Farben im Wandel der Zeit

Die Zeiten ändern sich und mit ihnen Modefarben. Waren in der Steinzeit besonders erdige Töne beliebt, wie etwa Bärenfellbraun, Karnickelgraubraun und Umbra, so liebte man im Mittelalter besonders Polierteseisensilber und Rüstungsrostbraun. Im 21.Jahrhundert ändert sich der Geschmack fast halbjährlich, die Modebranche diktiert, was gefallen muss, weil sonst ein Kaufverbot droht. Der verstörte Kunde glaubt treuherzig die Drohung und kauft alles Mögliche in den hässlichsten Farben, weil er Angst hat, die Industrie und der Einzelhandel würden ihm demnächst den Zugang zu ihren Waren verbieten. Weit gefehlt! Natürlich muss der Kunde kaufen, damit die Industrie weiterhin hässliche Farben und noch hässlichere Mode produzieren kann. Und mal ehrlich - mit Aussperrung droht der Kapitalist doch erst, wenn der Lohnabhängige streikt. Im Einzelhandel heißt der Kaufstreik allerdings Boykott, und da das kaum jemand schreiben kann, verzichtet man auf dieses Kampfmittel und kauft weiter, mit schlechtem Gewissen zwar, aber auch mit dem Gefühl der Hilflosigkeit.
Die Lebensmittelindustrie hat sich umorientiert: Sie produziert nicht am Käufer vorbei gemäß dem Motto "Der Hunger treibt's schon rein", sondern bereitet ihre Speisen mit den natürlichsten Lebensmittelfarben zu, so dass ein kurzer Seitenblick auf die dargebotenen Köstlichkeiten das Wasser im Munde versammelt. Sahnehaltige Süßspeisen wie Torte und Biskuitrollen werden in dezentem Braun gehalten, damit der hohe Kaloriengehalt nicht auf das Gemüt schlägt, dazu weiße Tischdecken und das passende Porzellan, quasi als Sahneersatz, den man nicht verzehren kann, was wiederum das Gewissen beruhigt (Von dem Weißen habe ich überhaupt nichts gegessen!). Umrahmt wird die Tafel von einer Garnitur rot-grüner PET-Flaschen mit Limonade, die durch die Farbkombination ROT-GRÜN dem Trinker mitteilt, er handele nach sozialdemokratischer Ausrichtung in Verbindung mit einem Umweltbewusstsein, das sich die Grünen an die Brust geheftet haben. Vielleicht genügt diese Farbzusammenstellung nicht der Ästhetik eines Kunstmalers, wohl aber macht sie den Kampf mit dem Körpergewicht erträglicher und hält die Hoffnung aufrecht, diesen Kampf eines Tages zu gewinnen.