Georg Krakl - Schneebesen

 



















Zwischen all den Wendern und Löffeln und Schabern,

die den ganzen Tag über Schnee von gestern

und aufgekratzten Schwestern

labern,

steckte seit damals bis heute der Rührbesen.

Ich war so berührt gewesen.

 

Und plötzlich rotierte voll Anmut der Besen, er rührte,

ich spürte,

er schlug einen Schaum,

und wisperte leise: Ich bin nur ein Traum.


Georg Krakl - Gedicht mit einer Berufsbezeichnung als Metapher drin

Mein lieber Herr Kanalarbeiter,
Sie machen den Kanal hier breiter,
bis zur Oder, bis zur Neiße,
von der Elbe bis zum Rhein
für die ganze braune Scheiße
hier im Land.
Aber gibst uns kein Papier zum Wischen
an die Hand;
und so kann der braune Brei
sich mit den Quergehirnen mischen.
Zeichen an der Wand auf Schwarzweißrot.
Heute Demokrat und morgen tot.
Unter Kreuzen, unter Haken,
und bleichen Leichenlaken.

Mein  lieber Herr Kanalarbeiter,
hör doch auf,
und mach nicht weiter!

Theo von Doeskopp (Georg Krakl) - Zeitform


perfekt oder Perfekt?
Was tun, wenn man nichts tut.
Was tun, wenn man nichts tut?
Was tun, wenn man nichts tut!
Nicht nur Grammatik.
Zeichen setzen, Zeichen lesen, Zeichen deuten.

Bild/Skulptur: Tschakko Metti - Pappkopp aus Paierknödel an Schatten (2021)

Georg Krakl - Langer Winter

Georg Krakl - Langer Winter (2010)



Der raue Reif

am Ast

wirkt steif

und fast

ein wenig dumm.

Der Baum bleibt derweil stumm.

Zum Überwintern

hülf’ ein warmer Hintern.




Der Himmel hatte sie gemacht

Hätte er damals gewusst, dass der Himmel sie gemacht hatte..
Er hätte sie gefragt.
Er wäre losgegangen.
Er hätte sie umarmt.
Er hätte sie geküsst.
Ihre Wange gestreichelt.

Damals wusste er nicht,
dass der Himmel irgendwas macht.
Scheiße.

Jetzt war er in der Hölle.

Linguistik - Lautverschiebung 2021

Lautverschiebung

Knick dich
ins Vieh!

Georg Krakl - Gaulands Jacke

Gauland, deine braune Jacke

mit dem Grünton, schlicht kariert,

die habe ich sehr lange angestiert

und nachgedacht: Ich find' sie Kacke.

Tägliche Hörfehler

Neulich vor zwei Tagen kam mir der Begriff "Unterbefurztsein" ins Ohr und ich grübelte sofort los, was es mit diesem Wort wohl auf sich haben mochte. Man muss sich befurzt machen ... hieß es an anderer Stelle und ich  blieb ratlos und verwirrt. War es denn erstrebenswert, so etwas wie ein Befurztsein zu erwerben oder gar zu besitzen? Ich assoziierte üble Gerüche, so wie sie nach Kohl- und übermäßigen Fleischgerichten mit vielen Zwiebeln entstehen und das soziale Umfeld veröden lassen.

Gab es denn auch ein Oberbefurztsein oder musste es heißen Überbefurztsein?
Die Sprache war schon ein gewagtes Terrain und ich traute mich mal wieder kaum aus dem Haus, um nicht Menschen mit Befurztseinserweiterung zu begegnen. Was hätten sie anfangen sollen mit einem frisch geduschten Mitmenschen, der sich seine Körpergerüche in Drogeriemärkten besorgte und nicht wartete, bis diese von selbst entstünden? 
Ich beschloss mich wieder ins Bett zu legen, um mich mit der Nase unter der Decke an meinen gestern erworbenen Körpergerüchen zu ergötzen.
Ein Tag der beschissen anfing, musste nicht kacke enden.

