittert aus dem Götterhimmel grinsten, weil sie sich wohl einen Scherz erlaubt hatten, den viele Menschen ernst genommen hatten. Scherze darf man nicht ernst nehmen, denn dann sind sie keine Scherze mehr.
Heute Nacht wäre alles aus.
Was konnte Ringo tun? Noch ein Apfelbäumchen pflanzen? Gut, es war mild und feucht draußen, optimal für eine Anpflanzung. Aber wenn der Frost zurückkäme, wäre es finito mit Äpfeln.
Obwohl das ja auch nichts mehr bedeuten würden, wenn die Welt heute unterginge.
Ringo überlegte, ob er seine Aktien abstoßen sollte. Auch das war jetzt zu spät.
Schnell noch 100€ spenden für Brot für die Welt?
Das gäbe Punkte für den Platz im Paradies.
Ringo zückte sein Portemonnaie und nahm einen 50 €-Schein heraus.
Die Sparkasse hatte noch offen.
50 € heute, 50 € morgen, falls die Welt noch steht, das ist der Deal, lieber Gott!, flüsterte Ringo, und glaubte seit heute wieder fast fest an den großen Weltenlenker. Wer weiß, wofür es gut war.

Jahresrückblick 2012

Januar
Februar
März

April
Mai
Juni

Juli
August
September

Oktober
November
Dezember


Ernst G.Meint: Flüchtige Umarmung (2012)


Während einer flüchtigen Umarmung im Saunabereich bemerkte Wildtrud, dass sie dicke Finger hatte, dass ihre Hand und ihr Arm überhaupt nicht zum Rest des Körpers passten, dass die Haut dieser Körperteile furchtbar rosa waren. Und der Kerl, der da zwischen ihren Fingern, nein besser zwischen ihren Armen klebte, einen kahlrasierten Schädel hatte und braun war, und Wildtrud überlegte, ob sich nicht doch Kontakt, oder zumindest eine Vorliebe, vielleicht sogar nur eine Neigung zur rechtsextremen Szene hatte.
Der braune Glattschädel trug aber keine Springerstiefel und auch keine weißen Schnürsenkel in diesen und außerdem nicht einmal eine Art Bundewehrhose in „schrecklich verwaschen“ und „fleckig“.
Was ist los mit meinem Leben?, dachte Wildtrud. Früher hatte sie NSU für ein Auto gehalten, an dem man vorne die Kühlerhaube öffnen musste, um festzustellen, dass der Motor hinten war, um dann die Haube dort zu öffnen, damit der Wagen nicht überhitzte.
Alles war irgendwie anders geworden.
Wiltrud liefen zwei kleine Tränen über die Wangen, denn sie wusste insgeheim, dass alles nicht ihre Schuld war; denn das war es nie gewesen. Vielleicht war es auch Schweiß.

Original und Fälschung: Kühlerhaube in den Sand stecken

Vassily Kannikski: Kühlerhaube in den Sand stecken (2011)
Drei Fehler gilt es zu finden in der Fälschung des berühmten Kannikski-Bildes "Kühlerhaube in den Sand stecken"
Kleiner Tipp: Das zweite Auto hat die Scheiben runtergekurbelt und im Original steht kein Bohrturm. Der dritte Fehler wird nicht verraten.

Weisheit des Alltags: Sei was du bist!

Ich will einen Prince!, rief die Prinzessin und sie war schon reichlich zornig.
Der Frosch, den sie nicht von der Bettkante geschubst hatte, plapperte in einem fort. Er sei ein Prinz, sie müsse ihn küssen, er sei verwunschen und habe ein weißes Pferd!
Einen Schimmel, meinst du?, fragte die Prinzessin.
Nicht direkt Schimmel, das wäre ja unhygienisch, antwortete der Frosch. Küss mich und du weißt mehr!
Die Prinzessin tobte: Ich will einen Rockstar und keinen klebrigen Frosch!
Ja, dann küss mich eben! Dann hast du einen Prinzen!
Ich hasse Prinzen!, schrie die Prinzessin. In einer Strumpfhose mit einer Feder am Hut auf einem Schimmel, das ist doch lächerlich!, schrie sie.
Na ja, sagte der Frosch, aber der Prince ist ja so ein Dünner, irgendwie eher nicht heterogen, hat so einen spitzen Mund mit einem Oberlippenbärtchen; das ist doch nichts für eine richtige Prinzessin...
Halt dein Maul, schrie die Prinzessin, halt dein Froschmaul, ich werde jetzt nicht unhöflich, denn Frösche haben ein Maul, und dieses Maul werde ich nicht küssen!
Sie erinnerte sich an die Grimmschen Märchen, und da hatte niemand einen klebrigen Frosch geküsst, sondern den einfach an die Wand geklatscht. Immerhin war dann ein Prinz aus dem Gematsche herausgekrochen. In Strumpfhosen, aber ohne weißes Pferd.
Sie griff den Frosch  am Schenkel und knallte ihn vor die mit Seidentapeten beklebte Wand. Ein merkwürdig ekliges Geräusch war zu hören und an der Wand klebte ein zerschmetterter Frosch. Nichts mit Prinz oder Prince.
Die Prinzessin nickte und sagte: Mal wieder recht gehabt. Von wegen Prinz. Von wegen Pferd. Von wegen Strumpfhose und Feder am Hut.
Frosch bleibt Frosch.
Und das hätte sich der Frosch auch sagen können .
Schuster bleib bei deinem Rappen.
Du bist, was du bist. Da helfen auch keine Küsse!

Eh wurscht und E-Wurst

Die schönsten und erfolgreichsten Erfindungen kommen oft nebenbei. Da sagt die Dame: Das ist mir eh wurscht und meint vielleicht einen vegetarischen Bratling, der nicht schmeckt. Es ist ihr eh wurscht, denn sie isst das Sägemehlzeugs sowieso nicht.
Der bisher noch unentdeckte Erfinder, der sich bislang seiner Sprachbegabtheit rühmte, leitet von "eh wurscht" sofort E-Wurst ab und zieht Parallelen zur E-Zigarette, die mittlerweile kein Gesprächsthema auf dem Markt für Lungenkrebs ist.
E-Wurst, das wäre es! Die macht jede Imbissbude überflüssig, selbst der Gast auf der sommerlichen Gartenparty kann jetzt selber sein Würstchen grillen.
Wie soll das gehen: In die E-Wurst wir eine Stange geschoben, die, batteriebetrieben, das Fleischgemansche erwärmt und gart. Nach diesem Vorgang kann das Fleisch einfach von der Stange gekaut werden; die Batterie kann an jeder Steckdose wieder aufgeladen werden, ein reiner Kabelstrombetrieb ist auch möglich. Denkbar ist auch der Einsatz als E-Schaschlik, denn das Stäbchen, früher aus Holz, findet ja auch in diesem Gericht besondere Verwendung.
Im Winter kann das Gerät nebst Wurst gleichzeitig die Hände wärmen, wenn diese die Wurst umschließen. Wintergrillen! Da lacht die fleischverarbeitende Industrie.
Bisher ist allerdings noch nicht geklärt, wie man die Bräunung außen ohne Chemie-Zusätze erreichen kann. Aber auch da wird sich eine Lösung auftun. E-Ventuell.

