Die Blaumeise schützen

Die Blaumeise singt ihr schützenswertes Lied
Den ganzen Winter ist sie nicht aus den Federn gekommen. Jetzt ist sie wieder da: Die Blaumeise. Sie sei vom Aussterben bedroht, liest man in Fachblättern, und sei überaus nützlich, deshalb sei sie schützenswert.
Die Sonne scheint das erste Mal so, dass der Mensch glaubt, es sei Frühling. Er setzt sich auf den Balkon, nimmt ein gutes Buch zur Hand und beginnt zu lesen. Schwerer Stoff, Hitler soll einen Sohn gehabt haben, damit müssten dem Monster menschliche Züge zugeschrieben werden.
Dann eine Blaumeise. Unbedarft und frohbeschnäbelt legt sie los und schmettert ihr monotones Lied in den Himmel und in die Ohren des Lesers, der sich damit quält, ob er denn ein solches Buch weiterlesen darf. Die Konzentration ist dahin, die Sonne scheint sich zu verdunkeln, die Gedanken kreisen um Tinnitus und verwandte Hörschäden. Die Blaumeise schmettert. Wie kann ein so kleines Tier solch einen Krach machen? Die Ohren schmerzen. Die Meise schreit und quält wie ein defektes Morsegerät, das über eine Stadion-Anlage von Metallica verstärkt wird.
Früher durfte man im Garten herumschießen und traf unbeliebte Vögel. Früher.
Die Blaumeise ist vom Aussterben bedroht. Wer hat den Begriff "akustische Umweltverschmutzung" erfunden?
Das Buch und seine Thematik verschwinden im Lärm des tosenden Frühlings, dessen Sonne sich zu verdunkeln scheint.
Der Autor des Buches ist im letzten Jahr gestorben. Die Blaumeise lebt.