 

Georg Krakl - Gedichte aus dem Schmierheft

Wegerich


Wegerich auf dem Weg.

Der eine spitz, der and're breit.
So kommen die nicht weit.

Und ohne Feinripp-Unterhemden
im besten Fall bis Emden.

 

Alles fließt gar nicht.

Ein Stuhl steht. Ein Tisch steht. Ein Bein geht. Wasser fließt.

Taliban


Ein Produkt der CIA. Seit 1990 unverwüstbar. Unzerwüstbar. wo die Wüste doch so nah. Öles Bruder. Dein sei auch mein.

Ohne Worte.

Georg Krakl - Blaue Augen (2021)

 Mädchen mit den blauen Augen,

willst zur Braut nicht taugen.

Freier seien

autodromisch,

hippodromisch,

velodromisch

oberbauchsyndromisch

                        komisch.



(Georg Krakl, 2021)

Bibi Du Bai dabei

Bibi ist dabei und ist so begeistert. Dubai - Das Ferienparadies. Oah, wie ist das schön! Bibi entgeistert. Geist ist weg. Sklaven? Menschenrechte? Ja, was denn jetzt? Man kann nicht alles haben. Urlaub ist Urlaub, da will man was Schönes sehen. Dubai eben. Menschenrechte haben wir ja in Deutschland schon. Einfach mal Sonne und Luxus genießen.
Bibi Dubai (anklicken und wundern)

Welttag der Feinrippherrenunterhose mit Eingriff

Nicht schön, aber hässlich. Ein Muss, da keine Alternative vorhanden.
Dann endlich: Die gemusterte Unterhose. Anfang der Siebziger.
 

Günter Krass - Wenn du da bist

Wenn du da bist und ich sehe die Teewurst im Kühlschrank, denke ich: Oh, eine Teewurst. Es ist nicht meine Teewurst. Ich bin Vegetarier und esse im Leben keine toten Tiere im Form einer Teewurst. Eine Teewurst hat etwas Glattes. Etwas Beruhigendes. Ob die wohl noch gut ist? Die liegt schon länger da. Heute hat sie eine Kappe aus Alufolie, damit sie sich nicht verfärbt oder an den Rändern hart wird. Wie lange hält wohl so eine Teewurst, wenn sie angeschnitten ist? Ach, da steht auch noch ein altes Glas Gurken, es ist fast leer, aber hat sich unbemerkt in die hintere Reihe geschoben. Auch nicht mein Glas, ah, aber du hast aber schon ein neues aufgemacht. Gurken halten sich auch geöffnet sehr lange. Länger als Teewurst auf jeden Fall.

Wenn du nicht da bist, denke ich: Ach, die Teewurst. Ach, du bist ja gar nicht da. Wann kommst du denn? Gut, dass die Teewurst noch im Kühlschrank liegt. Sie flüstert mich an: Sie kommt zurück. Ich, die alte Teewurst bin ja noch hier. Niemals würde sie ohne mich gehen. Es sei denn, sie hat mich vergessen.

Aus der Anfangszeit des Mobiltelefons: Schnurlos verschwunden


Früher war er auf Draht. Er stand auf der Leitung. Sie hatte ihn an der Strippe. 

Ach, was für Zeiten, als Derrick noch zum Telefon gehen mußte, oder Harry schickte. Heute der schnelle Griff an die Hose, dass kurzantennige Sprechmittel herausgerissen und ans Ohr gepresst. Wie lieblich die Gäste, die nicht ihre Apparatur in das Sofakissen drücken, um jederzeit ein Gespräch führen zu können, wie man etwa einen Eimer Pflaumen pflückt, oder warum der Topfkuchen verdorben ist, bzw. wie Schalke gespielt hat. Da konnten noch Freundschaften entstehen. Heute wackelt jede Halbintelligenz, die ein Formular ausfüllen kann und deren Dispokredit nicht überzogen ist, mit der  coltähnlichen Stusswaffe durch das Einkaufszentrum. John Wayne hätte seine Freude gehabt an solch Wichtigtuerei, wobei bedacht werden sollte, dass das Wort Wicht natürlich im Detail steckt. Drohgebärde, Imponiergehabe oder exhibitionistisches Outing? Ich ruf dich an! Ich bin wichtig! Ich kann überall telefonieren! Diese drei sollen Motivation sein, sich mit solchem Ballast zu behängen? 

