Vorbild sein

Früher, als sie noch drall und fesch, war sie unsere Heidi Klumpen, da wussten wir, was wir hatten. Mit zunehmenden Alter und nach einer möglicherweise anstrengenden Beziehung zu einem gewissen Seal (zu Deutsch: Babyrobbe, aus deren Fell man früher Damenschuhe für den Winter und ganzjährige Kinderportmonnaies machte), zeigt das ehemalige Wunderfräulein, wie junge Mädchen heute vor dm Catwalk auszusehen haben, damit sie in die eingelaufene Kleidung passen, die die Requisiteurin einer hirnlosen Selektionsshow zu heiß gewaschen hat. Die kleinere Heidi heißt jetzt konsequenterweise Klum. Sie selbst hat, passend zum verpatzten Waschprogramm der Modelappen, wohl zu heiß geduscht, denn auch sie wirkt irgendwie eingelaufen, so als habe ein harter Strahl aus dem Massagekopf der Dusche alles Gewebe entfernt und nur noch die Faszien und ein paar Knochen übriggelassen. Der Deutsche Verein für natürliche Essenrückgabe und Magersucht will sie auf jeden Fall für den Job einer Botschafterin buchen. Und wenn die nächste Topmodelsuche noch schlechter läuft als die letzte, wäre das auf jeden Fall ein sicherer Arbeitsplatz. Vorbild sein will gelernt sein, das lässt sich nicht so einfach aus dem dünnen Arm schütteln.

Parabel: Aktionstag beim Orakel

Die ältere Frau mit dem Hut, der ein bisschen an die Plastikkrägen erinnerte, den überzüchtete Setter nach einer Augenoperation tragen, hatte sich für den heutigen Tag vorgenommen, mal wieder mit dem Orakel zu plaudern. 50 Goldrandteller kostete eine Frage, drei Fragen war Minimum und wenn das Orakel eine Frage nicht beantworten konnte, dann bekam man das Geld zurück und dazu noch mal die selbe Summe.
Hallo Orakel, sagte die ältere Frau mit dem Hut, wie geht's?
Das Orakel, das ein riesiger rotgeschminkter Mund in der Felswand war, sagt: Gut, wie immer, selbst auch?
Die erste Frage war damit gestellt, die Antwort ok.
Ich stell hier die Fragen, entgegnete die Frau mit dem Hut, du gibst die Antworten, denn du bist das Orakel.
Ich wollte nur freundlich sein, seufzte das Orakel.
Wie viel sind 69,538 geteilt durch 4.876.953,23? Die ältere Frau mit dem Hut hatte sich die Frage zurechtgelegt, in der Hoffnung, das Orakel würde scheitern.
Auf wie viele Stellen hinterm Komma?, fragte das Orakel und wirkte gar nicht unsicher.
Wie viele gibt es denn?, jetzt die Frau mit Hut.
Das solltest du schon wissen, sonst sagst du hinterher wieder, ich hätte falsch geantwortet. Dabei weißt du mal wieder nicht das Ergebnis, oder?
Wenn ich schon alles wüsste, ginge ich ja nicht zum Orakel. Die ältere Dame wurde unruhig.
Geschenkt, ich weiß sowieso nicht, was ich mit deiner Antwort anfangen sollte.
Letzte Frage: Wie viel Geld ist auf meinem Konto?, setzte die ältere Frau mit Hut zur alles entscheidenden Frage an, die ihr 150 Goldrandteller einbringen sollte.
Nichts, antwortete das Orakel.
Falsch!, kreischte die ältere Frau mit Hut im Freudentaumel. Es müssten 50 Goldrandteller im Minusbereich sein! Verloren! Drei Fragen kosten 150 und ich hatte nur 100 auf dem Konto! Jetzt musst du 150 Goldrandteller extra rausrücken! Haha! Orakel hat verloren, Orakel hat verloren, skandierte die Frau mit Hut und hüpfte dabei auf der Stelle.
Gar nicht falsch, auf deinem Konto sind 0 Goldrandteller, entgegnete das Orakel.
Wieso das denn?, fragte die Frau mit Hut misstrauisch und hatte das Tanzen eingestellt.
Heute ist Aktionstag: Drei Fragen für den Preis von zwei.Das Geld ist auch schon abgebucht, sonst wäre die Antwort ja richtig falsch gewesen! (Richtig falsch....was ist das denn für ein Blödsinn, murmelte das Orakel vor sich hin.)
Die Frau mit Hut riss sich den Hut vom Kopf, schmiss ihn zu Boden und stampfte und trampelte darauf herum, bis er aussah wie ein zerschossener Kopfsalat.
Orakel, ich hasse dich!,zischte die Frau ohne Hut und stampfte weiter auf ihrem Hut herum, der gar keiner mehr war.
Lehre: Unterschätze niemals ein Orakel, nur weil es sich die Lippen geschminkt hat.

