Hoeneß soll neuen Namen erhalten

KD Butzibutzi: Hoeness hinter Gittern (2014)
Deutschlands bekanntester Steuerbetrüger und Nebenerwerbslügner Ullrich Hoeneß musst auf dringendem Anraten und Wünschen der Staatskanzlei seinen Verdienstorden zurückgeben, da sein Verdienst eben nicht mit der ehrlichen Arbeit  eigener Hände erwirtschaftet wurde, sondern mithilfe dubioser Berufs - Hinterziehungsassistenten im eigenen Land und in angrenzenden Schurkenstaaten. Weihnachten durfte der Häftling zu Hause bei seiner Familie kräftig feiern, inklusive Übernachtung in den heimischen Federn.
Das Volk fühlt sich zurecht verhöhnt,  und scharfe Zungen fordern, den Mann von Hoeneß in Verhoenesßumzutaufen. Den Eintrag beim Standesamt wolle man durch eine gemeinschaftliche Sammelaktion finanzieren.
Hoeneß selber bezeichnet sich im Gegenzug als antirassistisch, daher habe er sich bewusst für Schwarzgeld eingesetzt, weil das ja auch eine Chance verdiene. Sein Vorschlag - wenn schon  Namensänderung - Fairhoeneß.


Schneewittchen begleitet ihre Kinder zum Spielplatz





Nicht mehr schöner als die Stiefmutter sein müssen. Sich nie mehr in einen engen Glassarg pressen lassen. Einen neuen Namen annehmen. Snowwhite klingt besser. Oder einfach Nana.

Nur die Handtasche hält sie noch fest. Oder umgekehrt. Ich sollte sie einfach wegschmeißen, denkt sie. Was ist schon drin? Ein alter Taschenspiegel. Zigaretten. Der Haustürschlüssel. Sie seufzt. Ruft die Kinder und geht.

Toastbrot oder Trostboot?

Besonders nach Feiertagen gerät die Welt aus den Fugen, die Dingen verkehren sich, was oben war, ist unten und was links war, wählt plötzlich FDP.
Dann steht man vor dem Herd und sieht eine Scheibe trocken Brot mit hohem Weißmehlanteil, der ja ungesund sein soll. Dann fällt einem der Name für das ungesunde Lebensmittel ein: Toastbrot. Und dann fällt noch ein weiteres Wort wie vom Himmel, dass es eigentlich noch gar nicht gegeben hat.
Trostboot.
Das Hirn arbeitet auf Hochtouren, um herauszubekommen, was denn ein Trostboot sein könnte.
Eine neapolitanische Gondel mit ihrem jaulenden Gondoliero ja wohl kaum, das wäre kein Trost, da bräuchte man Trost. Vielleicht ein Kanonenboot, das einen vor imaginären Feinden schützt. Oder ein U-Boot, in dem man sich verstecken könnte wenn es brenzlig wird, in dem man einfach abtauchen könnte, um dann mit dem Sehrohr, oder heißt es Seerohr, weil es ja auf See ist, oder besser im See, will sagen, im Meer -muss es da nicht Meerrohr heißen?- ich verstricke mich, das sind die nachwirkenden Feiertage.
Mein Trostboot treibt auf deinen Tränen.
Das ist eine schöne Zeile, vielleicht für einen lyrischen Schlager für eine enttäuschte Schlagersängerin, die in schwarzer Unterwäsche auftritt, und dem EX vorsingt, dass er sich wohl grämen und auch heulen muss, weil sie ihn nämlich wegen der Tanja verlassen habe, was ihr nichts ausmache, denn sie, die singende Unterwäsche, könne ihn noch trösten in ihrem Trostboot, das allerdings auf seinem Tränensee herumdümpele und sich aus dem Geschniefe nichts mache, also gar kein richtiger Trost sein könne.
Hier verstrickt sich die unterbewäschte Schlagersängerin und muss aufpassen, kein Eigentor in Sachen Exbeziehung zu schießen.
Mein Trostboot
Treibt auf deinem See der Tränen.
Ich esse schläfrig mein geschmiertes Toastbrot
Und muss, ich sing's nur ungern, gähnen.

Ja, so klingt es rund, so passt das in einen Schläger und so schadet man auch keinem.
Schlager mit Lebensmitteln haben eine geringe Gewinnwarnung, was absurd klingt, aber heißt, dass das Stück mal so richtig die Konsumenten abgreift, weil die so doof sind, das zu kaufen.

