Worte

Grüße von ganz weit weg

Lieber Brett,

danke für deine heißen Grüße. Hat ein bisschen gedauert, bis ich dir antworten konnte.Hier im Himmel ist es ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte, dunkel und ungemütlich. Und einsam. Scheinen alle in deiner Nähe gelandet zu sein. Milch und Honig werden nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet, aber ich bin irgendwie immer gerade an der falschen Stelle. Ist ja auch eine wichtige Erfahrung, keinen Versprechungen und Verheißungen zu vertrauen, wenn es auch meine letzte ist, aus der ich eigentlich gar nicht mehr lernen kann. Hätt ich das eher gewusst. Nie habe ich die Versicherung betrogen und was habe ich jetzt davon? Nicht mal eine treue Seele zum Fußballspielen. Wie komme ich bloß darauf? Als ob das jetzt noch eine Rolle spielt. Ach ja, kalt ist es auch. Ist Angelina eigentlich bei dir? Wir waren doch beide gleichzeitig bei diesem Autounfall . . . Wieso ist sie nicht hier? Brett? War da doch was mit euch? Fahrt zur Hölle, wenn das stimmt! Warum komme ich hier nicht weg? Ich raste aus.

Steini

Loser in der WG

Basti weiß, dass er der Loser in der WG ist. Er steht auf, wenn andere sich gerade hinlegen. Wenn er ein sauberes Glas sucht, ist der Schrank leer, manchmal sogar voll, dann steht das gebrauchte Geschirr von den Vortagen drin. Irgendwer hat Bastis Körperlotion aufgebraucht und seine Zahnbürstenaufsätze benutzt. Das Klopapier ist alle. Bubi war mit Klopapierbesorgen dran.
Basti ist verzweifelt.
Eine Wohngemeinschaft beruht auf Gleichwertigkeit. Jeder hat die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten. Nur dann kann das funktionieren.
Und dann dieser ständig wechselnde Personenbetrieb. Mal schleppt Bubi eine Neue an, dann kommt Rosi auf den Armen eines Lackels daher, der auch Eintänzer in der Fischbratküche hätte sein können. Basti weiß, dass niemand hier die Metapher verstünde, geschweige denn, sich darum kümmerte.
Die Blumen sind hin, aber bleiben irgendwie zusammen im Topf, der Tomatenketchup ist mit dem Linoleum eine  feste Verbindung eingegangen und die Tapeten trennen sich von ihren Wänden. Alle Welt hat Beziehungen. Basti hat nichts. Und das Schlimmste: Es fällt auch niemandem auf, weil es niemanden interessiert.
Immerhin zahlt Basti keine Miete, weil ihm die Wohnung gehört. Aber die andere zahlen auch nicht richtig.

Die NASA-Rakete neben meiner Begonie

Vielleicht wird dereinst ein Astronaut, nachdem er den Mars nur knapp verfehlt hat, und dessen Sauerstoff schwindet, sagen:
Wer Agonie sagt,
muss auch Begonie sagen.

Makaber.

Neue Grußpostkarten auf dem Markt




Hallo Brett!
Schöne Grüße aus der Hölle. Ziemlich warm hier. Das Essen wird heiß serviert und ansonsten ist alles okay.
Happy Hour gibt es leider nicht, aber alles ist all inclusive.
Das Personal könnte freundlicher sein.
Auf bald. Ich hoffe, wir sehen uns!
Pepe vom "Sündikat"!
P.S:: Den Chef habe ich noch nicht gesehen. Ist wieder auf Bundestagstour.
Witz des Tages: Lass uns noch ein Brett nachlegen, das Feuer geht sonst aus.(Kleiner Scherz, hihi!)

Georg Krakl: Sprühding (2011)

Im Frühling
dieses Jahr verschwand mein Sprühding
mit dem Fliesenglanz
Ich hätt  am Schwanz 
es fast erwischt.
Dann ist es abgezischt.