Muttis Buckel


Jochen war ein Schnüffler. Schon früh hatte er gelernt: Der Geruch von Mutti war Sicherheit, besonders der Geruch ihres Buckels. Immer wenn er Angst hatte, wenn die kleine Welt um ihn  herum explodieren wollte, dann schnupperte er an Muttis Buckel und alles war in Ordnung. 
Hässliche Dinge hatten die Kinder in der Schule über Mutti gesagt: Dass sie einen Rucksack unter dem Kleid trüge und dass sie vier Brüste habe, zwei vorne und zwei hinten.
Jochen tat das weh, besonders für Mutti, die ja nichts für den ausgeprägten Rücken konnte und sich nicht wehrte, weil sie ja bei den Demütigungen nicht dabei war. Wenn Mutti Jochen von der Schule abholte, dann sagten die Kinder nichts, blickten verstohlen auf Muttis Rücken, oder kicherten leise ins Fäustchen. Wenn man sie fragte, warum sie lachten, sagte sie: "Nur so!", oder "Keine Ahnung, ich lach halt."
Wenn Jochen traurig war, dass die Kinder über Mutti lachten, stöberte er mit seiner Nase in den Sofakissen, um Muttis Witterung aufzunehmen und schließlich an ihrer Bluse zu landen und schließlich an ihrem Rücken, um den beruhigen Buckelduft einzuatmen. Mutti lachte dann immer und sagte: Na, jetzt übertreib mal nicht; dass Buckel Kinder zum Lachen bringen, das weiß ich, aber dass sie Kinder glücklich machen, das ist doch ein Ding der Unmöglichkeit.
Irgendwann kam es zum Bruch. Jochen erzählte von Buckelpisten, die man mit Skiern runterfahren könnte, von Buckelhauben - er meinte Pickelhauben - von Buckelschilden, von Buckelfliegen, Buckelrindern und der österreichischen Buckelkraxe. Die Mutti zog sich immer mehr zurück von Jochen, der fast manisch nach zusammengesetzten Hauptwörtern mit Buckel suchte.
Schließlich schenkte er ihr ein Buch über Buckelwale und behauptete, dass diese richtige Lieder sängen, deren Strophen drei Stunden lang seien.
Du Missgeburt, schleuderte sie Jochen ins Gesicht, man macht keine Witze über Bucklige. Das gilt seit Aktion Sorgenkind.
Sorgenrind!, rief Jochen und dachte natürlich an Sorgenbuckelrind.
Die Mutter schleppte Jochen zum Arzt und der stellte  Pubertät im fortgeschrittenen Stadium fest. Da könne man nichts machen, das wüchse sich mit der Zeit heraus.
Herauswachsen. Das Verb blieb in Muttis Ohr.
So war es damals auch bei ihr gewesen. Alles wuchs heraus. Auch das Ding auf dem Rücken. Jochens Tage waren wohl gezählt.

Das königliche Ei

König: Na, Huhn, heute schon das Ei für den König gelegt?
Huhn: Ich lege die Eier in erster Linie für mich. 
König: Du wirst schon wieder unverschämt. 
Huhn: Die Eier wollen eben raus, ob für den König, ob für den Eigenbedarf. 
König: Das könntest du auch angemessener ausdrücken. 
Huhn: Wenns doch so ist. Und überhaupt: Was heißt denn angemessen?
König: Dass der König das Gefühl hat, dass er respektiert wird, dass seine Untertanen ihn lieben, aber auch fürchten. Erst dann kann ein König herrschen zum Wohle der Untertanen. 
Huhn: Warum willst du dann das Ei?
König: Ich esse täglich ein Ei. 
Huhn: Das soll gerecht sein? Und das Volk?
König: Das Volk hat seine eigenen Eier. 
Huhn: Und wo kommen die her?
König: Natürlich von Hühnern, dumme Frage. 
Huhn: Seit wann das denn?
König: Werd nicht frech!
Huhn: Jetzt kommt die Nummer wieder. Wenn der König nicht weiterweiß, sind andere gleich frech.
König: Wo bleibt mein Ei?
Huhn: Keine Ahnung, hattest du denn eins?
König: Das geht dich gar nichts an. 
Huhn: Aber meins haben wollen.
König: Zum Henker mit dir!
Huhn: Dann friss doch Frikassee!
König: Henker!
Huhn: Nicht mal der kommt. Toller König!




