Sportgeräte und andere Gefahren

Neulich beschloss ich, angesichts der Erkältungs-und Grippewelle und auch in Anbetracht vieler rückengeschädigter Leute, einfach mal gesünder zu leben, und dazu gehört, etwas Sport zu betreiben, um den Anfechtungen der mikrobiologischen Feinde zu trotzen.
Ich stöbere gern im Tchiboshop, denn da werden viele interessant aussehende, aber eigentlich unnütze Dinge angeboten, manchmal auch handliche Sportgeräte, die man ohne Weiteres aus dem Geschäft tragen kann.
Im Regal hing eine Art grüner Gummischwengel für 4€ 95, dessen Funktion auf Anhieb nicht erkennbar war. Ich schloss auf ein Küchengerät, da die Konsistenz an Silikon erinnerte. Vielleicht war es  ein Rohrreiniger oder ein Backgerät, um Löcher für Pflaumen oder Apfelstücke in einen Teig zu drücken.
Dann drängte sich der Gedanke auf, es handele sich um ein erotisches Hilfsmittel, das man in Geschäften für Ehehygjene, wie es früher mal hieß, erwerben kann, um bestimmte körperliche Wünsche zu erfüllen. Im dritten Anlauf ordnete ich das Objekt der Protethik zu, mit dem fehlende Körperteile wenigstens optisch ersetzt werden konnten. Mir fällt der Name des berühmten russischen Balletttänzer nicht ein, der sich eine Hasenpfote in die Strumpfhose gesteckt haben soll, um seine Männlichkeit zu unterstreichen.
Da der Tchiboshop dergleichen aber höchstens in Sonderaktionen oder gar nicht anbietet, musste der grüne Gegenstand ein Sportgerät sein.
Es handelte sich um einen Expander, der entgegen der traditionellen Bauweise aus einem kurzen Gummiband mit kugelartigen Verdickungen an jedem Ende bestand. Dieses Band sollte man auseinanderzugehen und darauf vertrauen, dass es nicht riss, sondern genügend dehnbar war, um nicht empfindliche Schmerzen oder sogar Verletzungen beim Trainierenden zu verursachen.
Ich dachte an den armen Semmlau in der Untersekunda, einem Wiederholer mit riesigen Nasenlöchern und ebenso riesigen Ohren, der aber trotz oder vielleicht wegen dieser Makel ein verträglicher Kerl war. Besagter Semmlau kam eines Morgens mit einem verpflasterten Ohr in die Klasse und erzählte auf mein Nachfragen, er habe sein Ohr in einen Expander bekommen, genauer gesagt in die Spiralfeder, die die Griffe mit den textilummantelten, aus tausend überlangen Marmeladengummis bestehenden Seilen verband. Diese Feder habe eine üble Verletzung verursacht, die die entsprechende großräumige Verpflasterung des Ohrs erforderlich gemacht habe.
Seit jenem Tag hatte ich einen gehörigen Respekt vor Expandern und war froh, dass meine Ohren eher klein und enganliegende waren.
Der Expander aus dem Kaffeeshop wirkte ungefährlicher, solange man nicht daran zog. Zwar gab es keine ohrenfressende Spiralfeder, wohl aber wirkte die durch Dehnung dünner werdende Gummiwurst unheilvoll, da man immer auch ein Reißen unterstellte, sodass beide Hälften sich wie zubeißende Klapperschlangen blitzartig auf die ziehenden Hände und Arme oder sogar in das erschrockene Gesicht bewegten.
Neben der Muskulatur wurden hier auch noch Mut und Vertrauen geschult. Daher eigentlich ein wunderbares Trainingsgerät für Motorik und Psyche. Ich kaufte das Objekt, auch wenn das Grün mir etwas zu grün war, weil es einen Stich ins Kalte hatte, und beschloss, es auszuprobieren.
Mutig schob ich das Gummiding auf das Förderband an der Kasse und ignorierte das Stirnrunzeln der Kassiererin. Zu seinen Einkäufen stehen, war ein weiteres Lernziel, was man mit dem Gummiorgan erreichen konnte. Das war eine Menge. Das Stirnrunzeln verschwand nicht aus dem Gesicht der Kassiererin, obwohl ich das Geld vollständig übergeben hatte.
Ich war voller Hoffnung, dass das Gerät auch meinem Körper und meiner jetzt doch verunsicherten Psyche guttun würde. Verschenken konnte ich es immer noch, denn die Einsatzmöglichkeiten waren ja mehr als vielfältig, und irgendwer würde sich schon finden lassen. Bedürfnisse hat doch jeder.