Minarett in Berlin

Jetzt hat man iin Berlin ein Minarett entdeckt, das noch aus DDR-Zeiten stammt. Es ist über zweihundert Meter hoch und damit das höchste der Welt. Im oberen Teil fand man ein Café, das sich sogar dreht.
Da für das Minarett seinerzeit keine Baugenehmigung erteilt wurde, überlegt man, es abzureißen.
Dagegen sprechen allerdings, dass es kein höheres Minarett auf der Welt gebe und der Kaffee sehr lecker schmecke. Man biete auch Christen gegen Zahlung einer Fahrstuhlgebühr Gelegenheit, in dem Restaurantbetrieb eine Runde zu drehen und sogar ein Stück Kuchen zu essen. Die Bevölkerung ist geteilter Meinung, wie das in Berlin ja in der Nachkriegszeit immer war.

Für immer jung

Der hochgeschlagene Kragen seiner Lederjacke und das wirre Haar sollten signalisieren: Ich bin anders, ich bin nicht Establishment, ich bin jung und werde jung im Herzen und im Geiste bleiben. Meine Kumpel stehen hinter mir. Die werden mir die Unsicherheit aus dem Hirn schreien. Du bist anders! Du bist nicht Establishment, du bist jung und wirst das immer bleiben. Ich bin jung, deswegen muss ich nicht Tretroller oder Fahrrad fahren. Die Schokocreme esse ich nach wie vor gern. Aber von meiner Schulzeitliebe habe ich mich innerlich gelöst; die blöde Kuh im Grunde, weiß gar nicht, was sie da verpasst hat. Heute habe ich zehn an jedem Finger, wenn ich wollte.
Der hochgeschlagene Kragen seiner Lederjacke hielt in erster Linie den stinkigen Atem seiner versoffenen Kumpel  ab, die ihm ins Ohr lallten, wie jung er sei, und dass er sich keine Sorgen mache solle, das bleibe immer so, solange sie hinter ihm stünden.
Er kümmerte sich darum, dass ihn keiner überholte.

Christiane Alles-Wiemansnimmt: Du bist wieder da


Die Socken die tags deine schwitzende Füße bedeckt haben
Liegen im Schlafzimmer
Der eine hat ein Loch
Deine Bartstoppeln im Waschbecken
Die Schublade in der Küche offen
Die Heizung ist nicht runtergedreht
Der Hund hat sich auf dem Flur hinterlassen
Krümel auf dem Boden
Deine Tasse und der Teller auf der Spülmaschine
Die voll ist
Die so voll ist
Wie das Maß damals

Du bist wieder da

Neulich auf dem Oktoberfest

Ärmel als Spiegel der Seele

Wie der Herr, so' s Gescherr, verkündet der Volksmund und macht doch die Volksohren auf, um den stimmlichen Einlagen von Volkssängern zu lauschen.
Aber bitte, wenn einem die Musik auch egal sein kann, aber bitte auf die Kleidung achten!
Immer wieder glauben Männer, dass sie in Anzügen aus Alu besonders fesch aussehen, weil so glatt und fettabweisend. Was sie nicht bedenken ist, dass sie sich nicht bewegen dürfen. Das fällt natürlich Schlagersängern schwer, denn sie wollen durch eine ausladende Gestik von Gesang und Lied ablenken.
Schnell ist ein Ärmel zerknittert und macht das ganze steife Image kaputt.
Dabei ist gerade der Ärmel das Spiegelbild der Seele und noch vielmehr des Gesichtes:
Die wulstigen Lippen. die kräftigen Augenbrauen, die Klitschko-Nase und der melancholische Zwergdackelblick spiegeln sich im Anzugärmel wider. Zusammengefasst kann das einen Aufschrei der Seele bedeuten: Warum muss ich diesen Mist hier singen?
Tja, nicht immer das Schicksal zum Sündenbock machen! Das war es diesmal nämlich nicht. Manchmal ist man einfach selber schuld.
Mal was hören von Semino

Folgen von Spontaneität

Spontan (Siehe auch gestern!)
Am dritten Tag seines Urlaubs wachte der Urlauber voller Glück und Freude auf. Er entschied spontan, einen Sprung in den Swimmingpool des 5-Sterne-Hotels zu machen. Die Hotelangestellten hatten sich vor zwei Tagen entschuldigt, dass der Pool wegen eines technischen Mangels ohne Wasser sei. Andere Gäste hatten gescherzt, nicht unüberlegt in den Pool zu springen. Das sei jetzt nur für Nichtschwimmer von Vorteil, denn ohne Wasser bestünde auch keine Gefahr, zu ertrinken. Der Urlauber zog sich seine Badehose an, streifte den Bademantel über und ging hinunter in den Garten der Anlage. Er legte seinen Bademantel auf einer Bank ab und nahm von dort aus Anlauf. Er lief und sprang in das leere Becken. Der Pool war wirklich ohne Wasser. Der Urlauber brach sich das Genick. Der Preis der Spontaneität. Im Sprung schoss es dem Urlauber durch den Kopf: „O, es ist kein Wasser im Becken!“ Im letzten Moment vor dem Aufprall dachte er: „ Der Mensch ist frei. Er kann entscheiden. Überlegt oder unüberlegt. Ich habe entscheiden. Hier und jetzt!“ Die anderen Gäste scherzten nun nicht mehr über den leeren Pool.