Sein fuckin' Stimmgerät

Ein fuckin' Stimmgerät
Da stehen zwei Nachwuchsmusikanten um die 16 mit ihren Gitarren in der Fußgängerzone und versuchen, sich auf einen Ton zu einigen. Das klappt nicht sonderlich; erst ist hier was schief, dann da was schiefer.
Dem dickeren der beiden bleibt nichts anderes übrig, als dem dünneren, der insgesamt bühnenwirksamer wirkt und deshalb auch auf verstimmter Gitarre spielen könnte, zu sagen: Ey, Alter, jetzt nimm endlich das fuckin' Stimmgerät.
Er sagt nicht: Nimm dein fuckin' Stimmgerät, denn damit würde er eine gewisse Abhängigkeit dokumentieren, was er nicht will. Nimm dein fuckin' Stimmgerät! heißt als Botschaft auch: Du kannst sowieso nicht nach Gehör stimmen, denn du hast fuckin' Ohren, die das nicht hören. Und ich kann das schon lange nicht, was du mir ja auch immer sagst.
Das Enttäuschende an der Szene ist aber nicht der Konflikt zwischen zwei unreifen Straßenmusikanten, die auf ein Stimmgerät angewiesen sind und es deshalb, aus ihrer Unfähigkeit nach Gehör zu stimmen,  als fuckin' bezeichnen, um einmal eine gewisse kühle Überlegenheit zu zeigen und zum anderen auszudrücken, dass das der letzte Scheiß ist, mit einem Stimmgerät - batteriebetrieben - zu stimmen.
Das Enttäuschende ist nämlich, dass das Stimmgerät die Schuld bekommt, dass es eingesetzt werden muss, weil zwei Grünschnäbel, die hinter den unmusikalischen Ohren noch feucht sind, nicht in der Lage sind ohne Hilfe ihre Instrumenten in Einklang zu bringen.
Vielleicht ist es der Deutsche an sich, vielleicht nur der Jugendliche, vielleicht der deutsche Jugendliche, der immer da die Schuld sucht, wo er gerade nicht ist. Auch wenn die beiden das Gegenteil glauben: Die sind wirklich nicht bei sich! Ein Stimmgerät als fuckin' Stimmgerät zu bezeichnen! Unglaublich.

Montag nach der Zeitumstellung


Alles ist früher dran, nur die Sonne kommt später. Wir mögen die Sommerzeit nicht, weil wir uns ihr unterwerfen müssen.
Der Russe ist schlau, er will die Sommerzeit wieder ändern. Der Russe steht nicht allzugern früh auf, denn es ist kalt in seinem Land.
Wir Deutschen bleiben dabei: Sommerzeit ist Sommerzeit, Winterzeit ist Winterzeit. Als ergötzten wir uns an dem, was wir nicht mögen. Der Deutsche ist märtyrerhaft, er büßt immer noch.
Einmal angefangen, wird weitergemacht, durchgehalten, nicht dumm gefragt, auch wenn das schlau wäre. Der Deutsche hängt an seinen Gewohnheiten. Er gehorcht und zweifelt nicht. Vielleicht ganz kurz, wenn die Normalzeit auf Sommerzeit umgestellt wird, weil es im Bett so warm ist und draußen noch alles dunkel.

Alles kommt früher: Der Wecker klingelt eher, das Zähneputzen, das Kaffeetrinken, das Butterbroteschmieren, das Losfahren in den ersten Stau. Als hätte der Mensch nicht einen Biorhythmus, den es zu berücksichtigen gilt. Alles früher.
Die Müdigkeit will bleiben, der letzte Traum hängt noch nach, und  das Gefühl, dass die Woche jetzt am längsten ist. Nur die Sonne kommt später. Klar, die Sonne, die sich selbst genug sein könnte, weil sie immer für sich scheint, weil sie immer in ihrer eigenen Nähe ist, die Sonne kommt später. Die Sonne lacht, auch wenn es wolkig ist. Die Sonne lacht wahrscheinlich über uns, die wir in den Tag hetzen müssen. Das ist nicht fair. Der Russe ist schlau; er lässt es wieder, wie es ist. Denn der Tag ist lang genug. Das Bett ist warm. Und die Sonne lässt auf sich warten.