Bald kommt eine feiertagefreie Zeit, wo mal wieder richtig durchgearbeitet werden kann und keine Zeit für Romatizismen ist, auf dass der Geist frei und klar werde, um sich der Anfeindungen des Alltags zu erwehren.

Weihnachten in China verboten

Jetzt ist es soweit: Weihnachten wird in China verboten. Es gäbe genügend Weihnachtsmänner im Land, und die Parteispitze dulde nicht, dass ein bärtiger Sackträger oder ein sackiger Bartträger ihr Konkurrenz mache.
Kurzerhand wurde beschlossen, dass der traditionelle Weihnachtsschnee jetzt dreckig-grau sein solle, was dieser besonders in den Industriegebieten schon seit Jahren in vorauseilendem Gehorsam geschafft hatte; die Bevölkerung solle aber weiterhin laut ausrufen: Das ist das weißeste Weiß meines Lebens!
Da  besonders die jüngere Damenwelt sich mehr und mehr an dekadentem Ski-Fahren ergötzt hatte, wurden dieser kurzerhand die roten Uniformen auf ein Minimum wegrasiert, um sie an ihren Auftrag zu erinnern.
Auf die Anfrage bei der Parteispitze, um welchen Auftrag es sich handele, kam bislang keine Antwort, lediglich der Hinweis, dass Unwissen ein schwerer Verstoß dagegen sei. Man schenkte sich die Nachfrage, wogegen.
Abweichlerische Ski-FahrerInnen fordern unter #Sheena im Easton, dass das riesige Land jetzt Skina geschrieben werden solle, um auf die Problematik von Dekadenz und Rechtschreibschwäche hinzuweisen.

Georg Krakl: Weihnachten

An Weihnachten
den Wein achten.
Sonst dicker Kopf
wie Kickerdopf.


Aus G. Krakl: Gedichte mit unbekannten Wörtern drin (2014)

Bilderrätsel des Tages

Welches beliebte Fest in Deutschland und China ist hier gemeint?

-Wovalhnachten
-Wkrummerkreishnachten
-Weihnachten
-Ostern?


Für dieses Rätsel gibt es jetzt mal keine Lösung. Es ist so dämlich, dass man damit sogar ein Preisausschreiben in beliebten Flachblättern gestalten könnte. Wer das nicht rauskriegt, ist doof und gewinnt eine Kaffeemaschine.

Alltag im All

Jeder denkt, wenn er das Wort Alltag hört oder liest, dass dieser im All entstanden ist, oder vielleicht einen Dauerzustand in der Schwerelosigkeit darstellt.
Endlich hat die Raumfahrt und ihre angegliederten Wissenschaftler festgestellt - und damit endlich ein Argument für ihre Existenzberechtigung geliefert - dass dem nicht so ist.
Das All kennt überhaupt keinen Tag und folgerichtig auch keinen Alltag. Im All fehlt nämlich ein Horizont, an dem die Sonne aufgehen kann, um zu signalisieren: Ein neuer Tag bricht an!
Sonnen gibt es im All genug, aber an Horizonten mangelt es seit Jahrmillionen. Selbst ein gedachter Horizont, wie er in der Mathematik schon mal berechnet wird, um etwas Wirklichkeitsbezug herzustellen, hilft nicht weiter.
Auf die Erkenntnis, dass es keinen Alltag im All gibt, hätten wir Menschen auch ohne Raumfahrt kommen können. Denn wir erleben jeden Tag, dass der Alltag uns fast erdrückt. Im All herrschat Schwerelosigkeit. Manchen Menschen fehlt ein Horizont, sodass sie sich in merkwürdigen Gruppierungen scharen und die Welt in Abendland und Morgenland unterteilen, dazu bräuchten sie allerdings einen Horizont.
Popwissenschaftler stellten vor Jahren schon fest: Hintern Horizont geht's weiter. Die Philosophen wissen: Hinter dem Horizont ist der nächste Horizont, und dahinter der übernächste und immer so weiter. Sie drücken das natürlich etwas eleganter aus, sodass man das nicht gleich versteht.
Trotzdem: Im All ist von dem nichts zu finden, und darum ist es so trostlos im All, weil ohne Perspektive, denn wenn ein Horizont fehlt, kann es auch nicht dahinter weitergehen.
Es ist überhaupt dunkel im All und man weiß auch nicht wo links, rechts, vorne und hinten sind. Damit will sich die Wissenschaft demnächst beschäftigen.
Also: Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Alltag nicht aus dem All kommt, wohl eher das Leipziger Allerlei.