Georg Krakl: Die Tüte breit (2012)


Die Welt so bunt,
das Rund so rund,
der Kopf so weit,
die Tüte breit.

Voll Filz die Laus,
in Saus und Klaus
und Hetti und Chantal,
die Zahl

ist groß
und schwer das Los
der Fernsehlotterie.
Ach, schlotter nie!,

sprach einst der Papst zu mir,
und lotter nie
das Otterknie!
Und kotter die

Ravioli nicht!

Das war mir arg zu schlicht.
War denn der Papst wohl aus dem Pott?
Vielleicht bankrott?

Sein Name war mir just entfallen,
kam der wohl aus St.Gallen?
Ja, hieß er Klaus?
Vielleicht auch Walter.
Kannsein auch „Kartenschalter“.

Ich zog an meiner Tüte
Und seufzte schwer: Du meine Güte!

Lebenshilfe im Alltag: Hat Ihnen diese Rezension geholfen?


Greiser Vater und Nähmaschine
Wer eine Nähmaschine kaufen will, z.B. bei Amazon, sollte schnell mal die Rezensionen lesen, will heißen: Kunden haben was erlebt mit ihrem Produkt und schreiben jetzt darüber, um andere zum Kauf zu animieren oder ihnen davon abzuraten.
Nicht immer wird klar, ob man zuschlagen soll, oder nicht.


Es Kamm schnell an , 
innerhalb 2 Tagen war es da. 
Naja leider hat mein Vater sein Weihnachtsgeschenk selber in entlang genommen . 
Als wir aus probiert haben war die Lampe an und gab es einen Knall. Die Lampe war kaputt. Aber für diesen Preis kann man echt nichts sagen, in den Läden kostet die Nähmaschine mehr wie hier und die Lampe kostet gerade mal 2.50€ also macht man sich nichts draus und kaufen eine neue Lampe.

Man glaubt ja anfangs, hier habe ein Kunde einen Kamm bestellt, der auch angekommen ist, und der irgendetwas mit dem, vielleicht schon barhäuptigen, Vater zu tun hat, der so kurz vor Weihnachten seine Geschenke nicht nur sucht, sondern wohl auch auspackt.
Wenn ein Pakt kommt, muss es jemand in Empfang nehmen; der greise Vater, der sich eine Nähmaschine gewünscht hat, nimmt das Paket entlang, was wohl heißen soll, dass anschließend die Lampe kaputt geht. Dem voraus eilt ein Knall; das Entlangnehmen kann man als "Knappnebenhernehmen" verstehen, denn das Objekt ist wohl auf die Erde geknallt.
Wenn man die Lampe so richtig anhat, geht die nach einem Knall schon mal aus, und alle merken, wie bekloppt die Situation ist: Der Vater will gar keine Nähmaschine, die aber war eben so günstig und frei Haus lieferbar. Für Zweifünzig kann man nichts sagen, gesagt wird erst ab 5 E, da lohnt es sich allerfrühestens.
Kaufen neue Lampe.
Dann kann man sehen, ob Maschine noch gehen und nähen und Vater durchknallen.

Die Rezension regt zum Kauf an, denn was im Zusammenhang mit Bestellung und Lieferung alles passieren kann, das ist durchweg spannend und erheitert das Leben, das sonst eher alltagstrüb ist.
Auf jeden Fall Prädikat: *****


Manchmal sind Grammatikfehler zwingend: Georg Krakl - Beschiss

Albrecht Türer: Kopp von RP (2012)
Der Kopp, der hatte son
bisschen was von Robert Patteson
dem chicen Jung-Vampir
in Bis(s).
Scham dir
für Blut- und Filmbeschiss!

Georg Krakl: Kraulen und Graulen (2012)

Ich hab den Weihnachtsmann vergrault,
ich habe ihn am Bart gekrault.

Was ist Freiheit?

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Zähne nach China

Er will meine Zähne, dachte Elfie.
Er will meine Zähne, dachte Elfie, er will meinen weißen Zähne. Elfie krallte die Finger in den Behandlungsstuhl. Warum haben diese Stühle keine Armlehnen?, dachte Elfie weiter, an denen man reißen könnte, an denen man beweisen könnte, wie stark man ist, dem Zahnarzt zeigen könnte, dass nicht mit einem zu spaßen ist.
Er will meine Zähne, dachte Elfie, er will meine weißen Zähne und verkauft sie nach China, wo dann daraus billige Prothesen fürs Volk gemacht werden, die, wenn sie entsprechend eingekaut sind, wieder in den Westen verkauft werden. Nicht ohne ein paar Spritzer Weichmacher beigemengt zu haben. In den Zahnzwischenräumen würden wahrscheinlich noch gebratene Muskelfasern vom Hund sein.
Der Zahnarzt hob sein Werkzeug und fasste Elfie an den Kieferknochen.
Elfie presste die Zähne zusammen. Meine Zähne gehören mir, ich gebe nichts, auch wenn Weihnachten ist, auch der faule ist meiner, wer weiß was die Chinesen damit machen werden.
Der Kampf Gut gegen Böse war noch nicht geschlagen und jeder musste seinen Beitrag leisten.
Er will meine weißenweißen Zähne, presste Elfie heraus und holte zu einem gewaltigen Kniestoß aus.

Georg Krakl: Katzenkopf (2012)

Katze, Katze,
bist versteinert und ganz hart,
wo du früher zart
und flauschig,
wo dein Schwanz so weich und bauschig,
deine Tatze weich
und dein Schnurren einem E-Bike gleich
gewesen.

Jetzt dienst du als Katzenkopf
einem Straßenpflaster,
stützt das und die Laster,
lässt dich überrollen und betreten,
ungebeten.
Niemand fragt:
Was die Katze da wohl sagt?

Katze sagt nichts mehr.
Außen hart und innen schwer.
Kann nichts tun und kann nur sein.
Katze ist aus Stein.


Wenn Müll zur Qual wird.....