Spontan 2

Der Urlauber, der in den leeren Swimming-Pool gesprungen war, konnte nicht schwimmen. Wahrscheinlich wäre er zum Zeitpunkt seines Sprunges, zu dem kein anderer Mensch in der Nähe war, elendig ersoffen. Die Folge seiner spontanen Entscheidung war dieselbe, als wenn Wasser im Becken gewesen wäre. Niemand konnte bisher berichten, ob ein Tod durch Ertrinken angenehmer ist als durch einen Sturz.

Spontan 3

Wie alles im Leben, hat auch das Einfordern der persönlichen Freiheit seinen Preis. Nicht immer ist vorher klar, wie hoch dieser ist. Gezahlt wird aber immer. Den Preis diktiert das Leben.

Spontan 4

Als der Urlauber sich, schwebend über seinem Körper, von oben betrachtete, dachte: Besser einmal im Leben eine falsche Entscheidung  treffen, als niemals zu entscheiden.

Spontan 5

Beim Abschweben ins Paradies kam dem Urlauber noch eine Erkenntnis: Spontaneität macht noch lange nicht lebenstüchtig. Und schon lange nicht macht sie aus einem Nichtschwimmer einen Schwimmer. Das wäre hier aber auch ohne Belang gewesen.

Bodos Briefe: Lieber Paul I., du alter Tintenfisch!

Da hast du angeblich orakelt und die Fußballspiele für die deutsche Mannschaft während der WM vorhergetaucht. Immer hast richtig gelegen oder gesessen. Jetzt bist du tot.
Die WM ist vorbei. Und das ist gut.
Man will dich einäschern. Auch das ist gut. Da lacht der Vegetarier. Tiere haben auch ein Recht auf wesentliche Behandlung, wie Menschen auf menschliche. Du bist ein Mitwesen. Vielleicht sollte ich schreiben: Mitwesentliche Behandlung. Das Wort ist mir neu. Dem Rest der Menschheit wohl auch. Möglich, dass ein Neologismus entstanden ist. Auf deine Kosten.
Ich bin froh, dass du nicht in Büchsen verarbeitet wirst und an zahlungskräftige Kunden im KaDeWe in der Abteilung für komische Lebensmittel meistbietend veräußert wirst. Das hast du nicht verdient.
Du bist ein Tier, das gemeinhin, wenn es nicht in Kringeln und frittiert auf dem Teller liegt, als eklig gilt.
Man will eine Gedenkstätte errichten im Auquarium in  Oberhausen, um die Urne mit deiner Asche auszustellen. Die Leute sollen sich deiner erinnern und andächtig werden. Sie dürfen sich in ein Kondolenzbuch eintragen, als ob Oma oder Opa gestorben wären.
Und du bist dabei. Auch wenn du es nicht mehr erleben kannst.
Sushi. Sei froh. Da geht es anderen ekligen Tieren ganz anders.
Und mit der Asche und der Gedenkstätte.... da gibt es andere Bezüge....da mach dir mal keinen Kopf, wenn du einen hast.
Dein Bodo

Spontan

Am dritten Tag seines Urlaubs wachte der Urlauber voller Glück und Freude auf. Er entschied spontan, einen Sprung in den Swimmingpool des 5-Sterne-Hotels zu machen. Die Hotelangestellten hatten sich vor zwei Tagen entschuldigt, dass der Pool wegen eines technischen Mangels ohne Wasser sei. Andere Gäste hatten gescherzt, nicht unüberlegt in den Pool zu springen. Das sei jetzt nur für Nichtschwimmer von Vorteil, denn ohne Wasser bestünde auch keine Gefahr, zu ertrinken. Der Urlauber zog sich seine Badehose an, streifte den Bademantel über und ging hinunter in den Garten der Anlage. Er legte seinen Bademantel auf einer Bank ab und nahm von dort aus Anlauf. Er lief und sprang in das leere Becken. Der Pool war wirklich ohne Wasser. Der Urlauber brach sich das Genick. Der Preis der Spontaneität. Im Sprung schoss es dem Urlauber durch den Kopf: „O, es ist kein Wasser im Becken!“ Im letzten Moment vor dem Aufprall dachte er: „ Der Mensch ist frei. Er kann entscheiden. Überlegt oder unüberlegt. Ich habe entscheiden. Hier und jetzt!“ Die anderen Gäste scherzten nun nicht mehr über den leeren Pool. 

