Sein fuckin' Stimmgerät

Ein fuckin' Stimmgerät
Da stehen zwei Nachwuchsmusikanten um die 16 mit ihren Gitarren in der Fußgängerzone und versuchen, sich auf einen Ton zu einigen. Das klappt nicht sonderlich; erst ist hier was schief, dann da was schiefer.
Dem dickeren der beiden bleibt nichts anderes übrig, als dem dünneren, der insgesamt bühnenwirksamer wirkt und deshalb auch auf verstimmter Gitarre spielen könnte, zu sagen: Ey, Alter, jetzt nimm endlich das fuckin' Stimmgerät.
Er sagt nicht: Nimm dein fuckin' Stimmgerät, denn damit würde er eine gewisse Abhängigkeit dokumentieren, was er nicht will. Nimm dein fuckin' Stimmgerät! heißt als Botschaft auch: Du kannst sowieso nicht nach Gehör stimmen, denn du hast fuckin' Ohren, die das nicht hören. Und ich kann das schon lange nicht, was du mir ja auch immer sagst.
Das Enttäuschende an der Szene ist aber nicht der Konflikt zwischen zwei unreifen Straßenmusikanten, die auf ein Stimmgerät angewiesen sind und es deshalb, aus ihrer Unfähigkeit nach Gehör zu stimmen,  als fuckin' bezeichnen, um einmal eine gewisse kühle Überlegenheit zu zeigen und zum anderen auszudrücken, dass das der letzte Scheiß ist, mit einem Stimmgerät - batteriebetrieben - zu stimmen.
Das Enttäuschende ist nämlich, dass das Stimmgerät die Schuld bekommt, dass es eingesetzt werden muss, weil zwei Grünschnäbel, die hinter den unmusikalischen Ohren noch feucht sind, nicht in der Lage sind ohne Hilfe ihre Instrumenten in Einklang zu bringen.
Vielleicht ist es der Deutsche an sich, vielleicht nur der Jugendliche, vielleicht der deutsche Jugendliche, der immer da die Schuld sucht, wo er gerade nicht ist. Auch wenn die beiden das Gegenteil glauben: Die sind wirklich nicht bei sich! Ein Stimmgerät als fuckin' Stimmgerät zu bezeichnen! Unglaublich.