Ich gebe zu: Es gab Zeiten, da hat das Schnurtelefon auch genervt. Als der Wählkasten so leicht war und die Strippe so stramm, nämlich. Da hatte man  nach dem Griff zum Hörer gleich auch die Restapparatur vor der Brust hängen, die sich an aufgedrehter Schnur langsam zurückkräuselte. Nicht schön, wahrlich. Aber was waren das für Dinger: Diese schwarzen, fetten Geräte, die schwer in der Hand lagen, und die jedem Sprecher den Mut gaben, das zu sagen, was er sagen wollte. Kein hektisches Gehechele, kein Business-Röcheln kurz vorm Verfall des Dow-Jones. Das satte Klacken, als fiele eine Mercedes-Tür ins Schloss, selbst nach schlechtem Gespräch, war eine sinnliche Erfahrung, die heute kaum noch jemand nachempfinden kann. Ach, wärn sie doch schnurlos verschwunden, diese Handys und Mobiles und was weiß ich samt ihren Usern. Telly Savalas gen. Kojak würde sich den finalen Schuss setzen, erführe er die unsägliche Schande, die seinem Namen widerfahren ist, nachdem die Telekom ihren werbewirksamen Esprit verspritzen wollte. Und Harry Belafonte rannte seinerzeit ahnunglos ins offene Messer: Hey, Mister Telliman, telli me Banana.... Und Onkel Tom hat in seiner Hütte noch nicht einmal Strom.


Damals vor ein paar Wochen: Trump tritt per Twitter zurück

Trump tritt per Twitter nicht zurück, wie aus inoffiziellen Quellen verlautet wird. Lediglich, wenn man versuche ihn zu treten, trete er zurück, besonders in aufdringliche Lügen-Reporter. Es sei auch notwendig bei Auftritten antizipatorisch vorzutreten, um ein Nachtreten zu vermeiden. Drauftreten sei am effektivsten, da bleibe der Getretene an dem Boden, an den er gehöre. Dort könne er den Dingen auf den Grund gehen.
Trittbrettfahrer seien gewarnt,  die auf den Zug aufsprängen. Das Aufsprängen von Zügen sei noch ein ganz anderes Thema. Wer in einem Atemzug sitze, sollte den Mund nicht so weit aufreißen, der im Gegenzug den Kopf nicht aus dem Fenster halten. Klare Ansagen, die den politischen Gegner im Zaum halten.
Demnächst in einem Zug:
*Die Antizipation der Frau - Was bleibt von der Gleisstellung? Können Frauen Zugführer werden?
*Ist die Bestrafung von Schwarzfahrern rassistisch?
*Trump heißt jetzt Amerika-Fürst.
*Schwarze sollen zu Migranten erklärt werden, da sie seit dem 16.Jahrhundert millionenfach in die USA eingewandert seien. Afrika seit ein sicherer Herkunftskontinent. Das Gleiche gelte für die Indianer, die bereits seit der letzten Eiszeit aus Asien gekommen seien. Auch Asien gelte sicher als Herkunftskontinent.

Georg Krakl - Gedicht mit einer überlangen Zeile hintendran

 

Der Sturm dort, Schatz,

verkühlt dir deinen Wurmfortsatz.

Du musst’ die Hülle zieh’n

darüber und der Gülle flieh’n,

die dein Immunsystem zerstört.

Ach, hört

die Stimme des Propheten,

die lieblicher als Blechtrompeten

klingt

und dir das Lied vom Fortsatzwurm

vorsingt,


der jedem Sturm

trotzt

und vor geballter Kraft

strotzt.



Halt deinen Wurmfortsatz

wohlweislich warm,


denn Menschen ohne Blinddarm

sind arm.


