Häuptlinge


Bodo war Häuptling, das war klar; Eddi der etwas kleiner war als Bodo, hatte auch eine Anwartschaft angemeldet und Bodo hatte ihm notgedrungen eine Häuptlingschaft übertragen müssen. Die war natürlich etwas kleiner als die von Bodo, denn Eddi war, wie gesagt, auch etwas kleiner.
Jetzt fehlten nur noch Krieger und ganz normale Indianer, denn was nützte einem der Titel Häuptling, wenn es nichts gab, dessen Haupt man sein konnte?
Robert war etwas größer als Bodo, aber eher ein Weichei, eigentlich kein richtiger Indianer, denn er weinte schnell, wenn er sich das Knie aufgeschlagen hatte oder wenn es gewitterte.
Robert hatten die beiden Häuptlinge an einen Baum gebunden. Da zu wenig eigene Krieger da waren, die man befehligen konnte, hatten sie beschlossen, als Häuptlinge mit Vorbildcharakter für den Stamm auf Beutezug zu gehen und einen fremden Krieger gefangen zu nehmen. Das war Robert gewesen, er hatte sich nicht besonders gewehrt und schnell war er am Birnbaum festgezurrt. Jetzt ging es darum, ihn zu martern, denn prinzipiell wurden Gefangene gemartert und konnten dann ihren Mut zeigen und beweisen, dass Indianer keinen Schmerz spüren. Robert war allerdings kein gutes Marteropfer. Bereits bei dem Hinweis, dieser Birnbaum, an dem er stünde und festgezurrt sei, sei ein Marterpfahl, ließ ihn in Tränen ausbrechen. Bodo und Eddi wurden unruhig. Ein heulender fremder Krieger konnte schnell die erziehungsberechtigten Bleichgesichter anlocken und die besaßen Feuerwaffen und andere unangenehme Mittel, dem Geschehen einen anderen Verlauf zu geben.
Eine Friedenspfeife war mit Robert auch nicht zu rauchen, er hatte Probleme mit der Atmung, irgendwie asthmatisch, was bei Indianer normalerweise nie vorkam.
Robert beruhigte sich nicht einmal, als die Häuptlinge ihn vom Marterpfahl befreit hatten, vielmehr  brach es aus ihm heraus, dass er es satt habe, immer zu tun, was die Häuptlinge von ihm verlangten, er wolle endlich auch einmal Häuptling sein, auch Befehle geben, auch etwas zu sagen haben.
Obwohl es Bodo und Eddi höchst absurd vorkam, dass drei Häuptlinge herumstanden, aber nicht ein einziger Krieger da war, deren Häuptlinge sie hätten sein können, ernannten sie Robert schnell zum Unterhäuptling, bevor die Bleichgesichter, die sie auch Kalkleisten nannten, herbeieilten und sich am Geschehen zu beteiligen. Robert beruhigte sich nach seiner Beförderung und versuchte auch einen Zug an der Friedenspfeife.
Später wurde Robert Mediziner und konnten anderen Menschen nicht nur beruflich Schmerzen zufügen, sondern auch noch Geld dafür kassieren.