Dresden

Im Abendland
geht
die Sonne unter

Haustiere im Trend: Fische

Vassily Kannikski:
Kein Fleisch, kein Fischstäbchen (2014)
Ein jeder braucht ein Haustier; nur die harten Menschen, die sich darauf berufen, unabhängig und frei zu sein, in Wirklichkeit aber ihre wahren Gefühle nicht zeigen wollen, verzichten auf die lieben Gesellen, die uns Geplagten das Leben verschönen.
Neben Hund, Katze, Maus ist der Fisch ein Tier ganz oben auf der Rankingliste.
Da er sich schlecht streicheln lässt, keine Laute von sich gibt und sowieso keine Gefühlsregungen zeigt -höchstens vielleicht die Vorlage für die Schnappatmung liefert, der wir uns bedienen, wenn Unverschämtes auf uns niederprasselt- fragt sich der Ottonormalstreichler: Warum hält man sich Fische?
Der Aquarienfreund weiß um Antwort:
Da ist endlich mal einer, der die Klappe hält. Dem kann ich erzählen, was ich will, der sagt nix, der fragt nix, der hält die Klappe. Und wenn ich auch nichts sage, da sagt der nicht: Warum sagst du nichts? Sag doch mal was! Was ist denn los? Nie sagst du was! Andere Männer erzählen auch mal was. Der hält sein Maul. Bei Fischen darf man auch Maul sagen. Und wenn ich sage: Halt dein Maul!, dann macht der das, weil der ja immer sein Maul hält.
Bei einem Hund geht das doch gar nicht. Der bellt, der macht Krach, der macht richtig Dezibel. Und Dezibel habe ich auf der Arbeit genug. Wenn ich zum Hund sage: Halt die Schnauze - das darf man bei Hunden ja - dann bellt der einfach weiter. Da müsste ich in die Hundeschule mit dem, und dann noch kontrollieren, ob der seine Hausaufgaben macht. Nein, das ist nichts für mich. Ich will meine Ruhe, und da ist der Hund weg. Gut, die Wilma ist auch weg, ich oder der Fisch, hat sie gesagt, und dann war sie weg. Jetzt habe ich einen zweiten Fisch, der sagt genauso wenig wie der erste, und das ist gut, das ist richtig gut. Jetzt kann ich einfach mal loslassen, wenn ich von der Arbeit komme, entspannen, nicht gestresst im Sofa, weil ich gleich keine Antworten auf die immer gleichen Fragen habe. Warum kommst du so spät, hast du wieder ein Bier getrunken, nie bringst du mal Blumen mit, andere Männer denken an ihre Frauen, stell deine Schuhe in den Flur, du könntest mal duschen nach der Arbeit, ich weiß gar nicht, was ich überhaupt hier noch soll, hinter dir rumputzen kann ich, aber sonst?
Mit einem Fisch ist Ruhe. Das ist doch Lebensqualität. Und deshalb steht der Fisch eigentlich auf Platz eins der Haustierrankingliste. Und nicht die Katzen. Die kratzen nämlich. Und Hunde stinken, besonders wenn es regnet.
Jeder ist ersetzbar, habe ich Wilma gesagt, sogar der Fisch. Aber da war sie schon weg.

Hörfehler und religiöse Irritationen

Schmutzengel haben Kotflügel.

Günter Krass - Schreckensmasken auf den Märkten

Angst in den Augen und auf den Gesichtern der Menschen auf den glühweinverzehrenden Märkten. Die Erde unter ihnen, das Pflaster, worunter wir den Strand vermuten, befleckt. Ist der Glühwein erst einmal vergossen, so will mancher volkstümeln, dann, ja, was dann?
Hier aber setzt der Verstand schon aus, denn das hirntötende Mischgetränk wirkt besonders, wenn es erhitzt wird und benebelt anfangs nur, später wiegt es in einer Art Puschengemütlichkeit, dass jeder glaubt, er gehöre irgendwo zu.
Die Einsamkeit wird runtergespült, während die Engel vom Kinderkarussell das tausendste Stille Nacht skandieren.
Früher haben wir Pflastersteine geworfen, heute besudeln wir sie mit gesellschaftsstabilisierenden Rauschsäften, weil uns der Mut zur Veränderung fehlt.
Wenn die Buden und Verkaufsstände abgebaut, sehen wir das Übel: Hier das tiefe Rot des selbstverliebten Bekleckerns, dort das unschuldige Hell, über dem die Hütten gestanden haben. Wir vergießen unsere Tränen ob verpasster Chancen und träumen vom Plastersteinwurf. In tiefer Depression gehen wir an den Medizinschrank, entnehmen ihm zwei Aspirin und etwas Heftpflaster, um uns in peinlicher Selbstbestrafung die Augen zu verkleben.