Neues Fachblatt gegründet.

Manche halten es für Lifestyle, andere nur für Unrat; Selbstausdruck und Kunst ergänzen die Argumente, die für das Anhäufen und Verbleiben von Materialien, Büchern, Elektrogeräten, ungeöffneten Kartons, Speiseresten, Cromargan-Platten und leeren Batterien gefunden werden.
Nicht jeder kann das nachvollziehen, denn Sozialisierung und Psyche sind unterschiedlich. 
Der von der Rasenkantenschneider-Mentalität der Nachkriegseltern Geprägte, der Strukturbedürftige und der Zwängler, der sogar die Unterhosen bügelt, wettern natürlich aus dieser Disposition heraus, dass der Unrat verschwinden müsse. Weg mit dem Dreck!, wird populistisch gereimt und damit werden Kreativität und Selbstausdruck niedergebrüllt.
Eingeschüchtert wagt der Sammlertyp nur noch heimlich, wenn er sich unbeobachtet fühlt, seinen Stapel Arbeitsblätter aus dem Vorvorjahr oder die Ansichtsexemplare nebst Begleitschreiben im Raum zu platzieren. Dabei ist es ihm ein Bedürfnis, etwas nicht wegzuwerfen, sondern aufzubewahren. Hier zeigt sich der erste Typus: Der konservierend-konservative. Das Alte gilt es zu bewahren, die Schätze der Vergangenheit zu sammeln und griffbereit zu halten. Wer weiß, ob wir da nicht noch etwas haben, über das ich mich selbst bzw. jemand anderer noch freuen wird? Wer will auf den Aha-Effekt verzichten, wenn unter dem Stapel auf dem Regal noch ein Dokument aus dem Jahre 1999 gefunden wird,  aus dem letzten Jahrtausend! Da hüpft dem Historiker das Herz in der Brust und die Hermeneutik will sich in voller Pracht entfalten! Der konservierend-konservative Typus geht noch einen Schritt weiter: Bereits Entsorgtes führt er einem noch existierend Haufen zu bzw. gründet einen neuen, dessen Aspekte nur ihm einleuchten, der Umwelt aber unwirklich und sinnentfremdet erscheint.
Unbewusst drückt der Typus den Wunsch des Festhaltens und Nicht-Loslassen-Könnens aus; er trauert dem Kindsein mit seinen Allmachtsphantasien nach und will diesen Zustand erhalten, was aber durch die Realität des Erwachsenseins verhindert wird. Er kompensiert das Unmögliche durch das Aufbewahren des Aufbewahrbaren und beweist mit jedem Stück mehr in der Sammlung die Richtigkeit seines Vorgehens.
In der nächsten Ausgabe:
Hier bin ich, hier will ich sein! Der demonstrative  Typus

Weisheit des Alltags: Kuck mich mal an!

Besser leere Gesichter als hohle Köpfe.

Georg Krakl: Fredi (2012)

Fredi ist so friedlich
und so niedlich
tut der Fliege nichts zuleide
nur die Beine raus und nur die Flügel ab
Fliege hat kein Grab

Fredi leidet
wenn die Weide
sich am Leid der Fliege
weidet

Wenn ein Kind zählen kann...


Das Kind zählt vor. Das Tempo des Lebens. Das Kind.
Kinder sollten immer vorzählen, aber dieses Kind war ein Wechselbalg. Es sprach nur die englischen Zahlen und dann nichts mehr. Schwieg, starrte und schwieg.
Die Erwachsenen standen um den Grill und die Bratwurststückchen blieben im Mund stecken. Der Beat stampfte in ihren Köpfen. Es war das billige Bier, das der Gastgeber ausschenkte, um zu sparen.
Betrug an der Gemeinschaft, murrte das Volk und dachte, dass man sich doch auf der letzten Neusiedlergemeinschaftsversammlung geeinigt hatte, nur Qualitätsbier für das Ablöschen von Bratwurst zu nehmen.
Jetzt war es zu spät, die Feier war gelaufen.
Die Großen waren blau und das Kind starrte. Das einzige Kind in dieser unseligen Gegend.
Wieso nur dies eine, dachte Elmar und seine Finger krümmten sich in der Hose um sein Geschlecht.
Mary von Haus 16 hatte ihm gefallen, aber sie war mit Berti zusammen, den musste er respektieren, weil sie gemeinsam auf eine Scheibe geschossen hatten, aber ein Kind hätte er mit ihr gemacht, wenn sie gewollt hätte.
Ein Kind stand und starrte, ein einzelnes Kind. Wie sich das fühlen musste.
Eine Welt ohne Kinder!, hatte Brett damals posaunt, eine Welt ohne Kinder!, und alle hatten gegrölt, jau, und ohne alte Leute, nur so groovige Typen wie wir!
Alle gut drauf und einen drauf gemacht!
Jetzt bekamen sie die Rechnung: Das Kind starrte und schwieg.

Ratze im Käseland

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Hinter den Masken

Wenn wir in die Menschen hineinblicken könnten, stellten wir fest, dass sie nicht immer so schön sind, wie sie von außen aussehen. Im besten Fall sind sie genauso hässlich.
Was hinter der Fassade lauert, ist das wahre Du, das, was hinter der schönen Maske verborgen ist und sich auf uns stürzen will.
Hier könnten unsere Albträume Wirklichkeit werden, wenn wir denn hinter diese Maske blicken.
Der Inder glaubt, dass ein Lächeln, das man aussendet auch zurückkommt, dass dieses Lächeln die Welt etwas schöner macht.
Hinter der Maske befindet sich aber nur das Grinsen auf einem zahnbewehrten Maul, dass Gift und Galle spuckt, wenn man es provoziert.
Schönheit ist relativ. Die Elefantendame findet große Ohren chic und das Krokodil ein großes Maul. In der Tierwelt muss sich keiner verstecken, alles hat seine Berechtigung, das so ist, wie es ist.
Nur der Mensch versteckt sich, will anders wirken, als er ist.
Und wir anderen wissen nicht, ob Elefant oder Krokodil hinter dem "Was-darf's-denn-sein-Gesicht?".
Das Schlimmste aber ist der Karneval, wo der alltäglichen Kostümierung noch eine weitere zugeführt wird. Man kann nur hoffen, dass diese sich dem wahren Du nähert.
Was aber kann helfen?
Vielleicht einmal den Schminktiegel gegen eine einfache Hautcreme vertauschen und ein Lächeln aufsetzen, wenn man den Nachbarn trifft ,und der einmal nicht gerade den Rasen mäht oder Kanten schneidet. Vielleicht schippt er im Dezember ja auch Schnee, und da könnte man ins Gespräch kommen.
Du bist es, der die Welt schöner macht.