Sportgeräte und andere Gefahren

Neulich beschloss ich, angesichts der Erkältungs-und Grippewelle und auch in Anbetracht vieler rückengeschädigter Leute, einfach mal gesünder zu leben, und dazu gehört, etwas Sport zu betreiben, um den Anfechtungen der mikrobiologischen Feinde zu trotzen.
Ich stöbere gern im Tchiboshop, denn da werden viele interessant aussehende, aber eigentlich unnütze Dinge angeboten, manchmal auch handliche Sportgeräte, die man ohne Weiteres aus dem Geschäft tragen kann.
Im Regal hing eine Art grüner Gummischwengel für 4€ 95, dessen Funktion auf Anhieb nicht erkennbar war. Ich schloss auf ein Küchengerät, da die Konsistenz an Silikon erinnerte. Vielleicht war es  ein Rohrreiniger oder ein Backgerät, um Löcher für Pflaumen oder Apfelstücke in einen Teig zu drücken.
Dann drängte sich der Gedanke auf, es handele sich um ein erotisches Hilfsmittel, das man in Geschäften für Ehehygjene, wie es früher mal hieß, erwerben kann, um bestimmte körperliche Wünsche zu erfüllen. Im dritten Anlauf ordnete ich das Objekt der Protethik zu, mit dem fehlende Körperteile wenigstens optisch ersetzt werden konnten. Mir fällt der Name des berühmten russischen Balletttänzer nicht ein, der sich eine Hasenpfote in die Strumpfhose gesteckt haben soll, um seine Männlichkeit zu unterstreichen.
Da der Tchiboshop dergleichen aber höchstens in Sonderaktionen oder gar nicht anbietet, musste der grüne Gegenstand ein Sportgerät sein.
Es handelte sich um einen Expander, der entgegen der traditionellen Bauweise aus einem kurzen Gummiband mit kugelartigen Verdickungen an jedem Ende bestand. Dieses Band sollte man auseinanderzugehen und darauf vertrauen, dass es nicht riss, sondern genügend dehnbar war, um nicht empfindliche Schmerzen oder sogar Verletzungen beim Trainierenden zu verursachen.
Ich dachte an den armen Semmlau in der Untersekunda, einem Wiederholer mit riesigen Nasenlöchern und ebenso riesigen Ohren, der aber trotz oder vielleicht wegen dieser Makel ein verträglicher Kerl war. Besagter Semmlau kam eines Morgens mit einem verpflasterten Ohr in die Klasse und erzählte auf mein Nachfragen, er habe sein Ohr in einen Expander bekommen, genauer gesagt in die Spiralfeder, die die Griffe mit den textilummantelten, aus tausend überlangen Marmeladengummis bestehenden Seilen verband. Diese Feder habe eine üble Verletzung verursacht, die die entsprechende großräumige Verpflasterung des Ohrs erforderlich gemacht habe.
Seit jenem Tag hatte ich einen gehörigen Respekt vor Expandern und war froh, dass meine Ohren eher klein und enganliegende waren.
Der Expander aus dem Kaffeeshop wirkte ungefährlicher, solange man nicht daran zog. Zwar gab es keine ohrenfressende Spiralfeder, wohl aber wirkte die durch Dehnung dünner werdende Gummiwurst unheilvoll, da man immer auch ein Reißen unterstellte, sodass beide Hälften sich wie zubeißende Klapperschlangen blitzartig auf die ziehenden Hände und Arme oder sogar in das erschrockene Gesicht bewegten.
Neben der Muskulatur wurden hier auch noch Mut und Vertrauen geschult. Daher eigentlich ein wunderbares Trainingsgerät für Motorik und Psyche. Ich kaufte das Objekt, auch wenn das Grün mir etwas zu grün war, weil es einen Stich ins Kalte hatte, und beschloss, es auszuprobieren.
Mutig schob ich das Gummiding auf das Förderband an der Kasse und ignorierte das Stirnrunzeln der Kassiererin. Zu seinen Einkäufen stehen, war ein weiteres Lernziel, was man mit dem Gummiorgan erreichen konnte. Das war eine Menge. Das Stirnrunzeln verschwand nicht aus dem Gesicht der Kassiererin, obwohl ich das Geld vollständig übergeben hatte.
Ich war voller Hoffnung, dass das Gerät auch meinem Körper und meiner jetzt doch verunsicherten Psyche guttun würde. Verschenken konnte ich es immer noch, denn die Einsatzmöglichkeiten waren ja mehr als vielfältig, und irgendwer würde sich schon finden lassen. Bedürfnisse hat doch jeder.

