Tonnes Tagebuch: Samstag


Liebes Tagebuch!
Es gibt kaum noch Toiletten, die man kostenlos benutzen kann. Immer sitzen Personen hinter Geldtellern herum, die einem ein schlechtes Gewissen machen, wenn man nicht den erwarteten Betrag hinlegt.
Ich muss hier arbeiten und du gibst nichts?, scheint auf der Stirn geschrieben, das ist Scheiße, steht in Zeile zwei.
Die Steigerung sozial Gebeutelter, die vor Toiletten herumsitzen, ist eine dunkelhäutige Person, die mit großen Augen schaut, was nach Verrichtung des Geschäfts -wobei überhaupt nicht zwischen Größe und Qualität des Abschlusses differenziert wird- auf dem Teller liegenbleibt. Du Rassist!, schreit es förmlich aus ihnen heraus. Wir machen hier die Sklavenarbeit und du lässt den Teller leer! Ja, Massa, weiter so, Massa, erstick doch an deinem Geld, das du nicht geben willst, obwohl ich deine Geschäftsbeziehung pflege.
Jetzt aber sitze ich hinter meinem Teller und ruhe mich aus!
Man zahlt und hat seine Ruhe. Ein dunkles Danke tönt aus der Klomannkehle - die bei gleicher Qualifikation eine Frau sein kann - und man ist frei.

Aber dann die unbetreuten Klos! Herrlich! Allerdings sind die Benutzer dieser nicht immer sofort einzuordnen, weil sie sich so verhalten, als könnten sie sich verhalten, wie sie wollten. 
Neulich erst: Kommt ein Mann mit dünnem, gefärbtem Haar und einem ebenso dünnen Schnäuzer, der wie angeklebt wirkt, in die Urinalabteilung gestürmt, tritt an die Keramik und stößt ein "Oh, mein Gott" aus. Man wundert sich natürlich, was das soll, mit wem er spricht oder zu wem? Vielleicht empfindet er es als einen Akt der Gnade, hier zu stehen. Vielleicht ist er nur selbstverliebt und neigt zur Blasphemie. Blasphemie erhält hier natürlich eine skurrile Bedeutung.
Jener Mann ist dann schnell im Händewaschraum und spricht einen anderen Mann an, dieser habe aber eine wunderbare Krawatte umgebunden und ein schönes Hemd dazu. Der Angesprochene grunzt etwas, was nicht zu verstehen ist. Verständlich, denn er hat weder eine Krawatte am Hals, lediglich einen rötlichen Schal, und einen Pullover an, der auch einen merkwürdig gemischten Rotton aufweist. Beide verschwinden auf der Rolltreppe, in gehörigem Abstand; der gefärbte Mann  schüttelt sich das Haar aus der Stirn, das aber dafür zu kurz ist, vielleicht als Folge des häufigen Färbens, und murmelt jetzt seinerseits Unverständliches.
In diesen Momenten der Verwirrtheit und der Wirrnis wünscht man sich einen kräftigen Schwarzen an die Tür, der die kleine Toilettenwelt wieder ins rechte Lot rückt, der die Ordnung wieder herstellt: Rein, raus, zahlen! Und zwischendurch wird nicht gequatscht!