Im Einzelfall allerdings auch, wenn du im Haus bleibst.

Neo-Dadaismus: Theo von Doeskopp - Durch und Lurch

Hans de Aap: Einszweidrei (2012)
Da sind zwei, die sind so unterschiedlich, und sie möchten gerne eins werden, sich erden, die sind so niedlich, die sind so frei, so friedlich und doch so nebenbei, so durch und durch nur nebenbei, der Lurch von nebenan, kann und will das nicht verstehen, er müsste weinen und dann gehen, greinen und verstehen, dass niemals drei, außer Brei, etwas Sinnvolles, etwas Tolles oder Schönes leisten. Am meisten stört ihn das mit diesem Brei, der reichte doch für drei, so denkt das Wechselblütlertier, hier und jetzt, da reicht der Brei nicht nur für zwei. Bin ich denn der Dritte, oder geh ich in der Mitte? Bin ich doch der Zweite, geh ich in die Breite, oder in die Weite? Bin nur ein Lurch, da reimt sich nichts, nur "durch". Durch und Lurch, die zwei, die sind so unterschiedlich, und sie möchten gerne eins sein. Eins wie keins. 

Was will Kunst-Gekritzel?

Vassily Kannikski: Krizzelblume (2012) (Aus:
Von meinem Krizzelblock 2012)
Picasso hat ja einige Weihnachtsmänner für horrende Summen verkauft. Die waren nur aus einem Strich gefertigt! Sahen aus, als habe ein Vierjähriger unter Drogeneinfluss mit Anleitung von Tante Erna gearbeitet. Trotzdem! Verkauft. Wahrscheinlich, weil ein paar andere Bilder vom Maler mit Farbe gemalt worden waren und schöner aussahen. Bunter.
Jetzt kommt der Kannikski daher und versucht dasselbe.
Gut, er braucht mindestens zwei Striche und einen langen Punkt, aber das System ist das gleiche.
In ein paar Sekunden hat man dreißig Bilder hingekritzelt und vielleicht eine fünfstellige Summe auf dem Konto. Wenn denn einer kauft!
Was die Krizzelblume - niedlich: Krizzel mit Doppel-z- nun winters bedeuten mag, weiß keiner.
Es macht die Jahreszeit nicht weihnachtlicher, wohl aber das Unbehagen angesichts drohenden Konsumterrors. Im Rausch der Vorfreude aufs Fest lässt sich vielleicht der ein oder andere zum Kauf verleiten, weil er nicht schon wieder eine Friteuse schenken mag.
Ob sich Kunst hier nicht selbst Gewalt antut, bleibt als Frage offen.
Auf jeden Fall geht das gewaltig auf die Nerven.

Blüten im Dezember

Im Winter, wenn es schneit, von Blüten und Frühling zu reden, das ist seltsam, da schütteln die Menschen den Kopf und fassen sich an die Stirn.
Sie alle knibbeln ihre Adventskalender auf und freuen sich, dass das Bild eines Balles den 8. Dezember signalisiert, und dieser eine abständige Unmensch freut sich über Blütenblätter, die in seinem Kopf, vor seinem inneren Auge herunterrieseln.
Rieseln denn Blütenblätter?, fragt der abseits Denkende und an Sprache Interessierte.
Vielleicht rieselt der Kalk in deinem Inneren, der an deinen Hirnzotten abgeplatzt ist?, schnauft der Dämon aus dem Ostergras.
Das Hirn hat keine Zotten!, kontert der Frühlingsliebhaber, denkt aber trotzdem darüber nach, ob das die Folge eines Spritzers Kalklöser ist, die er dem Morgenkaffee beigefügt hat.
Heutzutage ist es schwer, anders zu sein.

Anmut im Alltag

Pawel Pikass: Almut (2012) (Aus: Aus meinem Krizzelblock)
Der Alltag ist oft verwirrend und wir wühlen und räumen, und schieben und kratzen, putzen und kramen, um ein bisschen Anmut zu entdecken, die diesen Alltag erträglich macht.
Manchmal findet einer, wenn er seine Decken zusammengelegt hat, die Almut, die schon etwas verstaubt und von Atemnot gequält scheint, weil die Decken eine ganze Zeit nicht gewaschen worden sind.
Das mag aber entfernt nur mit Anmut zu tun haben, die wir die ganze Zeit gesucht haben, während unsere Decken verschmutzten.
Vollgeschlabberte Teller türmen sich, Tassen und Terrakottafiguren starren vor Dreck, die Post der frühen Jahre liegt noch ungeöffnet unter dem Briefschlitz in der Haustür. Hasso bellt dumpf um die erlösende Spritze und das Katzenklos müsste auch mal wieder gereinigt werden.
Anmut!, schreit der Suchende, Anmut!
Almut wankt aus dem Schlafzimmer auf den Flur und flüstert: "Was ist?"
Die Welt ist voller Wirrnis, und wir sind mitten drin.

Peter Unterwolf: Bin jetzt mal weg (2012)

Pawel Pikass: Verhaltene Lebensfreude (2012)


Hat Verdruss.
Steine 
an die Beine.
In den Fluss.

Fotos schöner machen - Ganz einfach



Es geht so schnell,  aus einem Foto, das kurz vor dem Papierkorb hängt, ein ansehnliches Objekt zu machen.
Nehmen wir das Bild einer Person, die etwas holzig daherkommt, deren Haare an Spliss leiden und vielleicht sogar schielt; möglicherweise ist eine schlecht operierte Hasenscharte eine weiteres Manko, das dem Menschen das Leben schwer macht.
Auch wenn die Wirklichkeit nicht verändert wird, so kann der oder die Betroffene das geschönte Foto zu Hause aufhängen oder an Verwandte und Freunde verschenken.Etwas Rot, etwas Blau, feine Zunge, halbe Lunge und das Haar in Spraydosenmagenta! Das macht was her, da kommt doch Laune auf. Da macht Fotografieren auch wieder Spaß, denn egal, wie die Fotos werden, mit oder ohne Motivklingel (hahaha!) kann das keinen mehr kratzen. Ran an den digitalen Pinsel!