alles fließt

Meine Cordhose schaut mich an

Ich saß auf dieser himmelschreiend langweiligen Veranstaltung fest, ein Redner peitschte den anderen an das Pult. Ich schaute auf meine gute Cordhose und dachte: Meine gute Cordhose trägt eine Brille! Wie weit ist es mit meinen Hosen denn schon gekommen! Ich erinnerte mich, dass damals die Cordhosen anders hießen: Manchester-Hosen. Ausgesprochen wurde das Manndschester-Hose, betont auf Dschester. Meine war braun, etwas dunkler und brauner als die heute an meinem Leib. Sie hatten einen Aufschlag, in dem sich der Staub eines Jahres sammelte, der auch bei der nächsten Wäsche nicht verschwinden würde, sondern sich als gereinigtes, festes Flusenbündel dort weiter einnistete. Meine Manchesterhose hatte keine Brille, brauchte keine Brille, genau wie ich damals und sie war kürzer, genau wie ich damals. Sie fasste sich gut an, sogar mit eingerissenen Fingernägeln war sie noch angenehm zu greifen. Meistens wischte ich mir die Hände an ihr ab, auch wenn es gar nichts abzureiben gab.
Cordhose. Welch ein hartes Wort. So als impliziere es förmlich das Synthetische, so als blieben eingerissene Fingernägel an ihr hängen. Diese Cordhose. Ein weitsichtiges Kleidungsstück immerhin, denn die Brille, die sie trug, war eine Lesebrille.
Ach, es war meine Lesebrille, schreckte ich auf. Ein neuer Redner hat das Rednerpult erklommen und hustete ins Mikrophon, um festzustellen, ob es funktionierte.
Meine Cordhose kann nicht lesen. Ich fragte mich, warum sie eine Brille trug. Irgendwie sah meine Cordhose mit der Brille nachdenklich aus. Vielleicht war es auch mein Bein in der Cordhose, oder beide, die darüber nachachten, wann sie endlich nach Hause gehen dürfen.
Ich strich sanft über den geriffelten Stoff und flüsterte, dabei nickte ichwissend : Ein Weilchen wir es wohl noch dauern...

Fragen und keine Antworten: Brücken am Wegesrand?

Was nützt dir die Brücke, wenn du nicht auf die andere Seite willst?

Mit dem Bike unterwegs

Lohn für strapaziöses Strampeln: Der Blick ins Leere
Das erste Stück ist am schlimmsten, ich habe vorne den mittleren Kranz drauf, hinten den zweiten, und ich werde nicht aufstehen, überhaupt stellt sich die Frage, was das Ganze soll, muss man wirklich Mountainbike fahren, und vor allem, ohne ein wirkliches Ziel zu haben, eines, wo man sagen kann, ja, hallo, da war ich umweltfreundlich, da habe ich eine Autofahrt eingespart und der Oma Brötchen mit dem Fahrrad geholt. Was tun, wenn die Oma nicht mehr lebt oder in Hamburg oder München wohnt?Warum muss es der Kaiser sein? 160 Höhenmeter auf so einem kleinen Stück, das ist doch Masochismus, das ist Selbstbestrafung, das ist doch nicht normal, geschweige natürlich. Dieser ganze Monarchiescheiß geht mir auf die Nerven, dieses Guttenberg-Gesabbel, weil der abgeschrieben hat, weg damit, ich strampel mir hier die Beine aus dem Bauch, und der hat abgeschrieben, nein, ich stehe nicht auf, das ist Gesetz, das schaff ich auch so, wer einmal aufsteht, steht immer auf, das ist genauso wie stehen bleiben, dann ist der Rhythmus weg, das ist was für Herzkranke, ich will nicht herzkrank sein, das Wort bereitet mir schon Unbehagen, deswegen strampel ich doch hier, aber diese ganze Fitnessrumsülzerei, Hantel und Crosstrainer, Muskelumfang, anaerob, ja was denn, die Muskeln schmerzen, ganz klar und die Pumpe geht ganz ordentlich, nix, ich bleibe sitzen, ich lasse mir nicht von einem Kaiser vorschreiben, nur weil der auf einem Berg steht, wann ich aufstehe, autoritätsgläubig, ja, das haben sie damals versucht mit uns, immer glauben, was die da oben sagen, Maul halten und gehorchen, aber jetzt reicht es, ich schalte einen Kranz höher, ja, jetzt geht es mal voran, auch wenn das wehtut, ich mach das, weil es Spaß macht, weil es gesund ist, die dreißigfache Menge Sauerstoff pumpt man da durchs Blut, eine Kurve, komm schneller, ich versuche es mal im Stehen, bringt auch nicht viel, du kannst einfach nicht in zu kleinen Gängen fahren, dann dauert das ewig, ja, gut, am Andenkenladen vorbei, 100m noch, kleine Denkmäler mit 24-Karat-Goldauflage, gleich habe ich es, oohm macht die Frau da, ja, genau, oohm, bewunderndes Oohm, sie weiß, was es heißt, hier hoch zu strampeln, Dreckssport, jupp, da samma!
Endorphine, endlich, Endorphine, kommt zu mir, kommt in mich, kreist und tost und rauscht in mir, ihr Endorphine! Danke. Und dieser Blick. Schön. Sehr schön. Wenn die Sesselfurzer wüssten. Wenn sie wüssten! Nä, ist das schön hier. Früher war das immer so hässlich. Ach, ihr lieblichen Endorphine!

