Neues aus Olympia

Endlich. Das Internationale Olympische Kommitee hat einen Vorschlag unterbreitet, nachdem das Thema Doping in Rio ignoriert worden war, wie man im Hürdenlauf auch gut ohne aufputschende Mittel auskommen kann. Ein Anfang ist gemacht, und das ist gut. In jedem Anfang liegt ein Zauber inne, wie der Dichter sagt, und jetzt gilt es, den zu finden.

Georg Krakl - Gedicht mit einem Tier drin

Das Wildschwein stammt nicht aus dem Mastbetrieb,
Das habe ich zum Fressen lieb.

Andi Warvoll - Vatermutterkindkrippe

Weihnachten bei Malers.
Kann man denn nicht einmal was auf die Leinwand kriegen, das man auch erkennen kann? Wo sind Esel und Ochse? Wahrscheinlich hat der letztere den Schwanz nicht für die O-Suppe hergegeben, sondern damit in grellen Farben auf der Leinwand herumgefuhrwerkt. Na, dann Frohes Fest!

Eilige macht!


Eilig eilig
Laufen laufen
Kaufen kaufen
Für den Frieden
einen Hummer sieden
Köstlichkeiten
Essen
Glühwein trinken
Und nach Glühwein stinken
Frieden auf der Welt verbreiten
Einen Braten zubereiten
auch Konflikte mal vergessen
gegen Hunger auf der Welt anessen
lieben lieben lieben
Puderzucker auf die Torte sieben
Kekse backen
Nüsse knacken
Glühwein trinken
Und verschütten
Flecken machen
Lachen, dumme Sachen machen,
küssen müssen,
Glühwein trinken und verschütten
Ehe kurz zerrütten
Laufen laufen
Und Geschenke kaufen
Trinken
Schinken schneiden
Bettler meiden
Mein Geld
Klein Geld
Kein Geld
Frieden auf der Welt
Eilig eilig
Essen essen nur nicht  fasten
Laufen laufen
Kaufen kaufen
Nur nicht rasten
Eilig eilig

Stille macht (singt)
Eilige, lacht
jetzt nicht, stumm,
wie dumm,
Stille macht nicht uneilig
Nur Eiligkeit die stille Nacht unheilig.

Günter Krass - Dornfelder


Mutter? Ja, Frohe Weihnachten dir auch, und danke für das Geschenk. Ja, ich habe mich gefreut. Wieso klingt das nicht so? Ja, ich trinke keinen Rotwein. Es hätten ja auch nicht gleich 6 Flaschen Dornfelder sein müssen, ja, nein, und auch nicht halbtrocken. Ich trinke, wenn schon, dann trocken. Das ist der, wo du sagst, der ist sauer. Nein, der ist nicht sauer, der ist trocken. Gut, der ist eben sauer, für dich, und ich trinke gerne sauren Wein. Aber nicht Rotwein. Weißwein. Ja, der wäre dann auch sauer.
Wie, was du denn sonst schenken sollst zu Weihnachten. Wir wollten uns doch nichts schenken, Mutter. Sechs Flaschen Dornfelder halbtrocken.....ja, die kippen hier irgendwann um, weil sie keiner trinkt. Nein, die kippen nicht wirklich um, das sagt man, wenn der Wein sauer wird. Wie, dann könnte ich ihn ja endlich trinken? Nein, ich trinke nur Weißwein, und das weißt du genau, das sage ich jetzt seit Jahren, und du hörst mir nicht zu, Weißwein trocken,  nicht Dornfelder halbtrocken. Nein, ich fange jetzt Weihnachten keinen Streit an, aber du hast gefragt und ich habe geantwortet. Wir wollten doch ehrlich zu einander sein. Wie, nicht gerade an Weihnachten? Gerade an Weihnachten, Fest der Liebe undsoweiter. Nein, ich muss mich nicht abreagieren. Bis jetzt war Weihnachten schön. Nein, aber es hat nichts mit dir zu tun, wenn ich keinen halbtrockenen Rotwein mag. Nein, Dornfeld ist keine Stadt und ich bin da auch noch nicht da gewesen, das war vielleicht Onkel Hans, der trinkt ja alles, was auf den Tisch kommt. Wieso werde ich jetzt unverschämt, wenn ich die Wahrheit sage.
Ja, es ist Weihnachten, ja, ich habe Verständnis dafür, nein, ich habe noch nie Rotwein gemocht, ja, damals, Lambrusco, weil der billig war und weil es den in der Zweiliterflasche gab. Da war ich 16. Nein, die Flasche habe ich nicht allein getrunken, sondern mit Ruth, oder Bettina, ist doch egal, wieso ist das nicht egal? Wie wer Ruth und Bettina sind? Na, Mädchen eben. Nein, die habe ich dir nicht vorgestellt, die wollte ich ja auch nicht heiraten. Und ich trinke seit dreißig Jahren keinen Lambrusco mehr. Mutter ich muss jetzt auflegen. Ja, man kann ein Handy nicht auflegen, habe ich selber gesagt, nein, der Akku ist wirklich leer, wenn ich das sage, dann stimmt das, es ist nämlich Weihnachten. Nein, ich rufe nachher nicht mehr an; nicht vor neun jedenfalls.