50er Jahre: Erfindung des Handgefriergerätes

Was war es doch beschwerlich vor der Erfindung des Handgefriergerätes! Manche Dame schaute ratlos in die Runde, wenn sie ihr angebissenes Butterbrot sinnvoll unterbringen wollte, so dass es auch noch Tage später genießbar wäre. Eine neue Erfindung eroberte binnen kurzem die halbe Welt. Nun- ein halbverzehrtes Jägerschnitzel mit Champignons? Ruckzuck in den Handgefrierer und konserviert! Jetzt konnten immer überraschend Gäste kommen; für das Leibliche war gesorgt. Mit dem Inhalt eines großen Handgefrierers ließ sich locker eine  Fußballmannschaft sättigen. Ein technisches Problem war  dann plötzlich Grund dafür, so um 1959/60 herum, dass das Gerät vom Markt verschwand: Fror man heißen Kaffee ein, war dieser nach dem Auftauen immer kalt. Erst ein Zusatzgerät, das recht umständlich zu bedienen war, konnte die alte Temperatur wieder herstellen. Die Damen konnten dieses als Handtäschchen am rechten Unterarm baumeln lassen. Aber wenn manche Dame auch lächelte, so dachte sie insgeheim: Blödes Zusatzgerät! Blöder Handgefrierer! Die sollten vom Markt verschwinden. Was sie dann auch taten.

Kunsttipp: Van Gogh-Bilder kaufen?


Manchen Bildern sieht man sofort an, dass sie nicht von van Gogh stammen. Auch wenn man jahrelang geglaubt hat, van Gogh habe gar nicht malen können, weil er immer wieder und wieder seine Bilder übermalt habe, hat man später ihren genialen Wert erkennen müssen. Die Farbe stand zentimeterdick auf der Leinwand und stellte einen erheblichen Gegenwert dar. Leider kann bis heute niemand etwas mit getrockneter Ölfarbe anfangen. Geld gibt es dafür nicht. Trotzdem macht der Sammler mit van Gogh-Bilder heute Millionen. Der Künstler hätte sogar viel weniger Farbe nehmen können und damals, in der schlechten Zeit, dafür lieber ein paar Gläser Rotwein oder Absinth trinken sollen.
Bilder, die einen dicken Farbaufstrich haben, sind nicht automatisch von van Gogh; das ist eine Faustregel, für jeden, der in den Kunstbetrieb einsteigen will, um dort sein Geld anzulegen. Bilder, auf denen die Wirklichkeit etwas anders aussieht, könnten vom Meister sein, können aber auch ganz dilettantische Versuche von Hobbymalern sein, ihre Umwelt abzubilden, das aber mangels Technik auch nicht mal ansatzweise hinzukriegen. Also: Finger weg von Bildern, die Objekte zeigen, die in Wirklichkeit anders aussehen! Das könnte eine Falle sein, und schnell ist das hart zusammenspekulierte Geld weg und der malende Dilettant reibt sich die Hände.
Tipp: Bilder aus der näheren persönlichen Umgebung sind meistens nicht von van Gogh; der hat bekanntlich viel in Südfrankreich gemalt, weil es dort wärmer war. Van Gogh hat manche Flüsse nie gemalt. Dazu gehört u.a. die Weser.

Klimawandel: Jetzt sind es die Kühe


Jetzt will man der Kuh die Schuld für den Klimawandel in die Hufe schieben.  Sie sei ständig damit beschäftigt, zu rülpsen oder Darmgase abzugeben, das sei Co2 und würde Schaden anrichten. Kühe hat es immer  gegeben, und jeder kann sich erinnern, dass sie immer schon entsprechende Unluftentladungen initiiert haben. Früher jedoch war das Klima in Ordnung, die Eisberge intakt und die Welt war nicht ins Wanken  geraten.
Mit dem Tier hat man einen willigen Schuldigen gefunden, der sich nicht wehrt und der Wiedergekäutes nicht nur gewöhnt ist, sondern sogar braucht, um richtig verdauen zu können. Damit wäre es der richtige Stammwähler der Parteien, die uns weismachen wollen, alles sei doch nicht so schlimm, und überhaupt sei die Kuh dran schuld, was bedeute, das man mehr Fleisch essen solle, damit die Zahl der Kühe dezimiert werde und damit auch das gefährliche Gas, das die Existenz des Menschen bedrohe, weil es die schützenden Schichten in der Atmosphäre  zerstöre.  Wer solchen Gedankengängen folgen kann, wählt aus Verzweiflung diese Parteien. Dass es auch unter Menschen blöde Kühe gibt, die alles wiederkäuen, und noch mehr blöde Ochsen, wenn diese schiefe Metapher erlaubt ist, lässt sich durch einen Blick in den Fernsehapparat schnell feststellen. Wie hieß es früher so schön unter sogenannten antidemokratischen Kräften: Eine Kuh denkt nicht, sie wählt CDU. FDP wäre auch ok.

