Georg Krakl - Gedichte mit Tieren drin

Der Haubentaucher
Der Haubentaucher taucht nach Hauben.
Der Taubenhaucher haucht die Tauben
an. Und während jener auf den Meeresboden sinkt,
da denken Tauben über diesen Haucher: Bäh, der stinkt.

Die Taube
Die Taube,
denkt der Jägersmann,
die hat den Schuss wohl nicht gehört.
Die sitzt da rum
und macht den Buckel krumm,
sie gurrt und schnurrt,
will Katzen scheint's betören,
den Hund durch Flügelschlag berauschen,
und keinesfalls den Schüssen lauschen.
Dem Pudel gleich tut sie begossen.
Der Schuss, der jedes Tier normalerweise schwer verstört,
bleibt unerhört.
Der Jäger hat vorbeigeschossen.

(Ich glaub',
die Taube, die, obwohl wie jedes Tier verstört,
nicht hört,
ist taub. )

Weissagung mit falschem Umlaut
Die einst am Rochen riechen,
werden auf den Knochen kriechen.
Und jeder Zwerg, der sich erhöht,
ist bald schon töt.

Weisheit - Gehen lassen

Die Frau, die sich gehen lässt,
wird gern sitzen gelassen.

Georg Krakl - Fischrestaurant

Nach dem Rochen
hat er ihn erbrochen.

Georg Krakl: Gedicht mit Essen drin


Einem Hummer
machte Kummer
dass das Wasser kochte
denn er mochte
da nicht untertauchen.
Roher Hummer ist jedoch für den Gourmet nicht zu gebrauchen.

Günter Krass - Mobbing in den 60ern

Mobbing - Das kannte doch keiner. Jeder kannte einen Mopp, oder einen Bohnerbesen, auf den man sich als kleines Kind gestzt hatte, um sich von der Mutter durch die Küche schieben zu lassen; man musste aufpassen, dass keine Körperteile in das Gelenk zwischen Stiel und gusseisernem Polierteil gerieten, dann hatte man sich poliert, wie es damals hieß. Sich polieren, das tat weh.
Hätten wir Mobbing gekannt, hätten wir gewusst, was wir da machten.
Güpi mit der Hasenscharte und rothaarig, den hätten wir gemobbt, wenn wir es gewusst hätten. Er war andersartig, rothaarig nämlich, hasenschartig und sprachbehindert dadurch, bleich und still, weil er deswegen das Opfer war, und wir waren die Starken, weil Gutaussehend und ohne besagte Merkmale. Wir waren normal. Wer normal ist, durfte andere zurücksetzen. Auf  Null. Oder auf ihre Wesensart. Der Hasenschartige war eiene Missgeburt. Der Bleiche und Rothaarige musste schon einiges anbieten, um dazuzugehören. Aber auch die dazugehörten, liefen Gefahr, gemobbt zu werden.
Weil sie kleiner waren, weil sie keien Haare unter den Armen hatten, die andere schon hatten, weil ein Mädchen sich in sie verliebt hatte, obwohl man mit der ersten Rasur verscuht hatte, einen kräftigeren Bartwuchs zu bekommen.  Wir mobbten nicht, weil wir nicht wussten, was das war. Wir hatten keine Ahnung, weil man uns so vieles nicht gesagt hatte.

Georg Karkl - Makakken und Molukken

Die Molukken
Kucken
Ob die Zacken
In den Backen
Der Makakken
Zucken
Wenn sie Kakerlaken
Knacken
Und die Hacken
Auf den Boden spucken
Heimlich Flyer drucken
Gegen Unterdrückung mucken
Weil Molukken
Kucken
Und nicht ducken
Sondern ihnen eine nucken
Wenn sie Kakerlakenhacken
Aus Makakkenbacken
Auf den Boden spucken.
Ohne mit der Wimper nur zu zucken.