Da hinten liegt Amerika

Das ist nicht Amerika, dachten wir.
Da hinten liegt Amerika, sagte der Vater, wenn unsere Beine zu müde waren, um noch weiterzukrabbeln.
Was ist denn Amerika?, fragte wir, denn in unserem jungen Käferleben hatten wir noch nichts über Amerika gehört.
Amerika ist Amerika, sagte der Vater, das kann man nicht erklären, das muss man erleben. Also, auf jetzt, die Beine geschwungen und ab! Ihr habt doch sechs davon, da wäre es wohl gelacht, wenn ihr das nicht schafftet.
Seit wann lachen Käfer denn?, fragten wir den Vater, und der sagte: Seit es Amerika gibt!
Dankeschön, bedankten wir uns, und uns wurde auch klar, dass Käfer zur Ironie neigen können, wenn sie durch dumme Antworten dazu gezwungen werden.

Wir wollten nicht nach Amerika, weil wir nicht wussten was wir da sollten. Letzte Woche sollten wir noch bis Europa krabbeln und dann stellte sich heraus, dass Europa ein durchgesessener Ohrensessel war. Europa!
Und jetzt Amerika. Das war nicht fair.
Endlich erreichten wir den Rand der Muschel und blickten auf den Wohnzimmertisch, der auf seiner glatten Oberfläche einige kreisrunde Gläserabdrücke aufwies.
Das soll Amerika sein?, fragte wir missmutig.
Nein, das natürlich nicht, aber ein kleines Stück hinter dem Wohnzimmertisch, da liegt es und freut sich auf uns, wollte der Vater uns Mut machen.
Ich krabbel heim, sagt Max und ich schloss mich ihm an. Weiß du denn wo das liegt?, fragte ich Max.
Nein, sagte Max, aber das ist doch allemal besser als Amerika.

Vorweihnachtszeit


Der Weihnachtsmann räkelte sich.
Unbehagen.
Er hatte den ganzen Sommer und den Herbst durchgeschlafen. Es war frisch und kalt in seinem Kobel. Er ahnte, dass es Dezember war.
Der Weihnachtsmann grunzte und blinzelte. Dezember. Klar. Der Kalender sagte es eindeutig. Zeit, die Rentiere parat zu machen. Die würden wahrscheinlich die letzten Monate wie jedes Jahr über die Stränge geschlagen haben und ihre fetten Bäuche kaum vor den Schlitten schleppen können.
Und überhaupt: Was sollte das Ganze mit Weihnachten überhaupt. Das war doch Konsumterror. Obwohl jedes Jahr der Schlitten leichter geworden war, kaum noch Geschenke, alle bestellten im Internet, diese verwanzten Weihnachtsmänner.
Das konnte einem die Lust auf Bescherung verderben.
Beschneidung statt Bescherung!, dachte der Rotmantelweißbart verärgert. Das tat wenigstens richtig weh! Internet. 
Am liebsten würde er liegenbleiben und noch ein Ründchen ratzen, aber das gab bestimmt Ärger mit dem Christkind. Das war doch jedes Jahr so hyperaktiv, freute sich noch auf diese blödselige Stimmung, Glöckchenklingeln und dann im weißen Unterhemd durch die Wohnzimmer zischen, Geschenke unter den Baum und ab die Post, dass es bloß nicht gesehen wurde. Was nützte denn das lockige Haar und das weiße Unterhemd, wenn es keiner sah?
Die Zeiten hatten sich geändert. Das war nicht schön.
Der Weihnachtsmann erhob sich mühsam, die Knochen knackten und schmerzten, zum Zahnarzt hätte er im Herbst auch gemusst. Jetzt war keine Zeit mehr dazu.
Wenigstens war kaltes Bier im Kühlschrank. 
Aber zuerst musste er die Rentiere wecken, die bestimmt noch im Koma lagen.
Besinnliche Vorweihnachtszeit!, spuckte der alte Sackträger aus. Nächstes Jahr! Nächstes Jahr war Schluss. Altersteilzeit und fertig!
Aber dieses Jahr war dieses Jahr.

Zeichen in der Blumenschale

Seit Wochen stand das Besteck in der Blumenschale, beharrlich, aufrecht und ohne jeglichen Humor. Achtlos waren die Menschen daran vorbeigegangen und hatten geplaudert oder geschwiegen, sich aber keine Gedanken gemacht, welche Bedeutung das Messer und die ungleichen Gabeln hätten haben können.
Eine Botschaft war es eventuell. Hatte organisiertes Verbrechen die Hand im Spiel, der Finanzberater vielleicht?
Was konnte das Ensemble bedeuten?
Die Messer werden gewetzt, und dann könnt ihr die Gabeln abgeben?.
Menschen aus einem anderen Kulturkreis mussten hier zu Werke gegangen sein. Denn eigentlich heißt es "die Löffel abgeben" oder "etwas hinter die Löffel bekommen". Immer noch gibt es in Ländern mit komischen Sprachen   Lücken in der Esskultur. Zwar können sich die Menschen "eine Suppe einbrocken", sind aber nicht in der Lage, sie auszulöffeln, weil es keine Löffel gibt. Da musste wieder das starke Europa eingreifen und den Schuldenschnitt machen, obwohl dazu gar kein Löffel gebraucht werden. Und die Botschaft?
Wenn du keinen Löffel hast, dann behalte wenigstens das Messer und die ungleichen Gabeln! Oder: Versteck das Besteck im Dreck!
Interessante Gedanken. Aber was konnten sie bedeuten?
Auch auf organisiertes Verbrechen und Finanzberater ist mittlerweile immer weniger Verlass.

Modetipp Pudelmütze

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Georg Krakl: Meister Lampe (2012)


Meister Lampe, Meister Lampe, wo ist deine Schlampe?
Ach Geselle Strahler,ach Geselle Strahler, wo ist dein Koala?

Ach, du Meister, falscher Reim und falsches Tier!
Und die Schlampe ist nicht hier!

Strahler, Strahler, Lohn für dich beträgt zwei Taler!
Kürz ich dir,
Würz ich mir,
das Tier,
wenn es tot.
Brat es dann und nimm's mit Brot.

Meister, Meister, das nicht gut,
wenn man einem Tier so tut.
Und Koalas sind geschützt. Behütet.
Deine Schlampe: Wohlbetütet.
Aber ist verschlampt und so verdreckt, ach Meister, wo hast du die nur versteckt?

Ach Geselle Strahler, bist ein großer Prahler,
bist entlassen.
Geh zur Schlampe! Kann's nicht fassen.

Meister, und das Tier?
Ach,das lass ich dir.
Bring's zur Tierkörperverwertungsanstalt.

Meister, darauf reimt sich nichts.
Höchstens dieser Genetiv: Des Wichts.

Wenn die Welt Kopf steht....