Multiple choice für schlecht Deutsch Sprechende

Bitte kreuzen Sie (mit Filzstift, falls sie es direkt auf dem Bildschirm tun) an, welche Bildunterschrift am ehesten zutrifft:
a) Bad-Ende
b) Badende
c) Badente
d) Baden.de
e) Baden-Baden
f) Frau mit Goldhelm

Heinrich Bumm: Nebel 8

Ein Scharren oder Kratzen an der Schlafzimmertür hat ihn geweckt. Er fühlt, dass er seine Socken noch anhat; niemand zieht ihm die Socken aus. Wie soll man da richtig schlafen?, denkt er. Guter Schlaf ist wichtig, gerade in seinem anstrengenden Job. Woher kommt das Scharren? Ist das Benno, die alte Töle, der dumme Hund, der immer wenn er "Schalke" sagt, an ihm hochspringt? Nein, nicht Benno. Und das unten im Garten war auch nicht Birte, oder Margie. Auch nicht Hildi. Er muss an seiner Continuity arbeiten. In Serien hatten die doch immer jemanden, meistens eine Frau, die sich um die Contiunuity kümmert. Damit es nicht plötzlich Spontanheilungen oder Wiederauferstehungen gab, weil jemand nicht das komplette Drehbuch gelesen hatte. Er fragt sich, wer sein Drehbuch wohl geschrieben hat. Fuck!, das ist nicht gut. Aber das im Garten, das ist mit Sicherheit Etti. Garten-Etti, Action-Etti, ständig musste sie irgendetwas tun. Hauptsache tun, um ihm zu zeigen, dass er nichts tut Ausruhen. Auch mal genießen können. Nichttun. Neinsagen können. Und Benno heißt Rocco! Doch, bei ihm stimmt die Continuity, da kann Etti sagen, was sie will.
Der Lattenrost knarrt, als er sich auf die andere Seite legt. Langsam gleitet er zurück in den letzten Traum.

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Ich leuchte für mich

Bist du es Leid, mit der Masse zu schwimmen, im gigantischen Alltagsbetrieb zu ersticken, niedergetrampelt zu werden von Tausenden von Business-Schuhen, die hektisch und rücksichtslos in ihren Untergang rennen? Bist du es Leid, immer das zu tun, was von dir verlangt wird, selbst die Freizeit den Ansprüchen anderer anzupasssen? Willst du endlich du selbst sein?
Dann zünde ein Licht an und sprich langsam und laut: Ich leuchte für mich! Denk dabei: Tut ja sonst keiner.
Nimm dir den Mut, endlich für dich etwas zu tun und nicht immer der Erfüllungsgehilfe anderer Menschen zu sein, denen du nur Mittel bist, um ihre Wünsche zu erfüllen.
Zieh dir einen alten Mantel mit Kapuze an, die du dir über den Kopf schiebst, versenke dich in dein Tun, stehe still und nimm deine Laterne, in der dein Licht Sicherheit vor dem kalten Wind, der da draußen weht, findet. Gehe hin in die Einsamkeit, lasse alles hinter dir und besinne dich auf das, was wirklich zählt. Auf dich.
Verweile dort jenseits der Stadt, jenseits der Hektik, jenseits des Abkassierens, jenseits der Habgier, des Egomanischen, des Ellbogendenkens. Und wenn dir der Gedanke in den Kopf schießt: Verdammt, wie stehen wohl jetzt meine Aktien?, dann entspanne dich. Deine Aktien stehen nicht wirklich. Das ist Fiktion, das sind Zahlen, das ist nur Tand.
Und wenn du dich fragst: Wird meine Rente reichen, wenn die Aktien nur Tand sind?, dann entspanne dich. Die Rente ist sicher, das weißt du doch. Frau Merkel hat das gesagt. Du musst auch vertrauen können. Denn du bist die Wurzel allen Übels in dir. Vertraue. Damit beginnt dein neues Leben. Dafür brauchst du keinen Anlauf. Aus dem Stand im Schlusssprung legst du die ersten 30 Zentimeter deines neuen Weges zurück.
Und wenn du reif bist, wird er dich zurück in die Stadt führen und du wirst deinen Lohn kassieren, wirst das Leben genießen, dich in der Hektik suhlen, deine Ellbogen einsetzen, weil du spürst, dass deine Mitmenschen Körperkontakt brauchen. Das Leben wird vollkommen neu sein. Und du wirst spüren: Alle Lichter leuchten für dich.

Endzeitgefühlen entgegenwirken

Immer mehr Menschen in Deutschland haben sogenannte Endzeitgefühle. Sie glauben fest, dass es nun irgendwie Schluss ist: Es gibt keine Schlussverkäufe mehr, der Einzelhandel droht auszusterben und die Discounter übernehmen die Weltherrschaft. Außerdem gehen die Ressourcen zur Neige, vor allem Getränke werden knapp, besonders die mit Alkohol, denn mittlerweile betreibt man ja sogar mit dem wertvollen Stoff Automotoren. Wie absurd: Um sich eine Kiste Bier zu kaufen, fährt man mit dem Sprit, den man kaufen möchte, in den Supermarkt und muss mit übelriechendem und alkoholfreiem Weizen zurückkehren. Zeitgenossen wirken dem in Selbsthilfeaktionen entgegen: Sie gehen zu Fuß oder stehen bloß in der Gegend herum, um keinen Treibstoff zu vergeuden. Sie warten täglich sämtliche Linienbusse ab und steigen nicht ein. Sie rechnen zusammen, was sie durch Nichtfahren gespart haben und fühlen sich gut: So wird die Welt gerettet.
Die Alkoholvorräte reichen vielleicht noch für ein paar Jahre und der kluge Mann baut vor: 10-l-Tanks werden auf den Rücken geschnallt und damit ist der Umweltschützer für ein paar Tage auf der sicheren Seite. Jeden vorbeifahrenden Bus und jede verbrauchsintensive Karosse quittiert er mit einem Schluck aus dem Tank. Bequem: Ein Schlauch mit Ansaugstutzen vermeidet unnötigen Abfall; Getränkebecher werden überflüssig.
Da lachen Umwelt und Erde herzlich.

