Günter Krass - Katrin, such die Brille!


„Katrin, du hast mit meiner Brille gespielt, jetzt such sie!“ Der Vater ist ungehalten. Er will die Tageszeitung lesen und kann seine Brille nicht finden. „Das war doch gestern, als ich mit ihr gespielt habe...“ Katrin versucht zu erklären, dass sie gar nicht wissen kann, wo die Brille ist. „Seit gestern habe ich auch nichts mehr lesen können“, sagt der Vater. Sein Ton wird bestimmter. Er will jetzt unbedingt die Zeitung lesen, den Sportteil vor allem, und da, wie seine Lieblingsmannschaft Rotweiß Oberhausen gespielt hat. Grünweiß Unterhosen nennt Katrin sie immer. Sie kann das Wort Oberhausen oder Oberhosen oder Unterhausen oder Wochenendhosen nicht mehr hören. Sowieso: Immer Rotweiß oder Rotwein Oberhausen am Wochenende, das nervt doch auf Dauer.  Katrin guckt trotzdem nicht genervt, sondern eher geknickt auf den Boden, um so zu tun, als ob sie die Brille suche. Sie hat sie gar nicht gehabt. Nur gestern kurz. „Hab sie schon! Alles klar!“ Der Vater klingt fröhlich entspannt. „War noch auf der Stirn. Weiß gar nicht, wer die da hingesteckt hat...!“ Er lacht, als hätte er einen Witz gemacht. Katrin entschließt sich, Fußball zu hassen.