Meine Cordhose schaut mich an

Ich saß auf dieser himmelschreiend langweiligen Veranstaltung fest, ein Redner peitschte den anderen an das Pult. Ich schaute auf meine gute Cordhose und dachte: Meine gute Cordhose trägt eine Brille! Wie weit ist es mit meinen Hosen denn schon gekommen! Ich erinnerte mich, dass damals die Cordhosen anders hießen: Manchester-Hosen. Ausgesprochen wurde das Manndschester-Hose, betont auf Dschester. Meine war braun, etwas dunkler und brauner als die heute an meinem Leib. Sie hatten einen Aufschlag, in dem sich der Staub eines Jahres sammelte, der auch bei der nächsten Wäsche nicht verschwinden würde, sondern sich als gereinigtes, festes Flusenbündel dort weiter einnistete. Meine Manchesterhose hatte keine Brille, brauchte keine Brille, genau wie ich damals und sie war kürzer, genau wie ich damals. Sie fasste sich gut an, sogar mit eingerissenen Fingernägeln war sie noch angenehm zu greifen. Meistens wischte ich mir die Hände an ihr ab, auch wenn es gar nichts abzureiben gab.
Cordhose. Welch ein hartes Wort. So als impliziere es förmlich das Synthetische, so als blieben eingerissene Fingernägel an ihr hängen. Diese Cordhose. Ein weitsichtiges Kleidungsstück immerhin, denn die Brille, die sie trug, war eine Lesebrille.
Ach, es war meine Lesebrille, schreckte ich auf. Ein neuer Redner hat das Rednerpult erklommen und hustete ins Mikrophon, um festzustellen, ob es funktionierte.
Meine Cordhose kann nicht lesen. Ich fragte mich, warum sie eine Brille trug. Irgendwie sah meine Cordhose mit der Brille nachdenklich aus. Vielleicht war es auch mein Bein in der Cordhose, oder beide, die darüber nachachten, wann sie endlich nach Hause gehen dürfen.
Ich strich sanft über den geriffelten Stoff und flüsterte, dabei nickte ichwissend : Ein Weilchen wir es wohl noch dauern...