Drum fühl den Sturm dort, Schatz!

Er will den Wurmfortsatz

in jede Himmelsrichtung treiben

und sich an deiner drohenden Immunsysteminsuffizienz voll Schadenfreude reiben.

Dada Neo 2021

Der Politik aufs Maul geschaut. Zungenreden und Lallen für Erwachsene und alte Kinder bzw. kindische Alte. Mit Dada macht man nichts verkehrt. Dada ist Psychohygiene. Mal rauslassen, was immer schon rauswollte.

Georg Krakl - Zwischen Traum und Wirklichkeit (Amsterdam)

Von Amsterdam zu träumen, 

weil die Hamster ham, die schäumen, 

habe ich im Traum mir abgeschminkt, 

weil jetzt vielleicht ein Geldpreis winkt, 

ein Gutschein 

und ich frage mich, kann denn ein Gutschein winken, und kann Geld denn wirklich stinken, 

ach, wenn die Metaphern hinken, 

dann ist Eiszeit in der Seele, 

dann ist Klumpen in der Kehle, 

hätte gern drei Kugeln, 

Schoko, Schoko, Kroko! 

Kroko hamse se nicht? 

Dann nehme ich, ich schäme mich, 

den Nerz, das war ein Scherz, 

Schoko, Schoko,Rosenwurz, 

was, das schmeckt nach Dosenfurz? 

Ja, du Meister Kugelmacher! 

Nehm ich Kleister, Schoko, Schoko,

Kleister und nicht Kroko, 

auch nicht Antilope oder Loipe. 

Wie schmeckt Loipe? 

So nach Schnee und Skiabdruck, 

nach Binnensee und nie nach Stuck, 

vielleicht ein bisschen nach Tapete oder Tapirnase,

und nach frisch zerschlag’ner Deckelvase, 

einem Hauch von Hamsterfell, 

der ganz schnell ranzig wird, 

ach, Danzig, Danzig, 

ach, von dieser Stadt will ich jetzt träumen, 

weil alle Wellen schäumen, 

wo die braune Gischt auf meine weißen Turnschuh zischt und mir versaut. 

Vor ranzig Danzig hat mir immer schon gegraut.

Amsterdam, ja, Amsterdam,

das will ich loben, das ich nicht verschroben,

Amsterdam! Weil die da Hamster ham.

Neue C-Masken für die Dame


Die Fa. Eurozumir hat jetzt ein Konzept vorgelegt, wie die Überreste der FFP2-Masekn sinnvoll in den Alltag integriert werden könnten. Die Masken würden ja aus einem Ganzkopfmodell herausgeschnitten,  um Mund und Nase zu bedecken und dann achtlos irgendwie weggeworfen oder von den Mitarbeitern mit nach Hause genommen, um sie den doppelkinnigen Ehefrauen, die an Spannungskopfschmerz über die Frage litten, was denn mit den Reststücken der Zuschnitte passiere, wohlwollend zur Verbesserung ihres Gesichtsausdrucks zu übergeben.
Ein dünnes Elektrokabel könne auch leichte Stromstöße übermitteln,  die insgesamt auch einen freundlicheren Gesichtsausdruck im Rahmen der Gesamtkrise bewirkten.
Eine schöne umweltfreundliche Idee, die das Upcyclen fördert und Ressourcen schont.
Wirtschaftsminister Altmeier hat dem Ganzen schon ein freundliches Zugrinsen zugestanden und erwartet natürlich Hilfen zur Umsetzung des Ganzen, auch in Form von Euros oder Bitcoins. Damit liege er im Trend, betrachte man den CSU-Fraktionsstellverräter Nüsslein mit seiner Maskenstrategie in die eigene Tasche.