Baum,Baum, stichelte Snork, wie du wieder rumläufst.
Was willst du schon wieder, Snork? Die alte Buche blinzelte müde und brummte ihre Frage.
Du hast ja einen Moosgürtel, stichelte Snork weiter, der ist ja voll retro, also retro im Sinne von völlig unhip.
Red deutlich, dass ich es verstehe, Snork!, brummte die Buche weiter.
Und deine Hose, alte Buche, stichelt Snork immer weiter, die steht offen. Der Hosenstall ist nicht zu. Unzu praktisch.
Was willst du Snork? Die Buche wurde ungeduldig. Ich trage überhaupt keine Hose und einen Moosgürtel schon lange nicht. Aus Moos sind alle meine Schuhe.
Ich sehe aber, Buche, dass deine Hose aufsteht, da lässt sich nicht  dran rütteln. Snork war eine Nervensäge.
Snork, der Ton der Buche wurde jetzt ungeduldiger und eine Spur aggressiv, Snork, wenn du jetzt nicht aufhörst, nimmt das ein übles Ende.
Ach, Buche, du mit deinen Drohungen!
Snork, du hängst doch wieder mit dem Kopf nach unten an meinem Ast Nr.23 und redest deshalb wirres Zeug, brummte die Buche weiter.
Ok, ok, jetzt Snork, du hast mal wieder recht. Bist du eigentlich belesen, Buche?
Was soll das?
Ja, weil, Buche kommt doch von Buch, oder?
Was für eine Satzstellung!, wurde die Buche lauter.
Schwachkopf! Buch kommt von Buche, damit du es weißt! Fast brüllte die Buche, denn Snork geht ging gewaltig auf die Wurzeln.
Snork dreht noch ein letztes Mal auf: Kennst du diese Redensarten, wenn du so belesen bist? Weiden sollst du schneiden, Eichen sollst du farbig streichen,  Linden sollst du schinden, Pappeln lässt man zappeln? Und: Buchen schnell verfluchen?
Du Unhold, schrie die Buche, und holte zu einem gewaltigen Schlag mit Ast Nr.24 aus, verschwinde augenblicklich!
Verfluchte Buche!, zischte Snork grinsend, sprang auf die Beine und war verschwunden.
Linden schinden, das war jetzt angesagt.

Ernst G.Meint: Ein Kunstwerk sein


Er hatte den abgedunkelten Raum betreten und stand vor einem Kunstwerk.
Eine grüne Silhouette beschrieb seinen Umriss, und immer, wenn er sich bewegte, bewegte sich auch das Kunstwerk.
Irgendeine computergesteuerte Maschine projizierte seine Umrisse auf die Leinwand. Er war das Kunstwerk. Er war einmal kurz hinausgegangen und hatte festgestellt, dass sich nicht nur der Raum, sondern auch die Leinwand leerte.
Schnell war er zurückgekehrt.
Endlich hatte er die Bedeutung, die er immer gewollt hatte.
Grün und grau, ein Kunstwerk. Solange er im Raum blieb.
Wenn andere Besucher hereinkamen und sich zu dem grüngrauen Bild gesellen wollten, trieb er sie mit einem aggressiven Zischen aus der Projektion.
Er war das Kunstwerk.
Am Abend stand er noch immer dort und war irgendwie wacklig auf den Beinen.
Es strengte ihn an, ein Kunstwerk zu sein. Aber alles hat seinen Preis, beruhigte er sich.
Später bat man ihn, das Museum zu verlassen; er aber zischte nur laut und eindeutig.
Es würde sein Lebenswerk werden, endlich hatte er seinen Platz gefunden.
Der Wagen kommt gleich, sagte ein Angestellter dem Mann, dessen Aufgabe war, den Raum mit der Projektion zu bewachen. Ist unterwegs.

An der Grenze wohnen

Überflieger Akademikersohn

Möllenhoff, Dr. Möllenhoff, stand immer mit verschnupfter Nase, rot und spitz, vor der Klasse und versuchte uns Latein oder Französisch beizubringen. Welche Sprache es damals war, verblasst heute hinter seiner sich immer wiederholenden Frage: Wohnst du an der Grenze? Du sprichst, als kämst du von der Grenze.

Was war ihm widerfahren, dass er diese Frage stellen musste, die Kritik an unserer Sprechfähigeit versteckte, die eigentlich keine Frage, sondern eine Antwort war: Du sprichst komisch, du bist dumm, wenigstens aber ungebildet, mit deinen Eltern kann es auch nicht weit her sein.

Wir beobachteten seine spitze, rote Nase und lauschten dem näselnd-verschnupften Ton seiner Stimme, ohne uns um den Inhalt zu kümmern. Allein die Frage nach dem Lebensort „Grenze“ blieb in uns haften und kehrte,  weil unbeantwortet, immer wieder in unserem Leben zurück. Da stand Dr.Möllenhoff in seinem grauen Anzug, unter dem er ein steif gebügeltes Oberhemd trug und einen unscheinbaren Schlips.

Sein  Sohn tauchte eines Tages auf, in der Klasse unter uns als Schüler der Lehranstalt. Er flog in den Pausen über den Schulhof, in einem imaginären Flugzeug, vielleicht einem Bomber. Wir lachten über ihn, denn wir hatten sonst nichts zu lachen. Wir freuten uns so, dass der möllenhoffsche Sohn sich verhielt, als lebte er schon lange an der Grenze. Er brummte und summte, so wie er sich das Motorengeräusch eines Bombers oder eines Transportflugzeugs vorstellte, manchmal imitierte er Geräusche von schwerem Geschütz, und irgendwann lachten wir nicht mehr, denn der Sohn flog und flog und flog.
Nicht einmal einen  Absturz simulierte er, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten.
Was musste er erlebt haben, dieser Überflieger eines Akademikervaters? Vielleicht stellte Dr.Möllenhoff auch zu Hause die immergleichen Fragen und dem Sohn blieb nichts anderes übrig, als davonzufliegen, sprachlos und unermüdlich.
Der Sohn half uns entspannt zu lächeln, wenn Dr.Möllenhoff uns seine Fragen stellte.
Doktor, Doktor, dachten wir, schau auf deinen Sohn!