ohne Titel 2

Welches Sprichwort ist gemeint?

a) Verwechsle nie die Hülle mit der Fülle!
b) In einer weichen Schale steckt meist nichts.
c) Wecke nicht den Papiertiger auf deinem Zeichenblock!
d)Besser die Schale in der Hand, als die Banane in der Dose.
e)Sag mir, wie du einen Apfel isst, und ich sage dir, wer ich bin.

Georg Krakl: Zu Hause essen (2011)

Der Mond braucht keinen Lampenschirm
Die Lampenschirme komisch krumm,
die Servicedame duzt' mich dumm,
im Zuckerstreuer war nur Salz,
im Butterfass gemeines Schmalz.
Die Currywurst ganz ohne Wurst
und auch der Wein kam ohne Durst
nur schal und fad mir vor.
Worauf ich schwor,
nie mehr daheim zu essen.
Das konnte man total vergessen!
Zu Mäckes wollt ich geh'n.
Die Lampenschirme sind da nett.
Und die Bedienung ist adrett.
Das Schmalz, das ist aus Schmalz,
und Salz ist wirklich Salz.
Sogar die Currywurst
macht Durst.
Der Wein heißt Coca Cola.
Ich sitz am Tisch mit Lola.
Die nuckelt lautstark an der Brause.
Hab teuer Geld bezahlt.
War anders ausgemalt.
Ich wünsche mich nach Hause.

Der letzte Pokerabend

Hans und Puffi sind traurig

Jahrelang hatten Hans und Puffi als hässliches Spielzeug gedient, als Deko und später als Stütze eines wackelnden Monitors, als Monitore noch nicht flach waren und gelegentlich nach hinten kippten.
Das war nun vorbei. Das Kind, das mit ihnen gespielt, dekoriert und gestützt hatte, war erwachsen, und fand immer noch, dass Hans und Puffi hässlich waren. Jetzt lagen sie herum, quasi auf ihrem Altenteil, dabei sahen sie immer noch frisch und farbenfroh aus, denn sie waren aus unverwüstlichen Kunststoffen. Sogar eine  Runde Schlagball könnte man ihnen zumuten können.
Aber niemand wollte sie mehr, niemand wusste ein Spiel, in dem sie eingesetzt werden konnten, niemand einen Ort in der Wohnung, den sie durch ihr Herumliegen hätten verschönern können, und seit der Erfindung der Flachbildschirme gab es auch nichts mehr, das sie hätten abstützen können. Und so waren sie einfach traurig; sie fühlten sich ausgebeutet und missbraucht. Das hatten sie nicht verdient, dachten sie.
Die haben verdient, da rumzuliegen, dachte die Mutter, denn sie war damals über Hans oder Puffi gestolpert und hatte dabei den Monitor vom Tisch gerissen und auch eine Bodenvase zerstört.
Uns Menschen aber soll es Mahnung sein, auf dass wir nicht eines Tages herumliegen und keiner will uns mehr.

Fliesen schützen

Gernot wollte nur seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen – Löcher in die Luft zu starren. Er liebte diese wenigen Augenblicke im Alltag, diese Luftlöcher in einer Atmosphäre voller Hektik und Zeitnot. Meistens blieb diese Beschäftigung folgenlos. Die Zeit verstrich einfach nur klang- und, wenn kein Vogel in der Nähe war- auch sanglos. Und genau das war das Ziel und der Weg und die Antwort darauf. Es war Gernot nie bewusst gewesen, dass er dabei immer auf die Fliesen gestarrt hatte. Das wurde ihm erst bewusst, als er eines Tages offenbar nicht auf die Fliesen, sondern auf die darüber liegende raufaserig tapezierte Wand gestarrt hatte, natürlich war es ihm nie aufgefallen, denn er hatte ja in die Luft gestarrt und dabei eigentlich nichts gesehen, doch er musste eindeutig zu hoch gestarrt haben, denn der bröckelige Putz auf der alten Wand hielt seinem Blick nicht mehr stand und noch ehe Gernot den Blick abwenden konnte, fiel der Putz krachend und staubend hinunter, Gernots Frau kam natürlich sofort angerannt, schrie etwas von wegen zu doof zum Nagel in die Wand hauen und was wolltest du denn da überhaupt aufhängen und Gernot fragte sich, warum er seine Frau nie wirklich mit einem intensiven Blick bedacht hatte, das hatte sie immer gewollt, sieh mich doch mal an, immer guckst du durch mich durch, hatte sie gejammert. Gernot beschloss das zu ändern. Er starrte sie an, genau aufs Herz starrte er.