Jetzt auch Ampelmädchen

Im Rahmen der Gleichstellung sollen jetzt neben den Ampelmännchen in Berlin und sonstigem Osten die Ampelmädchen eingeführt werden. Lampe an! und Lampe aus! sind die Signale, die sie aussenden. Da im Wort Ampel auch das Wort Lampe steckt, kam die Gleichstellungsbeauftragte auf die Idee, endlich für Gleichstellung zu sorgen.
Wo sie zum Einsatz kommen sollen, ist noch fraglich, Bedarf muss geschaffen werden, Stellenausschreibungen laufen.
An belebten Fußgängerüberwegen sollen sie nicht installiert werden, weil die Kombination Grün-Stehen-Lampenschirm auf dem Kopf-An der Halskette zupfen  keine deutlichen Handlungsanweisungen gibt. Man ist aber guter Hoffnung, doch noch ein Plätzchen zu finden, wo die Ampelmädchen keinen  Schaden anrichten können.

P.S.: Die Gleichstellungsbeauftragte betont noch einmal ausdrücklich, dass es Gleichstellung und nicht Gleisstellung heiße. Letztere falle in den Geschäftsbereich der Deutschen Bahn AG.

Günter Krass: Sonntagssachen

Grausame Helancasöckchen
Es ist grausam. Heute ist Sontag. Bodo steht am Graben an der Straße vor dem Haus und würde gern auf die andere Seite springen.Da wo das Korn schon einen Meter hoch ist.
Aber die Mutter ruft : „Mach dich nicht dreckig!“
Ein schlimmer Tag! Gleich will die Familie einen Sonntagsspaziergang  machen. Dazu haben alle ihre Sonntagssachen an, die die Woche über im Kleiderschrank hängen und geschont werden.
Sonntagssachen sind Kleidungsstücke, die gerade erst gekauft worden sind und möglichst lange neu bleiben sollen. Sie verschwinden sofort im Kleiderschrank, um dort zu altern, damit sie irgendwann täglich angezogen werden können. Kinderkleidung ist dann fast schon zu klein.
Sonntagshosen sind unangenehm: Sie dürfen nicht dreckig werden, deswegen kann man sie nicht richtig anfassen.
Bodo muss heute seine neue Popeline-Hose anziehen, die er hasst. Der Stoff ist glatt und nimmt eingerissene Fingernägel übel. Schlimmer ist nur, mit eingerissenen Nägeln in Nylonstrümpfen hängenzubleiben. Bodo trägt keine Nylonstrümpfe. Er hat Söckchen aus Helanca. Die sind auch schlimm. Man bleibt in ihnen auch hängen. Helancasöckchen sind unverwüstlich, sogar unzerstörbar. Die Hoffnung, dass die irgendwann kaputt gehen ist gering. Verbrennen ist wohl die einzige Methode. Nyltest-Hemden kommen gleich hinter Helanca Söckchen. Aber die sind bügelfrei, was der Mutter Arbeit spart.
Bodo schwört auf Baumwollhemden. Wenn es warm ist, kleben Nyltesthemden auf der Haut, wenn es kalt ist, friert man in ihnen. Man kann sie nur mit geballten Fäusten anfassen, wenn man eingerisene Fingernägel hat.
Heute ist die Popeline-Hose Bodos Gegner. Er hält die Hände weit von der Hose entfernt, spreizt mal die Finger, ballt dann die Hände zu Fäusten. Er überlegt immer noch, über den Graben zu springen, auch wenn das Ärger gäbe. Seine Helanca-Söckchen wären dann voller Kletten.
Doch da ruft die Mutter:“Komm jetzt, wir wollen los!“
Lustlos trottet Bodo hinter den Eltern her und achtet genau darauf, dass seine Finger nicht die Popeline-Hose berühren.
Er fragt sich, wie wie lange es wohl dauern wird, bis er in den Sonntagssandalen Blasen hat.
Sonntage sind grausam!