Badekappen in Abhängigkeit

Selten treffen wir in Hallenbädern formschöne Damen, die mit hässlichen Badekappen ihre Bahnen ziehen.
Wäre dies häufiger der Fall, könnte man mit der Gummikopfbedeckung auch etwas Schönes verbinden, sehr zum Wohle der Badekappenindustrie.
Trifft ein Schwimmer auf eine dieser Damen, so würde er wohl urplötzlich mit einem "Was für eine wunderbare Badekappe, voll retro!" einen ersten Kontakt herstellen, um anschließend im angegliederten Restaurant bei einer Schale Pommes und einem Amselfelder den Feierabend zu starten, der natürlich irgendwie gemütlich werden soll.
Da jedoch Badekappen häufiger von Frauen getragen werden, die Angst um die Dauerwelle haben und somit einer Generation angehören, die den eben genannten Personen fern stehen, verbindet der Freizeitsportler die Badekappe mit den Attributen unschön, stinkt nach Gummi und hat Falten auf der Oberfläche. Damit hat es sich erledigt für für Ästhetik der Badekappe, denn sie ist wie kein anderes Produkt abhängig von der Trägerin.
Bitter, aber wahr. Vielleicht sollte im Zuge der Loslösung aller Abhängigkeiten, wie vom EU-Parlament schon länger ins Auge gefasst, das Tragen von Badekappen gänzlich untersagt werden. Aber wohin dann mit Berufen wie Badekappendesigner, Badekappenformer, Badekappendekorateur und Badekappenprüfer? Die Sozialkassen werden aufjaulen, und das ist schlimmer als nach 1000m Brustschwimmen eine Badekappe zischen den Fingern zu halten, in der ein Mann steckt.

Themenwoche Tod: Einmalige Events

Den Tod kann man nur einmal erleben.

Ernst G.Meint: Heidrich

Du musst ihm vergeben. Verzeihen.
Benno hasste es, etwas zu müssen. Müssen, müssen, müssen. Benno wollte selber entscheiden.
Wir haben das doch besprochen. Sonst wirst du das nie los.
Vergeben, das war schön gesagt. So einfach, so überschaubar.
Nach dreißig Jahren vergeben.
Ja, Heidrich ist schon tot.
Nein, ich kann nicht mit ihm darüber sprechen. Nicht wirklich.

Die Klasse war laut gewesen. Benno war nicht laut gewesen.
Er war auf dem Weg aus dem Klassenraum zur Toilette. In der Wechselpause.
Er hatte fast die Tür zum Flur erreicht, als Heidrich hereinstürmte.
Heidrich hatte gar keinen Unterricht in der Klasse, Benno kannte ihn nur vom Sehen. Heidrich kannte Benno nicht einmal vom Sehen. Dr.Heidrich.
Er schrie irgendwas von Ruhe und Aufhören und schlimmster Klasse der Schule, holte aus und schlug Benno auf die linke Wange.
Die Klasse zuckte zusammen. Benno war erstarrt. Heidrich schon wieder draußen.
Bennos Wange brannte. Tränen schossen ihm in die Augen, aber er würde nicht weinen.
Die Scham kroch heiß in Benno hoch, von den Füßen bis unter die Schädeldecke und breitete sich im ganzen Körper aus. Nadelstiche auf der Haut. Nur nicht weinen. Wegstecken. Hart sein. Bloß nicht Opfer sein. Benno war Opfer. Er war der Sündenbock. Er war bestraft worden. Ohne Schuld. Stellvertretend für die Klasse.

Die Eltern zu Hause zuckten mit den Schultern. Du musst doch was getan haben. Ohne Grund schlägt man doch nicht. Mehr konnten sie nicht für ihn tun.
Auch mit Grund schlägt man nicht, dachte Benno.

Jetzt sollte er Heidrich vergeben. Der hatte den Vorfall damals wahrscheinlich schon nach ein paar Tagen vergessen.
Heidrich war tot, die Sau, die miese Ratte. Wie viele Male hatte er auf Heidrich eingeschlagen und dabei geschrieen: Du Sau! Du Drecksau!
Aber Heidrich war kein Kissen, kein Boxsack.
Heidrich war tot, hatte sich verpisst, war seiner Strafe entgangen.
Du musst ihm vergeben, damit du die Sache los wirst. Versuch es einfach. Geh ein Eis mit ihm essen, oder lad ihn zum Italiener ein.

Benno bestellte zwei Portionen Eis in der Waffel. Er saß mit Heidrich am Tisch und Heidrich nickte, als er ihm die Geschichte erzählte. Heidrich nickte und räumte ein, dass er sich falsch verhalten habe. Ein Erklärung, keine Entschuldigung. Das waren die Zeiten damals. So war das eben. Unterricht war eine Frage der Macht.
Vergeben. Heidrich vergeben.
Benno stand auf und drückte Heidrich das Eis ins Gesicht.
Weniger ist nicht drin, du Ratte.
Benno atmete auf. Das war ein Anfang.
Nächste Woche sehen wir uns wieder, hörte Benno im Hinausgehen.

Neulich bei Königspudels

Schatz, weißt du, wo ich meine Krone hingelegt habe?

Jetzt entdeckt: Des Pudels Kern

Vladimir Kanniksky: Mephisto (2012)
Jahrhundertelang überbewertet, weil nie gefunden: Des Pudels Kern.
Jetzt haben Wssenschaftler festgestellt, dass es sich um einen schlichten Kern handelt, der sich noch nicht einmal spalten lässt.
Mal  wieder viel Lärm um nichts!

Totemkopf

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Bei Tods zu Hause

Vatter Tod: Wo habe ich nur meinen Stachel hingelegt?
Mutter Tod: Hattest du denn einen?

Themenwoche Leben mit dem Tod

Pudelfell, ganz nah
Der Tod hatte Rückenschmerzen. Den ganzen Tag war er in Gestalt eines schwarzen Pudels unterwegs gewesen. Ohne Sense, versteht sich. Trotzdem hatten viele Menschen ihn erkannt, hatten vor ihm gekniet, geweint und ihn angefleht, sie noch eine Weile zu verschonen. Er hatte gekläfft, geknurrt und gefletscht und sie dann laufen gelassen. Ich werde alt, dachte der Tod. Die Arbeit ist eintönig. Ich werde nachgiebig. Die Menschen werden immer älter. Die Erde immer voller. Er wünschte sich eine Leine und jemanden, der mit ihm Gassi geht. Ein kleines bisschen wünschte er sich sogar zu sterben. Ich wär noch ein ganz guter Handwärmer, dachte er.

Georg Krakl: November (2012)

Auf November
reimt sich Dezember
September
Oktember

Nicht Januar
Nicht Februar

Auf März
reimt sich auch nicht ein Schärz

Nicht April
Nicht: Macht was er will

Juni und Juli, auch nicht August.
Frust.

Der Mai
ist mir just im Moment einerlai.

Wer in der Glasflasche steht ...