Telefonsex

Fliesengedichte: Johannes Mario Semmel - Fliese im Frühling (2011)

Keine Fliese zu sehen. Aber auch keine Wiese.
Eine Fliese
lag auf grüner Wiese
und sie  dachte,
weil die Sonne grad vom Himmel lachte:
Ach, das Leben wäre halb so schwer,
wenn ich eine Kachel wär.

Georg Krakl: Die Blaumeise (2011)

Die Blaumeise 
nervt 
auf eine Weise,
die die Sinne ins Extreme schärft.
Die Liebe gegenüber Tieren
scheint sich dabei zu verlieren. 

Vorsicht bei Frühstücksgetränken

Manchmal ist es wirklich Öl, das runter geht wie Öl.

Weltgeschehen

Haar im Waschbecken

Schnatzi! Weißt du eigentlich, dass ich nie erwähne, wenn von dir mal ein langes Haar im Waschbecken liegt?
Wieso? Liegt denn da eins, Schwatzi?
Wenn, dann würd ich es ja nicht sagen, Schnatzi!
Also liegt doch da eins. Immer noch besser als deine Bartstoppeln nach dem Rasieren, Schwatzi!
Wieso besser? Rein quantitativ ist dein Haar genauso viel wie meine Bartstoppeln, wenn man die zusammenkleben würde, Schnatzi.
Macht aber keiner, Schwatzi. Es sieht einfach schmuddelig aus. So ein einzelnes Haar stört aber keinen.
Vielleicht ist es auch ein Achselhaar, Schnatzi.
Hast du denn da Haarausfall, Schwatzi?
Ich auf keinen Fall.
Du musst doch erkennen können, ob es ein Achselhaar von mir ist oder ein Kopfhaar. Das Kopfhaar ist doch viel länger und hat auch eine andere Farbe, Schwatzi.
Es liegt ja keins im Waschbecken, Schnatzi. Und wenn, würde ich's nicht sagen, sondern einfach wegtun.

Die Blaumeise schützen

Die Blaumeise singt ihr schützenswertes Lied
Den ganzen Winter ist sie nicht aus den Federn gekommen. Jetzt ist sie wieder da: Die Blaumeise. Sie sei vom Aussterben bedroht, liest man in Fachblättern, und sei überaus nützlich, deshalb sei sie schützenswert.
Die Sonne scheint das erste Mal so, dass der Mensch glaubt, es sei Frühling. Er setzt sich auf den Balkon, nimmt ein gutes Buch zur Hand und beginnt zu lesen. Schwerer Stoff, Hitler soll einen Sohn gehabt haben, damit müssten dem Monster menschliche Züge zugeschrieben werden.
Dann eine Blaumeise. Unbedarft und frohbeschnäbelt legt sie los und schmettert ihr monotones Lied in den Himmel und in die Ohren des Lesers, der sich damit quält, ob er denn ein solches Buch weiterlesen darf. Die Konzentration ist dahin, die Sonne scheint sich zu verdunkeln, die Gedanken kreisen um Tinnitus und verwandte Hörschäden. Die Blaumeise schmettert. Wie kann ein so kleines Tier solch einen Krach machen? Die Ohren schmerzen. Die Meise schreit und quält wie ein defektes Morsegerät, das über eine Stadion-Anlage von Metallica verstärkt wird.
Früher durfte man im Garten herumschießen und traf unbeliebte Vögel. Früher.
Die Blaumeise ist vom Aussterben bedroht. Wer hat den Begriff "akustische Umweltverschmutzung" erfunden?
Das Buch und seine Thematik verschwinden im Lärm des tosenden Frühlings, dessen Sonne sich zu verdunkeln scheint.
Der Autor des Buches ist im letzten Jahr gestorben. Die Blaumeise lebt.

Original und Fäschung: Pawel Pikass - Krikelkrakel (2007)

Wer findet die etwa 60  bis 70 Fehler?