Winfried Hackeböller: Sonntagsspaziergang

Die Eltern eisenhart: Am Sonntag ist der Sonntagsspaziergang dran. Die guten Sachen angezogen, die so lange für sonntags geschont wurden, bis sie nicht mehr passten; die verhasste Popelinehose rüttelte an meinem Nervengerüst. Haken an den Fingernägeln blieben am Stoff hängen und hinterließen eine Gänsehaut, die nur bei ähnlichen Gelegenheiten mit Nylonstrümpfen entstand. Langeweile gepaart mit höchster Aufmerksamkeit: Mach dich nicht dreckig, wir fahren noch zu Tante Wilma! Mir zitterten die Knie: Tante Wilma war die Steigerung von Langeweile. Sonntag. Das Wort konditionierte nach ein paar Jahren einen Kloß im Magen, einen Brocken, der hinauswollte. Hoffentlich ging es nicht nach Espelkamp! (Aus: Winfried Hackeböller: Warum ich Künstler wurde und Eisenskulpturen aufstellte, S. 703, Wietersheim 2001)

Georg Krakl - Gedicht mit zwei Tieren drin

Mist, Käfer,

dass du nicht aus Gold, Käfer,

bist.

Dann wär ich 

reich.

Jetzt gleich.

Mist, Käfer,

Dass du nur aus Mist

bist,

sprach der hochverschuldet-depressive Siebenschläfer.


Versprecher im Alltag: Aus der Kaffeekasse trinken

Da lacht der weise Mann, wenn er hört, dass jemand aus der Kaffeetasse trinken wollte und dann sagt: Ich habe aus der Kaffeekasse getrunken.
Wir alle wissen, dass Kaffeekassen nie stimmen. Obwohl jeder, und wir selbst natürlich besonders, immer etwas mehr hineinlegt, als er vertrunken hat, ist nie genug drin. Dieses Additions- und Subtraktionsdilemma können nicht einmal weise Mathematiker erklären.

Wenn denn jemand, der die Kasse überzahlt hat, aus dieser - versehentlich, obwohl er etwas anderes sagen möchte - trinkt, dann deutet das auf das Bedürfnis hin, einen gerechten Ausgleich zu schaffen, der das Ungleichgewicht wieder in die Waage bringt. Er möchte, dass die Kasse stimmt.
Wer aus der Kaffeekasse trinkt, fügt ihr die ausgleichende Gerechtigkeit bei. 

Ob das in der Realität funktioniert, bleibt unerklärt. Die psychische Komponente der allumfassenden Balance scheint sich hier in die koffeingebeutelten Hirne gefressen und einige Areale zerstört zu haben.

Daher ist der Rat: Lege lieber etwas zu wenig in die Kaffeekasse. Wenn andere mehr rein tun, wird die Kasse schon stimmen. Der um Ausgleich Bemühte muss sich nicht so quälen, denn sein gutgemeintes Tun evoziert trotzdem schlechtes Gewissen. Da gilt es das Handeln zu rationalisieren. Das ist anstrengend.

Koffein ist ja sowieso nicht die optimale Substanz für die Gesundheitsfürsorge.
Also: Der Tschibo-Onkel mit der Melone damals, der hätte einfach mal die Klappe halten sollen. Heute stünde er im Verdacht, Kinder verführt zu haben, die wir damals noch waren. Und danach fahndet der Staatsanwalt.

Vielleicht wäre es das einfachste, wenn jeder das reintäte, was er reintun soll.
Dann ginge es auch den verstörten Mathematikern bessern.

Salzkrusten-Orakel - Der Schwanz am Ende des Tieres

Neulich vor 10 Tagen: Provence, 40 Grad Celsius. Ich trinke kaum. Jetzt aber. 3 Liter. Der Körper schwitzt. Und schwitzt. Fahrradfahren wegen des Fahrtwindes. Keine Abkühlung. Schwitzen. Schweiß, Salz und Drüsen. Das Unterhemd trocknet am Körper. Salz auf meiner Haut. Salz in meinem Unterhemd.
Bilder sind zu sehen, die mein Körper gemalt hat. Salzkrustenbilder.
Was will mir mein Schweißdrüsensystem mitteilen?
Ich gieße mir ein Glas Rotwein ein, denn es ist 18 Uhr. Ich trinke einen Schluck und beschließe, mit meinem Unterhemd Geld zu verdienen. Richtig Geld. Den Menschen zu zeigen, wo's langgeht. Karten zu entwerfen, die man kaufen kann; die man sich legen kann. Sich legen lassen kann. Legehilfe. Lebenshilfe.