Tonnes Tagebuch:Spassrassismus im Alltag

Der klassische Spassrassist sieht unauffälliger
aus.
Liebes Tagebuch!
Im Handballverein wird gerne Pickup oder Milchschnitte gespielt. Wer ein paar Schwarze im Verein hat, kann das machen. Wer keine hat, dem bleibt nur geschnittenes Weißbrot als Spiel, in dem zwanzig Weiße hintereinander stehen. Das Spiel ist aber nicht beliebt, weil es merkwürdig aussieht und zu falschen Schlussfolgerungen veranlasst. 
Ein Pickup ist ein Tonabnehmer für Egitarren oder ein Kastenauto in Metalliclackierung oder in Schwarz. Dann gibt es noch einen Keks, wahrscheinlich von Bahlsen: Zwei helle Kekse ummanteln eine Scheibe Schokolade im Inneren. Pickup kann man, wenn man nicht gerade Tore werfen muss, prima im Mattenwagenraum spielen. Ein Weißer unten, ein Schwarzer in der Mitte, oben drauf noch ein Weißer. Bei der Milchschnitte ist es umgekehrt. Ob das rassistisch sei, habe ich die Handballer gefragt. Nö, sagten sie, wir sind ja die Weißen.
Farbige darf man ja nicht mehr sagen, political nicht correct. Der Amerikaner hat 's ja nötig. Trotzdem.
Manchmal fällt es mir schwer, das Wort Negative zu sagen, weil ich nicht als Rassist gelten möchte. Ich war damals sehr froh, als die digitale Fotografie erfunden wurde, und man diese Plastikstreifen nicht mehr brauchte.
Sich das Farbfernsehen wegzuwünschen, bringt nichts, denn in Schwarzweiß entkommen wir dem Alltagsrassismus ja auch nicht. Immerhin waren die, ich nenn sie jetzt mal Farbige, damals in den Sechzigern richtig Schwarz. Da musste man nicht nachdenken. Und dann kam das Farbfernsehen. Nicht jede Erfindung vereinfacht den Alltag. Schwarzweiß ist so schön übersichtlich.
Vielleicht ist es einfacher, etwas gegen Jäger zu haben, die sind keine Rasse und sprechen Latein, sind also wahrscheinlich gebildet. Etwas gegen etwas zu haben, soll ungemein den persönlichen Alltag entlasten.
Dabei spazieren zu gehen oder einen Verein zu gründen, hat etwas Sportliches und ist, folgt man dem Rat der Ärzte, gesund. Ich persönlich finde das aber eigentlich krank.
Anstrengender Tag heute, ich möchte auch mal was Schönes denken.

Neodadaismus: Theo von Doeskopp - Putzputz

Putzputzputz
Spiegelander Wanda
Wanderwanderwandersack
am Ruckruckruckzuckzuckende
GliederimVierteltakt
blasen dem GehirnLaufhirnRennhirnWanderhirn die Zellen weg
Wanderniere
Wanderschmiere
putzputzputz
die Zähne werden klein
wie Hänschen sein
OsterhaseBlumenvasePhrase
immerPhrasedreschendie Drescher
maschinellundschnell
Meridol ist zu teuer
Scheuer-
seife tut es auch
AugenwischundAugenweg
Dreck
zum Zweck
der Profitmaiximilian.