Lyrik an Weihnachten


Georg Krakl: Ganz/s
Zum Glück
isst man die Gans
nicht ganz
sondern ein Stück
von ihr. Der Esser grient dann frömmlich,
so ist die Gans auch ganz bekömmlich.

Georg Krakl: Krippe
Von der Gans lag nach dem Essen das Gerippe
(neben Jesus) in der Krippe.

Georg Krakl: Geschenk
 
In einem der Pakete

war für den Jahreswechsel eine zünftige Rakete.

Nach dem Trinken, nach dem Schmausen

ließ der kleine Kai sie an die Zimmerdecke sausen.

Georg Krakl:  Opa
 Opa tritt in seinem Wahn
auf die neue Eisenbahn.

Der ungeliebte Greis
latscht auch auf das Abstellgleis.

Auf selbiges, beschließt der Rest um sieben,
will man den Alten morgen schieben.


Günter Krass - Weihnachten bei Fred


*Du bissen Weihnachtsmann!, sagte der Onkel, wenn der Sohn oder Neffe Fred etwas falsch gemacht hatten, so richtig falsch. Du bissen Klon!, war die abgeschwächte Variante, und der Begriff bedeutet nicht das Duplikat eines Wesens, sondern eine grell geschminkte Witzfigur, die über die eigenen Schuhe stolperte. (Nicht Daniela Katzenberger, auch nicht die Geissens.) Du bist ein Weihnachtsmann!, diese zurechtstutzende Metapher säte den ersten Zweifel an Weihnachten. Ein Weihnachtsmann, nicht der Weihnachtsmann. Was konnte das bedeuten? Man sang nicht: Morgen kommen die Weihnachtsmänner, sondern der Weihnachtsmann. Und wenn ein Weihnachtsmann nicht Vorbild, nicht Autorität, nicht Lebensziel sein konnte, sondern ein Synonym für einen ungeschickten und zu Unfug neigenden Sohn und einen ebensolchen Neffen, dann geriet die ganze Weihnachtswelt mit Christkind, Engeln, Knecht Ruprecht, Zwergen, Nikolaus und eben dem Weihnachtsmann ins Wanken.
Die immerlautende Frage blieb:Wie konnte die logistische Meisterleistung, Millionen, nein Zigmillionen Kinder gleichzeitig an Heiligabend zu bescheren, bewältigt werden? Und dabei noch unsichtbar zu bleiben? Und das mit einem Weihnachtsmann, der scheinbar zu nichts zu gebrauchen war?
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Das wirklich Weihnachtliche war immer unsichtbar. Das Sichtbare, die Kugeln, die Kerzen, das kleingelockte Engelshaar, war käuflich, und lag Tage vorher im Regal beim Konsum. Manchmal tauchte der Weihnachtsmann am 6.Dezember auf und grummelte etwas von Immerartiggewesen und Gedicht aufsagen. Cousin und Cousin lachten unsichtbar in sich hinein und hatten längst an den Schuhen und der Manchesterhose Onkel Willi oder Freds Vater erkannt, und die waren weiß Gott keine Weihnachtsmänner. Die Jungen murmelten Lyrisches mit Endreim, dass irgendwie mit „mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm!“ endete. „Aber noch nicht jetzt!“, ergänzten die Befragten im Gedanken und kassierten ihre Süßigkeiten, lächelten demütig und hielten es aus, wenn auch noch ein Weihnachtslied angestimmt wurde.

Der echte Weihnachtsmann stritt wahrscheinlich zur gleichen Zeit mit dem Christkind, dem Nikolaus, Knecht Ruprecht, den Zwergen, den Engeln und den Rentieren - oder waren es Elche?- über die Arbeitsverteilung bei der Bescherung. War Jesus eigentlich das Christkind? Oder war das Christkind ein ganz anderes Wesen, denn es so nicht aus wie ein kleiner Knirps, der in Bethlehem geboren wurde. Das Christkind war blondgelockt, hatte ein weißes Nachthemd an, ein zarten weißen Teint und blaue Augen.
Das Christkind war nordisch. Jesus stammte aus dem Nahen Osten. Fred kam vom Zweifeln und Verzweifeln. Weihnachten. Was für eine große Rätselkiste. 