Missverständnisse in Weisheiten für alle Tage durch Rechtschreibfehler

Wenn du einen Großen beindrucken willst, tritt ihm vors Schienbein.

Mann und Frau nehmen unterschiedlich wahr

Amerikanische Studien belegen immer wieder: Mann und Frau nehmen unterschiedlich wahr. Er schaut in der Regel versonnen den Sonnenaufgang an und blickt deshalb nach oben. Sie betrachtet, nach unten schauend, eher einen Sonnenuntergang. In Wirklichkeit ist aber überhaupt nichts zu sehen. Zugeben will das natürlich keiner. Das haben nämlich Mann und Frau gemeinsam.

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Das Tier in dir annehmen

Nimm das Tier in dir an! Ja, leichter gesagt, als getan: Das Tier in dir besiegen! Annehmen, lieben! Welches Tier schlummert denn in dir, oder besser: Welches Tier schlummert in dir an deiner Seite, wenn du dich vor dem Fernsehapparat von rechts nach links wälzt, ein komisches Grummeln wahrnimmst und nach der Chipstüte greifst, weil du denkst, dein Magen habe Hunger. Dein Magen! In welcher Beziehung stehst du denn zu deinem Magen? Ist er ein fremdes Wesen, das du schnell fütterst, damit es Ruhe gibt und du in Ruhe weiter vor dich hin sitzen kannst? Oder hast du immer schon heimlich geahnt, aber nie zu denken gewagt, dass da ein Tier, dein Tier, dein inneres Tier rumort, krächzt oder sogar brüllt? Warum hast du Angst davor, deinem Inneren zu begegnen? Du weißt, ein Bär kann es nicht sein, denn der wäre im Winter ruhig, weil er schläft. Gut, vielleicht schnarcht er, aber er regt sich nicht wirklich. Das Tier in dir ist deine Kraft!
Wovor hast du Angst? Dass es dich besiegen könnte? Schneller als du rennen kann? Denkt? Hofft? Lebt?
Stell dich deinem Tier!
Oder ahnst du, dass es etwas Kleines und Unscheinbares ist, mit dem du nicht bei deinen Kumpels an der Theke angeben könntest?
Du änderst es nicht.
Es ist du.
Du bist es.
Wir, ihr, sie und alle sind.
Wer möchte nicht im Inneren einen Löwen haben oder einen  Geparden? Endlich hochschnellen aus dem Sofa, ohne dass die Knie knacken. Endich kein schlechtes Gewissen haben, wenn deine Frau dich bedient, dir das Essen bringt, das sie vorher im Supermarkt gejagt hat.
Aber dann die Ahnung: Ich bin ein Maulwurf.
Versöhne dich mit dem Maulwurf in dir!
Ja, wie klingt das denn?, denkst du.
Nicht gut, muss jeder zugeben.
Aber der Maulwurf ist deine Aufgabe. Finde seine positiven Qualitäten und nutze sie. Gehe nicht zu deinen Kumpels an der Theke, die dich vielleicht verlachen, weil sie unentwickelte Persönlichkeiten sind, sondern alkoholabhängige Schwachköpfe. Lass dich nicht beirren! Nimm an, was du bist. Auch den Maulwurf in dir. Nähre ihn, mach ihn groß! Dann werden eines Tages deine Thekenbekanntschaften auf die Knie sinken und ehrfürchtig die schweren Köpfe senken, und leise vor sich hinsingen: Lieber, großer Maulwurf! Lass uns Freunde sein.

Berufe: Schausteller im Trend

Der Beruf des Schaustellers ist wieder im Aufwind. In Zeiten, in denen das  Fernsehen zu einer Verkettung von Werbeblöcken degeneriert, bleiben frustrierte Zuschauer, die plötzlich grundlos Abendspaziergänge unternehmen, weil sie nicht einmal einen Hund haben, gern vor großen Schaufenstern stehen, in denen Familien gegen Entgelt ihr Glück zu Schau stellen. Da stellt man verdammtnochmal die Aktentasche hin und versucht sich an dieser Lebensköstlichkeit zu weiden. Trauer stellt sich aber ein, wenn, bei näherer Betrachtung, die Nase harten Kontakt mit der trennenden Fensterscheibe aufnimmt, weil der Betrachter dem Glück allzu nah sein will. Ein begrüßenswertes Konzept, das leider noch nicht ausgereift scheint und wohl erst in ferner Zukunft eine Alternative zum heimischen Anöden vor dem Guckkasten darstellen wird. Gegen Frustration ist Trauer leider überhaupt kein Heilmittel. Hilfloser Schrei: Guck dich doch selbst, du alte Glotze!