Karte 1 etwa: Der Schwanz am Ende des Tieres.
Was kann es bedeuten, wenn man dieses Bild als Tageskarte gezogen hat? Ich lasse meine Gedanken schweifen, Brainstorming. Rotweinbeflügelt. Es sind immer noch 34 Grad.
"Das Bild: Du triffst ein Tier mit langem Schwanz, der am Arsch ist. Mit spitzem Kopf und dünnen Beinen. Das Tier demütigt ein Mitwesen, das du nicht bist. Das Mitwesen ist bereits blau angelaufen, weil es nicht die erste Demütigung ist, sondern ein alltäglicher Vorgang, den du nur beobachten kannst. Du hoffst nicht selbst in die Rolle des Mitwesens schlüpfen zu müssen, denn das Tier kennt keine Gnade. Du stehst gesichtslos daneben, dir fehlen die Arme, dir fehlt das Hirn, aber du hast ein paar prima Hirschhornknöpfe an deiner Jacke, die du auch zum nächsten Oktoberfest oder zur Wiese'n im Nachbarort anziehen kannst. Aus dem Himmel hängt etwas heraus. Das muss dich nicht interessieren, solange es dir nicht auf den Kopf fällt. Das Tier mit dem langen Schwanz hat dich noch nicht entdeckt und du hoffst, dass das so bleibt."
"Quintessenz: Vielleicht ist das Tier dein Chef. Überlege, was du über dessen Physiognomie weißt. Geh ihm heute aus dem Weg. Vielleicht meldest du dich krank und gehst zum Frühschoppen auf die Wies'n. Andern helfen bringt nichts, da läuft man vielleicht selber blau an. Wenn etwas aus dem Himmel raushängt, kuck einfach nicht hin! Freu dich über deine schicken Hirschhornknöpfe!"

Ich lese mir den Text durch. Sprachlich muss noch nachgebessert werden. Irgendwie muss alles noch diffuser und esoterischer klingen. Wenn der Chef eine Frau ist? Das passt das doch vorne und vor allem hinten nicht. Gut, Oktoberfeste gibt es mittlerweile überall und einen Himmel auch. Morgen ist auch noch ein Tag....Morgen ist auch noch ein Tag - Das ist doch auch ein schönes Thema für die Tageskarte!
Ich trinke einen Schluck Rotwein und freue mich, dass es mal wieder was zum Geldverdienen gibt.



Maulkorb oder Mundschutz?


Der Müll am Wegesrand hat sich verändert. Früher war es selten, dass man einen Mund- und Nasenschutz im Gras fand. Sah man einen dort liegen, glaubte man sofort, sie gehöre einem Oberarzt, der direkt vom OP-Tisch weg das Weite gesucht hatte, weil er keinen richtigen Schnitt machen konnte, weil der Patient trotz ausreichender Betäubungsmittel geschrien hatte oder einfach, weil ihm alles zu viel geworden war.

Das ist heute anders. Der Mundschutz gehört zum alltäglichen Erscheinungsbild der Menschen und liegt demzufolge auch am Wegesrand, weil ihn unbesorgte Bürger dort abgelegt haben. 

Eine Woche tragen ist genug, der ist ja völlig durchgesifft, da ist aber auch keine Ecke mehr keimfrei, also weg damit! Soll sich die Natur drum kümmern, daher kommt ja auch das Virus, oder heißt es das Virus, ist ja auch egal. Ist ja noch nicht mal FFP2. Fünfklassengesellschaft. Vom einfachen Synthetik-Schal bis zur Darth-Vador-Luxushardcover-Maske mit Platinkatalysator - jedem das Seine, weil er es sich leisten kann, oder eben nicht, so denkt der Mensch, der seine Papiertüte am Gummiband an den Wegesrand wirft und glaubt, er habe jetzt mal richtig gegen die verlogenen Gesundheitswelt protestiert. War nur keiner da, um zuzugucken. Da muss man schon nach Washington vor das Capitol fahren, wen man auf interessierte Menschengruppen treffen will.