Wolf Wunderschreck - Mein Eipätt-Gedicht ohne Tastatur

Ich Die Das
Ich Die Das
Das Die Die
Ich Ich Die Das
Das Das Ich Die
Die Ich Die Das Die Die Ich
Ich Ich Die Ich Die Ich Ich Ich Ich Ich Die Die Die Die Das Das Das Die Die Die Ich Ich

Theo von Doeskopp - perfekt

ich habe gelächelt wo mir zum heulen war
ich habe geschluckt wo mir zum kotzen war
ich habe geschwiegen wo ich hätte schreien sollen
ich habe geweint wo ich hätte lachen müssen
ich habe eingesteckt wo ich hätte austeilen müssen
ich habe genommen wo ich hätte geben müssen
ich habe gebuckelt wo ich hätte nein sagen müssen
ich habe weggesehen
ich habe weggehört
ich habe weggetan
ich habe vertröstet
ich habe vergeudet
ich habe vertan
ich habe verlebt

ich bin gewesen
ich bin
perfekt

Heinrich Böller - Schmalkopf – Fetthals – Schweinenacken


Die drei Kameraden Schmalkopf, Fetthals und Schweinenacken sind seit Jahren unterwegs auf der Suche nach frischen Brötchen. Sie nennen es „auf der Jagd sein“, denn sie wollen die Brötchen nicht bezahlen, sondern gratis, ohne dass ihnen Kosten entstehen, einsacken. Sie schleichen sich an ahnungslose Bäckerburschen, die mit dem Bäckerwagen Umwege fahren, um die Liebste noch einmal anzuhupen, an Postboten, die unter Lindenbäumen frühstücken und Pakete liegen lassen, an Fernfahrer, die auf Autobahnrastplätzen ohne WC pinkeln, an Treckerfahrer, deren Anhänger nicht beleuchtet sind und an zu schnell Fahrende  in tiefergelegten Autos, die kleine Kinder gefährden. Manchmal schleichen sie sich auch an Männer, die Plastiksäcke mit Herbstlaub vor zu schnell fahrende Autos werfen, um gefährdete Kleinkinder zu beschützen.
Schmalkopf, Fetthals und Schweinenacken können die Beschlichenen  problemlos ihrer Brötchen, ihrer frischen Brötchen, berauben, weil die gerade mit anderen Dingen beschäftigt sind. Menschen, die ihr Brötchen sorgfältig essen, also von der Spitze nach hinten  bis zum Ende und mit der Unterseite nach unten, wobei der Belag nicht mehr als 1 cm über das Brötchen hinausragen darf, belästigen sie nicht. Sie wissen, dass sie bei denen keine Chance haben. Die drei finden aber immer genügend Opfer, damit aus einem Hals ein Fetthals und einem Nacken ein Schweinenacken werden kann. Schmalkopf ist der langsamste der drei, und wenn er gerade mit dem Essen loslegen will, haben die anderen zwei seine Brötchen meistens schon aufgegessen. Das hat aber auch sein Gutes: Er ist der schmalste. Damit entspricht er wenigstens dem Schönheitsideal unserer Zeit.