Trinkfeste in Uchte


Schöner Erfolg für die Uchter: Auf dem Oktobermarkt saßen sie an weiß-blau geschmückten Tischen und tranken in 90 Minuten 180 Liter Freibier. Das sind satte 2 Liter pro Minuten, sechs Drittelgläser oder 4 Halbe! Da muss der Bayer neidvoll erblassen. Eigentlich hätte es einen noch größeren Erfolg gegeben, wenn die Sponsoren nicht so geizig gewesen wären und 500 Liter Freibier spendiert hätten. Auch gab es wohl Gerangel an der Theke um die vollen Gläser, sodass die Bedienung gar nicht mehr an die Tische stolpern konnte, um die um Flüssigkeit brüllende Gemeinde zu befriedigen.
Aber drei fünfziger und ein dreißiger Fass lassen sich sehen; der Gewinner des Koma-Saufens steht ja auch noch aus. Der Wettbewerb in diesem Jahr bestand aus drei Disziplinen: Einfachkornsaufen, Doppelkorndruckbetankung und Wodkatrinken mit Geschmacksverstärkern. Die Teilnehmer liegen noch bewusstlos im Krankenhaus. Wer zuletzt aufwacht, ist der Gewinner. Die Preisverleihung wird für Anfang November vorbereitet. 
Der Reinerlös des Oktobermarktes sollte eigentlich als Spende an die Anonymen Alkoholiker weitergegeben werden. Kritische Stimmen forderten, das Geld in der Gemeinde zu lassen. Es  gebe genug durstige Kehlen vor Ort.



Nachlesen

Nicht schöner nach Schönheitsoperation

Nicht immer gelingen Schönheitsoperationen zur Zufriedenheit der vorher Hässlichen. Ein Loch im Kopf mit einem Korken zu verschließen, ist ja wohl das Letzte. Auch das Ändern der Augenfarbe in ein tiefes Dunkelbraun wirkt manchmal, als habe der Chirurg einfach eine Sonnenbrille angeklebt. Die Krönung ist aber, wenn grobe Verschnitte mit einem Kopfverband oder unter  einer dunkelblauen Pudelmütze  versteckt werden. Da ist doch die Ärztekammer gefragt, denn mit solch einem Kopf ist doch auch der Schönste nur sehr  schwer in der ins Schlingern geratenen Arbeitswelt  zu vermitteln. Nur wenige finden nach hässlichen Eingriffen einen festen Arbeitsplatz in der volkstümlichen Hitparade(Beispiel zum Thema "Ohrenanlegen" ansehen. Hier besonders auf die Dame im Hintergrund achten.).

Den Chirurgen gehört auf die Finger geklopft, gemäß dem Motto:
Der war zu schnell
mit dem Skalpell.

Postkartentexte: Am Meer

Hallo Halgrim!
Grimmig gucken macht das Leben schwerer. Alle fragen sich, warum Horst grimmig guckt? Dabei schaut er nur aufs Meer hinaus, den Wind im Rücken. Der Blanke Hans ist konsequent: Wie du aufs Meer schaust, so schaut es zurück. Eine Springflut droht. Mann, entspann dich! Die Kollegen überprüfen ihre Kurkarten und stellen fest, dass sie abgelaufen sind. Da bleibt nur, heimlich an den Hundestrand zu gehen. Da wird nicht kontrolliert. Obwohl, bei drohender Springflut ist es angeraten, sich in den Fiat zu setzen und das Weite zu suchen. Wenn doch Horst nicht so grimmig guckte! Das Meer kennt kein Pardon. Man darf die Natur nicht herausfordern. Sie ist immer stärker als der am grimmigsten Guckende. Darum lächle lieber. Vielleicht freut sich sogar das Meer.
Schöne Grüße! Hoffentlich geht es dir auch gut.
Bruni
P.S.: Ich weiß gar nicht, wo ich die Postkarte hingelegt habe, deshalb ist auch kein Bild dabei. Vielleicht schreibe ich doch lieber Briefe.

Straßenmusik für gestresste Ohren

Mit flatternden Gewändern stehen sie am Straßenrand und leiern ihre Gesänge herunter, um den Leuten zu zeigen, dass sie nicht auf die Popmusik der Gegenwart angewiesen sind, sondern selber Musik machen können. Auch wenn diese eher betäubenden Charakter hat.
Der Jahrzehntebetrachter denkt: Die sind gar nicht älter geworden; die sehen noch genauso aus wie vor dreißig Jahren. Die Kraft eines Gurus verleiht Schönheit. Obwohl: Schön sind die ja nicht. Jung. Das geht gerade so durch. Jung, wenn man selber erheblich älter ist. Für die ganz Jungen sind die Quetschkommodenbetreiber und Cimbelfingrigen schon wieder alt. Will sagen: Langweilige Musik macht zwar nicht schön, aber jung. Aber Jungsein ist eben relativ. Im Vergleich mit dem Alter der Erde schneiden die Überhundertjährigen doch recht gut. Und die Erde ist auch nicht mehr so schön, seit sie die vielen alten Menschen kaputt machen durch ihren Co2-Ausstoß. Der junge Mensch darf das, denn er sorgt ja für die Rente.
Alles in allem ist es trotzdem so: Junge Menschen mit leiernder Musik machen die Welt auch kaputt. Wenigstens akustisch. Gebt ihnen Geld, damit sie aufhören. Jeder ist käuflich, auch wenn er nicht so aussieht.
Wie es 1967 war. Schöne Rhythmen, wunderbare Tänze, lange Haare. Haare, Haare, lange Haare, Haare, Haare,....