Zukünftige Altertumsforscher werden bei ihren Ausgrabungen nicht mehr zwischen Maulkorb und Mundschutz unterscheiden können; ist der erste eine Metapher, die sich auf ein Redeverbot bezieht, zum Beispiel, wenn einem Pfarrer untersagt wird, gegen den Verschleppungskünstler und Kirchenmann Wölki zu sprechen, weil der zu Missbrauchsfällen in der Kirche einiges verschweigt, meint der Mundschutz eine Art Barriere, die verhindern soll, dass jener Pfarrer den Oberhirten anspeichelt, bzw. ihm die Aerosole ins Gesicht hustet, weil der das vielleicht verdient hat. Alles natürlich rein sinnbildlich.

Da sollten wir uns lieber um den flüchtigen Oberarzt kümmern. Der Wölki kümmert sich derweil um unser Seelenheil, um die Kunstfehler des Schnitters im Himmel zu korrigieren oder zu kompensieren. Und das soll uns alle auffordern, nicht einfach unsere Masken abzuwerfen, sondern die Bewahrung der Schöpfung aktiv mitzugestalten, in der ja auch der Missbrauch vorkommen kann, sonst hätte der liebe Gott ihn nicht gemacht.

Mann, Mann, wo kann  man landen, wenn man eine vollgesiffte Alltagsmaske am Wegesrand findet!


Schön hässlich

Wie schön kann das eigene, eben noch verachtete Leben sein, wenn  einem etwas wirklich Hässliches begegnet.
 

Wo nicht viel ist

Wo nicht viel ist, ist immer noch mehr, als wo gar nichts ist.

(Örtliche Weisheit, 2021)



 

Krauses Haar ist dir gegeben

Wie gern hätte Bob die Haare glatt gehabt, damals, als lange Haare modern waren. Wie lang seine Haare, die sich in wüsten Locken kräuselten, letztendlich waren, konnte man nur im Hallenbad sehen, wenn sie richtig nass waren. Aber auch dann gaben sie nicht richtig nach und standen quer vom Kopf ab. 


Bob ließ die Haare wachsen und wachsen, bis er Mühe hatte, ein Zimmer zu betreten, weil sein Kopf zusammen mit dem Bewuchs einen zu großen Durchmesser hatte und nicht durch den Türrahmen passte.

Zwar wurde der Afrolook kurz darauf erfunden, aber nicht nach Bob benannt.

Lang waren die Haare aber doch nicht, höchstens sperrig oder breit. 

Langhaariger! Das klang revolutionär! Aber Breithaariger? Das war, als ob Frisur und Frisör zusammen einen gesoffen hätten. Querkopf ging gerade noch so, aber die gab's schon; vor allem hatten die oft kurze Haare und waren um die 50, hatte weder Frau noch Familie. Die lebten auf dem Land und wählten noch nicht mal CDU, was ja schlimm genug gewesen wäre.

Wozu Locken wirklich da waren, konnte der traurige Möchtegernlanghaarige erst mit der Erfindung der Minipli-Frisur erkennen, dem Vorläufer des Mikrofaser-Wischmops, den vorsätzlich Volksmusikanten und abgehalfterte Schlagersänger trugen. Zumindest wurde nach Bob ein bekanntes Sportgerät benannt. Den Einer-Bob benutzte man, wenn einem schlecht war. Er hatte zwei Griffe und ein großes Loch zum Reinkotzen. In alten Kneipen, die seit 100 Jahren nicht renoviert haben, findet man den noch. Bob ist auch ein halber Hund, weil dem der Schwanz fehlt. Mit Schwanz hieße er Bobtail. Hätte Bob damals die Haare gleich glatt gehabt, wäre das alles nicht geschrieben worden. Und gelesen schon gar nicht.


 

Endlich


 Die Schweiz will fröhlicher werden.