Heinrich Böller - Der Löwe schmollt


Da liegt er nun der Löwe und schmollt. Er schaut grimmig, damit ihn niemand fragt, warum er schmolle.
Das war auch wieder peinlich! Der Elefant hatte sich im Sand eingebuddelt und nur ein Bein aus dem Sand herausgucken lassen. Durch seinen Rüssel hatte er zum Löwen gesprochen.
„Hey, Löwe, alter Angeber! Ich bin’s, die Bettwurst. Komm lass uns Armdrücken machen!“
„Wie nennst du mich? Alte Bettwurst?“ brüllte der Löwe zornig über diese Unverschämtheit. Wie konnte eine Bettwurst den König der Tiere als Angeber bezeichnen?
„Löwe, hast du Schiss vor einer Bettwurst?“
Der Elefant näselte ein wenig, weil er durch den Rüssel sprechen musste. So klang seine Stimme täuschend echt, fast wie die einer richtigen Bettwurst.
Der Löwe wusste, dass Bettwürste nur wenig Kraft haben und zögerte, überhaupt zum Kampf anzutreten.
Er war kein Angeber und Angst hatte er schon lange nicht.
Also stand er auf und fauchte: „Na, dann komm, gleich wirst du den Sand küssen.“
Der Elefant kicherte im Sand.
Hätte der Löwe die Ohren gespritzt, hätte er ein leises Glicksen hören können. Der Löwe war aber nur mit der Herausforderung beschäftigt und brachte sich in Position. Er fuhr seine Krallen ein, um einen fairen Kampf zu liefern, denn Bettwürste haben keine Krallen und Elefanten schon lange nicht.
Der Dickhäuter ließ den Löwen zappeln. Klar, er war viel stärker als die Riesenkatze. Aber er wollte den Kampf genießen.
Anfangs gab er sich schwach, als sei er bereits am Ende seiner Kräfte; dann wurde abwechselnd stärker und wieder schwächer.
Schließlich, als der Löwe schon anfing zu keuchen, drückte er den gewaltigen Löwenarm mit der noch gewaltigeren Tatze an den Boden. Der Löwe brüllt vor Ärger und wollte aufspringen, doch der Elefant hielt ihn am Boden fest. Die schlimmsten Flüche stieß der Löwe aus, in denen auch das Wort Bettwurst mehrmals vorkam. Der Elefant konnte sich kaum halten vor Lachen und wäre fast erstickt, wenn er nicht blitzartig aus dem Sand aufgesprungen und lachend gestanden hätte: „Löwe, alter Löwe, ich bin’s doch, der Elefant. Kleiner Scherz. Komm, hab dich nicht so... “
Der Löwe brüllte und brüllte, vor Wut und Zorn und vor Wasauchimmer. Am liebsten wäre er im Sande versunken.
„Du hast mich reingelegt!“
„Stimmt. Entschuldigung, alter Freund!“ versuchte der Elefant den Löwen zu beruhigen.
„Aber ich hätte nie geglaubt, dass sich der König der Tiere mit einer Bettwurst anlegen würde.“
Der Elefant entfernte sich leise und kicherte in genügendem Abstand über diesen gelungenen Scherz.
Der Löwe verzog sich in den Schatten.
Seitdem sind Löwen und Elefanten nicht mehr gut aufeinander zu sprechen. Da die Elefanten nur Pflanzen fressen und der Löwe der schwächere ist, gehen sie sich heute aus dem Weg.

Günter Krass - Die Seele baumeln lassen


„Heute bin ich müde“, denkt Karl-Robert Kastenkopp. „Andere lassen die Seele baumeln, da hinten zum Beispiel hängt wieder eine. Seelen baumeln- so ein Blödsinn. Baumeln kann man von einem Baum. Dann muss man die Seele irgendwie an einem Seil festmachen, runterlassen und dann baumeln lassen. Dann baumelt sie. Wozu das gut sein soll, weiß ich auch nicht. Das ist doch nur eine Ausrede für Faulpelze, die sich nicht trauen zu sagen: Ich bin müde, mir reicht’s, basta, ich will ins Bett, ich will schlafen, ich habe keine Lust den Hof zu fegen, ich habe keine Lust mein Zimmer aufzuräumen, ich habe keine Lust wach zu bleiben. Ich bin müde. Egal, ob meine Seele baumelt. Wenn ich schlafen gehe, kann die gleich mit schlafen gehen. Dann ruhen wir uns beide aus und da braucht keiner einen Baum oder ein Seil oder eine Baumelei. Das geht ganz einfach mit schlafen. Aber das ist wohl den Besserwissern zu schlicht. Schlafen. Vor allem: Was machen die Leute, die vergessen ihre Seele wieder vom Baum abzunehmen? Die weht dann tagelang im Wind herum, oder im Regen, wird nass, oder dörrt vollkommen aus, weil die Sonne ständig scheint. So im warmen Bett, da kann der Seele nichts passieren. Da ist es weich und warm, ein bisschen feucht und ein bisschen trocken. Die Sonne scheint morgens durch das Fenster und nachts guckt der Mond herein. Mehr kann sich keine Seele wünschen. Und ich auch nicht.“ Karl-Robert geht ins Bett.

Günter Krass - Katrin, such die Brille!