Georg Krakl: Das Murmeltier hier (2010)

Das Murmeltier,
das murmelt hier
und dort
in einem fort.

Jetzt ist es weg
und dient wohl einem höhern Zweck.
Ist nicht mehr hier
und nicht mehr dort.
Das Murmeltier:
Es ist nun fort.

Und Jahre später denk ich mir:
Das Murmeltier,
das murmelt hier
und dort
schon längst nicht mehr.
Es ist wohl fort.
Es ist wohl weg,
dient einem höhern Zweck.
Die Gegend klingt so leer.

Bekommen, was man will

Die sind jetzt in: Donuts.
Nachdem man das Wort Donoughts rechtschreibmäßig entschärft hat, damit auch der Dödel es lesen kann, ohne vorher bei der VHS anzurufen, ist der Verpflegungskette Dunkin' Donuts der Durchbruch gelungen.
An jeder Straßenecke blitzen die rosa dekorierten Tische dem Hungrigen entgegen und scheinen zu raunen: Komm rein, bestell was, geh raus, und iss es!
Bei "iss es" hat der Dödel wieder leichte Turbulenzen im Schädel, glaubt er doch, man habe gefragt, wie es sei. Danke, gut., murmelt er vor sich hin und will weitergehen; doch der Hunger treibt ihn zur Einkehr.
Ich nehm' das Überraschungsmenü!, weist er der freundlichen Thekenbesatzung an. Und - welche Überraschung. Als er die Tüte öffnet und den Deckel vom Styropor entfernt: Kaffee und ein Donut! Ja, das hatte er auch bestellt. Das überrascht. Wo bekommt man heute noch das, was man will?
Auf diese Frage, die rhetorisch gemeint ist, gibt es nur eine Antwort.

Georg Krakl: So geht's nicht ( Gütersloh 2010)

Der Künstler denkt: Das Publikum ist schlecht, ich lass es stehen.
Das Publikum bei sich: Der Künstler, eine Lusche! Komm, wir gehen.
Der Künstler geht,
das Publikum tut‘s ebenso.
und niemand bleibt, der steht.
(Gescheh‘n in Gütersloh.)

Wenn Brüder küssen...

Damals haben wir gelernt: Brüder küssen sich nicht. Und wer keinen Bruder hat, der küsste seinen Cousin nicht! Mädchen werden nicht angefasst, und sich selbst fasst man nur zur Körperreinigung an. So sind wir früh selbständig geworden, was heißt, wir konnten ohne andere Menschen auskommen.
Dann kam der Ostblock mit seinem FKK und seinen küssenden Staatsoberhaupten und hat den Westen mores gelehrt. Küssen müssen Brüder um ihre Bruderschaft zu erneuern, zu festigen, zu besiegeln.
Und ganz allmählich hielt diese Sitte Einzug in einen Bereich, von dem nie einer gedacht hätte, er würde sich aus seinem erzkonservativen Thekendasein herausentwickeln: In den Fußball. Da wälzten sich die Torschützen nicht mehr allein auf dem Rasen, um ihre Freude über den Torschuss zu kompensieren, sondern rannten dem freudig erregten Mannschaftskameraden in die offenen Arme. Es wurde plötzlich geherzt, zu zweit, zu dritt, zu viert, manchmal wälzte sich die ganze Mannschaft vor dem Tor des Gegners. Den Zuschauer befremdete das vielleicht, aber der Erfolg gab den Spielern recht, und wenn der Fan Tore sieht, mag er nicht meckern. Lass die Jungs ihren Spass!, grunzte Herbert hinter seinem Pils, und alle waren es zufrieden.
Heute ist es Gang und Gäbe, dass sich alle Welt umarmt und herzt und küsst, erst links, dann rechts, dann links, ohne es wirklich ernst zu meinen. Man macht das eben so. Es sei denn, es herrscht wieder Schweinegrippe; da schnäuzt man dezent in die Armbeuge und freut sich, wenn man saugfähiges Material auf dem Leib trägt.

Westberlin verfällt

Westberlin verfällt. Das ehemalige Zentrum des Konsumrausches und der Dekadenz vor dem Mauerfall wird zusehends ins Abseits gedrängt von den ostberlinerischen Großplätzen am Fernsehturm und am Sony-Zentrum.
Das KaDeWe hat seinen Glanz eingebüßt; den Laden betritt nur noch der Neu-Tourist, der Berlin vom Hörensagen kennt. Das Alexa zieht die Menschen magisch an und bläst sie mit prallen Einkaufstaschen in die graue Realität zurück.
Der "young urban professional" ernährt sich von in Öl gegrillter Currywurst mit Pommes frites und deckt damit den Kalorienbedarf für die erste Wochenhälfte, denn er ist immer "busy", damit man ihm abnimmt, dass er für das Geld, das er anderen abnimmt, auch arbeitet. Nach dem Mahl noch eine Linie Currypulver aus eigener Herstellung durch die lange Nase gezogen und ab ins Tagesgeschäft! Die Gedächtniskirche schaut traurig auf  das Geschehen und wünscht sich die Mauer zurück, damit auch diese geistliche Ruine endlich wieder die Geltung erhält, die sie so schmerzlich entbehrt.