Aus aller Welt: Den Haag/Scheveningen

Den Haag. Gestern standen acht junge Männer hat auf einer Buhne in Scheverdingen am Meer und lachten lauthals, wenn eine Welle näher kam. Das ging etwa 64 Wellen  lang so. Besonders laut lachten sie, wenn einige Spritzer dieser Welle ihr Gesicht oder die Oberbekleidung trafen. Die Männer waren überwiegend nichtinländisch, sondern hatten etwas Molukkenhaftes, wie man es in den Nederlanden gewohnt ist. Die Molukken sind zwar Inländer, gelten aber nicht als solche, weil ihre Vorfahren sich  von den Holländern verschleppen oder mit Arbeit unter dem Mindestlohn hatten ködern lassen.
Auf die Frage, warum sie bei anklatschenden Wellen immer so laut lachten, baten sie um ein Foto, wohl um selbst zu sehen, wie komisch das Ganze wirkte. Und da gibt es eigentlich nichts zu lachen, das ist eher tragisch, wenn eine Gruppe ausländischer Inländer ihre Vergangenheit verdrängt und dabei Spaß hat. Irgendwann muss ja auch mal Schluss sein. Die Frage bleibt:Womit?

Georg Krakl - Gedicht mit einer Stromschlagwarnung drin (2016)

Lach nicht über eine Beulennase,
wenn du eine Rüsselnase hast.
Lach nicht über eine Keulenvase,
wenn du an die Schüsselphase fasst.
Pack nicht an den Strom
trotz der vielen Ohm!
Schüssel, Rüssel,
Beulen, Keulen,
Nasen, Vasen
Ohm und Strom.
Das sind Reime.
Das sind Keime
für die Menschlichkeit.
Und für die wir's langsam Zeit.

Trotzdem sei geraten, nicht an Strom zu fassen,
Finger von den Dosen fern zu lassen,
Wenn schon Strom, dann schwimm mit ihm.


(So gesehen ist es ungefährlich,
über Nasen oder Vasen abzulachen.
Insgesamt: Ein Witz darüber wäre spärlich,
da kann man schon was andres machen.)





Günter Krass - Mama

Muttertag. Fred fragte sich, ob er dieses Jahr wieder die obligatorische und bewährte Packung mit 4711-Seife und Zerstäuber schenken sollte, oder die Tosca-Variante? Ein Alpenveilchen wäre auch möglich, aber Fred hasste Alpenveilchen noch mehr als Usambara-Veilchen. Man sollte nicht schenken, was man selbst nicht gern geschenkt bekäme. Aber der Mutter die neue Rolling-Stones-Single zu schenken, sah zu sehr nach Strategie aus. Wenn du sie nicht brauchen kannst, Mutter, könnte ich sie ja nehmen, übte Fred seinen Satz. Die 5 Mark wären gut investiert und die Mutter hatte sowieso keinen Plattenspieler, weshalb sie wohl die Scheibe zurückgeben würde.
Ein holländischer Junge quietschte sich durch Radio und Fernsehen mit dem Lied Mama, das jedes Mutterherz öffnete oder zum Schmelzen brachte. Heintje. Der Mutterglücklichmacher aus dem Nachbarland.
Fred entschied, dieses Jahr in Musik zu investieren. Mama, du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen. Hier formulierte der holländische Hochtöner, was Fred mittlerweile schwer fiel zu artikulieren. Die Mutter stufte Fred mittlerweile als schwierig ein, weil er sein Zimmer nur noch sporadisch aufräumte, heimlich Pardon las und keinen Knick mehr ins Sofakissen machte, was wohl irgendwie gemütlicher und ordentlicher aussehen sollte.
Fred strebte an, die Haare -möglichst unentdeckt- länger werden zu lassen, weil es seinem eigenen Geschmack entsprach,  der zufällig auch mit dem britischer Beatgruppen übereinstimmte, .
Was sollen die Leute denken, widersprach die Mutter, wenn Fred einen Selbstgestaltungsvorschlag unterbreitete, der ihr Missfallen fand.
Heintje - das war ein herzlicher Wunsch zum Muttertag, und gleichzeitig auch eine Waffe. Die Mutter hatte keinen Plattenspieler und Heintje musste schweigen. In dieses Schweigen würde Fred seine erste Stones-Single Get off of my cloud auflegen, die schon einigermaßen abgenudelt war. Wat ess dat denn, hatte die Großmutter gefragt, als er Weihnachten 65 die Platte nach dem Kufsteinlied auf seinem neuen tragbaren Monarch-Plattenspieler von Neckermann aufgelegt hatte.
Vielleicht war Heintje rausgeschmissenes Geld, aber es war ein letzter Versöhnungsversuch mit der Erziehungsberechtigten, um endlich das zu machen, was Fred immer drängender machen wollte.
Du musst doch nicht um deinen Jungen weinen, Mutter, summte Fred vor sich hin, und freute sich auf langes Haar und Sofakissen ohne Knick, auf ein unaufgeräumtes Zimmer und Renate, die bald Angela heißen würde, weil es mit Alma nur kurz geklappt haben würde.