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Vater und Kind und Laufrad

Der Vater schiebt das Kind, das auf einem Laufrad sitzt.
Schneller, ruft der Vater.
Ich gehe vorbei und will Brötchen kaufen.
Hinter mir höre ich den Vater: Ja, schneller.
Plötzlich ein dumpfes Geräusch. Das Kind ruft: Oammmmä!
Ich wende mich um.
Der Vater hat das Kind vor eine Mauer geschoben.
Lenken, du musst auch lenken!, ruft der Vater.
Das Kind heult still.
Lenken!Junge, lenken!
Der Vater beteuert immer wieder, wie wichtig es sei zu lenken.
Wenn du nicht lenkst, fährst du vor die Mauer.
Das Kind schluckt.
Wer nicht lenkt, fährt vor die Mauer.
Der Vater ist nicht schuld.
Ich denke: Angeschoben ist nicht aufgehoben.
Und weiter: Vier normale Brötchen und vier Vollkorn plus eine Müslistange.

Tonnes Tagebuch: Mann in Doppelripp

Liebes Tagebuch!
Ich hatte den Schlüssel von der Wohungsbewohnerin bekommen und versuchte ihn nun in das Schloss zu stecken. Irgendwie ging das gar nicht. Ich drehte ihn, dachte der Bart müsse nach oben. Auch nichts. Und wofür war der zweite Schlüssel? Vielleicht passte der?
Nichts als Schaben und Kratzen und kein Treffer, der die Tür geöffnet hätte.
Dann ging die Tür wie von selbst auf.
Ein Männlein stand in hellblauen Boxershorts und einem Doppelripphemd nachmittags um vier vor mir und fragte in aggressivem Ton: Was soll das denn hier werden?
Ich stutzte und dachte: Falsche Tür! Falscher Mensch! Falsches Stockwerk?
Falsche Frau! Die war ja noch in der Stadt und kaufte ein, deswegen hatte ich den Schlüssel doch, damit ich die Wohnung betreten konnte. Auch ohne sie.
Wieso stand ein Männlein in der Tür?
Äh, sagte ich, damit kann man nichts falsch machen, hier wohnt nicht Frau B.?
Also, was soll das werden?, jetzt das Männlein und die Boxershorts zittern.
Nein, also nicht, Frau B., vielleicht ein Stockwerk höher? Ich lächelte verlegen, was wohl eher einem Grinsen ähnelte.
Ja, oben, jetzt das Männlein in den Boxershorts und dem Doppelripphemd. An den Füßen trug es beige Socke und Sandalen oder Riemchenschlappen.
Na, dann will ich mal wieder, sagte ich, gehe ich mal einen Stock höher.
Hm, sagte der Unterwäscheträger.
Männlein, denke ich, du bist 160 cm groß und halb so breit. Ich trage einen Moltoprendoppelsteppmantel, der mich noch breiter macht, Männlein, das ist doch der Klassiker: Das Opfer muss seinen Täter gekannt haben; es hat ihn reingelassen.
Ich denke:  Was soll das werden, was soll das werden? Wie kann sich ein Knirps in insuffizienter Kleidung einen solchen Ton erlauben? Wo bleibt der Respekt vor der Gefahr? Nur weil die Kleidung sowieso in die Wäsche muss, heißt das nicht, dass man eine Kopfverletzung provoziert, die blutet immer stark.
Bevor ich einen Satz herausbrachte, der dem Kleinen das Risiko erläuterte, hatte der die Tür bereits zugedrückt und sich wieder seinem Fernsehprogramm zugewandt.
Meine Gedanken mussten unausgesprochen bleiben.
Fummel nicht an fremden Haustüren herum!, formulierte ich als Merksatz. Und wenn kleine Kerle etwas fragen, dann antworte schnell, wie aus der Pistole geschossen, damit die wissen, wer der Täter ist.

Vorsicht! Erdnüsse können Spuren von Nüssen enthalten

Es ist eigentlich verantwortungsvoll gegenüber dem Verbraucher. Im Einzelfall kommt man allerdings ins Grübeln: Auf einer Dose Erdnüsse - leider aus dem Bio-Laden, womit wieder alle Vorurteile bestätigt werden- steht der Hinweis für Allergiker. "Produktionsbedingt können Spuren von Nüssen enthalten sein."
Woraus bitte, liebe Firma Rapunzel, besteht denn dann der Rest der Ware? Aus Erde? Voll synthetisch alles? Milcheiweiß?
Bitte hilf, liebe Rapunzel, und lass dein fettiges Haar herunter, damit wir verstehen, was wir da essen!

Damenwahl und Demokratie




Wenn Damenwahl ist, schreit die Dame nicht, wenn sie gewählt wird, flüstert der Eintänzer und fasst ein wenig fester zu, denn er weiß, dass Frauen gerne geführt werden. Und vor dem Verführen kommt erst mal das Führen, das ist alte Eintänzerweisheit, und überhaupt, wenn Frauen nein sagen, meinen sie ja. Sie trauen sich nur nicht, das zuzugeben. Da braucht es einen Mann, der anpacken kann, der die Dame dahin führt, wohin das Ganze führen soll.
Jetzt ein Tänzchen, nichts überstürzen, das verdirbt die Stimmung, auch das weiß der Eintänzer.
Neinnein, sagt der Eintänzer, bei Damenwahl darf die Dame eben nicht den Herren wählen, höchsten wenn sie selbst eine andere Dame zum Tanz wählt, das sei aber, wenn genügend Männer anwesend seien, eher unüblich.
Was denn Herrenwahl sei, fragte die Dame, die durch das Drehen für den Tanz schon fast schwindlig war.
Eine Herrenwahl beim Tanzen gebe es nicht, sagte der Eintänzer und machte ein Gesicht, als nehme er die Dame ernst. Bei der Herrenwahl würden Parlamente gewählt, auch wenn das seit 1918 ein wenig verwässert worden sei, als man das Frauenwahlrecht eingeführt habe.
Der Dame wurde jetzt wirlich schwindlig, diesmal aber von dem Blödsinn, den der Eintänzer von sich gab, um sie wohl zu betören.
Aber schön ist es, gedreht zu werden, immer im Kreis, gedreht zu werden, bis man von Sinnen ist, dachte die Dame und jauchzte.
Es war doch völlig egal, wer wo wann und wie Palamente wählte, tanzen, das sei reines Vergnügen und davon gebe es zu wenig.

In dieser Haltung aber liegt wohl die Crux der Demokratie und dass sie nie wirklich wirken könne und nicht die Menschen an die Spitze brächte, die wir in unserem Land bräuchten, sondern die, die es  nur um ihrer selbst willen wollten, und nicht das Gemeinwohl im Sinn hätten. Das hat ein Land nicht verdient. Und das Frauenwahlrecht und die Damenwahl haben daran nichts geändert.