Die Unsichtbarkeit der zentrale Weihnachtsfiguren stiftete Verwirrung; im Moment war Fred gläubig und sollte das die nächsten 6 Jahre bleiben. Mit der Konfirmation festigte der konfirmierende Pastor ihn in seiner Haltung, die er im Konfirmationsunterricht gewonnen hatte: Kirche ist nichts für mich.
Fred ging mit der Mutter in den Nachmittagsgottesdienst an Heiligabend, der trotz Überlänge und geänderten Anfangszeiten voll war, und Fred fragt sich: Warum ist die Kirche nur heute so voll? Es mussten Stühle bis in den Vorraum gestellt werden und niemand schnarchte leise. Die Luft war zum Schneiden. Wie ein Christstollen. Schwer lag die Heilegenachtstimmung über der Gemeinde. Der Vater weigerte sich  jedes Jahr, an etwas zu glauben. Er blieb zu Hause und glaubte, dass nach dem Tod nichts komme, und übernahm die Aufgabe für das Abendessen zu sorgen. In den ersten Jahren gab es aus diesem Grund Kartoffelsalat mit Würstchen. Da musste er nur das Wasser kochen und aufpassen, dass die Würstchen nicht platzten. Später wagte er sich an schwierigere Sache wie Schnitzel mit Pilzen aus dem Glas. Wenn der Gottesdienst mit Überlänge eine weiter Überlänge hatte, waren die Schnitzel trocken, die Pilze sehr klein und sehr trocken. Nur der Humor des Vaters war nicht mehr trocken. Die Laune übel, die Kirche war schuld. Der Begriff Kirche umfasste alles, die Männer im schwarzen Frauenkleidern, die Kirchensteuer kassierende Institution, das Glaubensbekenntnis und alles andere Bromborium, und den Gottesdienst speziell an Heiligabend. Jetzt war er konfirmiert. Er wusste, warum er den ganzen Kram nicht wollte. Gern hätte er jemanden für die dehydrierten Schnitzel und Pilze konfirmiert, aber es war ja Weihnachten.

Weihnachten. Fred fragte sich, ob er dieses Jahr wieder die obligatorische und bewährte Packung mit 4711-Seife und Zerstäuber schenken sollte, oder die Tosca-Variante? Ein Alpenveilchen wäre auch möglich, aber Fred hasste Alpenveilchen noch mehr als Usambara-Veilchen. Ein Pfund Bohnenkaffee kam nicht in Frage, das schnekte die Mutter schon der Schwiegermutter.
Man sollte nicht schenken, was man selbst nicht gern geschenkt bekäme. Aber der Mutter die neue Rolling-Stones-Single zu schenken, sah zu sehr nach Strategie aus. Wenn du sie nicht brauchen kannst, Mutter, könnte ich sie ja nehmen, übte Fred seinen Satz. Die 5 Mark wären gut investiert und die Mutter hatte sowieso keinen Plattenspieler, weshalb sie wohl die Scheibe zurückgeben würde.
Ein holländischer Junge quietschte sich durch Radio und Fernsehen mit dem Lied Mama, das jedes Mutterherz öffnete oder zum Schmelzen brachte. Heintje. Der Mutterglücklichmacher aus dem Nachbarland. Dafür würde er aber seinen Plattenspieler nicht hergeben. Selbst wenn die Mutter ihm die Heintjeplatte schenkte.
Fred entschied, dieses Jahr in Musik zu investieren. Mama, du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen. Hier formulierte der holländische Hochtöner, was Fred mittlerweile schwer fiel zu artikulieren. Die Mutter stufte ihren Fred mittlerweile als schwierig ein, weil er sein Zimmer nur noch sporadisch aufräumte, heimlich Pardon las und keinen Knick mehr ins Sofakissen machte, was wohl irgendwie gemütlicher und ordentlicher aussehen sollte.
Fred strebte an, die Haare -möglichst unentdeckt- länger werden zu lassen, weil es seinem eigenen Geschmack entsprach,  der zufällig auch mit dem britischer Beatgruppen übereinstimmte.
Was sollen die Leute denken, widersprach die Mutter, wenn Fred einen Selbstgestaltungsvorschlag unterbreitete, der ihr Missfallen fand.
Heintje - das war ein herzlicher Wunsch zu Weihnachten, und gleichzeitig auch eine Waffe. Die Mutter hatte keinen Plattenspieler und Heintje musste schweigen. In dieses Schweigen würde Fred seine erste Stones-Single Get off of my cloud auflegen, die schon einigermaßen abgenudelt war. Wat ess dat denn, hatte die Großmutter gefragt, als er Weihnachten 1965 die Platte nach dem Kufsteinlied auf seinem neuen tragbaren Monarch-Plattenspieler von Neckermann aufgelegt hatte.
Vielleicht war Heintje rausgeschmissenes Geld, aber es war ein letzter Versöhnungsversuch mit der Erziehungsberechtigten, um endlich das zu machen, was Fred immer drängender machen wollte.
Du musst doch nicht um deinen Jungen weinen, Mutter, summte Fred vor sich hin, und freute sich auf langes Haar und Sofakissen ohne Knick, auf ein unaufgeräumtes Zimmer und Renate, die bald Angela heißen würde, weil es mit Alma nur kurz geklappt haben würde.

Georg Krakl - Gedicht mit griechischen Buchstaben drin

Was dem Alpha  das Beta,
ist dem Weihnachtsbaum Lametta.

Georg Krakl - Gedicht mit Stanniolstreifen drin

Reichlich Lametta
ist dem hässlichen Baum
der Retter.
Man sieht ihn dann kaum.

Georg Krakl - Gedicht mit Dativ drin

Weihnachten 2020

Vor dem Sohne
schickt Amazon die Drohne.