Günter Krass - No milk today


No Milk today, was konnten die Jungs meinen? Keine Milch heute? Fred und die anderen saßen in der Milchbar, hatten Milch satt, sogar mit Geschmack, Bananenmilch, Erdbeer, much milk today. Sie dachten an die Mädchen, die ihre Freundinnen werden sollten, Fred dachte an Renate, die auch vierzehn war wie er, auf die Kammann scharf war. Renate war einen halben Kopf größer als Fred und hatte schon einen richtigen Busen, deren wunderbare Ansätze er im Ausschnitt ihres Sommerkleides betrachtet hatte. Kammann war sauer, aber Renate wollte Fred, war aus dem Ort zurück ins Ferienlager neben ihm gegangen, sie hatten gelacht, sie hatte seine Hand genommenen und er war rot geworden, weil er einen halben Kopf kleiner war als Renate, und das ging nicht, der Mann war mindestens einen halben Kopf größer, so musste das sein, das war gesellschaftliche Norm. Fred wusste nicht, dass er noch 27 Zentimeter wachsen würde, aber da würde schon nichts mehr mit Renate sein. Kammann und Klopper schlugen Fred Regina vor, die war einen halben Kopf kleiner als Fred, aber Regina war Fred zu schnippisch, und eigentlich war Klopper auf Regina scharf, auch wenn er so tat, als sei er hinter Gabi her. In drei Tagen würde er bei Sigrid landen. Kammann nervte. Fred mochte Renate, weil Renate ihn mochte. Kopf hin oder her. Zwei Tage später am Lagerfeuer würde Renate neben Fred sitzen und seine Hand nehmen, und Fred würde feststellen, dass das Fleisch in der Hose einen anderen Aggregatzustand einnahm. So wie Wasser es tut, wenn es ganz kalt wird. Fred würde heiß sein. Das wusste er aber noch nicht. No milk today? Was konnte das bedeuten, die Jungs, die das sangen, waren doch keine Schüler mehr, sonst hätten sie nicht diese Platte aufnehmen können. Die Schulmilch konnte es nicht sein, oder hatte es irgendwie mit Frauen zu tun? Fred musst wieder an Renate denken und an den Ausschnitt ihres Sommerkleides, bzw. was darin zu sehen war. Es war nicht einfach, verliebt zu sein, vor allem wenn Kammann sauer war, denn er konnte nerven, wenn  er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
No milk today. Das Leben war hart, das hatte er mit der Muttermilch aufgesogen. My love has gone away. Da musste es einen Zusammenhang geben. War sie gegangen und hatte die Milchflaschen stehen gelassen? Die musste ja auch leer sein, denn sonst wäre Milch dagewesen. In der Milchbar gab es genügend Milch. Ich nehm’ noch 'ne Bananenmilch!, sagte Fred zur Bedienung und rülpste leise, während er mit dem Finger das Wort Renate auf den Tresen malte.


Georg Krakl - Gedicht mit Beziehungskram drin (2016)

Sie
Sie war nur eine von ganz vielen;
ich wollte doch nur spielen.
Aber sie, sie aber meinte Ernst,
und seufzte: Ernst, wie du besternst
die Himmel meiner Nächte,
so wie ich nur an dich dächte.
Ach, sie war so schön und chic, fast bestialisch,
aber leider nicht grammatikalisch
sicher. Und der Ernst? Kein Name lag mir ferner,
ich heiße Werner.