Günter Krass - No milk today


No Milk today, was konnten die Jungs meinen? Keine Milch heute? Fred und die anderen saßen in der Milchbar, hatten Milch satt, sogar mit Geschmack, Bananenmilch, Erdbeer, much milk today. Sie dachten an die Mädchen, die ihre Freundinnen werden sollten, Fred dachte an Renate, die auch vierzehn war wie er, auf die Kammann scharf war. Renate war einen halben Kopf größer als Fred und hatte schon einen richtigen Busen, deren wunderbare Ansätze er im Ausschnitt ihres Sommerkleides betrachtet hatte. Kammann war sauer, aber Renate wollte Fred, war aus dem Ort zurück ins Ferienlager neben ihm gegangen, sie hatten gelacht, sie hatte seine Hand genommenen und er war rot geworden, weil er einen halben Kopf kleiner war als Renate, und das ging nicht, der Mann war mindestens einen halben Kopf größer, so musste das sein, das war gesellschaftliche Norm. Fred wusste nicht, dass er noch 27 Zentimeter wachsen würde, aber da würde schon nichts mehr mit Renate sein. Kammann und Klopper schlugen Fred Regina vor, die war einen halben Kopf kleiner als Fred, aber Regina war Fred zu schnippisch, und eigentlich war Klopper auf Regina scharf, auch wenn er so tat, als sei er hinter Gabi her. In drei Tagen würde er bei Sigrid landen. Kammann nervte. Fred mochte Renate, weil Renate ihn mochte. Kopf hin oder her. Zwei Tage später am Lagerfeuer würde Renate neben Fred sitzen und seine Hand nehmen, und Fred würde feststellen, dass das Fleisch in der Hose einen anderen Aggregatzustand einnahm. So wie Wasser es tut, wenn es ganz kalt wird. Fred würde heiß sein. Das wusste er aber noch nicht. No milk today? Was konnte das bedeuten, die Jungs, die das sangen, waren doch keine Schüler mehr, sonst hätten sie nicht diese Platte aufnehmen können. Die Schulmilch konnte es nicht sein, oder hatte es irgendwie mit Frauen zu tun? Fred musst wieder an Renate denken und an den Ausschnitt ihres Sommerkleides, bzw. was darin zu sehen war. Es war nicht einfach, verliebt zu sein, vor allem wenn Kammann sauer war, denn er konnte nerven, wenn  er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
No milk today. Das Leben war hart, das hatte er mit der Muttermilch aufgesogen. My love has gone away. Da musste es einen Zusammenhang geben. War sie gegangen und hatte die Milchflaschen stehen gelassen? Die musste ja auch leer sein, denn sonst wäre Milch dagewesen. In der Milchbar gab es genügend Milch. Ich nehm’ noch 'ne Bananenmilch!, sagte Fred zur Bedienung und rülpste leise, während er mit dem Finger das Wort Renate auf den Tresen malte.