Geburtstagskarte: Wusstest du schon... (Samstag, 3.5.08)

..., dass du ein charmanter, liebenswerter und dufter Typ bist? Komisch, dass das keiner unterschreiben wollte. Aber die Karte ist jetzt da, gekauft und bereit, dem Geburtstagskind übermittelt zu werden. Da ist es nötig, einen Kommentar zu schrieben, damit der Geburtstagsfeiernde nicht einem Missverständnis erliegt.

Geburtstagsgrüße sind ja immer positiv. Affirmativ eben. Sie bestätigen das Gewünschte. Hach, so bin ich also, denkt der Gegrüßte. Charmant. Super.
Aber mal ehrlich, wie sind die Leute, die charmant sind? Schmieren sie den Leuten nicht Honig ums Maul? Und wo ist die Grenze? Sind die Charmanten nicht die, die nie nein sagen können? Die lieber zuvorkommend, türaufhaltend und rechnungzahlend dem Konflikt aus dem Weg gehen? Und- charmant natürlich nur zu Frauen. Wie ist das dann Männern gegenüber? Charmant = kumpelhaft? So im Sinne einer an der Theke geschmiedeten Männerfreundschaft? Das ist doch etwas ganz anderes. Und überhaupt: Im Rahmen der Gleichstellung der Frau hat Charmantsein oder Charme einen faden Beigeschmack. Das sind doch diese alten Machos, die immer noch die gleiche Masche stricken. Wobei sie gar nicht stricken können, denn das widerspricht dem Macho. Das durchschauen Frauen mittlerweile, wenn sie umgarnt werden. Die anderen nehmen es immer noch billigend, also genüsslich, in Kauf. Ehrlich gesagt, der Begriff charmant ist fragwürdig und einseitig. Und welche versteckten Vorwürfe da mitschwingen!

Liebenswert. Das klingt so weinerlich. Keiner hat mich lieb.Alle denken nur an sich. Da hat doch jeder das Bild vom verheulten Jungen vor dem inneren Auge, der rotznäsig auf die Mutti wartet, dass sie ihm die Nase putze und mal kräftig an den Busen lege. Klar, dass da in den Damen die Mütterherzen schlagen, praktisch Domglocken gleich, dass da Instinkte freigeschüttelt werden! Die Antwort für den Verheulten: Du bist es auch wert, geliebt zu werden. Du bist nicht allein, um es mit Roy Black zu sagen. Heul doch, wir haben dich trotzdem lieb. Dagegen kann man gar nichts machen. Wer will mit diesem Bild als Mann leben? Liebenswert. Das klingt schon wieder nach Fehlern. Wir nehmen dich wie du bist. Und du bist eben so. Kann man nichts machen. Wer von liebenswert spricht, ist doch nur jemand, der seine antrainierte Herzensgüte präsentieren möchte. Motto: Hallo, hier komme ich, ich habe ein großes Herz! Wer muss getröstet werden? Ach, selbstverliebte Egomanen sind das, die ein neues Opfer suchen.

Dufter Typ. Da zieht sich die Nase zusammen und wir schnuppern angestrengt. Vielleicht, um Witterung aufzunehmen. Wonach duftet ein dufter Typ? Versteckter Hinweis, gut gemeint natürlich: Hat dein Deo versagt? Obwohl angemerkt werden muss: Wenn mir etwas stinkt, dann finde ich das nicht dufte. Aber: Wenn jemand verduftet ist? Ist er dann doch dufte, oder stinkt es dem oder der? Schwierige Frage.
Mit der umgangssprachlichen Wendung "dufte" ist vorsichtig umzugehen. Schnell wird daraus: Ich kann dich nicht riechen. Vielleicht, weil das Deo neutral ist und mit dem Körpergeruch gemischt ein Nichts ergibt. Oder, weil es einfach stinkt, also, der Typ.

Manchmal greift die Hand, die Gutes will, daneben. Die Welt ist voller Fußangeln und Kopfnüsse. Wer will schon immer die möglicherweise tragische Reichweite seiner Handlungen voraussehen? Eine gutgemeinte Karte kann den Gegrüßten in ein tiefes Loch stürzen, aus dem er sich nicht selbständig herausarbeiten kann. Das Unbewusste schwingt mit. Das wollte ich dir schon immer mal sagen, habe es aber nie gewagt. Du bist ein Honigumsmaulschmierer, du bist eine Heulsuse und du stinktst mir gewaltig! Auf der Karte heißt das: Wusstest du schon, dass du ein charmanter, liebenswerter und dufter Typ bist?
Da bleibt nur die Karte, mit der man fast nichts falsch machen kann: Geburtstag, Alter! Wann gibt's die Getränke?