Schwer verständliche Lyrik

Dies Wortspiel muss man erst einmal begreifen:
Reif am Fahrradreifen

Beppos Schülertipps: Kuchen backen

Back deinem Lehrer einen Kuchen! Back deiner KLasse einen Kuchen! Das gibt Punkte für soziale Kompetenz und guten Noten in den Fächern, die dein Lehrer unterrichtet.
Das funktioniert so: Weißes Mehl und Zucker sind die Klassiker des Einlullens, des Müdemachens, des Zufriedenstellens. Der Körper wird in einen Zustand versetzt, der einem Futterkoma bei Großhaustieren, Pferd, Kuh oder Schäferhund, entspricht. Der Blick wird blöde, das Grinsen gelassen, die Welt ist in Ordnung. Neben diesen biochemischen Prozess gesellt sich die Tatsache, dass Zucker bei deinem Lehrer das Gefühl von Gelobtwerden, von Gutsein und Richtgemachthaben abruft.
Früh in seiner Kindheit war ihm das antrainiert worden: Braver Bubi! Hier hast du einen Lolli!
Sogar der Zahnerzt belohnte mit Zucker, wenn Bubi nicht nach ihm getreten hatte, weil der Bohrer abgerutscht war oder der Milchzahn ohne Betäubung raus musste.
Zucker ist die Maßnahme, dem Lehrer zu zeigen, dass er alles richtig macht, ohne es auszusprechen!
Also, back einen Kuchen! Es bleibt immer ein Stück für dich übrig, denn du hast alles richtig gemacht.

Beruhigungstropfen

Ulla Huhn, Ich starrte

Hab an die Fliesen gestarrt,

Mal wieder,

Mein Leben lag wie ein sinnloses Mosaik

Vor meinem inneren Auge.

Nichts fügte sich zusammen,

Die Fugen waren verschmutzt.

Und alles, was ich beim Starren sah,

War ein schwarzes Känguru,

Zweidimensional,

Und das Nächste war zehn Kilometer

Weit entfernt,

Zehn Kilometer sind viel,

So viel wie vom Abend

Ins Morgenland,

Eindimensional.

Edward Hoppser: Therapeutisches Raketengucken 2 (2011)


Die vierte Dimension

Hinter jedem Fliesenmuster verbergen sich geheime Welten, manchmal nicht nur drei- sondern sogar vierdimensionale. Sie lassen sich erschließen, wenn du am Ende eines Tages lange auf die Fliesen starrst, im privaten Bad oder in der Küche, beim Zähneputzen oder Spiegeleierbrutzeln, und die Ereignisse dieses Tages am inneren Auge, das du auf die Fliesen projiziert, vorüber laufen lässt. Täglich erschließt sich nach einigen Minuten des Starrens und Verharrens die eine oder andere Begebenheit, die auch ganz anders hätte verlaufen können. Zum Beispiel der Beinaheunfall am frühen Morgen, der dich in der Mittagspause noch zittern lässt. Die geheime Welt hinter dem Fliesenmuster zeigt dir die Unfallbilder, das Autowrack, den Krankenwagen und schließlich die entsetzten Gesichter der Kollegen, die später erfahren müssen, dass sie nun Mehrarbeit leisten müssen. Sind sie nur deshalb so entsetzt?, fragst du dich beim Starren und Erinnern. Du siehst, wer spontan weint, wer die Hände vors Gesicht schlägt und wer schon mal sein Butterbrot auf deinen Platz schiebt, um endlich vorteilhafter zu sitzen. Und wer sich dein vergessenes Butterbrot vom Vortag krallt. Und die Kollegin, die fassungslos auf ihre Box mit Apfelachteln starrt, die sie auch für dich morgens, noch halb schlafend, geschnitten hat. Der Blick in die geheime Welt hinter dem Fliesenmuster erfüllt dein Herz mit Wärme und Dankbarkeit, denn du hast an diesem Tag die Äpfel noch essen dürfen, du wirst sie sogar noch vollständig verdauen dürfen, du durftest nach der Arbeit wieder nach Hause fahren und du hast auch diese Fahrt heil überstanden. Und trotzdem wünscht du dich manchmal in diese geheime Welt, in der es keine angebrannten Spiegeleier gibt oder Nachbarn, die abends noch mit ihrer Band proben oder Kollegen, die einem die Butter auf dem Brot nicht gönnen.