Günter Krass: Der Tod lebt mit - Kaninchen

Piete hatte Kaninchen, Bodo keine. Bodos Vater hattet einmal ein Kaninchen geschlachtet, das sich nicht hatte schlachten lassen wollen und bis zum Schluss gequiekt hatte. Seitdem gab es keine Kaninchen mehr für Bodo, denn der Vater wollte keine Kaninchen mehr schlachten. Kaninchen waren die schönsten Tiere, mit denen man spielen konnte, ohne sich ständig um sie zu kümmern. Hatte man Streichelbedarf, klappte man die Stalltür auf und streichelte, bis man genug hatte. Ab und zu gab es für die Kaninchen ein Kohlrabiblatt oder etwas Löwenzahn. Kaninchen waren weich, außer wenn sie kratzten oder bissen, weil man sie falsch angefasst hatte oder sie einfach nicht gestreichelt werden wollten. Kaninchen waren schöne Tiere, die auch Namen hatten, Froggy zum Beispiel, obwohl das eher der Name eines englischen Frosches sein könnte. Kaninchen konnten auch gegessen werden. Das hatten sie mit Schweinen und Hühnern gemeinsam. Vorher musste man sie schlachten. Kaninchen wurden, wie Schweine, nicht öffentlich geschlachtet, dass heißt, Bodo und Piete suchten freiwillig das Weite, um nichts zu sehen und überhaupt gar nichts zu hören. Kaninchenschlachten war Arbeit für Fachmänner, der Karnickelfangschlag musste gesetzt werden, es wurde mit dem Messer gearbeitet, es wurde gestochen und geschnitten, in die Kehle, das war nicht jedermanns Sache, Bodos Vater hatte schon früh seine Konsequenz daraus gezogen, auch wenn er einen geschmorten oder gebratenen Kaninchenrücken nicht verachtete. Kaninchenschlachten war eigentlich Arbeit für einen Profikiller. Den hätten Bodo und Piete dann gerne gehasst, denn Kaninchen zu töten konnte nicht gut sein. Das Hassen war aber nicht möglich, denn der Auftragskiller war Onkel Willi, der Schwager von Opa, der Mann seiner Schwester. Bodo und Piete dachten: Was für ein harter Mann!, und hielten sich lieber von ihm fern. Onkel Willi war in Wirklichkeit ein weichherziger, ängstlicher und cholerischer Mensch, dem schnell die Nerven durchgingen, wenn zum Beispiel die Vorabendserie „Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger“ im Fernsehen lief. Auf Geburtstagen der Großeltern stand um halb sieben gemeinsames Fernsehen für die Gäste auf dem Programm, denn das Fernsehen war damals noch neu. Nach 5 Minuten verließ er den Raum, weil der die Spannung nicht ertrug. Die Nerven gingen ihm durch, wenn jemand beim Skat das falsche As ausspielte. Dann konnte er zornig schreien, welches As das richtige gewesen wäre, welches Aas das falsche As gelegt habe, und dann hämmerte er seine restlichen Trümpfe auf den Küchentisch, dass die Gläser wackelten. Dieser Onkel Willi, diese widersprüchliche Figur, war der Kaninchentöter. Irgendwann tauchte er auf, scheinbar ohne Grund, weder die Oma noch der Opa hatten Geburtstag, und Bodo und Piete wussten sofort: Wir sollten verschwinden. Es ist wieder soweit. Sie warfen einen letzten Blick auf die Kaninchenställe und verschwanden ohne ein Wort zu sagen, rannten, als ginge es um ihr eigenes Leben, bis sie endlich außer Hörweite waren. An solchen Nachmittagen blieben sie besonders lange dem elterlichen Grundstück fern, spielten in Lükens Wiesen an einem kleinen Bach, bauten Wasserräder oder Staudämme. Kaninchen sehen ohne Fell nackt aus. Sie laden nicht zum Streicheln ein, nicht einmal zum Essen. Die meisten Menschen vergessen schnell den Zusammenhang zwischen Streicheltier, Tod, Nacktheit und Sonntagsbraten. Wenn das Fleisch auf dem Tisch duftete, entschied der Bauch. Piete aß, als habe es nie Kaninchen gegeben. Bodo probierte nur ein einziges Mal mit langen Zähnen, aber er konnte sein Gehirn nicht ausschalten, und das verbot ihm, dass das Fleisch auf seinem Teller gut schmeckte. Immerhin, sagte sich Bodo, als er einmal über alles nachdachte, haben sie alle ein schönes Leben gehabt; und gegessen werden ist etwas Nützliches, da hat das Leben vor dem Tod einen Sinn gehabt. Welcher Mensch kann das schon von sich sagen: Ich habe ein schönes Leben gehabt, ein sinnvolles Leben?