„Katrin, du hast mit meiner Brille gespielt, jetzt such sie!“ Der Vater ist ungehalten. Er will die Tageszeitung lesen und kann seine Brille nicht finden. „Das war doch gestern, als ich mit ihr gespielt habe...“ Katrin versucht zu erklären, dass sie gar nicht wissen kann, wo die Brille ist. „Seit gestern habe ich auch nichts mehr lesen können“, sagt der Vater. Sein Ton wird bestimmter. Er will jetzt unbedingt die Zeitung lesen, den Sportteil vor allem, und da, wie seine Lieblingsmannschaft Rotweiß Oberhausen gespielt hat. Grünweiß Unterhosen nennt Katrin sie immer. Sie kann das Wort Oberhausen oder Oberhosen oder Unterhausen oder Wochenendhosen nicht mehr hören. Sowieso: Immer Rotweiß oder Rotwein Oberhausen am Wochenende, das nervt doch auf Dauer.  Katrin guckt trotzdem nicht genervt, sondern eher geknickt auf den Boden, um so zu tun, als ob sie die Brille suche. Sie hat sie gar nicht gehabt. Nur gestern kurz. „Hab sie schon! Alles klar!“ Der Vater klingt fröhlich entspannt. „War noch auf der Stirn. Weiß gar nicht, wer die da hingesteckt hat...!“ Er lacht, als hätte er einen Witz gemacht. Katrin entschließt sich, Fußball zu hassen.

Als die Astronauten ihre Helme abgenommen hatten...

Bert: Hier kann man ja atmen...
Uwe: Was hast du denn gedacht?
Bert: Ja eben nicht.
Uwe: Dann wärst du wohl jetzt schon umgekippt.
Karl (leise) : Mir ist schlecht.
Bert: Das weiß ich selbst, dass ich umgekippt wäre. Aber warum haben wir drei Jahre die blöden Helme getragen und Sauerstoff aus der Tube geatmet?
Uwe: Dose.
Bert: Wie, Dose?
Uwe: Aus der Dose geatmet.
Bert: Ich habe durch den Helm geatmet, also, im Helm.
Karl: Mir ist schlecht. Die Luft bekommt mir nicht.
Uwe: Vielleicht hast du was Falsches gegessen.
Karl: Wieso gegessen?Wir werden doch künstlich ernährt.
Uwe: Dann eben getrunken.
Bert: Kotz bloß nicht in deinen Helm.
Uwe: Er hat doch gar keinen auf.
Bert: Vielleicht liegt es an der Luft.
Karl: Sag ich doch.
Bert: Komm, wir holen unsere Helme und setzen die wieder auf.
Uwe: Gute Idee.
Karl: Und wenn's mir, ich meine...weil mir doch schlecht ist.
Uwe: Du hast doch gar nichts gegessen.
Karl: Stimmt ja.
Bert: Hast du denn was getrunken?
Karl: Quatsch! Ich bin vollkommen nüchtern.
Bert: Ich meine was Falsches getrunken, wie man was Falsches essen kann, zum Beispiel Mineralwasser.
Uwe: Oder Apfelsaft.
Karl: Nicht so lange noch Bier im Kühlfach liegt.
Uwe: Na, dann ist ja gut.
Bert: Wie viel ist denn noch da?
Karl: Keine Ahnung, ich habe nicht gezählt.
Uwe: Kommt, wir gehen mal gucken.
Bert: Und die Helme?
Uwe: Ach, die Helme, die Helme. Du mit deinen Helmen.
Bert: Jetzt ich mit meinen Helmen. Ich habe erstens nur einen Helm und zweitens hast du zuerst den Helm abgesetzt, obwohl das verboten ist.
Uwe: Super, jetzt kommt wieder diese Tour.
Karl: Mir ist schlecht.
Uwe/Bert (zornig): Dann setz endlich deinen blöden Helm auf!
Karl: Und dann?
Uwe: Setz ihn auf!
Bert: Setz ihn verdammt noch mal auf! Ich kann's nicht mehr hören!
Karl: Ist ja gut.
Alle ab und Helme holen, dann Bier zählen.

Wolf Wunderschreck - Niemand (2014)

niemand liebt dich
niemand nährt dich
niemand tröstet dich
niemand fragt dich
niemand antwortet dir
niemand ist für dich da
niemand macht dir platz
niemand bietet dir einen stuhl an
niemand legt sich neben dich
niemand braucht dich
du bist niemand